Tangowoche in Krakau – Tanzen, Gehen, Stehen

 

Plötzlich ist es soweit. Rückenschmerzen, hochgelagerte Beine und kaum beweglich. Das ist ein guter Start. Gut, ich fliege trotzdem. Meine WetterApp sagt mir, dass ich lieber für warme Sachen sorgen sollte. Im Anfall von Sparwahn hatte ich auch noch ein vier-Mann-Zimmer gebucht. Das soll sich ja ändern lassen, prophezeie ich mir möglichst gelassen. Bis dahin dachte ich mehr an die möglichen Nachtattacken durch betrunkene Polen als an deren Geruchsentwicklung.

TAG 1: Samstag 21-10-2017

Am Flughafen begegne ich Rolf und Guido, die mit mir im gleichen Flieger nach Polen sitzen. Sie hatten Priority gebucht und können schneller durch die Bordingkontrolle. Bereits am Flughafen in Krakau sorgt Rolf dafür, dass wir zwei weitere deutsche Gäste im Taxi mitnehmen, die uns später auf einer Milonga wiederbegegnen werden. Mit dem Sammeltaxi geht es dann ins jüdische Viertel. Ein Termin ist bereits für alle Frühankommer in der ZARA-Bar gesetzt. img-20171021-wa0055.jpegNachdem ich das Momotown-Hostel im Hinterhof fand, scheitert der Versuch einer Umbuchung und ich stelle fest, dass ich mit drei Männern ein Zimmer für die Nacht zu teilen habe. Der Gedanke beschäftigt mich überraschend intensiv, obwohl Scott – der Amerikaner – einen sehr freundlichen Eindruck macht. jetzt aber doch was essen. An einem Platz stehen einige Imbisswagen, dazwischen Stühle und Tische. Hatte ich nicht eine Falaffeltasche bestellt? Aber was ich esse, ist eine sehr polnische XXL-Version mit vielen Essiggurken. Sehr lecker, aber verdammt viel. Und Roy ist gar nicht da.

Dank Google finde ich mich echt schnell in dem Viertel zurecht. Ein paar Eckdaten und schon findet Googlemaps die richtige Adresse. In der ersten Bar gilt es sich zu sammeln, später werden hier die kommenden Übungsstunden stattfinden. Überraschend viele sind vorzeitig gelandet. Wiebke, Peter und Jürgen hatten bereits eine Milonga ausgekundschaftet, zu der wir nach einem ersten Bier aufbrechen. Guido und Rolf setzen sich ab und wollen erst einmal speisen gehen. Nach ausgiebiger Suche und einem ersten Eindruck der Stadt, landen wir gar nicht mehr auf einem Tanzabend sondern in den Katakomben einer Kellerbar. Lecker Bier gibt es hier und mächtiges Ambiente.

 

Uneingeschränkt kann ich zugeben, dass mir ein bisserl bang wegen der Nacht mit den drei fremden Männern ist. Bis auf den sympathischen Scott (62 Jahre) sind die anderen dieser und zwei weiteren Nächten stumme oder schnarchende Gesellen ohne kommunikativen Grundfertigkeiten. Ich klettere also in mein Hochbett und schlafe trotz Lärm und Gesäge ziemlich fix ein.

TAG 2: Sonntag 22-10-17

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Blick aus dem 4Bett-Zimmer des MOMOTOWN-Hostel auf eine Synagoge

Nach einer mutigen Nacht stelle ich meinen Mut auf eine weitere Probe und besuche den Frühstücksraum. Breakfast auf Papptellern mit Plastikgeschirr. Ich trinke dann mal Tee. Ich versuche einen Toast und gebe mir eine Schale Cornflakes als Start in den Tag. Nach so viel Tapferkeit suche ich das Jüdisches Viertel bei Tag auf und wandere Richtung Marktplatz und Trompeterkirche.

 

Dabei geniesse ich die freie Zeit bis zur ersten Unterrichtseinheit, obwohl das Wetter verregnet ist. Vorher denke ich daran, meinen Rücken zu schonen, lege mich vorsichtshalber in das 4-Mann-Zimmer und spreche noch ein wenig mit Scott aus den USA, der mich mit dem deutschen „Jawohl, Fräulein!“ erheitern will.

Roy bucht einen Flug nach Krakau und kommt nach. Da wäre eine Umbuchung in ein Doppelzimmer von Vorteil. Ich leite alles in die Wege und tatsächlich: ab Dienstag nur noch ein Mann im Raum.

