Exklusiv: Interview mit einem Newbie am Autorenhimmel. Die Debütautorin Scarlett H Mirro erklärt

Ich hab es mir nicht nehmen lassen, wo ich schon mal so dicht an einer Autorin herankomme, mit Scarlett H Mirro ein Interview zu führen. Hier präsentiere ich es im klassischen Frage-Antwort-Format.

Hallo Scarlett H Mirro. Wir haben bereits berichtet, wie du zu deinem Künstlernamen gekommen bist. Wie siehst du das heute?

Viele machen mich darauf aufmerksam, dass hinter dem H doch wohl der Punkt fehle. Das Fehlen wird nicht als Besonderheit, sondern als Fehler wahrgenommen. Das hatte ich nicht bedacht.

Und hat das eine Konsequenz für dich?

Tatsächlich überlege ich, weil ich ja keinen „fehlerhaften“ Namen nutzen will, ob ich das ändere. Vielleicht.

Von deinem Künstlernamen abgesehen, ist ja auch der Titel eher ein Arbeitstitel, oder?

Eigentlich hatte ich den Titel für einen genialen Wurf gehalten. Kurz, eindeutig und vieldeutig, aber ich gebe heute zu, er geht doch wenig flüssig von den Lippen. Na, letztlich frag ich mich, ob man auch Grisham gefragt hat, wie er zu „Die Jury“ kam.

Ein Titel ist wie der Name eines Kindes. In vielen Augen eigenartig oder falsch oder deplatziert oder unpräzise, doch mit der Zeit gewöhnen sich auch die größten Kritikerinnen und Kritiker, bis es „normal“ ist, dass der Roman oder die Geschichte so heißt.

Dabei gibt es eine echte Erklärung für diesen Titel. Die Loge „Liliths Schwestern“ gibt fiktional betrachtet als Rahmenhandlung diese Teile als Hinterlassenschaft der letzten Männer heraus. Es sind alles Dokumente, die diese Loge archiviert und für die Nachwelt erhalten will, damit die Männer als Teil der Gesellschaft – wenn auch historisch geworden – nicht in Vergessenheit geraten. Diese ersten Dokumente oder Akten, hat die Gründerin Emma Seidensticker gesammelt, nämlich als Akte „Oben“ von der Impfstofffinderin Anna Kowalski und als Akte „Unten“ von ihrem Ehemann und ersten Überlebenden Jacek Kowalski. Sie hat die Akten nach dem Ort unterschieden, damit die Namen der Erzähler und der Erzählerin nicht öffentlich werden. Wenn man so will, sind „Oben“ und „Unten“ Codewörter.

Oh ja, das klingt auf jeden Fall nach Verschwörung und Geheimorganisation.

Ja, das ist ja verrückt. Mensch. Vielleicht klingt es so, weil das ja alles sogar drin ist! Verschwörungstheorien tauchen zahlreich auf. Eine hier und eine da. Es gibt einige ganz lustige Geschichten dazu, zum Beispiel …

Nicht spoilern. Stoppt. Davon lass uns später reden. Doch was uns außerdem brennend interessiert: Wie verlief die erste Lesung?

Die erste Lesung? Ja, schön, dass du mich darauf noch einmal ansprichst, aber das war nicht meine glanzvollste halbe Stunde. Ich war zwar vorbereitet, doch hab ich einen der Kardinalsfehler begangen. Wirklich niemals sollte man an einem Ort sprechen, ohne vorher eine Probe gemacht zu haben. Die Akustik war wirklich schlecht. Ganz selbstkritisch muss ich zugeben, dass ich selbst nicht deutlich genug in die Geschichte einführt habe. Ich wollte es richtig gut und richtig spannend machen und hab damit leider den Kern der Geschichte versäumt, darzulegen. Wirklich blöd gelaufen.

Anfängerfehler. Sowas kann doch passieren.

Vielleicht. Vielleicht einer Person, die sich nicht mit Bühnenauftritte auskennt, die kein Theater macht. Aber mir? Mir hätte das nicht passieren dürfen. Ich versuche mir das zu verzeihen, um es beim nächsten Mal besser zu machen!

Und wie geht es aktuell für dich weiter? Was ist der nächste Schritt?

Wie du weißt, habe ich mit einem Partner den Verlag Wortfuge gegründet, den gilt es nun auch zu füttern. Dafür braucht es wirklich meinen Einsatz, vor allem zeitlich. In den Weihnachtsferien werde ich Lese-Videos aufnehmen, die ich nach und nach in den Äther der sozialen Medien sende, damit ich meinen Roman vor allem an eine mir unbekannte Leserschaft bringe. Im Moment ist es noch so, dass jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin mir bekannt ist. Das ist schon wirklich spannend, zu wissen, dass mein Roman bei Freunden auf dem Nachttisch liegt. Doch was ist, wenn ich den Leser oder die Leserin nicht mehr kenne und sie eines Tages einen Leserbrief oder eine Nachricht in einer Cloud schreiben und meinen Roman erwähnen, mir oder anderen berichten, was sie denken, wegen dieser Geschichte? Das ist wirklich aufregend.

Hast du denn schon Kommentare zu deinem Roman gehört?

Bislang sind das natürlich die üblichen Floskeln: Spannend. Gefällt mir. Ist ganz gut. Interessant. Sowas eben. Ich höre auch: Ich komm nicht dazu, zu lesen. Ich lese ja nicht so viel oder erstmal lese ich was anderes.

Und das ist nicht, was du hören willst?

Es ist natürlich nett, wenn mir jemand sagt, dass ihm oder ihr mein Buch gefällt. Was mich wirklich interessiert, sind jedoch weiterführende Gedanken, die sich die Lesenden machen: Was ist deine Lieblingsfigur und warum? Was denkst du zu dieser Art Zukunft? Wozu regt dich die Geschichte an? Welche Fragen stellst du dir? Was findest/fandest du witzig? Wann hast du gelacht? Womit hast du nicht gerechnet?
Letztlich ist eine Geschichte auch Geschmacksache. Eine Spielfreundin erklärte mir, dass diese Art Geschichten nicht so ihre wäre. Nicht jeden Geschmack kann ich treffen. Auch wenn sich meine Eitelkeit angekratzt fühlt. Die eine findet vielleicht diese ganzen ausgeloteten Philosophien unerträglich zäh. Der nächste jedoch mag die Vielfalt der Perspektiven. Ein weiterer wünscht sich eine Liste mit einer Personenübersicht, weil es davon so zahlreiche gibt. Eine andere findet genau das überflüssig, weil man sich das doch merken kann und seine eigene Phantasie nutzen will.

Ja, es sind aber auch wirklich mächtig viele Figuren, die du da am Start hast.

Das stimmt. Ich hab selbst ne Liste gebraucht. Vielleicht sollte ich sie wirklich der Leserschaft bereitstellen. Wie genau ich das mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht wäre eine Ehrentafel auf der Seite der Schwesternschaft eine gute Idee. Darüber mache ich mir noch Gedanken.

Das Buch ist ja fertig, also damit ist doch die Bahn frei für den kreativen Ausschuss für den zweiten Teil. Wie steht es damit?

Mal langsam. Wir haben festgestellt, dass die Vermarktung und der Vertrieb dieses ersten Teils schon noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch wenn der zweite Teil schon seit drei Jahre unvollendet auf meinem Rechner hängt, nützt mir wenig, dass er bereits halb abgeschlossen ist. Ich habe bei diesem ersten gemerkt, dass es mehr Zeit abverlangt, als ich erwartet habe, die Korrektur zu machen. Allerdings hab ich das auch nicht so schlau angefasst und irgendwie versucht, wie eine Anfängerin irgendwie hinzubekommen, statt mir die Hilfe zu holen, die nahe liegt. Überhaupt, gerade in diesem ersten Teil liegt viel Lehrgeld. Aber das war zumindest schon einkalkuliert. Zu der Frage, was jetzt ansteht, lautet meine Antwort: Aktuell muss ich für mich prüfen, wie sehr ich schreiben und Verlagsarbeit machen will. Komme ich nicht raus aus meinem Schuldienst, muss ich diese Pille schlucken, dann geht das nur, wenn ich meine Stundenzahl reduzieren kann, denn sonst blute ich aus. Ich brauche einen alternativen Job, damit meine kreative Kraft nicht so abgesaugt wird. Wie aber alle Menschen um mich herum, setzt sich meine Lebenswelt aus vielen Aufgaben zusammen. Ich bin schon froh, dass gerade das Musical zu einem Ende kommt, so dass damit wieder Kräfte frei werden. Andererseits hat sich schon ein neues Theaterprojekt angekündigt. Und wenn ich das ernstnehme, bindet das natürlich auch wieder Ressourcen.

Stimmt, du bist nebenher auch als Lehrerin und als Theaterpädagogin tätig. Was heißt das denn genau?

