Care-Arbeit ist kein masochistischer Frauenzug, auf den man in Zukunft setzen kann.
„Ehrlich, man muss ja keine Kinder bekommen. Ist freiwillig! Wer sich für Kinder entscheidet, entscheidet sich gegen Reichtum und Karriere und gegen Freizeit für die nächsten zehn Jahre Lebenszeit. Einfache Rechnung. Wer das nicht will, verhütet oder treibt ab. Wir leben im 21. Jahrhundert, da braucht sich niemand mehr dafür rechtfertigen, wenn er sich gegen Kinder entscheidet. Gibt ja eh genug Menschen auf der Welt.“ O-Ton Ende. Die Sprecherin: eine junge Frau Ende zwanzig.
- Problem: Überalterung der Gesellschaft. Spätestens, wenn ich alt und hilfsbedürftig bin, wünsch ich mir einen Familienanschluss.
- Problem: Unsere Gesellschaft kann sich auch nur scheinbar ein Volk von Egoistis leisten, am Ende brauchen wir Nachwuchs in allen Bereichen.
Das zweite Problem lässt sich natürlich über Zuwanderung lösen, doch genau an dieser Stelle wird es hakelig, denn die Zuwanderung lässt sich nicht nach Berufen durchplanen. Die Öffnung muss auch für die Menschen erfolgen, nicht nur für deren Fähigkeiten und Fertigkeiten. Auch die zu uns wandernden Menschen wollen Familienanschluss und kommen nicht als Roboter. Das erste Problem ist nicht nur eines der Einsamkeit, sondern vor allem auch der durch das Altern bedingten Hilflosigkeit.
Gehen wir also für einen winzigen Moment davon aus, dass Kinder ein notwendiges Übel für das Fortbestehen der Gesellschaft ist – gerade den Konservativen müsste das klar sein und deswegen förderungswürdig erscheinen. Gehen wir weiter davon aus, dass wir uns wünschen – ganz konservativ gedacht –, dass unsere Zukunft in wirklich gut ausgebildeten Händen liegt und nicht dem Zufall überlassen ist, dann geht es um Erhalt dessen, was unsere Wertevorstellung ist. Soweit, so hübsch. Für alle, die es jedoch noch nicht verstanden haben:
Der Bildungskanon zerfällt.
Wenn wir wollen, dass für künftige Generationen „Verantwortung“, „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit im Beruf“, „Belastbarkeit“ und „Kompetenz“ nicht bloße Füllwörter sind, dann braucht es leider eine Veränderung des aktuellen Sparkurses. Dann muss der Zauberstab mit Geldspitze geschwungen werden: Kleine Klassen, mit Lernmaterial und Experimentierräumen ausgestattete Schulen, zentrale unabhängige Überprüfungen von Prüfungsergebnissen (ZP, Abitur, Staatsexamina), qualifizierte Bildungskräfte (und ich meine absichtlich nicht Lehrkräfte, die ihren Stoff durchbringen wollen) und pädagogisches Personal sowie Schulen, die danach ausgerichtet sind, moderne Erkenntnisse des gesunden Lernens, umzusetzen. Schluss mit der zwei Klassenstruktur, die nur scheinbar gleichberechtigt nebeneinander steht: Gymnasium contra Restschulen. Beginnen muss man bei den Schulen, die im sozialen Brennpunkt stehen. Je schneller dort gehandelt wird, desto weniger gehen uns wichtige Ressourcen für unsere Gesellschaft von morgen verloren. Nicht die Bildungselite zuerst, sondern die zuletzt, denn teurer kommen uns die „armen“ Kinder zu stehen (Vandalismus, Radikalisierung, Drogen, Sozialabgaben, etc.).
Kinder sind nicht allein subjektive Statuselemente für ein Liebespaar und deren Work-Life-Balance-Killer.
Der Staat muss ein Interesse haben, dass Kinder die Zukunft unserer Gesellschaft so tragen, wie wir uns das auch für unser Alter später wünschen. Wenn wir gesellschaftlich nicht begreifen, dass jedes KIND von der gesamten Gesellschaft finanziell zu gleichen Teilen getragen werden muss, dann verschlafen wir unsere Wunschzukunft im Dornröschenschlaf. Wenn ich mich für Karriere und gegen Kinder entscheiden darf, dann muss ich die finanziellen Mehrkosten für jene übernehmen, die sich nicht um Karriere kümmern können, weil sie stattdessen dafür sorgen, dass später zum Beispiel Pflegepersonal vorhanden sein wird. Konservativ gedacht, muss Carearbeit in der Familie belohnt werden, mehr als jede Form von Karriere, denn letztlich ist es die Arbeit für die Familie, die unsere Standards in Zukunft sichert.
