Welche Mama oder welcher Papa weiß es nicht: der Schnulli muss spätestens zur Einschulung auf den Schnulli-Friedhof, sonst kommt der ja gar nicht in den Himmel. Aber es tut doch so weh, das liebgewonnene Beruhigungsmittel aufzugeben. Mama, gib mir meinen Schnulli zurück. Papi, hast du mich nicht mehr lieb?
Und wie sind wir Erwachsene? Also wir wollen auch unseren Schnulli behalten! *stampf. Na gut, wir können das mit Argumenten und Forderungen belegen.
„Ich brauch mein Auto für die Arbeit!“
„Wie soll ich sonst die ganzen Konsum-güter nach Hause schaffen?“
„Ich hab immer so viele Unterlagen, die ich transpor-tieren muss!“
„Nur mit dem Auto kann ich flexibel so viel Zeug regeln, sonst hab ich nicht genug Zeit für alles.“
„Ich brauch das Gefühl von Freiheit vor der Tür!“
Die blöden Politiker (vielleicht auch die weiblichen) verstehen das nicht und machen alles böse teuer. Wenn die Politikerinnen und Politiker in der Lage wären, wie Eltern an den Stellen konsequent zu sein, an denen es erforderlich ist, dann wären die Benzinpreise schon doppelt so hoch, dann würden Lehrkräfte nur noch ortsnah arbeiten (meine Schule liegt 36 km von meinem Wohnort entfernt), dann wären Inlandflüge verboten und die Bahnfahrt kostete in jedes europäische Land weniger als der Flug in selbiges, dann würde das stehende Auto nicht mehr so viel kosten und die Steuern für Familien mit mehreren Autos in einem Haushalt würden höher ausfallen, als für Familien mit nur einem Auto, dann hätte es die E-Auto-Vergünstigung nicht gegeben, sondern das preiswerte Bahnticket für größere Familien und das Stadtbahnticket für einen Euro. Aber das Auto ist unser dickstes Baby, die große Freiheit Nummer sieben.
„Vielleicht brauche ich es nicht, aber ich möchte es vor der Tür stehen haben, weil ich es benutzen könnte.“
Könnte genügt. Könnte ist gut, könnte ist richtig. Schau ich raus und sehe dort auf der Straße, Blech an Blech stehen statt Kinder spielen, sehe ich Bürgersteige statt Platz für Bürger, dann möchte ich die Freiheit ankotzen, die uns das Auto beschert. Im Strahl.
Freiheit durch Blech?
Statt nun den bockenden kleinen Kindern die Schokolade ganz inkonsequent zu geben – oder uns Erwachsenen einen Steuererlass auf Benzin -, müssen die Eltern in den Dialog gehen. Klar, erst der Schnulli (Corona mit Ausgangsverbot) weg, dann noch keine Schokolade (Kein Auto fahren?) und als Ersatz gibt es nur Obst (Bahnfahren und Fahrrad?)? Hart für die kleinen Menschen. Aber als Mama kann ich es erklären und ich kann das arme kleine Menschlein trösten, es für seine Tapferkeit loben und ihm Mut zu sprechen. Ich kann auch den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass das Zeitalter des Autos – wie wir es so lieben – angezählt ist, ebenso wie das fröhliche bunte Reisen durch die Welt (und das sag ich!). Als Politiker oder Politikerin kann ich mich hinstellen und sagen, dass die Erhöhung eigentlich längst überfällig war, dass man allmählich nach alternativen Transportmitteln Ausschau halten muss und nun die Aufgabe der Kommunen ist, das öffentliche Verkehrsnetz schnell auszubauen, attraktiver zu gestalten und etwas mehr Komfort anzubieten. Ich kann Akuthilfe für schwachverdienende Bürger und Bürgerinnen anbieten – die 9€-Monatskarte ist ein starker Anfang. Außerdem muss Homeoffice eine wichtige Größe werden, die den Menschentransport hinfällig macht. Ein Schritt zurück ist das Autosüchtelchen mit Schoki äh Steuererlass auf Benzin zu belohnen. UND auch Erdgas kostet gerade böse was mehr (also, was ich fahre), in RE zurzeit 2,99 € ein Kilo (meiner tankt 12 kg für ca. 400 km Leistung).
Oh ja, ich weiß, ich fahre täglich 36 km hin und zurück zur Arbeit, hasse das Bahnfahren kolossal und verbinde gern 20 oder 30 Dinge auf dem Weg. Von der Schule an der Post vorbei zur Physio, danach einen Yoga-Studio-Step und dann einkaufen, bevor ich nach Hause fahre. Mein ganz normaler Wahnsinn am Donnerstag. Aber, was wäre, wenn es nicht mehr ginge? Wenn sich das nicht mehr rechnete? Und was würde ich tun, wenn ich nicht mehr mit dem Auto fahren könnte? Wie würde ich mich organisieren?
Wir glauben – und das ist eine sehr schräge kindliche oder kindische (bei Erwachsenen) Annahme – dass wir Rechte auf Urlaub haben, dass wir uns was gönnen dürfen, doch Luxus trägt den Sammelbegriff „Luxus“, weil es was Besonderes ist. Ich gehöre bestimmt zu den Privilegierten, denn ich habe sehr schöne Reisen hinter mir, doch andererseits habe ich auch Jahre lang verzichtet, weil es eben nicht so selbstverständlich ist.
Seit wann sind wir eigentlich der Ansicht, „Ich zuerst“ ist fair? Wieso hat Langfristigkeit, Warten, Sparen, Ausdauer und Geduld keine Bedeutung mehr? Wieso adelt das nicht mehr einen Charakter? Wieso sind wir so eine Ausgeburt verwöhnter Gören? Wie unsere Kinder.
Nein, ich bin kein besserer Öko, auch wenn ich Bio-Eier esse, wenn ich auf Fleisch verzichte, wenn ich Erdgas statt Benzin verbrennen lasse, wenn ich vor allem Geld in die Bildung und so Zeug investiere. Mein Öko-Fuß ist auch viel zu groß. Doch statt mit dem Finger auf den größeren Buhmann zu zeigen (ich gendere das mal nicht!), müssten wir nicht Kraft unserer Intelligenz gemeinsam Schritte für eine Ent-Bequemlichkeitshaltung erarbeiten, statt zu warten, bis es noch schlimmer ist und gar nicht anders geht, als zu verzichten!
Aber, was sag ich! Ich spreche ja von Menschen, die lernen erst dazu und sind bereit, auf Bequemlichkeit zu verzichten, wenn es wirklich nicht anders geht. Solange dann jammern, bis … Ja, vielleicht hilft das Quengeln wie bei unseren Kindern.
„Und ich sach noch: Es gibbet nix aus der Kinderquengelecke – aber nein, Heinzchen musste ja die Ü-Eier unbedingt kaufen. Nu ham we den Salat.“