Aktuell arbeite ich noch an meiner Musicalproduktion. Ich habe die Textfassung dazu geschrieben und mit einem Musikkollegen zusammen die Stücke ausgewählt und die Gruppe gecoacht und Regie geführt. Die gesamte Organisation hing an uns, dafür haben wir einige Lehrkräfte aktiviert, die unser Projekt unterstützt haben. Jetzt sind noch zwei Wochen Zeit, bis es zur Premiere kommt. Wir zeigen das Stück zwei Mal. Ein wahnsinnig tolles Bühnenbild ist in der Kooperation mit einer Kunstlehrerin entstanden und ein Teil des Kollegiums singt auf der Bühne mit. Insgesamt ein großes Ding. Die Handlung ist entsprechend der Gestaltung von Musicals einfach, mit Gesang, Tanz und Musik. Ein Paar aus den 80ern, er Rocker und sie eine Weltverbesserin, sie kommen zusammen, sie will was bewegen, er will seine Ruhe. Ihr zum Gefallen sprayt er ein Graffiti an die Wand und wird erwischt. Doch es geht alles gut aus. Nach den Sommerferien haben wir das Stück noch einmal scharf eingedampft, damit wir es aufführen können. Jetzt wird es richtig gut. Außerdem hab ich von einem Kollegen den Literaturkurs übernommen: Der zerbrochene Krug. Ich mag das Stück vom Kleist, gleichzeitig wohnt in mir dieser kleine Schalk, der ja nichts einfach genauso aufführen kann, wie es geschrieben steht. Andererseits ist eine ernsthafte Aufführung zu machen, auch eine wirkliche Herausforderung für mich.

Moment, da würde ich doch gern mal nachhaken, was meinst du damit, dass du kein Stück so aufführst, wie es geschrieben steht? Du hast „Kabale und Liebe“, „Iphigenie auf Tauris“, den „Zauberlehrling“ doch schon mal auf deinem Plan gehabt. Hast du die nicht ernsthaft aufgeführt?

Fangen wir hinten an: Den Zauberlehrling hab ich verändert, damit er als Stück funktionierte. War eine Schwarzlichtinszenierung. Darunter hab ich die andere berühmte Ballade von Goethe gemischt: „Erlenkönig“. Schiller und Goethe hatte ich damals sehr verknappt zusammengesetzt, die Rahmenhandlung war dann ein kollegiales Miteinander zwischen Schiller und Goethe, die sich Auszüge aus ihren aktuellen Theaterproduktionen zeigen, um darüber fachmännisch zu diskutieren. Ich fand zum Beispiel die „Iphigenie“ immer sehr langweilig, zu redelastig und habe eine Kampfszene eingebaut, die es in Goethes Textfassung nicht gibt. Schiller gefällt die Szene so nicht, er kritisiert also den ehrwürdigen Goethe und bietet ihm mehrere Alternativen an. Goethe ist so verärgert, dass er erklärt, die Szene aus seinem Stück einfach ganz zu streichen. Das genau mein ich mit Schalk. Ich kann es nicht lassen, etwas Vorgefundenes neu zu gestalten, neu anzuordnen. Bei Stücken wie „Woyzeck“ ist das natürlich gar kein Problem. Da ist ein experimentelles Herangehen nahezu vorgeschrieben. Aber sonst gelingt mir das einfach nicht.

Wie du das so beschreibst, brennst du jedoch für die Theaterarbeit und es scheint so, als würde dir etwas fehlen, wenn du kein Theater mehr machen darfst.

Das hast du richtig erkannt. Ja, mir würde etwas fehlen. Ich mache sehr gerne Theater. Schon das der Grund, weshalb ich nun die Ausbildung zum BUT bei Sandra Anklam abschließe. Vielleicht kann ich mir doch einen der wenigen Jobs angeln, bei denen man fest angestellt ist, dann würde ich dafür den Schuldienst sofort quittieren. Naja, im Grunde mach ich zu wenig Theaterprojekte, um trotz all der Jahre so viel Erfahrung damit zu haben, wie zum Beispiel Sandra Anklam, die in einer Woche einen Kurs leitet, eine andere Woche ein neues Theaterprojekt anfängt und so mehrere Spielbälle in der Luft hält. So ein Job wäre ideal.

Vorhin hast du aber gesagt, dass das deine Kreativität dann abzieht.

Richtig. Die Schule tut das mit ihren Stressoren, dem Termindruck, den Klausuren, den Korrekturen. Ich weiß nicht, ob das bei einem Beruf, wie ihn Sandra Anklam ausübt, auch der Fall wäre.

Das kannst du ja nicht ausprobieren. Doch wenn du irgendwo angestellt bist, wo du bleiben magst, wirst du dich nicht lösen und durch die Welt fahren, damit du schreiben kannst. Richtig?

Richtig. Vielleicht fehlt mir doch der Mut und ich bin nur eine dieser Maulheldinnen.

Am Ende machst du es wie Karl May und schreibst nur über deine Sehnsüchte.

Vielleicht. Am Ende.

Performative Lesung – ab sofort wird geprobt?!

Geneigte Leserschaft, Freunde und Freundinnen des guten Wortes,

bislang noch unbeachtet, stiefmütterlich behandelt, so muss ich diesem Feld doch meine Aufmerksamkeit widmen. Ich lerne nicht aus. Ich lerne nicht fertig. Manchmal lerne ich auch nicht, fertig. Doch ganz real widme ich mich aktuell Fragen, die ich mir in meinem Leben noch nicht gestellt hatte:
Was will ich mit einem Verlag? Können wir gut mit der Druckerei zusammenarbeiten? Eine Performance für eine Lesung? Lieber auf Didaktik setzen? Wie bereite ich mich auf die Lesung vor? Nehme ich für eine Lesung Eintritt? Wer filmt die Lesung mit? Was davon kann ich in den üblichen Sozial Media Kanälen verwenden? Darf ich überhaupt eine freie Lesung veranstalten? Brauche ich dafür schon ein Gewerbe? Wie sichere ich eine Hörerschaft? Was ist eine Wohnzimmerlesung? Brauche ich eine Wohnzimmerlesung? Wie komme ich an Rezensionen, an Kommentare, an Bewertungen? Kann ich dazu nicht eine Party machen?

I. Lesung: 02. November 2024
15 Uhr – Eintritt frei
Tanzatelier Widance
Weidestraße 1, Recklinghausen

Bitte meldet euch an und kommt vorbei!

Eine Performativen Lesung

Eine Lesung stelle ich mir zunächst so vor, dass jemand auf einen Stuhl sitzt, an einem Tisch und dort ein Buch aufgeschlagen hat, aus dem er oder sie eben liest. Seite um Seite. Wenn er oder sie das gut macht, dann kann das spannend sein. Wenn nicht, dann ist das langweilig.

Wusstet ihr, dass die Schriftsprache dazu gemacht war, dass man sie laut liest? Also die deutsche Schriftsprache sollte nicht stumm gelesen werden. Es wurde viel Zeit und Kraft darein verwendet, die Schriftsprache so zu formen (mit Buchstaben und Regeln von Konsonanten und zusätzlichen Zeichen, etc.), dass sie vorlesend so funktioniert, wie die gesprochene Sprache. Übertrage ich das auf meine Lesung, dann sollte doch gar nichts schiefgehen!

Wie also lesen, so dass ihr nicht einschlaft oder euch langweilt?

Es wird eine Perfomance, denn ich hab den Vorteil, dass dieser erste Teil ja schon ein Geschenk aus der Zukunft ist, nämlich von den noch nicht gegründeten Lilith-Schwestern, die die letzten Männer retten wollen. In eine dieser Logenschwestern tauche ich ein, verwandle mich in sie und lese euch aus den Chroniken vor. Dabei gibt es kleine Spoiler hier und da, wie es später weiter geht, weil Mia sich nicht so richtig beherrschen kann.

Kleidung? Steht!
Deko für den Tisch? noch nicht fertig
Auswahl der Textstücke? Im Kopf schon irgendwie
Charakter Mia? Ist klar
Ort und Vorbereitung? Naja, im Kopf …

Ich freu mich auf euch. Lasst Mia nicht vor einem leeren Haus lesen und kommt vorbei. Übrigens: Männer sind ausdrücklich erwünscht und zwar nicht aus pädagogischen Zwecken, sondern weil die Welt mit ihnen viel schöner ist.

Volle Fahrt voraus – und dann schauen, wo wir ankommen. Wir gründen …

Freunde des guten Wortes,

heute muss ich bekennen, meine Lust an Abenteuer und meine Freude an Verrücktheiten sind Geburten meiner fantastischen Gedankenwelt. Zu real sollte es nicht werden.

Ihr wisst, ich bereite meine Veröffentlichung vor, anvisierter Zeitraum ist vor Ende der Sommerferien. Für manche ist das noch lang, für andere knapp. Für mich ist das aktuell sogar knapper, denn wie gründet man in dieser kurzen Zeit einen Verlag und bringt in diesem sein erstes Buch unter? Doch lasst mich über diese Entwicklungen langsam Bericht erstatten.