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Sonntag gibt es noch kein Training, so kann ich wirklich ein paar Stunden schlafen, bis wir uns zum ersten gemeinsamen Essen in einer Bar treffen. Nach und nach tröpfeln alle ein, zwei sind noch nicht gelandet. Das Essen ist nicht das beste, es erinnert an Kneipen-Fast-Food. Ich bin ein wenig enttäuscht, dass es nicht mal ein gutes Dessert gibt – das hätte mich entschädigt. Anschließend ziehen wir noch durch die Bars, die wir in der Ecke so finden und von denen Rolf und Guido denken, dass sie für die Masse an Leuten genug Raum böten. Rolf zeigt sich als Eisbrecher, der ständig neue Leute anspricht und interessante Gespräche eröffnet. Auch in dieser Nacht klettere ich nicht früh und nicht nüchtern ins Bett – und es gilt diese Leiter nach oben zu überwinden.

TAG 3: Montag 23-10-17

 

Direkt ins Café, Toasts mit Ei und Marmelade am verregneten Tag zum Frühstück. Nicht rumlaufen. Schreiben. Kaffee trinken, Tee trinken und später im Zimmer ausruhen vor den Tangostunden. Was für schöne Cafés in dem jüdischen Viertel zu finden sind, was für tolle Bars. Kein Ort der Welt beherbergt mehr Cafés, Restaurants und Bars.

Dann kommen wir zum Tango zusammen. Peter macht das Aufwärmtraining mit uns, dann Piroetten drehen und an der Technik feilen. Den ersten Teil der Figur gibt es als erstes Technikübungsfeld: der Mann führt eine Moulinette. Daran feilen, feilen, feilen wir ohne zu bemerken, dass 2,5 Stunden verflogen sind – ganz ohne Pause.

 

Anschließend gehen Elke, Rolf, Guido und ich Essen vom Feinsten. Zwar wollten wir in das Restaurant, von dem Rolf und Guido so schwärmen, doch da bekommen wir keinen Tisch. Direkt nebenan gibt es dafür noch etwas Platz und wir essen ganz fürstlich mit einem auf den Punkt gebratenem Fleisch, leckerer Beilage und einem unglaublich leckerem Dessert.

Für die erste Milonga in Krakau machen wir uns dann alle wieder frisch und sorgen uns mit selbstkritischen Gedanken, ob wir denn wenigstens zum Tanzen kämen. Spät am Abend tanze ich dann mit einem Kursfremden – einem Ungarn.

Ein letztes Mal klettere ich – diesmal mit Fußschmerzen – in mein Hochbett.

TAG 4: Dienstag 24-10-17

Ich nehme Abschied von Scott und wechsle gleich auch das Gebäude. Roy beantworte ich dann mit Fotos alle Fragen zur Raumausstattung und kaufe sogar für gemeinsame Frühstücke ein – ich bin guter Hoffnung, das alles zu verzehren.

Anschließend fahren wir mit dem Touristenwägelchen durch das jüdische Viertel bis zum Juden-Getto der Nazizeit. Rolf hat das bereits klargemacht, als ich zur Gruppe dazustoße. Ich steige hinten auf und quatsche munter mit Elke, weil wir kaum was verstehen. Guido fragt uns anschließend ab, ob wir überhaupt etwas mitbekommen haben.

Nach den Tangostunden habe ich etwas Zeit, bis Roy eintrifft und wir Essen gehen. In dem kleinen Resstaurant, welches Rolf und Guido ausgeguckt haben, tauchen mit Abschluss unseres Desserts nach und nach immer mehr Leute unserer Tangotruppe auf. Da an dem Abend keine Milonga stattfindet, gehen wir statt dessen von Bar zu Bar.

TAG 5: Mittwoch 25-10-2017

Frisch ans Werk wechseln wir die Uferseite und begeben uns in gewachsener Runde (Rolf, Elke, Guido, Roy, Volker, Petra und ich) zum Schindler-Museum nahe dem ehemaligen Getto. Der didaktische Ansatz des Museums verfehlt durch die Gestaltung von Raum und Ton nicht die intendierte Wirkung. Mich macht all der Tod von den Soldaten und den Juden gleichermaßen betroffen, die Gewalt und vor allem das Mechanisierte daran wirken bedrückend. Mir kommen die Tränen, als ich denke, dass das nie aufhören wird, so lange Männer in führenden Positionen sind – außerhalb vom Tango natürlich. Lustig ist das keineswegs, eher traurig, dass wir nach so vielen Jahrtausenden nicht weiter sind und uns noch immer für ein Stück Land oder einen Liter Wasser oder ein Laib Brot bereit sind zu erschlagen, statt zu teilen. Daran gibt es auch nichts zu beschönigen, letztlich sind es diese Dinge – für Gott zu töten ist in der Sache selbst absurd.

