Mein Musical – es geht los. Step one ist bekanntlich der schwerste

Wie ein langer Hürdenlauf erscheint mir der Weg bis zur Aufführung meines Musicals zu sein. (Mein Cursor ist weg, das irritiert.) Erst brauchten wir, mein Kollege für die musikalische Leitung und ich grünes Licht von oben. Endlich konnten wir genug Überzeugungsarbeit und Übernahme aller Verantwortung und Arbeit leisten, dass wir überhaupt nach einem Ensemble Ausschau halten durften. Dann mussten wir nach Schülerscharen suchen, die überhaupt willig sind, mitzumachen. Von 1300 Schülerinnen und Schülern haben wir jetzt 40 abgeschöpft, die jedoch von den Lehrkräften direkt als erstes mitgeteilt bekommen, dass sie auch ja immer gucken, dass sie alles nacharbeiten. Also haben einige meiner 40 Findlinge bereits wieder tapfer die Schulkarte gezogen und sind ausgestiegen …

Und dennoch, es sind so viele Schülys, dass wir die Rollen doppelt besetzen können, dass wir eine eigene Performancegruppe habe und dass wir einen Chor aus der Schülerschar stellen können. Alle Rollen doppelt vergeben, zwei mal zwei Inszenierungen und trotzdem die Sicherheit, dass nichts schief gehen kann. Wie cool.

Und dann ist da die Organisation: Klausurpläne im Blick behalten, säuerlichen Kollegen noch zwei mal mündlich erklären, wozu es schon Info-Mails gab, aus allen Listen die Kollegen zusammensuchen, bei denen die Schauspieler und die Sänger Unterricht haben, die Regeln kommunizieren, mehrfach auf verschiedenen Kanälen, Listen herumschicken, abgleichen, Probenpläne erstellen, alle Bedürfnisse der Künstler berücksichtigen, da dazwischen? Dazwischen wieder eine Mail von irgendwelchen Kolleginnen und Kollegen, die ja das Projekt an sich ganz toll finden, aber muss es denn wirklich so sein, dass man dafür probt – also generell? Dann fällt wirklich ständig Unterricht aus. Ich erkläre also das zehnte Mal, dass es einen Probenplan geben wird, dass die Schülys nur dann fehlen und dass jetzt etwas geballt ist, weil wir erst festlegen müssen, wer welche Rolle spielen kann und ein bisschen entnervt erkläre ich, dass bislang alle Schülys maximal zwei Mal bei uns waren, wir sie in kleineren Gruppen eingeladen haben und viele überhaupt nur einmal bei uns waren. Ist aber schon viel, was die jetzt fehlen werden. Ich bitte um eine Versuchszeit bis zu den Weihnachtsferien, danach könne man nochmals ins Gespräch gehen und schauen, wie viel der Schüler oder die Schülerin (unsere meisten Ensemblemitglieder sind natürlich weiblich) tatsächlich fehlt.

Jetzt kann es los gehen.

Mail: Hauptfigur Tom 1 verlässt die Schule.

Äh, woher nehme ich den Ersatz? Mist.

Wenn ich mich allerdings in die Beobachterposition begebe, fällt mir auf, wie reizvoll dennoch das Planen und Organisieren ist. Noch ist alles möglich. Jungfäulich offen und unversehrt. Die Rollen sind verteilt, der Text steht und in meiner Phantasie gibt es eine wundervolle Inszenierung mit Videoeinspielern, mit einem anpassungsfähigen Bühnenbild, bunten Showelementen, mit einer musical-würdigen Abschlussszene, mit einem passenden Rahmen, einer super Anmoderation und einer punktgenauen Technik, mit Händeschütteln, Verträge für ein großes Opernhaus, mit den Ärzten als Gäste, die dieses Musical kaufen wollen, mit dem Bundesverdienstorden und einer Schulleiterin, die mich anfleht, nicht zu kündigen, damit alle zwei Jahre an ihrer Schule ein so großartiges Musical stattfinden kann. Ich bekomme das Angebot, dass ich nur noch Theater mache, junge Referendare mit Theaterpädagogischen Elementen auf das Leben im Unterricht vorbereite, dass ich an diversen Schulen dafür gerufen werde, Theaterprojekte bis zum Erfolg zu führen und dafür muss ich keine Noten geben, nicht mehr an Notenkonferenzen teilnehmen, nicht mehr an Schulkonferenzen teilnehmen und überhaupt …

… dann kann ich aus einer Toilette trinken ohne Ausschlag zu bekommen.