Das Buch – und hier ist Buch der angemessene Ausdruck, weil es ja die gedruckte Version betrifft (falls ein Schüly heimlich mitliest und sich beschweren will, warum ich nicht vom Roman spreche) – ist jetzt endlich gesetzt. Jede einzelne Silbentrennung bin ich durchgegangen, was bei finalen 616 Seiten wirklich lange dauert. Zwischenspeicherungen und Seitenumbrüche. Und wie sieht das Textende auf den Seiten aus? Wo sind die Kapitelumbrüche? Wie sehen die Seiten überhaupt aus? Die Schrift zu klein? Der Abstand zu eng? Leute, wir haben uns drei Arbeitstage damit befasst, bis das gut war. Allein für die Silbentrennung habe ich von meinem ersten Kaffee am Samstag um 11 Uhr bis nachts um 1 Uhr dran gesessen, erlaubt hab ich mir Essenspausen. (Falls jemand fragt, wieso ich nicht beim Tangotanztee war.) Man könnte also schon glauben, dass mein Freund lieber alles andere gemacht hätte, als dann auch noch die Frage zu stellen, ob ich mir wirklich sicher bin, dass ich das als Selfpublisher bei einem Dienstleister veröffentlichen will.

Da hab ich mich vor Monaten dazu durchgerungen, die Hoffnung auf einen Verlag erstmal beiseite zu schieben, habe mir lang und breit erklärt, dass ich genug schlecht verlegte ausländische Bücher gelesen hätte, um zu wissen, dass nicht immer gute Literatur entdeckt wird, hab mir überlegt, als Selfpublisher zu veröffentlichen, sprich die Vermarktung selbst zu machen, habe mich für einen Anbieter entschieden, der recht seriös erscheint und dann… Dann rechnet mein Freund einfach nur ein paar Zahlen aus und ich schwimme in meinen Tränen.

Kurze Erklärung: Selfpublisher werden jene Autorys genannt, die keinen Verlag im Hintergrund haben, aber einen Dienstleistungsunternehmen (Tredition, BoD, epubli, etc.) nutzen, die das Buch setzt, ein Cover macht, bei Auftrag druckt, eine ISBN bereitstellt, etc. Dieser Dienstleister übernimmt in Form eines Bausatzsystems das, was der Verlag machen würde – scheinbar. Da dem Verlag jedoch wirtschaftlich daran gelegen ist, das Buch zu einem Erfolg werden zu lassen, ist das dem Dienstleister eigentlich egal, denn er hat weder Kosten, noch Arbeit, wenn nichts passiert. Das hat zwei Konsequenzen: 1. lässt sich der Dienstleister seinen Service natürlich bezahlen (Cover, Buchsatz, etc.), 2. prüfen sie nicht die Qualität des Buches in Form und Gestalt, ohne sich das bezahlen zu lassen, auch dann ist es von der Güte und Qualität eines Schnellstichs. Das heißt, dass ich mich in all die Bereich selbst einarbeiten muss, wenn ich – als Autory – will, dass es gut wird, schon um zu überprüfen, ob es gut ist. Dienstleister stellen die Plattform bereit und dafür bekommen sie letztlich richtig viel Geld, mehr als ein Verlag. Dabei ist der Text nicht korrigiert, nicht lektoriert, nicht ordentlich gesetzt, nicht auf Umbrüche geachtet, etc. Meist erkennt man am Cover (zumindest bei den ersten Publikationen), dass auch das Marke Eigenbau ist. An meinen Cover war ein Profi dran – und das hat auch was gekostet, Stück weit auch Lehrgeld.

Mein Freund fragte, wie ich die Marktchancen für mein Buch einschätze, wie viele ich denke, dass ich im ungünstigsten Fall verkaufen würde und rechnete mir mein Verlustrisiko aus. Dann rechnete er gegen, was Tredition an mir verdient, wenn ich zumindest die von mir erwartete Menge absetze und was ich davon bekomme. Tja, dann hab ich erstmal geheult, weil ich erstens dachte, dass ich so nie veröffentlichen kann, wenn immer jemand sagt, wie falsch mein Weg ist. Geheult hab ich auch, weil ich meine Deadline nicht einhalten kann, weil ich vielleicht zu viel auf Silbentrennungen gestarrt habe und weil ich dachte, ich müsste nicht im offenen Meer schwimmen lernen. Tropfnass saß ich da nun und fragte nach Lösungen. Der Mann antwortete bescheiden: „mach es doch selbst! Du machst eh alles andere schon. Jetzt kommt noch dazu, eine ISBN zu beantragen, die Druckerei selbst auszusuchen und dich in die VLB-Liste eintragen zu lassen. Fertig.“

So einfach soll das sein?

So einfach scheint es zu sein, allerdings kam dann die Frage auf, wie sonst, wenn nicht als Selfpublisher? Alle machten es so. Verlag oder Selfpublisher-Dienstleister. Außerdem sollte ich mal planen, wie die nächsten Schritte und Finanzierungseckdaten aussehen, also am besten gleich einen Businessplan erstellen. Ich plane doch eh eine ganze Buchserie, also böte sich als Geschäftsform ein Verlag an. Nun, dann müsste ich noch ein Gewerbe dazu anmelden und fertig.

Und ehe wir uns versahen, erstellte ich einen Businessplan für einen Verlag mit einem ganz anderen Konzept. Der Verlag trägt den wirklich schönen Namen „Verlag Wortfuge“. Ich weiß nicht, ob ihr, meine liebe Leserschaft, wusstet, dass ich Fugen super finde. Sowohl als Spalte, Lücke – also als architektonische Form -, als auch die musikalische Fuge. Aus meiner Sicht gibt es die übrigens auch im Film: „Täglich grüßt das Murmeltier“ ist eine filmische Fuge. Außerdem ist mittels diesem Fachausdruck geklärt, dass bestimmte Buchstaben über die Wortfuge hinaus keine Ligatur bilden können, weil damit der Wortsinn entstellt wird. Für alle, die auch nicht Wissen, was eine Ligatur ist: um Platz zu sparen beim Druck, wurden manche Buchstaben zu einem Druckbuchstaben zusammengezogen, als man noch den Druck in form von Bleibuchstaben in einem Rahmen setzte. Auch heute wird das noch gemacht. Im Deutschen kommt das häufig bei Wörtern zu Stande, die mit dem „f“ Kontakt habe, oder mit dem „t“. Den Artikel von Wiki hab ich euch oben verlinkt. Das ist sehr spannend. Was aber ist die Wortfuge genau?

"Im Deutschen werden Ligaturen nur gesetzt, wenn die zu verbindenden Buchstaben im gleichen Morphem liegen, beispielsweise im Wortstamm. Ligaturen werden in der Regel nicht gesetzt, wenn die Buchstaben über eine grammatikalische Fuge (z. B. eine Wortfuge) reichen. „Kaufläche“ (Kau-fläche) wird daher mit fl-Ligatur geschrieben; „Kaufleute“ hingegen nicht, weil die Buchstaben f und l verschiedenen Wortteilen (Kauf-leute) angehören."
Wikipedia, Ligatur (Typographie)

Schöner kann man es kaum beschreiben. Aus genau dem Grund hab ich mich mit der Silbentrennung so lang beschäftigt, weil das Programm oft nicht weiß, wie die Morpheme zusammengesetzt sind. Morpheme sind die kleinsten sinntragenden Spracheinheiten, Silben eben. Unter anderem fand das Programm, dass man „To-timpfstoff“ so trennt. Ja, wir müssen ein paar mal hinsehen, bis wir verstehen, was das heißen soll, doch „Tot-impfstoff“ ist sofort klar. Und dieses schöne Wort „Wortfuge“, was den Spalt zwischen dem einen Wortteil und dem anderen meint, wovon jeder Teil auch für sich stehen könnte und nur zusammen bilden sie ein neues Wort, eben wie das Wort selbst, dieses Wort ist noch von keinem anderen Verlag verwendet worden.

Und so heißt dann nun unser Verlag. Unser, weil wir es zusammen machen. Ich muss nicht allein schwimmen lernen, ich habe einen Partner an meiner Seite. Wie schön ist das.

Mein Künstlername lautet Scarlett H Mirro. – Wie komme ich zu diesem Künstlernamen?

Vor langer langer Zeit saß ich in meinem Studentenzimmer (so um 1995) und dachte, es sei an der Zeit für einen Künstlernamen. Im Kafka-Seminar hatten wir gerade darüber gesprochen, dass eine historische Figur mit Namen Franz Kafka nicht identisch ist mit dem Schriftsteller Franz Kafka. Die private Person Kafka umfasst mehr als das, was er geschrieben hat und doch deuten wir heute viele seiner Texte hinsichtlich seiner Privatheit. Darüber hinaus allerdings war Kafka jemand, der mit den Worten, mit der Sprache rang, darüber hinaus war er jemand, der sein Schreiben reflektierte und der wie kein anderer verstand, systemische Ohnmacht auch sprachlich abzubilden. Das ist mehr als sein Problem, Sohn zu sein und als solcher vor seinen eigenen Augen versagt zu haben. Ich wollte damals vor allem mein privates Sein von meinem künstlerischen Sein trennen, denn ich dachte damals noch, dass die Welt auf meine Texte wartete und ich unbedingt berühmt werde. Mein Privatleben war meines, meine Künstlerrolle war öffentlich. Also suchte ich nach einem passenden Wort. Ich spielte mit diversen Wörtern, unter anderem fand ich das Wort „Mirror“ reizvoll. Schwer in der Aussprache, hart als deutsches Wort rückwärts gelesen „Rorrim“, aber das war es noch nicht. Mirror war mir zu platt. Die Idee von Spiegel, sich oder etwas widerspiegeln und verzerren mag ich, auch wenn ich diese Selfi-Welt und das sich vor der Kamera produzieren, wie das heute stattfindet, wirklich ablehne. Aber auch das steckt im Spiegel, die Reflexion der Oberfläche.