Wieso legen wir Frauen nicht unsere Care-Arbeit in das Nähkörbchen und holen sie erst hervor, wenn wir uns langweilen, ganz so wie ein Hobby?
Wenn ich – und so habe ich damals schon gedacht, als meine Kinder klein waren – für all die Arbeit jemanden bezahlen müsste, könnte ich mir das vermutlich nicht leisten. Umgekehrt fühlte ich mich wie die Ausbeuterin meines Mannes, als ich nur für meine Kinder da war, nicht einmal den Haushalt richtig bewältigen konnte: nur einkaufen, kochen und für die Kinder sorgen. Ausgebeutet hab ich den Mann, der als zwischendurch Alleinverdiener, dann als Hauptverdiener uns anderen versorgten. Mein Anteil an all dem war doch nicht so groß, nur sehr zeitintensiv. Gespart habe ich an Zeit und Ausgaben für mich. Fatal, denn so funktioniert unsere Gesellschaft überhaupt nicht. Oder doch? So funktioniert sie die letzten Jahrzehnte.
Was aber heißt das schon? Wir haben alle ganz billiges (unglückliches) Fleisch. Das Rind zählt zu den erfolgreichsten Säugetieren in seiner Masse, aber ist es deswegen individuell damit zufrieden? Kann es wohl kaum, wenn man sich Dokumentationen wie zum Beispiel „System Milch“ von Andreas Pichler aus dem Jahr 2017 vor Augen führt. So wie dieses System am Kapitalismus krankt, so durchdringt es Lebensraum für Lebensraum, eben auch unseren Bildungssektor, der nicht billig genug sein kann.
Wir alle liegen aber entspannt in unseren Liegenstühlen, weil das so bequem ist und warten lieber erstmal ab, ob sich was ändert. Die Seuche Covid hat uns nicht nachhaltig aus diesem Schläfchen gerüttelt, warten wir also, bis es zu weiteren Überschwemmungen, Hungerkatastrophen, Kriegen um Ressourcen und weiteren Flüchtlingswellen kommen wird. Wir leben in einem sehr fruchtbaren Land, was wir vergessen, weil es billiger ist, Lebensmittel zu importieren, doch was wenn … Wenn wir überrascht werden, in diesen unseren bequemen Liegestühlen und plötzlich keine Lebensmittel aus Südeuropa und Übersee mehr bekommen können? Jaja, dann mal fix wieder zurück zu Landwirtschaft? Alles braucht wenigstens ein Jahr Anbau und Pflege. Woher nehmen wir nur diese Idee, dass alles so bleibt, wie es war, wie es schön für uns, während wir uns umsehen und mitbekommen, dass Überschwemmungen, Trockenheit und politische Unruhen zunehmen?
Wir müssen dazu kommen, dass Europa stärker zusammenwächst und wir uns täglich darin erinnern, dass wir nicht einander Fremde sind, sondern Brüder und Schwestern. Wenn wir wollen, dass sie unsere Werte von Toleranz und Achtung teilen, dann gelingt das nur über Aufklärung durch Bildung. Wir müssen GELD für die Bildung anfassen und zwar reichlich.
Wenn wir wollen, dass unsere Welt nicht täglich bedroht ist, aus den Fugen zu geraten, dann müssen wir mit unserer Umwelt stärker im Einklang leben: saisonal Essen, Konsum reduzieren, den Tieren den respektiven Platz im Leben einräumen, den sie als Lebewesen ebenso verdienen wie wir.
Wenn wir wollen, dass es allen gut geht und nicht Angst und Neid (bzw. Egoismus) unser Miteinander bestimmen, dann muss uns Toleranz, Verständnis und Vertrauen selbstverständlicher werden . Wenn wir uns umeinander kümmern und niemanden zurücklassen, dann sind wir vielleicht nicht mehr der Luxusreichste Staat, doch insgesamt ein zufriedener.