Nach den Tangolektionen folgt das Essen, wonach die Milonga folgt…

Zum Tango lässt sich sagen, dass das Feilen an den kleinen technischen Details wirklich sehr gut war. Rolf und ich entspannten uns zusammen immer mehr. Vor allem als ich Roy versorgt und konzentriert sah, ging es mir auch besser. An dem Nachmittag hatte ich jedoch Probleme mich zu fangen – mir ging der Museumsbesuch doch noch recht nahe.IMG-20171025-WA0013

Essen: so billig und so lecker haben wir selten gegessen. Mehr als genug Essen war es und so lecker – die Kohlrouladen und auch das Boef Stroganof. So gut und viel.  Nach so viel Essen tat Bewegung gut, deswegen gingen wir noch zur Milonga – wenigstens gucken. Ein Foto vielleicht.

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Getanzt hab ich nicht, bin doch sehr angeschlagen inzwischen und schone mich für den Folgetag. Der Ort der Milonga ist jedoch besonders. Es war die Bar, in der wir schon am ersten Abend in den Katakomben gestrandet und getrunken hatten. Das Ambiente ist großartig.

TAG 6: Donnerstag 26-10-2017

Hätten wir gedacht, dass wir so müde sind? Sicher nicht, denn wir hatten ja Pläne. So haben wir es gerade mal so geschafft, pünktlich zum Ausgangspunkt des Tanzspaziergangs zu kommen. 13 Uhr, Treffpunkt „Kopf“. Ein Kaffee hat vorher noch geklappt. Hier die Route zu unserem Spaziergang: Karte zu unserem Tangospaziergang

Wir starten mit vier oder fünf Tänzen auf der „Kopf“-Seite bei den Tuchhallen. Im Hintergrund rauschten die Straßenarbeitermaschinen. Jacken in der Mitte, drumherum die Tanzfläche, Jürgens leise Musikbox lag irgendwo dazwischen. Wir ahnen die Musik mehr, als dass wir sie hören. Roy filmt.

 

Vor der St. Peter und Pauls Kirche halten wir uns strikt an drei Tänze – also nur eine Tanda – , auch, damit es nicht zum Ärger kommt. Für den Waveler Schlossplatz haben wir dank Perin die Erlaubnis erhalten, dort zu tanzen. Perin singt zu ihrer Guitarre, Peter teilt ein Duett mit ihr. Die Stunde ist günstig mit Sonnenlicht erhellt. Passanten bleiben stehen, manche gesellen sich zu uns und tanzen mit. Nach einem kurzen Kaffee mit einem Stück Kremowska eilen wir zur nächsten Tangoeinheit. Roy bemüht sich wiederholt sehr, alle Anweisungen von Jürgen, von Wiebke und Peter umzusetzen und übt sich im Gehen. Wir versuchen uns an dem letzten Teil unserer Figur – einen Wickelgancho. Zu gern würde ich ein Video davon zeigen, denn es sieht – bei Wiebke und Peter – sehr elegant aus, aber das Videoformat ist hier nicht zulässig.

 

Roy bekundet danach, dass er noch gar nicht genug hungrig sei, da er noch vom VORabend gesättigt sei. Wir haben für 19 Uhr einen Tisch reserviert. Die Gruppe ist gewachsen und zählt nun zehn Personen, als wir alle in der Bonbonierka sitzen. (Wiebke, Peter, Jürgen, Perin, Guido, Elke, Roy, Pierre und Rolf) Das Essen – so versicherten Dagmar und Carsten – lohne sich. Wir warten und warten, eine Stunde lang, bis endlich das Essen serviert wird. Roy bekundet, dass er nun doch hungrig sei. Anschließend geht’s zur – letzten – Milonga im 2. Stock. Jürgen eilt schon vorzeitig und unruhig davon, denn er will noch „mit dem Essigläppchen durch den Schritt“. Wiebke und Peter rennen ebenfalls schnell noch nach Hause, um sich umzuziehen und letztlich verfolgen Roy und ich Perin durch das vernieselte Krakau, denn sie marschiert schnellen Schrittes voran. Auf der Milonga bleibt Roy nur kurz und verschwindet, als ich auf einen Mojito warte, den ich fast selber machen will, damit es voran geht.