Die nächste Zutat war, dass ich ja einen Künstlernamen suchte, also könnte ich ja auch bei Künstlern suchen. Der Künstler Joan Miró macht abstrakte, farbenfrohe Bilder. Diese Kunst mag ich. Damit war ich schon sehr dicht an „Mirror“ dran. Da ich den Namen ja nicht kopieren wollte, hab ich einfach von Mirror das R weggelassen. Wie dicht ich mit meinem Schreiben an diese bunte, schräge, vieldeutbare Kunst heranreiche, war mir damals weniger bewusst als heute. Wenn ich an mein Erstling „Die Lehre von der Chaotologie“ denke, dann steht dieser Text einem Bild wie „Karneval des Harlekin“ (1934) von Miró in nichts nach.

Die literarische Vorlage für meinen privaten Vornamen ist Scarlett O’Hara aus dem verfilmten Roman „Vom Winde verweht“ von M. Mitchell (1936). Von Anfang an war klar, dass Scarlett Bestandteil bleiben würde, denn das ist zum einen an sich schon der kreative, lebendige und lebensbejahende Teil in mir, der mein Schreiben maßgeblich beeinflusst, zum anderen ist es die Verbindung zur Künstlerwelt. Wie lange habe ich gehadert, ob ich nur aus Eitelkeit kreativ sein wollte und es vielleicht gar nicht wirklich war. Bildete ich mir das alles nur ein? Aber auch Kreativität ist etwas, dass wir selbst durch Training formen können, ebenso wie Beweglichkeit, Witzigkeit, Spontanität (zumindest behaupte ich das hiermit). Da ich also den Namen einer literarischen Vorlage trage, dient mir mein Vorname als Schablone für mein Künstlersein. Wie unzählig oft ich gefragt werde, ob schon mein Vorname „Scarlett“ mein Künstlername sei! (Halbsatz off) Scarlett stellt damit die Verbindung zwischen Kunst und Wirklichkeit dar.

Das H in „Scarlett H Mirro“ ist zum einen der Bezug zu meinem Geburtsnamen und damit eine Hommage an meinen früh verstorbenen Vater. Ich trage den Namen Hermann mit Liebe im Herzen. Zum anderen folge ich hier dem irischen Ansatz meiner literarischen Vorlage: O’Hara. Ich bilde mir damit ein, meiner schottischen Seelenverwandtschaft in meinem Künstlernamen Raum zu geben. Auf den Zusammenschluss von H und Mirro mittels eines Apostrophs habe ich verzichtet , weil ich die Schreibform nicht kopieren wollte. Gesprochen klingt mein H Mirro ebenso wie O’Hara, ist aber kein Adelszusatz und auch kein Titel, wie in manchen Kulturen üblich.

Zum guten Schluss hat mein Name ein M als ersten Buchstaben, weil ich die Form des M geschrieben sehr mag; vor allem im Kontrast zum S, da ich ja auch Autogramme mit diesem Namen geben wollte. Es soll sich schließlich für Fans meiner Texte lohnen, sich ein Autogramm abzuholen, ein zwei persönliche Worte zu bekommen und dafür braucht es einen schön geschriebenen Künstlernamen.

Jetzt könntet ihr, liebe Freunde des geschriebenen Wortes, meinen, dass ich nach all den Jahren meinen Künstlernamen wegen besseren Wissens und wegen individuellen Wachstums ändern sollte, doch aus zwei Gründen tue ich das nicht: a) habe ich das vor vielen Jahren in meinem Studentenzimmer in Bochum entschieden, das nicht zu tun und b) habe ich erst in den letzten Jahren verstanden, wie dicht an der Wahrheit der Name ist. Profiliere ich doch immer, weil ich sage, was ich denke (bei weitem weniger, als viele vermuten würden), weil ich meinen eigenen Weg gehe (mit mehr Schmerzen, als die meisten vermuten würden), weil ich alles in Zweifel ziehe und hinterfrage (auch die Selbstzweifel sind nie weit weg), so tue ich das sicher auch mit meinen Texten: die Themen, die Ansichten, die Vielstimmigkeit, das Figurenaufgebot, etc. Das mein Erkenntnisprozess so lange brauchte, liegt vielleicht daran, dass ein Spiegel eben nur reflektiert, nur widerspiegelt und nicht selbst Erkenntnis liefert, das muss der Betrachtende allein tun. Auch wenn es so wirkt, als würde ich arrogant in meinem Schreibkämmerchen sitzen und denken, anderen den Spiegel vorzuhalten und mich darüber zu erheben, so ist darin eine schwere Bürde zu tragen, denn nur den Spiegel zu halten und dem Gegenüber den Rest zu überlassen, ist kaum auszuhalten, ohne nervös hin und her zu rutschen und sich zu wünschen, der andere möge endlich erkennen, möge verstehen, möge sehend werden.

Und bedenkt immer: Wieso sticht der Skorpion den Krebs, der ihn über das Wasser tragen soll? Er kann nicht anders.

Füße kalt, Herz schlägt laut, aufgerichtete Nackenhaare – kurz vor der ersten zählenden Veröffentlichung

„Oben – Unten“ – mein erstes Veröffentlichungsbaby muss wirklich gut aussehen.

Wir haben Ende Juni, die erste Veröffentlichung rückt im Kalender näher. Meine erste richtige Veröffentlichung. Das erste Buch ist schon Teil einer ganzen Serie von weiteren Geschichten, die alle noch ein wenig unsortiert in Ordnern mäandern, unreif vor sich hin gären. Doch dieses erste, wie immer, dieses erste ist für mich der Erfahrungsprozess zum Lernen wie es geht. Ich bin gespannt, in Sorge, aufgeregt und neugierig, ungeduldig, nervös und zuversichtlich. Alles gleichermaßen. Zum einen will ich mich mit dem ganzen rechtlichen Kram nicht befassen, andererseits will ich es genau wissen. Zum einen will ich gar kein Marketing betreiben müssen, zum anderen überlege ich schon, wie ich Interviews gebe und Lesungen halte. Dieses Hin und Her und mein Gefühlsleben ist in viele kleine Mosaikstücke zerrissen. Für mich ist es ein großes Ereignis mit einem Feuerwerk an Gefühlen. Für die Welt ohne Bedeutung. Ob mein Schreiben die Kraft und das Feuer hat, so viele Herzen und Träume zu bewegen wie Rowling oder King? Träumen wird man ja wohl dürfen und möglich wäre es mit diesem Stoff. Möglich bestimmt. Möglich wäre es. 

Vielleicht wird es einen Tag geben, an dem sich meine Idee und meine Geschichte in die Herzen von sehr vielen Menschen hineinliest, dass ich von einem großen Erfolg sprechen kann. Wird das dann für mich noch so viel Bedeutung haben wie dieser erste Moment meiner Veröffentlichung, wo ich so unsicher, so unerfahren und so unwissend war? Meine Hochzeit war ein großes Ereignis, die Geburten meiner Kinder waren viel bedeutender, viel emotionaler und unendlich mehr verändernd.

Ja, ich wünsche mir Leser und Leserinnen, die in meinen Geschichten träumen, Phrasen meiner Texte zitieren und mit Freunden über die „Hätte, Wenn und Aber’s“ diskutieren; die mir Fragen stellen; denen auffällt, wie viele kleine freche Zitate aus anderen Geschichten Eingang gefunden haben; die mir erzählen, welche Textstelle sie lustig, traurig oder witzig fanden, die mehr wissen wollen über Paul, Mani, Anna, Miri und die anderen alle; die zum nächsten Teil Spekulationen haben und sich auf meiner Fanwebseite tummeln und mit anderen Geschichtenkennende austauschen wollen; die sich über das Verhalten, die Gewalt und die Ausweglosigkeit ärgern; die auch wollen, dass dieser fortgesetzte Geschlechterkrieg ein Ende findet…

Und Angst habe ich, dass ich einer Welle des Hasses ausgesetzt werde, weil mein Roman zum Werkzeug von Vorurteilen gemacht wird. Männerhasserinnen und Frauenhasser im gleichen Maßen haben hier viel Platz für Vorurteile. Dabei ist es nicht so, dass ich Vorurteile schüren will, sondern die Facetten des falschen gegenseitigen Bekriegens abbilden will. Ob das dazu führen kann, dass Männer lernen wollen, Frauen zu verstehen und das Frauen lernen wollen, Männer zu verstehen? 

