Die Agentur und das Exposé

Meine Logline: Als die letzten Männer nur noch in Frauenkleidern versteckt auf die Straße gehen können, entscheidet eine Ärztin, ob die Männer noch zu retten sind.

Ich habe 13 Agenturen und Verlage angeschrieben und jede Mail fühlte sich wie das Ausbrüten eines Eis an. Für die Henne sicher aufregend, ein Ei zu bebrüten, Tag für Tag, während ich aktuell mit 3 verschiedenen Exposés jongliere und mir einen Spaß daraus zu machen versuche, dass es ein Experiment sei, welches wohl Erfolg bringen könnte. Bringt denn eines Erfolg? Ich habe in den letzten Tagen NUR 13 Agenturen angeschrieben, nicht mehr und nicht weniger. Wenn man aber eine Agentur anschreibt mit dem Wissen, nie wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen, wenn man den Empfänger der Mail nicht direkt erreicht, dann …

Jede Mail ausgebrütet. Während dessen bestimmt auch acht Mal die Leseprobe gelesen und korrigiert. Hier ein Wort, da ein anderer Satz und noch einen Rechtschreibfehler gefunden und da versteckte sich noch ein winziges Detail.

Und jede Agentur will was anderes: Hier mal ein Fragebogen, dort 30, hier 10 Manuskriptseiten (ca. 1800 Zeichen pro Seite), eine Kurzzusammenfassung und ein Exposé und einen Klappentext, dann wieder nur 1 Seite zum Inhalt. Da kann man brüten und brüten.
Ein Hauch Tarantino-Genie hätt ich gern – ein winzigen Hauch. Meine Ausfahrt „Film“ liegt noch etwas in der Zukunft, aber „träumen wird man ja wohl noch dürfen, junges Fräulein.“

Die feministische Near-by-Dystopie erzählt – nach einer großen Katastrophe – aus zwei Ich-Erzähler-Perspektiven von der Umbruchphase der Gesellschaft, die sich in eine mono-geschlechtliche Gesellschaft verwandelt.
Jacek erzählt „Unten“ in passageweisem, philosophisch-essayistischem Präteritum in Form eines Prosatagebuch, während Anna „Oben“ in kurzen, verknappten in Präsenz verfassten Berichten das aktuelle Geschehen sowie ihre Forschung kommentiert und dokumentiert.

(Auszug aus meinem Exposé III)

Klingt das danach, dass man weiterlesen will? Ich meine, es klingt wie eine technische Erklärung, wenig interessant. Wie aber fängt man seinen Leser ein, wenn man ihn nicht kennt, wenn man nicht weiß, welche Interessen er oder sie hat, wenn man keine Infos hat, aber ihn dringend mit den ersten zwei Sätzen für sich gewinnen muss? Ich hab’s versucht, die Homepage gedeutet, die Tonalität, den kritischen oder fröhlichen Ton, mit dem sich Agenturen über unverlangte Manuskripte äußern. Ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge, den Agenten oder Verleger, wie er am Strand Stein für Stein lüpft und zur Seite wirft, weil er darauf hofft, einen Bernstein zu finden. Wie er schon Stunde um Stunde und Tag um Tag Steine umdreht, hochhebt und manchmal sogar denkt, dass doch bitte da irgendwo auch etwas Bernstein drin sein könnte. Natürlich weiß er, dass da kein Bernstein im Stein sein kann, nur daran. Ist ja Harz. Aber er wünscht sich so sehr und ist es gleichzeitig müde.

Einfach nur eine Mail schicken, alle Agenturen mit Leseproben und Exposés beregnen… Ich bin kein geduldiger Mensch.

Plötzlich hat sich die Welt verändert, als ein Virus, der als Schläfervirus in die Geschichte eingehen wird, nahezu alle Männer innerhalb weniger Wochen und Monate weltweit auslöscht. Frauen kämpfen um ihre Männer, die Versorgung und die Vermeidung von Seuchen. Börse, Banken schließen, das weltweite Wirtschaftssystem bricht zusammen. In Deutschland wird der Notstand ausgerufen, jedes Bundesland erhält Länderhoheit, nachkriegsähnliche Zustände wie fehlende Nahrungsmittel, fehlende Arbeitskräfte und zahlreiche Tote überall bestimmen den Alltag. Ängste, Hunger sowie Ausweglosigkeit führen zu vielen kollektiv organisierten Selbstmorden.