Aufgebaut ist die Lokalität wie eine Wohnung: die Bar in der Küche, im Essraum der Sammelplatz für alle, im Wohnraum das Tanzen, im Vorraumbereich die Toiletta. Nach und nach versammelen sich auch alle aus unserem Kurs dort, so dass wir zumindest unter uns tanzen können. An diesem Abend tanze ich dann auch mal mit Polen. Ein Erfolg, so denke ich – doch unsere Kursleute können mehr.

TAG 7: Freitag 27-10-2017

Eigentlich wollen Roy und ich blau machen. Ja, so richtig faul sein. So viel Bewegung trotz Rückenschmerzen. Und dann noch so abwechslungsreich. Jetzt ist eine Pause dran – eigentlich. Vor allem Tango hat heute eine halbe Stunde Verlängerung bekommen. Als wir aber nachrechnen, dass wir sonst für das Mittelalter-Marktplatz-Museum unter Tage keine Zeit mehr hätten, da nehmen wir es, wie es sein muss und stiegen in die Bahn. Mich hat nachhaltig am meisten die Geschwindigkeit, mit der dieses Museum erschaffen wurde, beeindruckt. 2005 begannen die Ausgrabungen vor den Tuchhallen im großen Stil. Dann haben sie alles ausgewertet und pädagogisch-didaktisch so aufbereitet, wie die Dokumentation es heute zeigt. Das ging sehr schnell. Am Schluss noch nen Kaffee und ein Croissant und dann ist es schon wieder Zeit, zum Unterricht zu kommen.

Heute ab 15 Uhr wird alles wiederholt. Danach tanzen wir einen Durchgang mit jedem ähnlich der Berliner Runde, auch Roy muss durch alle Damenhände. Kleine Stärkung mit Torte und Kaffee zwischendrin. Und dann ist plötzlich und auch erfreulicherweise 18 Uhr. Die letzte Runde bedurfte viel Konzentration, denn so 10 Tänzen hintereinander immer eine neue Führung ist anstrengend.

20171027_185111Tangoreise10Anschließend durchgeschwitzt und hungrig geht es zum Abschlussessen in das jüdisches Restaurant HAMSA für alle, einmal die Straße kreuzen. Logistisch hinterher die Rechnung für jeden wohlgefällig zu trennen, ist eine Meisterleistung von Elke im Team mit Roy, denn in Polen geht ja alles auf eine Rechnung. Anschließend ohne Milonga finden wir uns in einer Rockerbar wieder, in der Karaokeabend ist und ein Irish Pub sein will. Anfangs singt Perin mit ihrer Giutarre, zwischendurch von Peter begleitet, später machen sich auch andere schöne Stimmen auf und singen bunt gemischt ein lustiges Repertoire. Wir haben alle viel Spaß daran, singen feuchtfröhlich mit. Eine runde Sache, solch eine schöne Woche zu beenden. Manche nämlich fliegen bereits Samstag zurück.

TAG 8: Samstag 28-10-2017

Wieder kaum Kraft für ein frühes Aufstehen. Also dann nur im Camelot-Café zum Frühstück, bevor wir zum Treffpunkt um 14.30 Uhr für die Fahrt zur Salzmine eilen. Die letzten sind wir nicht, doch Perin verpasst dann leider den Ausflug gänzlich. Die Salzmine hält zunächste einmal freundliches Treppenabsteigen für uns bereit, der Rückweg erfolgt zu aller Erleichterung mit dem Aufzug.

 

Ein Ausflug, der sich lohnt, auch wenn die Gruppenleiterin viel zu leise sprach, so sind manche Dinge auch ohne Worte beeindruckend, wie diese Abendmahlkopie von Da Vinci aus Salz.

Zurück bin ich schon wieder müde, hungrig und will keinen langen Abend. Also gehen wir zusammen mit Elke und Rolf Essen. Jeder schlägt die erste Wahl der anderen aus und so platzieren wir uns in ein Restaurant mit Livemusik im Wohnzimmerstil.