Fertig, fertig, fertig … Vom Träumen zum Planen und ab in die Realität

Häkchen. Häkchen. Das hab ich schon fertig.

Tagträumereien, wie ich mir meine Zukunft denke oder – Schrägstrich – wünsche, das kennt jede und jeder. Doch in diesem Jahr wird sich erweisen, ob dieses Träume Konturen bekommen, die sich in die Realität heben lassen. Mein erster Schritt „Lösen von Materie“ har ja schon mal geklappt, hat Schmerzen verursacht und ich habe das überlebt. Mein zweiter Schritt „Zähne in Ordnung bringen“ ist ebenfalls sehr sehr schmerzhaft, konfrontiert mich auch mit meinen Urängsten, aber in einer ganz anderen Weise. Jeder diese Schritte schafft das Relief einer neuen Zukunft. Doch wie wird es sein?

Damals, als ich das erste Mal schwanger war, als ich erlebte, wie sich das Unbekannte meiner Zukunft im Bauch bewegte und anfühlte, da dachte ich so vieles, was sich nicht ereignete und ich dachte an so wenig, was sich ereignete. Was lustige Vorstellungen hatte ich bis zur Realität davon, wie das Zusammenleben mit eigenen kleinen Kindern sein könnte und wie Erziehung funktionierte. Dies war meine einschneidenste Erfahrung und hat eine lange Lebensphase umfasst.

Jetzt stehe ich vor den Toren einer neuen Lebensphase; ich bin erfahrener, toleranter und sogar geduldiger geworden, wobei schon ein Anteil meiner großen Ungeduld dazu führte, dass ich besser nicht weiter an dieser Schule Lehrerin sein sollte. Diese Phase geht jetzt zu Ende.

Im August kommt er – meine erste Veröffentlichung

Was ich mir vornehme, plane und woran ich arbeite, scheint sich doch umzusetzen. Ich benötige dafür eine Deadline, etwas Zeit und meine Träumerei, die mir ausmalt, wie ein Plan entstehen kann. Nachdem ich nun meinen Roman zum x-ten Mal selbst zur Korrektur gelesen habe (einmal rückwärst), kann ich sagen, dass ich die meisten kleinen Fehlerchen mit der Löschtaste erwischt und aufgespießt habe. Aktuell will ich ihn noch einmal durchlesen, zwei oder drei kleine sehr flüchtige Biester ausmerzen und dann ist es getan. Im August kommt er dann raus, offiziell.

Ganz offiziell ist das nicht meine erste Veröffentlichung. Ich hatte schon das Vergnügen der ein oder anderen Kursgeschichte, siehe meine Vita. Anders ist es allerdings dennoch. über 650 Seiten (normal beschriebene, nicht in MS-Format) sind so umfangreich in den Details, dass ich erstaunt bin, welche interessanten Symbole ich gefunden habe, welche eigenartigen Metaphern sich wiederholen und wie dicht insgesamt der Text geworden ist. Das ein oder andere vergesse ich tatsächlich immer mal wieder, habe es zwei Mal gesagt und muss mich dann entscheiden, wo ich es wegstreiche. Ich stelle fest, dass ich nach sechs oder acht Mal Lesen trotzdem nicht genau weiß, wo ich das hingeschrieben habe. Und immer wieder stelle ich mir die Frage, ob 60 Tage tatsächlich genügen, eine solche Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken. Ist das glaubwürdig? Dann beruhige ich mich und denke, dass Corona uns genau das gezeigt hat. 60 Tage für einen gesellschaftlichen Totalschock würden genügen.

Wenn ich es verfilmen würde, würde ich die Dauer der Gefangenschaft allerdings offen lassen. Ich würde nicht darüber nachdenken, ob es nun 50 oder 60 Tage sind. Hier diente es meiner Einteilung.

Und wozu ich eine Menge Phantasie und einen langen Atem brauchen: WERBUNG. Ich muss meinen Roman selbst bewerben, über sämtliche Kanäle, die mir zur Verfügung stehen. Ich muss die Y-Chroniken beatmen, mit Leben füllen. Hier kleine Zusatzgeschichten, dort ein kleines Hörspiel und alles, was es für eine schöne Fanseite benötigt. Lesungen wollen organisiert, Texte rangeschafft und der zweite Teil nachgelegt werden. Ja, der hat schon einiges an Volumen, doch muss ich mich bezähmen, denn im zweiten Teil wird nicht alles auf einmal gesagt.

Werbung und Vermarktung, da braucht es mehr als nur ein paar Träumereien von Radiobeiträgen, Auftritten in TV-Talkrunden oder ähnliches mehr. Ja, das wäre schon sehr nett, wenn es jedoch zu Auftritten in Talkrunden kommt, dann bin ich bereits erfolgreich. Soweit darf man das nicht vergessen.

Wie isst man einen Elefanten?

Ich weiß, was ich schreiben will, ich weiß, worauf die Geschichte hinausläuft und ich weiß, dass mein Endziel eine Serie ist, an der ich zumindest mitschreibe. Hielt ich meinen Gedanken für besonders, dass es sich um einen Welt-Plot handelt, bei dem in jedem einzelnen Teil eine andere Figur im Fokus steht? Ja, dachte ich. Ich habe mich im langen Prozess damit auseinandergesetzt, ob Paul und Bianca bleiben, als zentrales Antagonisten-Gestirn. Ja, die anderen Figuren sollten am Rande schon weiter mitlaufen, sozusagen mitwachsen, ihre Beweggründe, ihre Entscheidungen, ihre Wünsche und Ängste sollten jedoch kein zentrales Thema umranken. Ich wollte – und werde es so auch machen – die Welt durch verschiedene Blickwinkel betrachten. Vor allem finde ich spannend, unterschiedliche Genres zu kreuzen und durch diese Wechsel hindurch einen ganz leisen, klaren Faden einer Tonalität wirken zu lassen. Der Stoff erhält so einen Schimmer, den nicht alle erkennen können. Soweit das Ideal.

Und ich dachte, das sei eines meiner Alleinstellungsmerkmale, denn alle anderen Serien drehen sich in der Regel um eine Hauptfigur. Im Prinzip arbeitet Julia Quinn mit ihren Schmachtschinken Bridgerton in ähnlicher Weise. Sie widmet jeden Band ihrer Saga einem anderen Familienmitglied und arbeitet sich durch, so dass die anderen Familienmitglieder zwar auftreten, auch mal was zu sagen haben, sich auch weiterentwickeln, aber ihre Geschichte ist erzählt und nun folgt eine andere leidenschaftliche Liebesgeschichte. Der Rote Faden bei den Bridgertons ist Lady Whistledown bzw. Penelope Featherington und wie sie sich langsam von einer Raupe zum Falter hin entwickelt. Andererseits bleibt die Autorin Collins in einem Genre und das will ich selbst überwinden.

Eine weitere Parallelität ist die Anzahl der Figuren. Auch in meinen Geschichten (eigentlich schon immer) treten viele viele Figuren in Erscheinung. Der einzige Roman, der das nicht hat, ist die Nietzsche-Frau, das sind drei Figuren. Sollte ich zu Lebzeiten gefragt genug werden, würde ich diese Geschichte final korrigieren und publizieren. Doch das ist eine andere Geschichte. Das Zeitmedaillon bräuchte ebenfalls nicht mehr viel Schliff – andererseits, heute schreibe ich anders. Man wird sehen. Die Chaotologie wäre ein Liebhaberstück. 🙂

Der schwierigste Teil, der vermutlich wenig begeisterte Fans finden wird, ist der erste. Ich weiß das. Dafür gibt es zahllose Gründe: sehr langatmig erzählt, sehr komplexe Sprache, anspruchsvolle Wechsel mit zahllosen Lücken, die sich der oder die Lesende selbst füllen muss, viele Figuren, als Genre ist eine Liebesgeschichte in einem Science Fiction sehr anspruchsvoll (entweder lesen Männer SiFi oder Frauen Liebesgeschichten, der Mix gelingt dann selten). Und da es noch sehr lang ist – für ein Debüt viel zu lang, würde mich wundern, wenn ich in den ersten Jahren mehr als 150 Exemplare verkauft bekäme. Sollte ich es deswegen nicht so aufwendig und (für mich) teuer veröffentlichen? Nein, ich denke genau das Gegenteil. Inzwischen liebe ich diese Geschichte besonders: diese bunte Männermischung im Stollen, die vielen Dinge, die nebenher passieren und wie sich daraus eine neue Welt erschaffen hat. Ich darf nur nicht vergessen, dass die Gummipuppen in Teil II noch ein Comeback brauchen. Auf jeden Fall werden die Sektkorken knallen, wenn ich die Marke von 150 verkauften Exemplaren erreicht habe. Und eine Chance habe ich, wenn es im ersten Jahr der Veröffentlichung passiert.

Was bei all meiner Planung wichtig ist:

  • einen Arbeitstag pro Woche für das Schreiben
  • einen für all die Korrespondenz und Werbung
  • drei Tage, um richtiges Geld zu verdienen;
  • einen für Theaterseminare, Tangolektionen oder ähnliche Projekte
  • einen Tag für mich und die Küche oder den Garten.