Drehbuchwerkstatt München, die Zweite – Action.

Ich habe mir also noch einmal die Bewerbung für die Drehbuchwerkstatt München vom letzten Jahr vorgelegt und gesehen, dass ich meine Komödie von der Königin und ihrem Piraten sowie meine Ökoterroristin ins Rennen geschickt hatte. Bis Ende Dezember habe ich Zeit. Eigentlich sollte es einfach sein. Könnte man meinen. Da ich aber einen Serienstoff beifügen muss, um für den „Writers Room“ die Werkstatt zu machen, muss ich einen neuen Stoff erarbeiten.

Ja, diese kleine Ökoterroristin will ich noch einmal anheben, sie wachsen lassen. Ich dachte, eine bisschen die U. Meinhof einzubringen. Nachdem ich aber gerade mal ein wenig die Biografie bei Wiki gelesen habe, muss ich sagen, dass sie sich vielleicht weniger eignet als ich dachte. Ihre Biografie liest sich so, als habe sie schon immer politisch gehandelt und als habe man sie deswegen sehr menschenrechtsfeindlich in der Haftzeit behandelt. Meine Ökoterroristin soll wegen ihrer sozialen Isolation sich selbst zunehmend radikalisieren, weil sie sich zum ersten Mal gesehen fühlt. Wenn wir Bestätigung für irgendetwas bekommen, was wir gemacht haben, neigen wir zur Wiederholung, weil wir Bestätigung wollen, für unser Selbst. Wenn wir Glück haben, können wir uns davon befreien, wir können es durchschauen und erkennen, dass wir für etwas und nicht um unseretwillen geliebt werden. Da wir aber meistens gar nicht so objektiv von außen auf uns gucken können, bekommen wir diesen Moment oft gar nicht mit. So passiert es meiner Ökoterroristin, die sowieso sehr jugendlich ist und noch immer irgendwo nach Anschluss sucht, dass sie sich selbst für eine wichtige Person im Kampf gegen die Klimakrise hält.

Als Serienstoff will ich meine Serienidee Nummer eins nicht verwenden. Ich will diese Idee nicht für einen Probelauf verspielen. Wenn ich mit den Y-Chroniken bei einem Produzenten oder einer Produzentin starten will, dann mit einem guten Konzept und einem Papier in der Tasche, dass mich zumindest nicht mehr ganz so laienhaft aussehen lässt. Und da habe ich in den Tiefen meines Geistes die Idee ausgegraben, die als Komödie zumindest witzig ist: Das verschwundene Land. Die Zwergen als Bösewichter des Universums. Das ist doch mal was anderes. Ein Mix aus Fantasy, Märchen, Science Fiction und Komödie mit Drachen, Antihelden und vielen süßen Hinweisen quer durch die Kinderfilmklassiker: Alice im Wunderland, Peter Pan, Findet Nemo, Drachenzähmen leicht gemacht, Jim Knopf, Die unendliche Geschichte, Märchenbraut. Das sich auszudenken, ist wirklich lustig. Irgendwie ist es ein satanarchäolügenialkoholischer Mix. Wie ich das auf zwei Seiten darstellen soll, weiß ich allerdings nicht. Ich formuliere herum und experimentiere am offenen Körper.

Um das Experiment zumindest ein wenig erfolgreicher zu machen, sollte ich vielleicht einen Writer’s Circle einberufen, damit das Ganze ein bisschen mehr Konturen bekommt. Mal sehen, ob es dafür Interessentys gibt.

Als Dialog würde ich vermutlich eine Stelle aus der Ökoterroristin nehmen, denn daran habe ich ja schon technisch gefeilt und gearbeitet. Ja, den Text finde ich hier und da trocken, die Story auch, ist aber gut ausgereift. Mal sehen, ob ich dann bei diesem Durchlauf erfolgreich bin.

Segel hissen und gleiten lassen – eine Allegorie für das Leben

Ringsum Wasser, schlammgrünlich im IJsselmeer, in der Sonne kleine Glitzerpunkte überall, am Bug schäumt das Wasser leicht auf und verkräuselt sich. Und man kann nichts tun als es zu genießen, als zu liegen oder zu sitzen und zu genießen, was das Leben dir gerade bietet. Natürlich kann ich dabei Lesen, quasseln oder ein paar Notizen machen, doch irgendwann fängt dich das Meeresrauschen mit dem leisen Säuseln in deinem Ohr „Pause, Pause, Pause“ oder „Wozu? Wozu? Wozu?“ ein.

Was für eine Lebensallegorie erzählt uns dieser Moment, dieser eine, den ich festhalten möchte?

Foto von Monika Maria Luisa Schmidt 2023

Es ist einer jener Glückmomente, die ich wie kleine Perlen sammle und am Ende des Tages betrachten will. Diese gesammelten Glücksperlen sollen mich einst noch einmal glücklich machen, wenn es langsam in meine Kopf zu dämmern beginnt und wenn ich nur noch die Erinnerungsreisen antreten kann.
Ich strample mich im Alltag ab, möglichst viele kleine Oasen der Entspannung zu finden, möglichst in der Gegenwart zu verweilen und doch ist es eine der schwersten Disziplinen. Meditation, Yoga, Besinnung auf den Moment, auf den Tag, nicht in die Zukunft eilen, nicht in der Vergangenheit weilen und dazwischen nicht nur träumen, von etwas, was nicht ist und nicht kommt. Nicht zu viel planen, nicht zu viel organisieren, nur auf das Überschaubare setzen und doch: das Musical, der Umzug, das große Aussteigen 2025, die Optionen danach, die Chancen danach, die Angst davor, hier noch eine Tangoreise – vielleicht eine letzte – und KAST noch einmal als Teilnehmerin, der Roman, der nächste Roman, die nächsten Texte, die Ausschreibung im Winter und jetzt jetzt jetzt. Kaum häng ich einer dieser vielen Baustellen nach, öffnen sich kleine zusätzliche Baustellen, wie von Geisterhand. Dazu dann die Sorge, dass ich den Überblick verliere, dass meine Listen nicht gut sind, dass ich mehr und schneller was tun muss.

Dann das Segeln. Wie einfach kann es sein, aus der Zeit zu fallen. Der Blick verläuft sich in der Weite, kaum etwas auszuwerten, kaum etwas zu bedenken, zu entschlüsseln. Der Wind trägt alle nicht zu trägen Gedanken einfach fort und übrig bleibt dieses „Ah, ist das schön“.

Also dieses Wochenende – ich will das nicht verhehlen – hatte noch mehr zu bieten. Olli ist ein Meister in der Küche, er verzückt und verwöhnt unsere Gaumen. Andre, Barnie und Jonas sind sehr lustige Menschen, die die Heiterkeit der Gruppe befördern, bis man Bauchschmerzen bekommt. Leon ist reifer geworden, interessant, ihm zuzuhören. Yvonne meistert die Gesprächstiefen; der Rest geht auf in Wolken der leichten sprudeligen Sorglosigkeit netter Unterhaltungen. Hier und da werden Impulse gesetzt, kommt es zu ungeahnten Tiefen, die jedoch keine Schwere bieten. Alle Frauen sind herzlich und offen, Franzis Liebe und Sorge zu ihren Kindern wäre zu nennen, ebenso wie Jennys Freude an der Unabhängigkeit für eine Woche oder Monikas Bestimmtheit bei feministischen Themen und ihren guten Blick für Fotos (wie dieses hier). Insgesamt also ein Wochenende der Bereicherung und Entspannung.

Foto von Monika Maria Luisa Schmidt 2023

Oh, ich will das wieder haben … wieder ein Wochenende entspannt auf Deck liegen, an Tauen ziehen, in der Küche den Abwasch nach einer superleckeren vegetarischen Bolognese machen und wieder mich in den Schlaf schaukeln lassen. Ich will wieder durch eines dieser verträumten süßen kleinen Orte schlendern und ein Bier trinken, dass hier viel zu süß wäre. Ja ich will.