Politisch setzt sich eine Fraktion durch, die bei den letzten Bundestagswahlen als feminstisch-faschistische Partei gerade in die 5%-Hürde genommen hatte, die belächelt worden war, weil sie nur aus Frauen bestand. Eine scheinbar kleine Gruppe organisierter junger Frauen sucht gezielt nach Überlebenden, um sie zu töten, während andere Gruppierungen nicht aufhören, Trauergesang anzustimmen. Wieder andere sehen darin ein Zeichen Gottes, füllen sich erlöst, während weltweit die Ärztinnen immer weniger Hoffnung haben, rechtzeitig ein Heilmittel zu finden.

Auch aus diesem Exposé III

Ich muss übrigens sagen, dass meine ganze Ironie, die ich in der Corona-Krise immer wieder aus Pietätsgründen höchstens privat äußern durfte, hier hab einfließen lassen. Mir hat es so viel Spaß gemacht, dass humoristisch zu überzeichnen, auch im Roman kommt das immer wieder durch. Bist du interessiert an der Geschichte? Würde dir das reichen, um meinem Manuskript Raum zu geben? Der ganze Rest meines Exposés … hier ist er:

Als der Mann, JACEK KOWALSKI (55), Ehemann der Gynäkologin ANNA KOWALSKI (53) einer der wenigen Überlebenden ist, glaubt die Ärztin, ein Impfstoff oder Heilmittel finden zu können und sucht gezielt nach weiteren Überlebenden, die sie gemeinsam sechzig Tage mit ihrem Mann im stillgelegten Bergwerkstollen versteckt. Die Männer willigen ein, weil sie hoffen, dass Anna auch ein Mittel gegen die Unfruchtbarkeit findet und ihr Versprechen auf Versorgung einlöst. Jacek soll die Verwaltung und Logistik übernehmen.

Untersuchungen, Gespräche, Tests bestimmen den Alltag. Kleine Dinge wie Lebensmittelbeschaffung, Schlachtung von Zuchtvieh, Müllentsorgung werden zu großen. Abendgespräche, Nachrichten vom Tage füllen den Abend. Warten und die Zeit des Wartens Überbrücken werden somit zum Hauptthema im Stollen. Den Höhepunkt erreicht das Warten mit der Inszenierung von Beckets „Warten auf Godot“ durch zwei ältere Herren der Männergruppe.

Anna lebt fortan ein Leben zwischen Stollen, Krankenhaus und weiteren Verpflichtungen, dass ihr jede Zeit zum Nachdenken oder zur Ruhe nimmt. Die Zeit rennt währenddessen den Männern davon, denn wie lange kann ein Impfstoff noch von Nutzen sein, wenn immer weniger Männer in der Bevölkerung sind? Und was passiert mit den Männern im Stollen, wenn das Warten und der Ausgang des Wartens ungewiss sind? Nicht zuletzt, was wird aus der Beziehung zwischen Mann und Frau in diesem allumfassenden Umbruch?

Was ist, wenn die Frauen so überzählig werden, dass sie alles, was an den Mann erinnerte, ausradieren, umgestalten und umwerten? Wohin wird sich die Gesellschaft entwickeln, wenn der Impfstoff nur noch die Jungen retten kann, die noch nicht in der Pubertät sind und damit fünfzehn oder zwanzig Jahre lang keine erwachsenen und reifen Männer unter den Frauen leben? Wie sähe eine weibliche Welt aus? Wäre sie gerechter? Hätten die wenigen verbliebenen Männer eine Chance zu überleben? Würde sich die Dualität in eine Diversität auflösen? Können wir Menschen die Polarität zwischen Dominanz und Unterwerfung überwinden?

Am Ende des Romans ist der Impfstoff zwar gefunden, aber das bietet nun keine Lösung mehr, denn die Welt, wie sie vor dem Ausbruch des Virus existiert hatte, ist verloren. Die Männer ziehen sich in den Norden Deutschlands zurück, während Anna in dem neu gegründeten Frauenstaat Oya bleibt.

Dies ist der erste Teil einer fünfteiligen Handlung, die die Entwicklung der Welt nach dieser Katastrophe erzählt,  bis sie in der vierten oder fünften Generation überwunden werden kann.