Mehr als sieben Tage hat die Woche nicht. Das will also genau überlegt und entschieden werden. Drei Tageswoche, da wird wenig für meine Rente hängen bleiben. Ich brauche also für die Rente einen Plan B: Erbschaft, reiche Heirat, Mäzen, Ruhm. Ich weiß, der Ruhm ist mir ja gewiss, aber macht der satt? Vor allem brauche ich eine Lösung, falls ich so alt werde, dass ich gepflegt werden muss. Was, wenn ich das alte Altsein nicht verhindern kann oder verhindern will? Will ich auch in diese Falle tappen zu glauben, dass ich nur älter werde, nicht gebrechlich, unbeweglich, krank, vergessend, hilfsbedürftig? Das alles will ich nicht werden, aber schützt mich der Wille davor?

Bevor wir dahin schauen, schauen wir auf die nächste Lebensphase, meine totale Freiheit. Womit ich mir beweise, dass der Mensch doch mehr Freiheit hat, als die meisten sich zugestehen, wenn ich das wirklich realisiert bekomme. Die kleinen Schritte hin in eine andere Wirklichkeit:

  1. Jetzt zu Ende bringen, was ich begonnen habe: Musical, Finanzamt, Autoumbau, Jobsuche
  2. Kündigen meiner Lehrtätigkeit und einen neuen Vertrag für sechs bis acht Monate unterschreiben
  3. Filmfestivals, BUT-Seminare belegen bis zum Abschluss, Tangolehrerausbildung, Universität besuchen
  4. Umherreisen, dazwischen online Geld verdienen oder auf dem Weg (Housesitting, Oma-Nanny, Gelegenheitsjobs, auf der Straße Theater oder Singen)
  5. Die Romanteile 3, 4, 5, evtl. 6 schreiben, mich weiter an Drehbucharbeiten begeben und die verkaufen
  6. Beenden der Lebensphase mit 57 oder 58 Jahren, indem ich sesshaft in einer schönen Stadt (Potsdam, Freiburg, o woanders) werde.

Eine schöne Liste. Das Hausprojekt schließt diese Lebensphase des Reisens und Treibens. Das ist dann meine Abschlussphase und da möchte ich dann ankommen und all das machen, was noch in mir ist, wie auch Oma-sein, bevor dann mein Körper den Rückzug anstrebt. Am liebsten möchte ich so eine alte Lady werden, wie es M.’s Mutter ist, doch wer weiß, was der Lebensweg bereithält.

Im Dazwischen – Schlüsselerfahrungen

Yoga ist die Lehre vom Hier und vom Jetzt – eine sehr praktische bzw. praxisnahe Lehre. Ich übe mich darin mit minder oder mehr Erfolg. Doch kaum mehr kann man im Dazwischen sein, als ich es aktuell bin.

Mein Umzug steht symptomatisch für diesen Zustand. Irgendwie stimmen beide Adressen und keine richtig. Meist will man an dem einen Punkt nicht mehr sein und kann sich doch nicht richtig lösen, der neue Punkt zieht bereits hartnäckig. Klebrig und zäh muss man immer wieder hin und noch und noch ein paar Sachen einpacken, sortieren oder wegwerfen. Jedes Blatt, jede Heftzwecke und jedes Buch verlangt eine Entscheidung. Nicht nur für oder gegen es, sondern in meinem speziellen Falle auch: welche Kategorie? Kategorie „Langfristig“, „Mittelfristig“ oder „Kurzfristig“ oder vielleicht langfristig. Zu meiner Schwester, zu meiner Tochter, zu meinem Ex-Mann, zu meinem neuen Zuhause?

Mein spezieller Fall

Was ist mein spezieller Fall? Ich will aussteigen aus meinem Beruf, was für die meisten Menschen reinster Irrsinn ist, denn ich hab doch den besten, nein den sichersten Beruf überhaupt: gute Bezahlung, unkündbar, traumhafte Pension. Wieso sollte ich den denn kündigen? Die Gründe sind wirklich erdrückend und mich rausschleichen durch eine Krankheit (vorgetäuscht oder wahrhaftig) will ich nicht. Die wichtigsten drei Gründe sind vermutlich die: Das Schulsystem ist falsch und macht die Menschen (Kinder voran, aber auch die Erwachsenen) darin kaputt; meine Gesundheit ist mir mehr Wert als Geld; ich brauche meine Zeit für viele andere Dinge, die ich noch auf meiner Bucketliste habe und die Zeit nach der Schule ist mir nicht gewiss genug.

Cover des ersten Teils meiner Romanserie: Oben – Unten

Allerdings muss das gut vorbereitet sein und ich halte auch meine Versprechen mir selbst gegenüber gerne ein: Ich möchte erst noch das Musical auf die Bühne bringen. Ich möchte noch in dem Jazzkeller aus meiner ersten Veröffentlichung des Romans lesen. Ich möchte finanziell ein bisschen Vorsorge treffen, bevor ich in das Nichts von Phantasien trete. Ich möchte meine Zähne, meine Steuern, meine Finanzen, meine Gesundheit soweit auf dem Weg haben, dass ich ohne Bedauern aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden kann. Ich möchte meine Kinder noch ein wenig begleiten, zumindest ein bisschen beobachten. Ich möchte die ersten Schritte in Freiheit planen können.

Ein Grund – meine Gesundheit

Ambivalent und wie ein Dazwischen erscheint mir, dass ich die beste Versorgung meiner Gesundheit als Beamte finanziert bekomme. Natürlich nicht wirklich, denn mein Arbeitgeber bezahlt lange nicht alles, um mich wirklich gesund zu machen. Doch durch die private Versorgung bin ich schneller und intensiver versorgt. Gleichzeitig macht mich dieses System marode, es zersplintert mich regelrecht (Danke für diesen Ausdruck, J.K. Rowling).

Wenn ich auf meinen Job gucke, was ich zu tun habe, welche Aufgaben und Pflichten, dann erscheint alles ganz einfach und geordnet: Noten geben, Zeugnisse ausstellen, dazwischen ein bisschen Stoff vermitteln. Vermische ich das Ganze mit den gut durchgeschüttelten Vorurteilen von faulen Schülys, von unverschämten Erwartungen, von verwahrlosten, sich selbst überlassenen und misshandelten Kindern, dann habe ich vor allem immer Recht. Hinterfrage ich dieses Bildungssystem, schaue ich mir real an, wie wir Kinder von all dem abhalten, was sie selbst wollen, wie wir sie entmündigen, ihnen absprechen, dass sie selbst wissen, was sie lernen wollen, dass wir ihnen nur immerzu vorschreiben, was sie zu welcher Zeit zu tun und zu lassen haben, sehe ich mir und meinen Kollegys dabei zu, wie wir diese Gefangenschaft minutiös aufrecht erhalten, Regeln dazu konzipieren und uns selbst wie auch die Kinder und Jugendlichen beschneiden, dann kann ich diesen Job nicht erledigen. Zwischen diesen beiden Sichtweisen hänge ich gefangen und kämpfe mit meinem Pflichtbewusstsein gegenüber meinem Auftraggeber ebenso wie mit meinem Wunsch nach Rebellion für die Kinder und Jugendlichen. Der Preis ist die Gesundheit.

Sicher, ich bekomme auch bei der Frauenärztin noch einen Termin, obwohl sie keine neuen Patienten annimmt. Der Augenarzt lässt mich nicht erst drei Monate stehen und ich brauche keine Zuzahlung für Medikamente leisten. Ist es nicht wünschenswerter, keinen Arzt zu brauchen, für den ich meist nur eine Melkkuh bin?

Ein anderer: All die Dinge, die mich erwarten – in Freiheit

Die Verbeamtung ermöglicht, dass ich rein hypothetisch aus Krankheitsgründen ausfallen kann. Damit will ich nicht sagen, dass viele nur eingebildet krank sind (siehe oben)? Aber will ich denn selbst so krank werden? Wenn unser Schulsystem anders werden würde, mehr Personal einstellen würde, die Verbeamtung auflösen würde (ja, was spricht bloß dagegen), wenn das System an sich überholt werden würde, wenn man ehrlich Geld anfassen würde … Ich träume. Ich bitte um Verzeihung.

Was ich will, ist Freiheit (obwohl ich gar nicht an selbstbestimmte Freiheit glaube). Jedem Menschen wohnt inne, dass er sich im Laufe seines Lebens auch noch einmal umentscheiden kann. Nur, weil ich in jungen Jahren entschieden habe, diesen Weg als Lehrer zu gehen, heißt das nicht, dass das für immer sein muss. Im Gegenteil, meine Entscheidung für diesen Beruf hatte zwei Motivationen: Veränderung des Systems von Innen zu bewirken; meinen Mann zu entlasten und Geld verdienen, bis meine Kinder erwachsen sind. Letzteres ist geschehen, ersteres funktioniert nicht. Spätestens seit Corona – eine unendlich verpatzte Chance, das System neu zu booten – wissen wir, dass die Gesellschaft genau dieses kaputte System will; Eltern wollen es, weil sie damit entlastet werden, weil Familienleben dann eine Struktur hat, weil sie glauben, dass die Kinder nur so etwas lernen. Arbeitgeber wollen es, weil sie glauben, dass nur so Jugendliche sozialisiert werden können, um sie überhaupt für den Arbeitsmarkt tauglich zu machen. Dieses System ist faszinierend stabil mit all seinen Paradoxien von Noten, von Stundentafeln, von Ausfallzeiten, von Abschlüssen. Bevor ich aber ausufere, kehren wir zurück zum Thema.