IMG-20171028-WA0039Und obwohl ich müde bin, kann ich das ein Vivaldi-KOnzert in der St. Peter und Pauls Kirche dennoch als schönen Abschluss nicht ausschlagen. Wir beeilen uns und kommen doch zu spät. Dadurch erhalten wir einen Nachlass von 20%. Wir setzen uns leise in die Kirche dazu und lauschen der Musik, in der mir dünkt, auch Bach und Mozart zu entdecken.

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TAG 9: Sonntag 29-10-2017

Wecker um vier – Regen. Schlüssel abgeben – zum Taxi eilen – Flughafen – Regen – letzten Mücken äh Sloti an den Taxifahrer abtreten und einchecken. Am Flufghafen fliegen wir mit Wiebke, Peter, Jürgen, Rolf und Guido zurück. Guido sieht nicht so gut aus, übersteht zu meiner Überraschung den Flug. Dann trennen wir uns.

Nächstes Jahr —

auf nach Lissboa

Beginenhof, Balou e.V., Claudius Höfe, Kommune Kaufungen – gelebte Konzepte gibt es schon

Der Beginenhof

Gestern sitze ich zusammen mit einer Freundin im Café „Zeitlos“ und rede wie immer und wie gern über Ideen der Zukunft. Sie erinnerte mich an das Projekt ihrer Tante: der Beginenhof in Essen. Aus dem alten Finanzamt haben sie ein Kultur-Frauen-Zentrum gemacht. Beginen ist abgeleitet von der mittelalterlichen Beginenbewegung, wonach Frauen nach religiöser und wirtschaftlicher Unabhängigkeit strebten, ohne eine Ehe eingehen zu müssen.

Sie übten handwerkliche und pflegerische Berufe aus und kümmerten sich um die Ausbildung und Unterrichtung von Mädchen und jungen Frauen. In einigen Handwerksbetrieben, wie der Tuchmacher- oder der Wappenstickerei, erwarben sich die Beginen mit der Qualität ihrer Arbeit hohes Ansehen und erzielten beträchtliche finanzielle Erfolge.

Die Erlöse flossen in die Gemeinschaft, in die Armenversorgung und Krankenpflege oder wurden in neue Wohn- und Werkstätten investiert. Die vermögenden Konvente verliehen sogar Geld an die Stadträte, und sicherten sich damit die Unterstützung der Kommunen. Mittelalterliche Beginenkultur – Brigitte

Das Zusammenleben der Frauen sollte demokratisch sein; sie organisierten sich durch Versammlungen und niedrige Hierarchiestrukturen. Soweit klingt das ja sehr passend für ein gemeinsame Wohnkultur. In Essen ging es den Frauen, die das gegründet haben und dort leben vor allem um die gegenseitige Unterstützung bei gleichzeitig bestehender Autarkie für Frauen und durch Frauen. Altenversorgung, Kindererziehung, Lebensgemeinschaften. Reizvoll. Doch der Einwand meiner Freundin ist auch direkt schon meiner – ohne Männer? Ohne Männer, weil Männer Frauen mit Kindern allein zurückließen. Ohne Männer, weil sie im Alter wegstarben, ohne Männer, weil manche Frau lieber mit Frauen lebt, sprich Verpartnerung – wie ich gelernt habe.

Ich erkenne – wie viele andere inzwischen auch -, dass in unserem Kleinfamiliendasein, in der Seperierung der Alten und Andersartigen und der Versingelung Probleme erwachsen, die nun schon einige Generationen lang sich auftürmen und Lösungen wollen. Keine kann es sein, den Mann als Bestandteil davon auszugrenzen. Ich glaube durchaus, dass der Mann an sich anders funktioniert/läuft/ist als die Frau. Männer meinen, sie seien bescheidenere und leichter zurfriedenzustellen; Frauen meinen, sie seien aktiver, lebendiger und deutlich mehr an Selbstentwicklung interessiert. Dadurch ist ein Zusammenleben in einer Paarbeziehung häufig das Aufgeben von etwas, was dem Wesen des Geschlechts entspricht. Wie viele Frauen leben jetzt auf, wenn ihre Männer sterben, können endlich tun, was sie wollen und müssen sich nicht mehr so quälen mit dem Schweigen – so geht es meiner Ex-Schwiegermutter gerade sehr. Wie viele Männer leben auf, wenn die Frau vor ihnen stirbt, endlich zehrt und zieht niemand mehr an ihnen, nörgelt herum und will etwas, was sie nicht geben wollen. Endlich können sie in Ruhe vor dem Fernsehgerät dahindämmern oder ein Mal die Woche mit den zwei Kumpels Skat spielen. Das ist nicht sarkastisch gemeint. In dem Punkt sind andere Kulturen nur ehrlicher als wir. Wir wollen in einer Liebesbeziehung das Glück finden und übersehen, dass es mehrere Splitter dafür gibt.