Sag, würdest du das lesen wollen oder ist dir das zu viel oder zu schwierig?

Schritttempo – Denkprozesse – Ausstieg und ein Einstieg

Der große Ausstieg. Vielleicht ist es am Ende ganz lautlos, klein und im Rückblick simpel und einfach. Mir scheint es so gewaltig – lange Schatten im Voraus, weil ich weg will.

Ich will reisen und das tun, was ich will.

Gott, ich Privilegierte.

Zerbrechlichkeit der Pläne in dieser Zeit … und doch, ändern muss ich unbedingt etwas. Ich brauche den Raum für das Schreiben. Ich habe es mir versprochen.

Wenn mich der Mut verlässt? Der Mut? Mich verlassen? Wie soll das gehen? Ängste haben doch noch nie mein Leben bestimmt – oder doch? Hoffe ich doch gar darauf, dass eines meiner Kinder Kinder bekommt und mich abhält, eine der waghalsigen Ideen in Taten einzulösen: Mit der Transsibirische Eisenbahn nach Asien; in Italien (vielleicht Sizilien) leben und schreiben; durch Deutschland zu touren – Theaterkurse, Schreibkurse und Housesitting für die Freiheit des Schreibens.

Die Zeit bis zum Ausstieg läuft an, zählbar in Tagen: Das Schuljahr bis zu den Sommerferien (133 Tage), dann noch drei Schuljahre. Überschaubarkeit der verbleibenden Zeit: ein Leistungskurs, drei Literaturkurse, eine halbe Klassenleitung, sogar die Konferenzen sind zählbar. Das allein klingt, als hätte ich Haftlockerungen. Wie oft soll ich sagen, dass nicht der Unterricht das Problem ist, sondern der ganze Rest: morgen zur anderen Schule, weil meine Schüler kleinen Grundschulkindern Angst gemacht haben (vielleicht); ein anderer meiner Schule löste letzte Woche Feueralarm aus; ein Schüler schubst mich (aus versehen), weil ihm nicht gefallen hat, dass ich ihm den Ball abgenommen habe, mit dem er auf dem Flur spielte. Ach, das sind nur so ein paar Schlaglichter, falsch „Schlaglöcher“. Diese Ereignisse erschweren den schleppenden Gang im Unterricht unermesslich. Diskussionen in jeder Stunde, ob man denn überhaupt was lerne! Seitens der Schüler und Schülerinnen wenig Einsatz für irgendwas. Meiner letzten Rettung beraubt, kann ich nicht einmal mehr aus Theaterkursen die nützliche Erkenntnis ziehen, dass sie gar nicht unwillig nur verhindert sind, diese Jugendlichen, diese SchülerInnen. Korrekturen, Frechheiten, Maßlosigkeiten … Natürlich müssen Jugendliche frech, ausfallend, maßlos und anspruchsvoll sein – aber ich habe genug davon gehabt. Mir reicht das jetzt. Ich habe nicht die Größe wie andere Lehrkräfte, darüber zu stehen. Wofür auch? Das ist mein Leben und ich will es zurück, ich will mich nicht permanent für dämliche Richtlinien verbiegen; Dinge lehren, deren Sinn ich nicht erkennen kann; Menschen etwas antun, was sie ein Leben lang beschäftigt, nur weil mein Arbeitgeber keine bessere Idee hat, als als Leistungsüberprüfung Noten zu verlangen; weil die Gesellschaft keine bessere Idee hat, als Noten als Vergleichswert anzuerkennen – trotz aller gegenteiliger Erkenntnis, wie unfruchtbar das ist.

Ich will mein Leben zurück. Ja, das, als ich noch selbst Inhalte meines Denkens bestimmen konnte. Als ich noch meine moralischen Werte vertreten durfte und konnte.

Wenn ich was bewegen könnte – hätte ich was gesagt? Würde ich klagen, wenn ich wirklich was bewegen könnte, was verändern könnte? Kann ich? Lächerlich! Ich kritisiere die Form der Schule: Noten, Unterrichtszeiten, Unterrichtsfächer, Raum, in dem das, was wir Schule kennen, stattfindet, die Regeln, die für das gelten, was wir „Schule“ nennen (Essenszeiten, Arbeitszeiten, Pausezeiten, Klozeiten … alles so unmenschlich festgelegt). Schon das Wort „Schule“ vergiftet jeden Kontext, in dem Lernen stattfinden soll oder kann oder darf.

Aber zurück zum Ausstieg – ich entschuldige mich für diese Emotionalität — ich wollte nur mal klarstellen, dass ich keine Flusen oder Fussel oder Flausen im Kopf habe, weswegen ich meinen Beamtenstatus aufgeben will.

Lucy wird in zwei Jahren und drei Monaten fertig sein. Dann plane ich den Auszug aus dieser Wohnung. Zwar will Diondra bis dahin noch hier wohnen, doch auch sie muss dann weichen. Wohin ist noch unklar. Falls sie hier bleiben will, müsste sie eine WG gründen und das kann sie sich in dieser Wohnung nicht gut leisten – die Schlafräume sind schlichtweg zu klein. Ich möchte zu meiner Freundin ziehen, um unser beider Ressourcen (einmal Strom, einmal Gas, einmal Telefon) zu schonen und um für den Aufbruch eine Reserve zu haben. Lucy will reisen (woher hat sie das bloss?) und ihre Sachen beim Vater unterstellen – der davon noch nicht weiß. Tja, da gibt es Dinge in dieser Wohnung, die ich selbst unterstellen müsste, die ich verkaufen oder loswerden müsste: Möbel, Bilder, Bücher, Akten. Und ich weiß nicht, für welchen Zeitraum. Das ist noch so offen.

Meine Pläne sind vielfältig, was die Zeit nach dem Ausstieg sowie die Vorbereitung darauf betrifft:

„Denken lernen in einer fremden Sprache“ – ein langfristiges Projekt, dass eine Mischung aus populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher empirischer Untersuchung des Erwerbs einer zweiten Sprache sein soll. Ich verfasse während des Lernens der italienischen Sprache Erfahrungsberichte zum Lernprozess. Ziel ist das Denken in der fremden Sprache. Dafür muss ich in Italien leben, wenn ich meinen Job aufgegeben habe. Es gibt Ideen und Optionen: Evtl. gibt es Finanzierungsmöglichkeiten über das Goethe-Institut — mal fahnden. Könnte sein, dass ich dafür ein Exposé bräuchte.

„Wie wollen wir leben? – Kleinfamilie als gesellschaftlicher Tod“ – etwas, worüber ich schon lange schreiben möchte – nicht aber ohne Recherche und Zeit. Aus meiner Sicht ist unsere Gesellschaft zu linear angelegt, die Familie, die Sippe, die Gemeinschaft hat zu wenig eingeräumten Platz darin, sondern muss so irgendwie daneben funktionieren und das macht krank (die Bildung, die Psyche, die Gesellschaft), weswegen wir auch gern die Placebos von Konsum wie Pillen inhalieren, in der Hoffnung, dass das Abhilfe schafft. Ein bisschen hilft es, für den Rest brauchen wir die Psycholog:innen und weitere Ablenkungen. Es gibt aber eine Sehnsucht. Also das würde ich gern schreiben. Das kann ich überall schreiben, auch im Zug der Transsibirischen Eisenbahn.

„Dreh dich, Schwänzchen“ läuft fast von allein. Der zweite Teil meiner Virus-Serie. Drei Jahre nach dem Großen Sterben. Andere Hauptfiguren, andere Nebenrollen. Sklaverei und die Suche nach der Lust. Umgang mit dem Verlust. Ein Krimi mit Mord und Intrigen, die Vorbereitung auf einen Krieg und der Suche nach einem neuen Glauben. Alles drin, was man braucht. Das hab ich schon begonnen und stocke gerade. Stocke, Stocke … ich muss weiter dran.

Außerdem ein paar Kurse, ein paar weitere Projekte, die irgendwie untergebracht werden wollen: Drehbuch-Kurs, DaZ-Zertifikat-Kurs, Cello, Tango, Yoga … am liebsten alles parallel. Einiges davon benötige ich vorbereitend für meinen Ausstieg, auch wenn das gar nicht so offensichtlich ist. Wirklich wichtig von all dem ist der DaZ-Kurs, weil der mir in der Fremde einen Job sichern könnte.

Es gibt auch ein paar Ideen für das sichere Netz, falls ich doch stürzen sollte … ein paar. Schöne Optionen. Mal sehen, was davon am Ende hält.