Ich bin Lehrerin geworden – nicht wider Willen -, weil das ein Beruf ist, der Spaß macht; der mich bereichert; der dazu führte, dass mein Ex-Mann ein Gefühl von Sicherheit bekam; der immer wieder anders und damit durchaus spannend ist. Mit dem Ticket der Sicherheit in der Hand versprach ich mir 2007 selbst, dass ich jeder Zeit aussteigen kann, spätestens aber, wenn meine Kinder aus der Schule sind. 2024 ist es soweit.

Was sind die Sachen, die wie Kinder in mir rütteln und mich um Aufmerksamkeit ersuchen?

  • Die Welt in meinem Tempo bereisen.
  • Schreiben.
  • Theater machen, am liebsten sogar Film; beim Theater pocht jedoch die Pädagogin in mir laut an die Scheibe der Aufmerksamkeit. Film wäre mehr zu meinem Vergnügen, zu meiner Lust.
  • Und dann möchte ich so reisen, dass es meinem Lernvergnügen dient.
  • Eine Sprache erwerben. Arbeiten. Gelegenheitsjobs.

Ich will etwas bewegen. Schreiben, was andere bewegt. Ich möchte Theater machen, um zu sehen, wenn sich in den anderen was bewegt. Meine Möglichkeit, zur Heilung der Menschheit beizutragen. Für unsere Kinder, für unsere Umwelt, für unser Miteinander. Ja, ich bin nicht falsch in meinem Beruf gewesen. Ich bin sogar eine ganz gute Lehrerin, falls ich das überhaupt selbst beurteilen darf. Und doch macht mich das System krank, weil ich mehr Schaden anrichten muss, als ich Gutes bewirken kann. Alles andere ist Selbstleugnung, Beschönigung, Lüge.

Ich stecke im Dazwischen

Ich stecke im Dazwischen, noch bin ich in der Schule, bin aber bereits vor dem Absprung. Wie ein Sportler gehe ich im Geiste durch, was ich beachten muss, wie welcher Schritt sein wird, bevor ich den letzten Schritt auf dem Brett mache und abhebe.

Ich habe keine Ahnung, was danach sein wird, welches Danach es sein wird, wo dieses Danach beginnt. Im Moment weiß ich nur, ich habe jede Heftzwecke in den Fingern gehabt, mir den Staub von jedem Stück Papier, Buch und Regal abgewaschen und ich habe Kratzer auf der Seele, weil ich viele meiner Sachen hergegeben habe, weil ich 25 Jahre alte Schubladen verkauft, verschenkt, weggegeben habe. Ich habe Muskelkater von diesen vielen kleinen Schritten quer durch mein Leben, um alles zu sortieren, was war und alles zu sortieren, was kommt. Ich habe mich aufgehalten in diesen Erinnerungen, alles bis zur Unkenntlichkeit getragen und ausgehalten und zum Schluss habe ich Tango getanzt, weil das Leben muss man tanzen, sonst reitet es einen.

Tangoabschluss in meiner leeren Wohnung am Donnerstag, März 2024

Das Tangotanzen mit Freunden in der leeren Wohnung war vermutlich eine meiner genialeren Ideen. In der leeren Wohnung, die ich so sehr geliebt habe, blutete ich langsam innerlich aus. Was, zum Henker, hatte mich nur dazu gebraucht, alles herzugeben und alles auf ein Zimmer zu reduzieren? Ich weiß, warum ich es tue. Ich weiß, dass ich es will und dennoch tut es weh. Ich spüre mich Angst umwehen, Unsicherheit mich zersetzen und Zweifel sich auftürmen. Mein Schreiben, mein Reisen, mein zweites Leben erscheinen mir während all dem einer Fatamorgana zu gleichen. Dem setzte ich Tango entgegen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, doch liegt in diesem improvisierten Tanz so viel Lebendigkeit, dass dagegen das Gefühl der Angst nicht bestehen kann. Ich weiß, viele werden von ihrer Angst umklammert, eingesperrt und beherrscht. Aus diesem Klammergriff kann man sich nur schwer herauswinden. Ich will mich aber nicht beherrschen lassen von dieser Angst.

Das Dazwischen hält viele Gefühle bereit, mit denen man sich auseinandersetzen sollte. Die gesammelte Materie ist nicht bloß eine Anhäufung zufälliger Dinge, die wir in unserem Leben hinter uns herziehen. Diese Materie ist mit Bedeutung aufgeladen. Das sollten wir als Verursacher dieser Materie, die wir hinter uns her ziehen quer durchs ganze Leben, nicht vergessen.

In meinem aktuellen Dazwischen wird mir bewusst, wie viele Gefühle Raum brauchen, gefühlt und ausagiert zu werden. Mein Dazwischen ist unfertig. Da liegt noch vieles, was bearbeitet werden will. So viel Unsicherheit, so viel Angst, so viel Wunsch nach Anerkennung, Verständnis und so viel Wartezeit.

Drehbuchwerkstatt München, die Zweite – Action.

Ich habe mir also noch einmal die Bewerbung für die Drehbuchwerkstatt München vom letzten Jahr vorgelegt und gesehen, dass ich meine Komödie von der Königin und ihrem Piraten sowie meine Ökoterroristin ins Rennen geschickt hatte. Bis Ende Dezember habe ich Zeit. Eigentlich sollte es einfach sein. Könnte man meinen. Da ich aber einen Serienstoff beifügen muss, um für den „Writers Room“ die Werkstatt zu machen, muss ich einen neuen Stoff erarbeiten.

Ja, diese kleine Ökoterroristin will ich noch einmal anheben, sie wachsen lassen. Ich dachte, eine bisschen die U. Meinhof einzubringen. Nachdem ich aber gerade mal ein wenig die Biografie bei Wiki gelesen habe, muss ich sagen, dass sie sich vielleicht weniger eignet als ich dachte. Ihre Biografie liest sich so, als habe sie schon immer politisch gehandelt und als habe man sie deswegen sehr menschenrechtsfeindlich in der Haftzeit behandelt. Meine Ökoterroristin soll wegen ihrer sozialen Isolation sich selbst zunehmend radikalisieren, weil sie sich zum ersten Mal gesehen fühlt. Wenn wir Bestätigung für irgendetwas bekommen, was wir gemacht haben, neigen wir zur Wiederholung, weil wir Bestätigung wollen, für unser Selbst. Wenn wir Glück haben, können wir uns davon befreien, wir können es durchschauen und erkennen, dass wir für etwas und nicht um unseretwillen geliebt werden. Da wir aber meistens gar nicht so objektiv von außen auf uns gucken können, bekommen wir diesen Moment oft gar nicht mit. So passiert es meiner Ökoterroristin, die sowieso sehr jugendlich ist und noch immer irgendwo nach Anschluss sucht, dass sie sich selbst für eine wichtige Person im Kampf gegen die Klimakrise hält.

Als Serienstoff will ich meine Serienidee Nummer eins nicht verwenden. Ich will diese Idee nicht für einen Probelauf verspielen. Wenn ich mit den Y-Chroniken bei einem Produzenten oder einer Produzentin starten will, dann mit einem guten Konzept und einem Papier in der Tasche, dass mich zumindest nicht mehr ganz so laienhaft aussehen lässt. Und da habe ich in den Tiefen meines Geistes die Idee ausgegraben, die als Komödie zumindest witzig ist: Das verschwundene Land. Die Zwergen als Bösewichter des Universums. Das ist doch mal was anderes. Ein Mix aus Fantasy, Märchen, Science Fiction und Komödie mit Drachen, Antihelden und vielen süßen Hinweisen quer durch die Kinderfilmklassiker: Alice im Wunderland, Peter Pan, Findet Nemo, Drachenzähmen leicht gemacht, Jim Knopf, Die unendliche Geschichte, Märchenbraut. Das sich auszudenken, ist wirklich lustig. Irgendwie ist es ein satanarchäolügenialkoholischer Mix. Wie ich das auf zwei Seiten darstellen soll, weiß ich allerdings nicht. Ich formuliere herum und experimentiere am offenen Körper.

Um das Experiment zumindest ein wenig erfolgreicher zu machen, sollte ich vielleicht einen Writer’s Circle einberufen, damit das Ganze ein bisschen mehr Konturen bekommt. Mal sehen, ob es dafür Interessentys gibt.

Als Dialog würde ich vermutlich eine Stelle aus der Ökoterroristin nehmen, denn daran habe ich ja schon technisch gefeilt und gearbeitet. Ja, den Text finde ich hier und da trocken, die Story auch, ist aber gut ausgereift. Mal sehen, ob ich dann bei diesem Durchlauf erfolgreich bin.