Ich hätte gerne einen Partner an der Seite, der alles mit mir teilen kann und will, aber vielleicht gibt es nur ein paar Sonderexemplare von Männern und die anderen können das einfach nicht. Mein Ex fand mich besonders anstrengend. Klar – wenn ich zusätzlich zu dem So-sein das auch noch hinterfrage.

Der Grundgedange des Beginenhofs ist gut. Wenn ich allerdings nur alleinerziehende Frauen aufnehme, kann ich gesellschaftlich das Problem nicht lösen. So richtig lösen werde ich es vermutlich auch nicht, doch ich kann mich an der Lösung beteiligen. Selbst eine Ehe im Lebenslauf würde ich sagen, dass dieses Konstrukt zu viel leisten muss nebst Beruf, Kinder und Selbstverwirklichung. Bei moslimischen Familien sind Frauen und Männer getrennt – sogar beim Essen – wodurch Frauen so sein können, wie sie wollen, wenn sie unter sich sind und die Männer umgekehrt. Das ist ein anderes Extrem. Kann man so voneinander lernen? Vorurteile abbauen? Vielleicht sich näherkommen – so ganz geschlechtlich gesehen?

Mehrgenerationenprojekte

Ich würde sagen, dass weder A noch B die perfekte Lösung ist. Die Idee des Mehrgenerationenhauses ist schon mal eine gute Idee, die auch immer mehr Nachahmung findet, so wie auch die Claudius-Höfe in Bochum zeigen. Diese Projekte werden sogar gefördert, weil sie doch letztlich das Gesundheitswesen entlasten könnten. Der Mensch ist auch kein Einzelgänger, er braucht die Herde.

Meine Herde ist allerdings ganz schön verstreut: Elke in Duisburg, Valeria in Oberhausen, meine Mutter in Varel, 2 Schwestern in Iserlohn samt Lieblingsschwiegermutter und eine Schwester in Wiesbaden, mein Sohn, meine große Tochter und mein Ex in Bochum sowie Stefanie, Sean in Hagen und so weiter. Das fühlt sich sehr falsch für mich an. Ich hätte das gern anders.

Grundsätzlich müssten Frauen und Männer in der Herde mit ihren Bedürfnissen Platz haben. Für mich bedeutet das, dass ein Mann in eine gesellige Runde dazukommen darf, aber nicht muss, dass aber eine gesellige Runde keine Ausnahme sein muss, weil dafür extra eingeladen wird. Mehrere kleine Einheiten unter einem gemeinsamen Dach mit gemeinsamen Nutzräumen – weil ich eine große Küche und einen schönen großen Ess-Wohnraum einfach lebenswert finde – wäre Ideal: ein oder zwei kleine Familien, Single, Paare, Wohngemeinschaften, alles aus verschiedenen Generationen. Religion darf sein, muss aber nicht – was mich neben der Einschränkung des Geschlechts zusätzlich im Beginenhof behinern würde. Meine Freundin Stefanie ist sehr gläubig, die christliche Spiritualität gibt ihr etwas. Ich finde das in Ordnung. Ich persönlich komme an der Geschichte weder links noch rechts vorbei, um mich als Christin irgendwie anzunehmen. Auch die Geschichte mit dem GOTT, der einen SOHN hatte usw. Diese ganze extrem männliche Sicht der Spiritualität lässt mich schaudern und verbaut mir jeden Weg zum Christentum. Das es etwas gibt, das größer und mächtiger ist als das Dasein des Menschen, davon bin ich überzeugt. Ich denke allerdings nicht in Bildern. Für mich ist es ein Muster, das alles verbindet. Es ist Liebe. Wenn ich liebe, bin ich im Göttlichen … vielleicht so. Nun denn, auch die Claudius-Höfe haben den christlichen Gedanken innewohnend. Sonst wäre das doch schon eine vorhandene Lösung. Muss man denn alles selber machen?