Segel hissen und gleiten lassen – eine Allegorie für das Leben

Ringsum Wasser, schlammgrünlich im IJsselmeer, in der Sonne kleine Glitzerpunkte überall, am Bug schäumt das Wasser leicht auf und verkräuselt sich. Und man kann nichts tun als es zu genießen, als zu liegen oder zu sitzen und zu genießen, was das Leben dir gerade bietet. Natürlich kann ich dabei Lesen, quasseln oder ein paar Notizen machen, doch irgendwann fängt dich das Meeresrauschen mit dem leisen Säuseln in deinem Ohr „Pause, Pause, Pause“ oder „Wozu? Wozu? Wozu?“ ein.

Was für eine Lebensallegorie erzählt uns dieser Moment, dieser eine, den ich festhalten möchte?

Foto von Monika Maria Luisa Schmidt 2023

Es ist einer jener Glückmomente, die ich wie kleine Perlen sammle und am Ende des Tages betrachten will. Diese gesammelten Glücksperlen sollen mich einst noch einmal glücklich machen, wenn es langsam in meine Kopf zu dämmern beginnt und wenn ich nur noch die Erinnerungsreisen antreten kann.
Ich strample mich im Alltag ab, möglichst viele kleine Oasen der Entspannung zu finden, möglichst in der Gegenwart zu verweilen und doch ist es eine der schwersten Disziplinen. Meditation, Yoga, Besinnung auf den Moment, auf den Tag, nicht in die Zukunft eilen, nicht in der Vergangenheit weilen und dazwischen nicht nur träumen, von etwas, was nicht ist und nicht kommt. Nicht zu viel planen, nicht zu viel organisieren, nur auf das Überschaubare setzen und doch: das Musical, der Umzug, das große Aussteigen 2025, die Optionen danach, die Chancen danach, die Angst davor, hier noch eine Tangoreise – vielleicht eine letzte – und KAST noch einmal als Teilnehmerin, der Roman, der nächste Roman, die nächsten Texte, die Ausschreibung im Winter und jetzt jetzt jetzt. Kaum häng ich einer dieser vielen Baustellen nach, öffnen sich kleine zusätzliche Baustellen, wie von Geisterhand. Dazu dann die Sorge, dass ich den Überblick verliere, dass meine Listen nicht gut sind, dass ich mehr und schneller was tun muss.

Dann das Segeln. Wie einfach kann es sein, aus der Zeit zu fallen. Der Blick verläuft sich in der Weite, kaum etwas auszuwerten, kaum etwas zu bedenken, zu entschlüsseln. Der Wind trägt alle nicht zu trägen Gedanken einfach fort und übrig bleibt dieses „Ah, ist das schön“.

Also dieses Wochenende – ich will das nicht verhehlen – hatte noch mehr zu bieten. Olli ist ein Meister in der Küche, er verzückt und verwöhnt unsere Gaumen. Andre, Barnie und Jonas sind sehr lustige Menschen, die die Heiterkeit der Gruppe befördern, bis man Bauchschmerzen bekommt. Leon ist reifer geworden, interessant, ihm zuzuhören. Yvonne meistert die Gesprächstiefen; der Rest geht auf in Wolken der leichten sprudeligen Sorglosigkeit netter Unterhaltungen. Hier und da werden Impulse gesetzt, kommt es zu ungeahnten Tiefen, die jedoch keine Schwere bieten. Alle Frauen sind herzlich und offen, Franzis Liebe und Sorge zu ihren Kindern wäre zu nennen, ebenso wie Jennys Freude an der Unabhängigkeit für eine Woche oder Monikas Bestimmtheit bei feministischen Themen und ihren guten Blick für Fotos (wie dieses hier). Insgesamt also ein Wochenende der Bereicherung und Entspannung.

Foto von Monika Maria Luisa Schmidt 2023

Oh, ich will das wieder haben … wieder ein Wochenende entspannt auf Deck liegen, an Tauen ziehen, in der Küche den Abwasch nach einer superleckeren vegetarischen Bolognese machen und wieder mich in den Schlaf schaukeln lassen. Ich will wieder durch eines dieser verträumten süßen kleinen Orte schlendern und ein Bier trinken, dass hier viel zu süß wäre. Ja ich will.

Was würde sich ändern, wenn es plötzlich keine Männer mehr gäbe?

Eines dürfte sicher sein: Die Welt geht dann nicht innerhalb der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre unter, weil keine Babys mehr geboren würden. Es ginge ein Rucken und Rumpeln durch die weibliche Bevölkerung und vieles würde sich vermutlich sehr schnell verändern. Sicher würde alles, was an Männer speziell erinnerte und ein Ärgernis oder einem Steh-im-Weg gliche, entsorgt. Statt Männer gäbe es dann verschiedene Frauengruppen,

  1. die Lieblichen, Sanftmütigen und Intriganten
  2. die Dominanten, Maskulinen, Direkten
  3. die Ruhigen
  4. die Lauten; oder
  5. die Bemalten und Behangenen und
  6. die Nüchternen und Natürlichen

Schnell wäre man bei der Hand mit Differenzierungen, denn der Mensch neigt dazu, zu trennen und zu kategorisieren, zu dualisieren – könnte man sagen.

Wie es dazu kam, dass sich die Welt gegen die Mannheit entschied, ist zunächst nebensächlich, wenn man die eingangs gestellte Frage betrachtet. Würde die eine Hälfte der Menschheit fehlen, würde dies auf die andere Hälfte eine Auswirkung haben, aber welche?

  • ein Teil der Frauen würde sicherlich aufatmen, nämlich weltweit all jene, die durch oder mit Gewalt unterdrückt wurden, die mehr Leid als Freude erfahren haben im Leben: Zwangsprostituierte; kleine Mädchen, die durch wichtige Bezugspersonen vergewaltigt wurden; Zwangsverheiratete, Gefangene durch Religion und Tradition. Das dürften sehr sehr viele Frauen weltweit betreffen.
  • ein Teil der Frauen würde schweren Kummer, schwere Trauer erfassen, nämlich jene Frauen, die lieben und geliebt wurden. Auch das trifft einen großen Teil: Mütter, Liebhaberinnen, frisch Verliebte.
  • einem kleineren Teil wäre es sicherlich gleich, denn sie wissen noch nicht, was ihnen entgangen ist. Dieser Teil stellte zugleich die jüngeren Frauen, die eine Welt hineinwachsen, die sie nicht anders kennen.
  • ein weiterer kleiner Teil würde sich das Leben nehmen, weil sie die Welt ohne Männer öde, langweilig und traurig fänden.
  • vermutlich würde ein anderer kleiner Teil hochgradig aggressiv reagieren und Angst und Schrecken verbreiten, da es ja nun konkurrenzlos möglich ist.

Wie auch immer die emotionale Reaktion sein wird, die Menschen werden aufgrund der Samenbanken überleben. Vermutlich würde sich nach einem längeren Schrecken die Gesellschaft neu sortieren. Es würden Bestimmungen erlassen werden, nach welchen Kriterien eine Frau ein Kind austragen darf und wann nicht. Es würden Frauen mit eingefrorenen Embryos versuchen, ihre Rechte zu sichern. Je nach Not würden diese persönlichen Rechte umgangen oder wirtschaftlich entschädigt. Auf jeden Fall ginge parallel die Forschung weiter, weibliche Eizellen direkt zu befruchten, also zu verbinden, damit die männlichen Samenzellen nicht mehr nötig sind, die Menschheit aufrechtzuhalten.

Wahrscheinlich ist, dass ärmliche Weltregionen, die sich diese medizinisch-technische Ausstattung nicht leisten können, nach und nach entvölkern, wodurch sich die Natur in den Regionen erholen würde.

Zunächst würde auch wieder verstärkt regional Kontakt entstehen, weil man viele Ressourcen schonen müsste (Benzin, Strom, Wasser), bis die Frauen die fehlenden Männer in Beruf und Alltag ersetzen. Vermutlich wird dann eine neue Währung und ein neues Zahlungssystem sowie neue Regelungen des Miteinanders eingeführt, die versuchen, alte Fehler auszumerzen.

Vermutlich gäbe es Gesellschaften, die versuchen, den Mann genetisch zu reproduzieren (also die Samen vor allem nach männlichen Nachkommen zu nutzen, was schief ginge, weil wir ja bereits in China sehen, dass eine Gesellschaft mit vor allem männlichen Exemplaren zur Arterhaltung nicht so richtig schlau ist!), ebenso wie es Gesellschaften gäbe, die vor allem den Mann aus der Reproduktion heraushalten wollen werden. Auch das ist nicht so richtig schlau. Intelligent wäre eine Lücke lassen (weil nun mal zwanzig Jahre Männer fehlen werden) und dann es natürlich nachwachsen lassen – die Natur weiß schon, wie sie sowas richtet.

Aber der Mensch wäre nicht der Mensch, wenn er sich nicht einmischen täte.