Wohnen und Leben

Dieser Absatz hatte mich auf der Homepage des Beginenhofs in Essen besonders berührt:

… lebendig, verbunden und eigenständig zu wohnen und zu arbeiten, fanden wir in der historischen Beginenkultur ein Modell, das uns in seiner Aktualität bis heute begeistert. Beginenhof Essen

Soweit bin ich dabei. Ich möchte eine Lebens- und Wohngemeinschaft mit gemeinsamen Räumen und gemeinsamen Interessen, mit dem Ziel, gemeinsam Kultur zu schaffen und dabei dem jeweils anderen Raum zu geben. So wie das Balou im Stadteil Brackel in Dortmund ein Begegnungsort ist, der für Kultur Raum hat. Das Programm ist mir schon fast zu umfangreich, um dem noch im Kalender recht zu geben, doch vielleicht bekommen sie das monströse Programm ja gestemmt.

WO-LI-BA

Die gemeinsame Nutzfläche, die Gewerbefläche. Die gilt es in einem solchen Unternehmen u bespielen, am besten so, dass jede(r) zum eigenen Recht gelangt. Ich zum Beispiel möchte Kurse anbieten und zwar jene, die mir Spaß machen: Bühnenkampf mit Degen, Stock und Faust – dazu Choreografien ausarbeiten, diese in Perfektion einstudieren und gelegentlich vorführen, vielleicht auch mit Preisen bestücken; langfristige Theaterprojekte mit Menschen allen Alters; Workshops rund ums Schreiben, Theatermachen und Tanzen; Tangosalon mit Ambiente und Stil. Das ist, womit ich die Gewerbefläche füllen will. Ein Plus, Krimidinner in unserem Lokal statt bei anderen Zuhause … langfristig gesehen. Ich weiß, dass ich sie nicht allein so gut ausnutzen kann, das sie ausgelastet ist, dazu brauche ich die anderen. Und wir arbeiten zusammen – wirtschaftlich auch?

Eine erste Überlegung war, dass wir einen Teil aller Einnahmen für die Gemeinschaft  für sogenannte Gemeinschaftsprojekte aufwenden: gemeinsame Feste, Übernachtungsraum für Gäste, Restauration der gemeinsamen Räume, der Verkehrsflächen, der Reinigung der gemeinsamen Nutzflächen vor allem der Sanitären Einrichtungen, Werbung für das Haus und die Projekte, Unterstützung im Alter durch äußere Stellen (Pflegedienste), etc. Mir fallen spontan viele Quellen ein, wofür man gemeinsam viel Geld ausgeben kann.

Dann braucht man gute Kommunikationsregeln, so wie in Kaufungen … die tägliche Rolle, damit man auch ohne aktuelle Sitzung auf dem Laufenden bleibt.

Kaum steht es hier, fällt mir mein Besuch in Kaufungen ein, vor Jahren mit Sean zusammen: Kommune Niederkaufungen Da besuchte ich Raymond, der mich eingeladen hatte, zu verstehen, was die Kommune so macht. Ich war für diesen Blick hinter die Kulissen sehr dankbar und wäre am liebsten sofort mit meinen Kindern dorthin gegangen. Ohne meine Kinder wäre das sicher kein Problem gewesen, mit ihnen hätte ich die Prozentzahl der erlaubten Kinder gesprengt.

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Ich habe gerade auch mal auf der Seite so rumgeschaut, ich könnte mich sicher sofort in der Küche einbringen. Kochen und Essen – eine Leidenschaft. Aber dazu hab ich ja auch eigene Ideen –> siehe Krimidinner. Die Kommune zu erleben – ein Jahr Ostern für fünf Tage – war damals ein besonderes Erlebnis, denn dort war Alltag, wovon ich träumte: gesunde Lebensmittel für alle, gesunde Gesprächskultur durch Schulung  und Praxis von Gewaltfreier Kommunikation (nach Marshall Rosenberg). ein passendes soziales Miteinander für jede Altersphase, ein kulturelles Miteinander und das ohne den zentralen Gedanken an Geld. Damals fühlte ich dieses Prickeln, dass es so eigentlich richtig ist.

Ich möchte gern anfangen mit meinem WOLIBA, anfangen in einem Stadtteil und dann wachsen. Raymond sagte, dass 50 Personen für die Überschaubarkeit der Beziehungen genug sei. Heute leben in der Kommune 80 Menschen. Dort ein Wochenende zu verbringen und sich Anregungen für das eigenen Projekt zu holen, darauf hätte ich Lust. Du auch, meine liebe Freundin? Hier gäbe es die Termine: