„Beklaute Frauen“ – Rechte und Pflichten einer Frau … Wer bin ich?

Geneigte Leserschaft, bin ich eine Frau oder ein Mensch? Was zuerst? Das eine weniger als das andere? Habe ich eine Natur oder unterdrücke ich die Natur zugunsten der Kultur? fühle mich oft zunächst als ICH, geschlechtsneutral, vielleicht auch wesensneutral. Gern bin ich eine Frau, weil das einfach viel mehr Wunder enthält. Vielleicht würde ich das anders sehen, wenn ich alternativ nicht-frau sein kann, aber das ist mir nicht gegeben. Als Frau bin ich aber auch nur eine Ausprägung von verschiedenen Formen und könnte, abgesehen von dem Faktor Kinder-bekommen, genauso gut ein Mann sein. Zumindest von außen betrachtet. Natur und Kultur zu kontrastieren, lohnt sich auch nicht wirklich, denn wir können das eine nicht von dem anderen ablösen, ohne immer auch das andere schon zu berühren. Genetisch ist dem Menschen anhaftend, dass er ordnet, strukturiert, sich aneignet und seine Umwelt kultiviert. Diskutiert eine Ameise ihre Position im Staat?

Muss ich „ja“ sagen, wenn ich nicht „nein“ sage?

Muss ich „ja“ sagen, wenn ich nicht „nein“ sage?

Ich weiß, ich habe die Frage wiederholt. Sie hallt in meinem Kopf nach. Wie ist das genau gemeint? Ich wollte Kinder, alle drei. Hätte gerne mehr genommen, doch dazu braucht es manchmal zwei Menschen, die das wollen … zumindest in unserer Gesellschaft. Ich wollte diese drei Kinder auch nicht bekommen, damit sie von anderen betreut werden, obwohl sie das wurden. Sie wurden reichlich fremdbetreut. Dass meine Idealvorstellung von Familienstrukturen jenseits unser patriarchalen Gesellschaft liegen, habe ich bereits in dem Beitrag „Ende der patriarchalen Strukturen? – Wenn sich Liebe vom Rest trennen ließe“ formuliert, aber was meint das?

Mein Herz schlägt sicher feministisch und keine gesund-denkende Frau kann sich gegen die Wünsche der Feministin, endlich gleichberechtigt zu sein, verschließen, ohne sich selbst zu verraten. Angesichts der Zahlen und Statistiken zu Gender-Gap, zu Femzide, zur Gewalt gegen Frauen, angesichts der Geschichte des Hasses gegen Frauen, politisch und gesellschaftlich gewollt, kann eine Frau auch gegen den Feminismus nicht gleichgültig sein. Und letztlich bedeutet das, dass ich individuell den Kampf ausfechten muss und in meinem Leben für die Sache einstehen muss. Will ich das? Bin ich bereit dazu? Ich habe geheiratet. In meiner Ehe gestritten darum, dass mein Partner Elternzeit nimmt und verloren. Habe versucht für den Partner und für mein Ansehen, Familie und Beruf zu vereinen, habe meine Kinder nicht dafür bluten lassen wollen und alles unter einen Hut zu bringen versucht. In der Ehe gestritten um den Umstand, eine schlechte Ehefrau zu sein, weil ich meinen Haushalt nicht bewältigt habe, neben Beruf und Kinder. Wer sprach da schon von Care-Arbeit? Ich, ich allein hab die Kinder gewollt. Mein Ex-Mann wollte sie auch, aber anders als ich. Arbeit und die Anerkennung einerseits, Familie zuhause andererseits, alles ist schön. Willkommen in der Wirklichkeit der Rama-Familie. Ich bin noch immer der Ansicht, dass ich auch als Frau das Recht haben sollen dürfte, dass ich mich um meine Kinder kümmere. Meine Kinder. Meine Kinder. Und ich bereue meine Entscheidung, dass ich mich um eine gleichzeitige berufliche Unabhängigkeit bemühte. Eins von beidem genügt.

Nein, wenn ich nicht nein sage, so sage ich vielleicht trotzdem nicht ja, zumindest nicht zu allem. Ich wollte meine Kinder selbst begleiten und ich wollte dennoch ein Leben führen, dass es mir ermöglicht, selbst-bestimmt zu sein. Ich dachte, es würde genügen, dies nacheinander zu wollen. Jetzt ist die Zeit für das andere, weil meine Kinder groß sind. Grundsätzlich sollten sich Frauen klar sein – und Männer irgendwie auch, was sie wirklich wollen. Und wenn sie zunächst Kinder bekommen wollen, sich darum kümmern wollen, sollte ihnen das anerkannt und beruflich zugeschlagen werden. In einer Welt, die alles monitär bewertet, sollte auch alles einen monitären Wertmarker bekommen und zwar einen, der angemessen zur Leistung steht. Wir brauchen ein gesellschaftliches Miteinander, in dem real alle die Kinder mittragen: finanziell, räumlich, wirtschaftlich, ökologisch.

Mir wird von Psychologinnen und politischen Gruppierungen erklärt, dass ich Verständnis haben muss, dass auch mein Gegenüber eigene Ziele wählt, in seiner Geschichte lebt und seine Grenzen hat, die ich respektieren soll, die ich akzeptieren soll und – wenn ich ihnen zuwider handele – ich gleichfalls Gewalt ausübe. Ja, verstehe. Verstehe. Ich verstehe das dann so, dass ich im Prinzip die Bedingungen meiner Partnerschaft mit dem Mann, der meine Kinder mit mir zusammen großzog, selbst gewählt habe und nun ertragen muss, weil er diese historischen Fundamente unserer Kultur ebenfalls leben wollte und sogar sich in seiner Rolle bestärkt sah und diese sogar begrüßte. In der Rückschau ist es auch so, dass ich ja viel streitlustiger war als er, auch und vor allem aus seiner Sicht. Alles, was er erinnert, ist das „Wie“, kein Quäntchen „Was“ ist dort auszuquetschen. Ich kann also streiten, versuchen meine Argumente anzubringen, kann tun, was ich will und letztlich stellen Vater und Sohn sich hin, Arm in Arm und erklären, dass sie die Intelligenz sind und dass sie der Erfolg sind. Wenn ich mein Handeln und Streiten reflektiere, dann sehe ich den Wunsch nach Gleichberechtigung, den Wunsch nach Anerkennung, den Wunsch nach Selbstverwirklichung. Ich soll also Verständnis haben und dennoch wie Jeanne D’Arc kämpfen und bemerke kaum, dass es Don Quichotes Windmühlen sind, die ich angreife? ICH will als Frau auch Frau genug sein dürfen, Kinder großziehen zu können und doch will ich soviel Mensch sein, dass ich das nicht allein tun muss, dass ich nicht allein damit bleibe und in Windeln, Schlafmangel und Hoffnungslosigkeit ertrinke. Ich will nicht beschimpft werden, weil ich es wage, meine Stimme zu heben und zu sagen, dass beides möglich sein muss. Und ich will auch nicht akzeptieren müssen, dass ich ausgebeutet werde, weil ich in dem Spiel die weibliche Puppe benutze.

  1. Beruf und Kind und Haushalt, das ist Sklaverei.
  2. Kind und Haushalt, das ist Gefängnis.

… Für die Frauen natürlich nur. Kann es nicht anders sein? Was muss passieren, dass auch Männer diese Rollenverteilung nicht mehr wollen?

Natürlich kann ich den Hintergedanken der „positiven Verstärkung“ sehen, wenn ein Preis wie „Spitzenvater des Jahres“ die Männer anregen soll, doch auch ihre Vaterrolle ernster zunehmen. Nur: geht der Schuss nicht nach hinten los, weil eben die Frauen diesen Job so selbstredend seit Jahrtausenden ausüben? Mir ist klar, dass der Wettbewerbsgedanke den Mann motivieren soll, sich mehr zu bewegen, trotzdem könnte ich kotzen.

Erschwernis ist: Ich kann bestimmte Erfahrungen nicht als Wissen über etwas machen, sondern erlebe sie und dann muss ich auch noch schauen, ob das individuelle oder gesellschaftliche Erfahrungen sind. Wenn mir die Worte fehlen, etwas zu benennen, kann ich mich auch nicht mitteilen, nicht so, dass mein Gegenüber mich versteht. Sprachlosigkeit, Ohnmacht sind Konsequenzen daraus. Nehmen wir noch einmal das Thema Gewalt: Gewalt aus Ohnmacht bzw. Mangel an alternativen Strategien ist etwas anderes als Gewalt aus Macht trotz Alternativen. Bei ersterem benötige ich die Erkenntnis eines Problems, eine Problemanalyse und dann die Option von Alternativen. Das nimmt tatsächlich Zeit in Anspruch, lässt sich aber bewältigen. Wenn jemand Gewalt ausübt, weil er ein Machtmensch ist, dass werden die Optionen nur subtilere Mittel der Machtausübung werden, vielleicht ohne Schrammen und blaue Flecken, doch ähnlich problematisch. Und nun stehe ich irgendwo in meiner Entwicklung in meinem Leben, habe wunderbare Ratgeber gelesen: Ich-Stärkung, Grenzsetzung und ich weiß nicht noch was alles und die Theorie ist ganz erstaunlich hübsch und attraktiv. Ich schwöre mir, dass mir X und Y nicht passiert, dass ich A bis Z tun werde, sollte es doch so sein. Das Leben aber ist letztlich nichts, was nach Handbuch funktioniert und ich kann lediglich im Nachhinein reflektieren, was ich wieso wie getan habe und dass es vielleicht kein Einzelschicksal war. Dann aber ist es auch keine individuelle Boshaftigkeit mehr, sondern steckt im Detail im System. Seit dem Ende der Moderne wissen wir, dass es „Das Böse“ nicht gibt. Wir wissen, dass die Welt sich nicht in „gute“ und ich „schlechte“ Menschen teilen lässt, dass ein Charakter durch viele Facetten hindurchschimmert und sich die Farbenpracht im komplexen Zusammenspiel zeigt. Und wenn ich dann erst im Nachhinein in der Lage bin, X und Y als „X“ und als „Y“ zu benennen, ja auch erst dann als solche verstehen kann, was hätte ich denn dann anders machen können? Ich stehe hier mit meiner Zeitlichkeit behaftet und weiß genau, wem will ich was erzählen? All die guten Ratschläge, wenn Frauen von Gewalt erzählen, die sie erleben oder erlebt haben, sind böse Schläge, denn wir stecken alle – Mann und Frau und alles dazwischen – in dieser Falle des Erlebens verhaftet als naturiertes Kulturwesen oder kultiviertes Naturwesen. Dazwischen. Vielleicht kommt nur der Humor uns bei.

Lasst uns noch einmal vor Augen führen, welche Werke dieses charmante Thema behandeln:

Schöler, Leonie: Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte, 12. Aufl., München 2024

Endler, Rebekka: Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt, 2021

Clemm, Christina: AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt, 2020

Holland, Jack: Misogynie. Die Geschichte des Frauenhasses, 2001

Roman – Frauenthema und Männerdiskriminierung, Nachrichten über Massenvergewaltigung

In welcher Welt wollen wir leben? In dieser aktuell doch sicher nicht. Auf einer Buchvorstellung wurde mein Roman direkt kritisiert, weil die Männer sterben, übrigens sehr human, gar nicht durch Folter, Vergewaltigung oder Hunger, also absolut unmännlich. Mir liegt böse in den Fingern zu schreiben, dass human vermutlich eine weibliche Eigenschaft ist, während Gewalt, Brutalität männlich sein muss. Genetisch? Vielleicht genetisch.

Ich muss zugeben, dass die aktuellen Nachrichten über den in Frankreich zu ende gegangenen Prozess Pelicot und der über Telegram organisierte Austausch darüber, wie Mann am besten eine Frau betäubt und anschließend vergewaltigt in mir eine Sintflut an Emotionen austreibt und nebenbei auch eine Sinnflut antreibt. Welchem Mann kann man eigentlich trauen? Mir sitzen mein Tanzpartner, den ich Freund nennen würde, und seine Lebensgefährtin gegenüber und ich frage mich, was weiß ich nicht, muss ich vor ihm Angst haben? Auch vor ihm? Muss ich nicht nach all dem vor jedem Mann Angst haben?

Ich erinnere mich erneut an meine Romanvorstellung und daran, dass ich kritisiert wurde, dass ich den Mann an sich angreife, weil ich mir eine Welt vorstelle, in der der Mann nicht mehr solche Macht hat. Eine Traumphantasie von einem Paradies für Frauen! Ich kann verstehen, warum in Essen der Beginenhof nur Frauen aufnehmen. Nein, eine Welt ohne Männer mag ich mir wirklich nicht vorstellen. Also gut, habe ich streng genommen, aber ich würde dort nicht leben wollen. Ich dachte aber auch immer, dass nicht alle Männer so sind, dass sie Frauen Gewalt antun und dass ich bestimmt am Verhalten des Mannes mitbekommen kann, ob er mir Gewalt antun will oder nicht. Doch wenn es genetisch ist, ich nicht mitbekomme, wie mein Gegenüber mich gerade entmenschlicht, um mit und an mir seine Gewaltphantasien auszuleben, wo bin ich dann sicher? Wann bin ich dann sicher?

G. Pelicot hat bestimmt ihre üblichen Differenzen mit dem Ehemann gehabt, sie wird vermutlich mit ihm gestritten haben über die Kindererziehung, über das Geld, über Anschaffungen und über Freiräume. Sie werden gute Tage gehabt haben, vergnügliche und sie werden ein ganz normales Eheleben geführt haben. Wie also geht das? Wie fängt das an? Hat er sich über sie geärgert, weil sie ihm seine Lieblingswurst nicht eingekauft hat und weil sie die nie kauft, hat er sich mit der ersten Betäubung an ihr gerächt und sie mal dafür „bluten“ lassen? Dann hat er sich gedacht, dass das gar nicht so schlimm war und hat es noch einmal gemacht? Und dann hat er daraus ein Experiment gemacht und fand es sexuell immer erregender? Wie oder wo beginnt so ein Trip? Und was bedeutet das dann letztlich, wenn man mit 72 Jahren auf ein Eheleben zurückblicken muss, dass durchfärbt ist von einer gewaltigen Lüge und von massiver Gewalt und von so einem Missbrauch an Vertrauen und dergleichen. Das ist der Mann, den man bekocht hat, mit dem Mann hat man Kinder, mit dem das eigene Leben geteilt, an dessen Schulter geweint, den Mann in Krankheit gepflegt.

Wie sollen wir Frauen überhaupt noch Vertrauen für irgendeinen Mann haben? Für die meisten Männer, mit denen ich zusammen war oder mit dem ich aktuell zusammen bin, würde ich meine Hand ins Feuer gelegt haben, dass ich da sicher bin – wie „in Adams Schoß“. Aber heute? In Adams Schoss ist eine Frau nicht sicher.

Es ist der Puls der Zeit. Meine Romanidee ist älter, doch nun ist die Zeit offensichtlich reif für dieses Thema. Und die Reaktion im Buchladen zeigt, es ist aller höchste Eisenbahn, dass wir Frauen uns ermächtigen, nicht mehr wie ein Kaninchen vor der Schlange zu erstarren, nicht mehr zu dulden, wenn Männer über Grenzen treten, nicht mehr zu schweigen. Meine Tochter erzählte heute von einer Übergriffigkeit während der Arbeitszeit durch einen Kunden und erklärte, wie sie ihn bestimmt und klar und gar nicht lächelnd und freundlich in die Schranken gewiesen hat und ich wünschte mir, mir würde dies auch so gut gelingen. Wir hören uns blöde Witzen an, dumme Sprüche, ertragen Hände auf Oberschenkeln, im Nacken oder um die Hüfte gelegt und schweigen. Das muss aufhören. Ebenso wie das Ammenmärchen, dass die wahre Gefahr für die Frauen im dunklen Wald in der Nacht läge und nicht direkt im Bett nebenan. Wir müssen aufhören, unseren Töchtern vom gefährlichen fremden Mann nachts um zwei zu erzählen. Wir müssen damit beginnen, dass wir ihnen Handlungsweisen beibringen, wenn Papa, Bruder, Freund und Onkel zudringlich werden. Wir müssen diese Dinge beim Namen nennen und nicht nur in Frauenrunden. Lassen wir den Männern das Manspreading oder das Mansplaining. Kleinigkeiten. Aber wirklich wichtig ist, dass wir Frauen uns ermächtigen, Empowerment ist das Stichwort. Dafür brauchen wir kein Organ wie in „the Power“ von Naomi Alderman.

Ist es eine unerfüllbare also utopische Wunschvorstellung, dass Männer und Frauen in einer Welt gemeinsam leben könnten, ohne gegenseitig sich unterdrücken zu müssen, sobald es zum Machtausgleich käme? Gibt es keine Möglichkeit der Gleichberechtigung im Miteinander? Muss A immer B dominieren, unterwerfen und unterdrücken? Können wir über unsere genetische Anlage nicht hinaus? Warum sind wir keine Bonobos …?

Und ich frage mich, wie werde ich diese hoffnungslosen Bilder wieder los: Männer, die ihren Schwanz in irgendein Loch in der Mauer, der Wand oder ein Astloch stecken, um sich zu befriedigen. Männer, die irgendeine Frau bewusstlos ficken. Männer, die einer Frau ihren Schwanz in den Mund stecken, obwohl sie vielleicht daran erstickt, die in Truthennen ihre Schwanz treiben, ob diese tot oder lebendig sind, die Orang-Utan-Weibchen zu Frauen verkleiden und ficken, die sogar ihren Schwanz in einen Staubsauger einführen. No capisco. Und würde ich all das tun, wenn ich auf der anderen Seite der Macht stünde? Gibt es irgendwas Vergleichbares in mir, irgendeine Phantasie, die mich verstehen lässt? Ehrlich, ich suche und suche und suche. Ich will kein Kind ficken, weil es so schön kindlich ist. Ich will mich nicht an einem Baum reiben oder an einem Bein oder mir nicht in einer vollen U-Bahn zwischen die Beine greifen und mich selbst befriedigen oder irgendeinem fremden Mann die Hose runterziehen, ihm zwischen die Beine greifen. Wieso habe ich nicht eine kleine miniperverse Phantasie, die mich verstehen lassen könnte, dass all das „menschlich“ ist. Wieso fühlt es sich so an, als sei ich von einem anderen Stern?

Allmählich verstehe ich, dass ich diese Romanserie schreiben will, weil ich begreifen möchte, was es heißt, solchen Zwängen unterworfen zu sein. Nur, wie werde ich diese Bilder wieder los?

Ausverkauf: Heile Welt – Ein Rock-Pop-Schulmusical für und mit Schule

„Wir ernten … ernten, was wir … was wir sähen … sähen. […] Die Leute geh’n voll ab, die flippen voll aus …“

Hier ist schon fast voll – reserviert eben

Wir hatten gestern unseren „Fanta4“-Moment, das Publikum war begeistert und alles lief wie am Schnürchen. Bis zum Schluss. Dann kam noch die Applausabfolge und mitten drin wurden wir unterbrochen. Warum hat mir keiner was gesagt, ich hätte so schön auch die Worte der Schulleiterin vorbereiten können.. Also unser Stück war super. Zweimal super, zwei Mal mit zufriedenen, fröhlichen Gesichtern im Publikum. Dass unsere Schulleiterin nicht Benedikts und meine Arbeit zu würdigen wusste, hatten wir zwar anders verdient. Doch … niemand kann ja ahnen … ahnen, keiner … keiner kann es … kann es wissen … wissen. Bitte, möge jemand verhindern – zu ihrem Schutz -, dass sie am Tag meines Dienstausscheidens (der nicht mehr so weit weg sein darf) – segensreiche Worte zum Abschied sprechen möchte. Ich denke, dann kann ich nicht mehr an mich halten, dann verliert sich all meine Höflichkeit, meine gute Erziehung und (er)bricht sich in meiner Zügellosigkeit in Bahnen – im Strahl. Stellt sich mir an dieser Stelle die Frage: Lernen wir nicht am meisten und auch am liebsten aus negativen Beispielen? Das war auf jeden Fall wieder ein Unikat für die Kiste: So bitte nicht! Ihre Worte zuerst an die Spielerinnen und Spieler zu richten, war super, dann aber nicht einmal zu erwähnen, wer für das Stück verantwortlich ist, wer die technische, musikalische, organisatorische Leitung hatte, wer Regie geführt hatte, das ist mehr als armselig. Über den Rest breite sich Schweigen.

„Doch wir wollen unsere Sorgen vergessen, tonnenweise Torte fressen. Bald ist alles egal, wir können uns eh nicht retten.“

Der Inhalt, bitte sehr!

Tom und Dunia, zwei Liebende in den Wirren der Schulzeit in den 80ern, suchen nach ihrer Identität. Dunia will die Welt verbessern, was ihre Eltern wohl nicht schafften. Ihr Freund scheint dem Thema Klimawandel auch gleichgültig gegenüberzustehen. Tom merkt, dass er Dunia verlieren könnte und will sie beeindrucken. Er sprüht ein Graffiti an die Schulwand. Dabei geht er ein hohes Risiko ein und wird erwischt. In Untersuchungshaft der eine, in der Ungewissheit, wie es nun mit der Liebe und dem ganzen Rest weitergehen soll, die andere leiden beide. Doch wie soll ein solches Märchen gut ausgehen? Oder gehen nicht nur Märchen am Ende gut aus?

Spoiler: Türlich geht es gut aus. Wir starten mit einem Weltuntergangssong, in der Mitte beehrt uns Peter Fox mit seinen Tipps für den letzten Tag und dann versöhnen wir uns mit dem Gedanken, dass die Welt heute noch nicht untergehen wird. Ja, Verantwortung ist gut und wichtig, die habe ich meinem Leben gegenüber auch. Das Leben ist ein Geschenk und ein Geschenk ist immer auch eine Aufgabe, enthält sie und führt dazu, in doppelter Hinsicht. Was für eine Sprache!

Zur Geschichte dieser Produktion:

Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums wollten wir etwas Besonderes an unserer Schule schaffen. Etwas, das uns eint, etwas, das mit unserer Schule zu tun hat, in dem Fall mit unserem Papiermotto. Was wäre besser geeignet als ein Schulmusical über die Leiden und Wirren der Schulzeit selbst?

Bühne mit unvollständigen Bühnenelementen. Nebenbühne rechts für Schauspielerys; Podest links für die Lehrercombo

Unser Schulmusical ist eine Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Fachbereichen mit der Unterstützung vieler Lehrkräfte, wie sie in der Form lange nicht an dieser Schule stattgefunden hatte. Ein großartiges Bühnenbild von der Kollegin Hoffmann-Pudelko, ein kleines harmloses Graffiti von Kollege Hanning, Kollege Zillich am Licht, die Lehrerband als chorische und musikalische Unterstützung. Letztlich zogen alle mit, selbst die Orga öffnete Arbeitsräume, wo vorher gar nicht dran zu denken war. Danke dafür.

Im Laufe der Produktionszeit von  1,5 Jahren mussten einige Hürden überwunden werden. Es zeigten sich neben organisatorische Fallstricke auch grundlegende Schwierigkeiten mit einem beständigen Ensemble. Gestartet sind wir mit 40 Schülerinnen und Schülern aller Jahrgänge, die mitmachen wollten. Viele aber stiegen nach kurzer Zeit aus, weil sie Schulnotenabfall oder das Verpassen von Anschlüssen befürchteten. Einsteigende und aussteigende Mitspielerinnen und Mitspieler sorgten für Rollenverschiebungen, sorgten für inhaltliche Veränderungen und Anpassungen, bis endlich dieses Ensemble von 15 Schülerinnen und Schülern die gekürzte und angepasste Version spielen konnten. Daraus gewachsen sind Freundschaften fürs Leben. Zuvor hatten wir ein Stück beabsichtigt, dass doppelt so lang gewesen wäre, dass deutlich mehr Choreografien aufgewiesen hätte. Auch musikalisch haben wir das Stück zusammengestaucht, häufig nur den Refrain gesungen.

Mein Ensemble und der Auftritt

Die Jugendlichen waren großartig, sie haben jede Menge Applaus verdient und zwar nicht nur für das Ergebnis, sondern vor allem für ihren Weg, den sie zurückgelegt haben. Sie sind mutig an ihre Grenzen gegangen, sind liebevoll miteinander umgegangen, haben sich in den Text mühsam und kämpferisch hineingekniet, Ängste und Paniken ausgehalten, haben alles gegeben und sind so gewachsen. Jeder und jede einzelne hatte in diesem Stück seinen oder ihren ganz eigenen Moment des Wachstums und des Erfolgs. Unsere Tanzmaus kann laut und kann auf den Punkt, sie kann sich zeigen und war so sichtbar. Unser Bär mit seiner Begabung, die Gruppe zusammenzuhalten und für den einzelnen da zu sein, hat niemanden aus den Augen gelassen und alle geschützt. Unser Klaviervirtuose steckte mindestens zwei weitere an, Klavierspielen lernen zu wollen. Wir hätten eine Kamera auf das Klavier stecken sollen, damit man sieht, dass er selbst spielt. Die Eifrige von allen, die immer alles für alle am Start hatte, immer auf den Punkt, immer dabei. So eine tolle Ausstrahlung hat unsere Schüchterne. Niemand sieht es ihr an und sie hat sich getraut, sie konnte sich zeigen. Die Entwicklung von zwei oder drei weiteren Mädchen, die so anders im Unterricht waren und dann mit ihrem Spiel auf der Bühne glänzten. Dieser Eifer und diese Hingabe. Unsere Hauptdarsteller, die einen eigenen Weg fanden, Nähe zu spielen, so dass das Publikum einen Kuss erwartete. Nun, hinter der Bühne plötzlich zeigt sich, dass sie sich was zu geben haben. Nein, sie sind keineswegs verliebt ineinander, aber sie können es heute spielen. Die vielen kleinen Momente vor dem Spiegel, hinter der Bühne. Es ist ein Geschenk.

Bei mir stellt sich das Gefühl von Stolz und Liebe ein. Das und genau das will ich. Ich möchte Jugendliche dazu bringen, dass sie über sich hinauswachsen und für sich kleine Erfolge haben, die ihnen niemand wegnehmen kann. Denke ich an meine Schulzeit zurück, dann erscheint mir dieser Moment, als ich auf die Bühne gehen musste und das Theaterstück in vor meinem geistigen Auge.

Das Ende und die Reflexion

Gewürdigt wurden wir. Die Jugendlichen waren begeistert und haben sich bedankt für diese Arbeit. Was sollte ich mehr wollen? Kolleginnen und Kollegen waren entzündet und stolz auf die Kids. Ich muss sagen, dafür tue ich das. Auch wenn ich zugegeben gerne höre, dass ich etwas gut oder toll oder schön oder besonders gemacht habe, weiß ich schließlich, dass da nur meine Eitelkeit gestreichelt werden will. Noch mehr will ich meine Begeisterung für die Jugendlichen teilen, für das, was ich mit ihnen erlebt habe.

Am Ende gibt es einige organisatorischen Dinge, die ich im nächsten Durchlauf anders händeln würde. Auch der Ablauf und die Probenzeiten müssten anders für die Spielenden eingebettet sein. Unverändert möchte ich meine Spielgruppe lassen. Ich möchte diese 15 jungen Menschen nehmen und das nächste Stück mit ihnen planen und dann vielleicht noch eines, diesmal mit noch mehr Tanz und mit mehr Hauptrollen und noch mehr Gesang und mehr Instrumenten … Ich hätte Lust …

… da klopft schon das nächste Projekt: „Der zerbrochene Krug“ …

… Immer ist ja irgendwas.

Aber wer weiß, vielleicht 2026 wieder?

Exklusiv: Interview mit einem Newbie am Autorenhimmel. Die Debütautorin Scarlett H Mirro erklärt

Ich hab es mir nicht nehmen lassen, wo ich schon mal so dicht an einer Autorin herankomme, mit Scarlett H Mirro ein Interview zu führen. Hier präsentiere ich es im klassischen Frage-Antwort-Format.

Hallo Scarlett H Mirro. Wir haben bereits berichtet, wie du zu deinem Künstlernamen gekommen bist. Wie siehst du das heute?

Viele machen mich darauf aufmerksam, dass hinter dem H doch wohl der Punkt fehle. Das Fehlen wird nicht als Besonderheit, sondern als Fehler wahrgenommen. Das hatte ich nicht bedacht.

Und hat das eine Konsequenz für dich?

Tatsächlich überlege ich, weil ich ja keinen „fehlerhaften“ Namen nutzen will, ob ich das ändere. Vielleicht.

Von deinem Künstlernamen abgesehen, ist ja auch der Titel eher ein Arbeitstitel, oder?

Eigentlich hatte ich den Titel für einen genialen Wurf gehalten. Kurz, eindeutig und vieldeutig, aber ich gebe heute zu, er geht doch wenig flüssig von den Lippen. Na, letztlich frag ich mich, ob man auch Grisham gefragt hat, wie er zu „Die Jury“ kam.

Ein Titel ist wie der Name eines Kindes. In vielen Augen eigenartig oder falsch oder deplatziert oder unpräzise, doch mit der Zeit gewöhnen sich auch die größten Kritikerinnen und Kritiker, bis es „normal“ ist, dass der Roman oder die Geschichte so heißt.

Dabei gibt es eine echte Erklärung für diesen Titel. Die Loge „Liliths Schwestern“ gibt fiktional betrachtet als Rahmenhandlung diese Teile als Hinterlassenschaft der letzten Männer heraus. Es sind alles Dokumente, die diese Loge archiviert und für die Nachwelt erhalten will, damit die Männer als Teil der Gesellschaft – wenn auch historisch geworden – nicht in Vergessenheit geraten. Diese ersten Dokumente oder Akten, hat die Gründerin Emma Seidensticker gesammelt, nämlich als Akte „Oben“ von der Impfstofffinderin Anna Kowalski und als Akte „Unten“ von ihrem Ehemann und ersten Überlebenden Jacek Kowalski. Sie hat die Akten nach dem Ort unterschieden, damit die Namen der Erzähler und der Erzählerin nicht öffentlich werden. Wenn man so will, sind „Oben“ und „Unten“ Codewörter.

Oh ja, das klingt auf jeden Fall nach Verschwörung und Geheimorganisation.

Ja, das ist ja verrückt. Mensch. Vielleicht klingt es so, weil das ja alles sogar drin ist! Verschwörungstheorien tauchen zahlreich auf. Eine hier und eine da. Es gibt einige ganz lustige Geschichten dazu, zum Beispiel …

Nicht spoilern. Stoppt. Davon lass uns später reden. Doch was uns außerdem brennend interessiert: Wie verlief die erste Lesung?

Die erste Lesung? Ja, schön, dass du mich darauf noch einmal ansprichst, aber das war nicht meine glanzvollste halbe Stunde. Ich war zwar vorbereitet, doch hab ich einen der Kardinalsfehler begangen. Wirklich niemals sollte man an einem Ort sprechen, ohne vorher eine Probe gemacht zu haben. Die Akustik war wirklich schlecht. Ganz selbstkritisch muss ich zugeben, dass ich selbst nicht deutlich genug in die Geschichte einführt habe. Ich wollte es richtig gut und richtig spannend machen und hab damit leider den Kern der Geschichte versäumt, darzulegen. Wirklich blöd gelaufen.

Anfängerfehler. Sowas kann doch passieren.

Vielleicht. Vielleicht einer Person, die sich nicht mit Bühnenauftritte auskennt, die kein Theater macht. Aber mir? Mir hätte das nicht passieren dürfen. Ich versuche mir das zu verzeihen, um es beim nächsten Mal besser zu machen!

Und wie geht es aktuell für dich weiter? Was ist der nächste Schritt?

Wie du weißt, habe ich mit einem Partner den Verlag Wortfuge gegründet, den gilt es nun auch zu füttern. Dafür braucht es wirklich meinen Einsatz, vor allem zeitlich. In den Weihnachtsferien werde ich Lese-Videos aufnehmen, die ich nach und nach in den Äther der sozialen Medien sende, damit ich meinen Roman vor allem an eine mir unbekannte Leserschaft bringe. Im Moment ist es noch so, dass jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin mir bekannt ist. Das ist schon wirklich spannend, zu wissen, dass mein Roman bei Freunden auf dem Nachttisch liegt. Doch was ist, wenn ich den Leser oder die Leserin nicht mehr kenne und sie eines Tages einen Leserbrief oder eine Nachricht in einer Cloud schreiben und meinen Roman erwähnen, mir oder anderen berichten, was sie denken, wegen dieser Geschichte? Das ist wirklich aufregend.

Hast du denn schon Kommentare zu deinem Roman gehört?

Bislang sind das natürlich die üblichen Floskeln: Spannend. Gefällt mir. Ist ganz gut. Interessant. Sowas eben. Ich höre auch: Ich komm nicht dazu, zu lesen. Ich lese ja nicht so viel oder erstmal lese ich was anderes.

Und das ist nicht, was du hören willst?

Es ist natürlich nett, wenn mir jemand sagt, dass ihm oder ihr mein Buch gefällt. Was mich wirklich interessiert, sind jedoch weiterführende Gedanken, die sich die Lesenden machen: Was ist deine Lieblingsfigur und warum? Was denkst du zu dieser Art Zukunft? Wozu regt dich die Geschichte an? Welche Fragen stellst du dir? Was findest/fandest du witzig? Wann hast du gelacht? Womit hast du nicht gerechnet?
Letztlich ist eine Geschichte auch Geschmacksache. Eine Spielfreundin erklärte mir, dass diese Art Geschichten nicht so ihre wäre. Nicht jeden Geschmack kann ich treffen. Auch wenn sich meine Eitelkeit angekratzt fühlt. Die eine findet vielleicht diese ganzen ausgeloteten Philosophien unerträglich zäh. Der nächste jedoch mag die Vielfalt der Perspektiven. Ein weiterer wünscht sich eine Liste mit einer Personenübersicht, weil es davon so zahlreiche gibt. Eine andere findet genau das überflüssig, weil man sich das doch merken kann und seine eigene Phantasie nutzen will.

Ja, es sind aber auch wirklich mächtig viele Figuren, die du da am Start hast.

Das stimmt. Ich hab selbst ne Liste gebraucht. Vielleicht sollte ich sie wirklich der Leserschaft bereitstellen. Wie genau ich das mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht wäre eine Ehrentafel auf der Seite der Schwesternschaft eine gute Idee. Darüber mache ich mir noch Gedanken.

Das Buch ist ja fertig, also damit ist doch die Bahn frei für den kreativen Ausschuss für den zweiten Teil. Wie steht es damit?

Mal langsam. Wir haben festgestellt, dass die Vermarktung und der Vertrieb dieses ersten Teils schon noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch wenn der zweite Teil schon seit drei Jahre unvollendet auf meinem Rechner hängt, nützt mir wenig, dass er bereits halb abgeschlossen ist. Ich habe bei diesem ersten gemerkt, dass es mehr Zeit abverlangt, als ich erwartet habe, die Korrektur zu machen. Allerdings hab ich das auch nicht so schlau angefasst und irgendwie versucht, wie eine Anfängerin irgendwie hinzubekommen, statt mir die Hilfe zu holen, die nahe liegt. Überhaupt, gerade in diesem ersten Teil liegt viel Lehrgeld. Aber das war zumindest schon einkalkuliert. Zu der Frage, was jetzt ansteht, lautet meine Antwort: Aktuell muss ich für mich prüfen, wie sehr ich schreiben und Verlagsarbeit machen will. Komme ich nicht raus aus meinem Schuldienst, muss ich diese Pille schlucken, dann geht das nur, wenn ich meine Stundenzahl reduzieren kann, denn sonst blute ich aus. Ich brauche einen alternativen Job, damit meine kreative Kraft nicht so abgesaugt wird. Wie aber alle Menschen um mich herum, setzt sich meine Lebenswelt aus vielen Aufgaben zusammen. Ich bin schon froh, dass gerade das Musical zu einem Ende kommt, so dass damit wieder Kräfte frei werden. Andererseits hat sich schon ein neues Theaterprojekt angekündigt. Und wenn ich das ernstnehme, bindet das natürlich auch wieder Ressourcen.

Stimmt, du bist nebenher auch als Lehrerin und als Theaterpädagogin tätig. Was heißt das denn genau?

Aktuell arbeite ich noch an meiner Musicalproduktion. Ich habe die Textfassung dazu geschrieben und mit einem Musikkollegen zusammen die Stücke ausgewählt und die Gruppe gecoacht und Regie geführt. Die gesamte Organisation hing an uns, dafür haben wir einige Lehrkräfte aktiviert, die unser Projekt unterstützt haben. Jetzt sind noch zwei Wochen Zeit, bis es zur Premiere kommt. Wir zeigen das Stück zwei Mal. Ein wahnsinnig tolles Bühnenbild ist in der Kooperation mit einer Kunstlehrerin entstanden und ein Teil des Kollegiums singt auf der Bühne mit. Insgesamt ein großes Ding. Die Handlung ist entsprechend der Gestaltung von Musicals einfach, mit Gesang, Tanz und Musik. Ein Paar aus den 80ern, er Rocker und sie eine Weltverbesserin, sie kommen zusammen, sie will was bewegen, er will seine Ruhe. Ihr zum Gefallen sprayt er ein Graffiti an die Wand und wird erwischt. Doch es geht alles gut aus. Nach den Sommerferien haben wir das Stück noch einmal scharf eingedampft, damit wir es aufführen können. Jetzt wird es richtig gut. Außerdem hab ich von einem Kollegen den Literaturkurs übernommen: Der zerbrochene Krug. Ich mag das Stück vom Kleist, gleichzeitig wohnt in mir dieser kleine Schalk, der ja nichts einfach genauso aufführen kann, wie es geschrieben steht. Andererseits ist eine ernsthafte Aufführung zu machen, auch eine wirkliche Herausforderung für mich.

Moment, da würde ich doch gern mal nachhaken, was meinst du damit, dass du kein Stück so aufführst, wie es geschrieben steht? Du hast „Kabale und Liebe“, „Iphigenie auf Tauris“, den „Zauberlehrling“ doch schon mal auf deinem Plan gehabt. Hast du die nicht ernsthaft aufgeführt?

Fangen wir hinten an: Den Zauberlehrling hab ich verändert, damit er als Stück funktionierte. War eine Schwarzlichtinszenierung. Darunter hab ich die andere berühmte Ballade von Goethe gemischt: „Erlenkönig“. Schiller und Goethe hatte ich damals sehr verknappt zusammengesetzt, die Rahmenhandlung war dann ein kollegiales Miteinander zwischen Schiller und Goethe, die sich Auszüge aus ihren aktuellen Theaterproduktionen zeigen, um darüber fachmännisch zu diskutieren. Ich fand zum Beispiel die „Iphigenie“ immer sehr langweilig, zu redelastig und habe eine Kampfszene eingebaut, die es in Goethes Textfassung nicht gibt. Schiller gefällt die Szene so nicht, er kritisiert also den ehrwürdigen Goethe und bietet ihm mehrere Alternativen an. Goethe ist so verärgert, dass er erklärt, die Szene aus seinem Stück einfach ganz zu streichen. Das genau mein ich mit Schalk. Ich kann es nicht lassen, etwas Vorgefundenes neu zu gestalten, neu anzuordnen. Bei Stücken wie „Woyzeck“ ist das natürlich gar kein Problem. Da ist ein experimentelles Herangehen nahezu vorgeschrieben. Aber sonst gelingt mir das einfach nicht.

Wie du das so beschreibst, brennst du jedoch für die Theaterarbeit und es scheint so, als würde dir etwas fehlen, wenn du kein Theater mehr machen darfst.

Das hast du richtig erkannt. Ja, mir würde etwas fehlen. Ich mache sehr gerne Theater. Schon das der Grund, weshalb ich nun die Ausbildung zum BUT bei Sandra Anklam abschließe. Vielleicht kann ich mir doch einen der wenigen Jobs angeln, bei denen man fest angestellt ist, dann würde ich dafür den Schuldienst sofort quittieren. Naja, im Grunde mach ich zu wenig Theaterprojekte, um trotz all der Jahre so viel Erfahrung damit zu haben, wie zum Beispiel Sandra Anklam, die in einer Woche einen Kurs leitet, eine andere Woche ein neues Theaterprojekt anfängt und so mehrere Spielbälle in der Luft hält. So ein Job wäre ideal.

Vorhin hast du aber gesagt, dass das deine Kreativität dann abzieht.

Richtig. Die Schule tut das mit ihren Stressoren, dem Termindruck, den Klausuren, den Korrekturen. Ich weiß nicht, ob das bei einem Beruf, wie ihn Sandra Anklam ausübt, auch der Fall wäre.

Das kannst du ja nicht ausprobieren. Doch wenn du irgendwo angestellt bist, wo du bleiben magst, wirst du dich nicht lösen und durch die Welt fahren, damit du schreiben kannst. Richtig?

Richtig. Vielleicht fehlt mir doch der Mut und ich bin nur eine dieser Maulheldinnen.

Am Ende machst du es wie Karl May und schreibst nur über deine Sehnsüchte.

Vielleicht. Am Ende.

Performative Lesung – ab sofort wird geprobt?!

Geneigte Leserschaft, Freunde und Freundinnen des guten Wortes,

bislang noch unbeachtet, stiefmütterlich behandelt, so muss ich diesem Feld doch meine Aufmerksamkeit widmen. Ich lerne nicht aus. Ich lerne nicht fertig. Manchmal lerne ich auch nicht, fertig. Doch ganz real widme ich mich aktuell Fragen, die ich mir in meinem Leben noch nicht gestellt hatte:
Was will ich mit einem Verlag? Können wir gut mit der Druckerei zusammenarbeiten? Eine Performance für eine Lesung? Lieber auf Didaktik setzen? Wie bereite ich mich auf die Lesung vor? Nehme ich für eine Lesung Eintritt? Wer filmt die Lesung mit? Was davon kann ich in den üblichen Sozial Media Kanälen verwenden? Darf ich überhaupt eine freie Lesung veranstalten? Brauche ich dafür schon ein Gewerbe? Wie sichere ich eine Hörerschaft? Was ist eine Wohnzimmerlesung? Brauche ich eine Wohnzimmerlesung? Wie komme ich an Rezensionen, an Kommentare, an Bewertungen? Kann ich dazu nicht eine Party machen?

I. Lesung: 02. November 2024
15 Uhr – Eintritt frei
Tanzatelier Widance
Weidestraße 1, Recklinghausen

Bitte meldet euch an und kommt vorbei!

Eine Performativen Lesung

Eine Lesung stelle ich mir zunächst so vor, dass jemand auf einen Stuhl sitzt, an einem Tisch und dort ein Buch aufgeschlagen hat, aus dem er oder sie eben liest. Seite um Seite. Wenn er oder sie das gut macht, dann kann das spannend sein. Wenn nicht, dann ist das langweilig.

Wusstet ihr, dass die Schriftsprache dazu gemacht war, dass man sie laut liest? Also die deutsche Schriftsprache sollte nicht stumm gelesen werden. Es wurde viel Zeit und Kraft darein verwendet, die Schriftsprache so zu formen (mit Buchstaben und Regeln von Konsonanten und zusätzlichen Zeichen, etc.), dass sie vorlesend so funktioniert, wie die gesprochene Sprache. Übertrage ich das auf meine Lesung, dann sollte doch gar nichts schiefgehen!

Wie also lesen, so dass ihr nicht einschlaft oder euch langweilt?

Es wird eine Perfomance, denn ich hab den Vorteil, dass dieser erste Teil ja schon ein Geschenk aus der Zukunft ist, nämlich von den noch nicht gegründeten Lilith-Schwestern, die die letzten Männer retten wollen. In eine dieser Logenschwestern tauche ich ein, verwandle mich in sie und lese euch aus den Chroniken vor. Dabei gibt es kleine Spoiler hier und da, wie es später weiter geht, weil Mia sich nicht so richtig beherrschen kann.

Kleidung? Steht!
Deko für den Tisch? noch nicht fertig
Auswahl der Textstücke? Im Kopf schon irgendwie
Charakter Mia? Ist klar
Ort und Vorbereitung? Naja, im Kopf …

Ich freu mich auf euch. Lasst Mia nicht vor einem leeren Haus lesen und kommt vorbei. Übrigens: Männer sind ausdrücklich erwünscht und zwar nicht aus pädagogischen Zwecken, sondern weil die Welt mit ihnen viel schöner ist.

Zwei oder drei Jobs – wer zählt da schon so genau?

Als ich junge Mutter im Referendariat war – mit drei kleinen Kindern an und zwischen den Beinen und Armen – da dachte ich oft, es müsse einen Ort geben, wo man Luft bekommt, wo die Uhren langsamer tickten und wo das Leben entspannter sein könnte. Die drei Kinder wurden größer, die Ansprüche und Probleme mit und ich arbeitete mehr. Haushalt nebenher (wieso sollte ich eine gute Hausfrau sein wollen?), und schreiben ging gar nicht. Und überhaupt, wie schafften andere das? Noch irgendwie gut aussehen, Gäste empfangen und Freundschaften pflegen und Hobbys ausbauen? Sport und Gesundheit nicht zu vergessen … Ich managte es immer besser und gleichzeitig wuchsen die Herausforderungen.

Meine Ersttätigkeit „Lehrerin“ beschäftigt mich kognitiv und sozial und emotional so sehr, dass das mit dem Schreiben, den kreativen Tätigkeiten im Allgemeinen immer nur bis zu einem gewissen Grad im neuen Schuljahr klappte. Spätestens wenn das Feld „Gesundheit“ und „Bewegungsmangel“ drückt, wird es eng. Diese verschiedenen Felder, die ich wie im Tanzrausch besuchen muss, die lassen einen kaum zu atmen kommen.

Mein Zweitjob „Kinderpflege und -Versorgung“ hab ich stark reduzieren können, läuft langsam auch ein Nullsummenspiel hinaus. Ich glaube ja, eine gute Mutter zu sein, die ihren Kindern Entwicklungsfreiräume gab. Aber was ist schon wirklich „gut“? Und sind wir am Ende nicht alle gut? oder die Guten?
Ich gebe zu, dass das Feld „Bewegungsmangel“ mehr Aufmerksamkeit verlangt, schon um einem weiteren Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Doch ehrlich, ich spür die Jahre langsam im Kreuz beim Aufstehen, muss also mehr tun. Das Problem versuch ich mit meinem Lieblingshobby „Tango“ zu erschlagen: Bewegung, Sozialkontakte, Achtsamkeitstraining, im Sommer sogar auch frische Luft. Genügt aber nicht, genügt aber nicht. Also freie Ressourcen auf Sektor „Kinder“ wurde direkt von dem Feld „Gesundheit und Bewegung“ absorbiert.

Nun gesellt sich ein Drittjob mit Platzansprüchen dazu: Verlag und Schreiben. Würde es gern zurückdrängen, sagen, dass gerade nicht so günstig ist, dass ich noch ein bisschen am Erstjob zu tun hab. Mein kleiner etwas pummelig gewordener Liebling „Kalender“ meldet sich zu Wort. Der ist ganz vollgestopft und fühlt sich übersättigt an, meint, er möchte doch auch mal abnehmen. Ich hab’s versprochen wegen Work-Life-Balance und so. Weniger voll. Und ich guck traurig „Kalender“ an und sag fast schon vorwurfsvoll, er möge sich an 2013/14 klammern, da waren wir das ganze Jahr unterwegs und hatten kaum Termindruck. Er jammert und meint, genau das sei sein Punkt, was fühlt es sich hübsch an, wenn man mal nicht weiß, was der nächste Tag bringt. Ich sag, dass wir davon auch einige 2020 hatten. Damit er nicht ganz so trostlos in der Gegend hängt, erklär ich ihm, dass ich gute Aussichten auf nächstes Jahr sehe, wenn wir diesen Erstjob loswerden und dafür einen waschechten Halbtagsjob an Land ziehen, einen, der hält, was er verspricht. „Kalender“ ist aber noch nicht fertig, zeigt mir, dass ich ja schon für nächstes Jahr Ostern, Juli, Pfingsten wenigstens Termine ausgemacht habe. Ach ja, seufze ich.

Damit kann ich mich nicht beschäftigen, weil mir Freund „Gesundheit“ – im Vertrauen, dat ist echte Hassliebe – gerade erklärt, dass wir aufgehört haben zu atmen, zu meditieren und Yoga vernachlässigen. Der ist so dicke mit „schlechtem Gewissen“, dass ich manchmal das Gefühl habe, gegen zwei Verbündete zu stehen, die wie eine Mauer keine Gnade kennen, so wie die Eltern früher. Und alles ja nur zu meinem Besten. Freund „Gesundheit“ erklärt mir außerdem, dass ich gerade einen Infekt ausbrüte. Viel Trinken – schon wegen der Haut. Und lass die Chips weg. Vitamin C brauchst du und Ruhe.

Und ich? Was ist mit mir?

Ich sitze am Rechner, dicken Kopf, Schniefnase und krieg mich nicht hochgewuchtet, um mich zu pflegen, muss noch eben: die KA 7 vorbereiten, die Telefonnummern für die Jugendherberge sowie die Telefonzeiten heraussuchen, noch die Zahnarztnummer vorbereiten, mir die Steuererklärung auf die To-Do-Liste legen, die Postkarte vorbereiten und die Lesungstermine sichten … Im Kopf hämmert gegen die Schädeldecke der Satz:

Hab ich was vergessen?

Hab ich was vergessen?

Ach ja, ich hab ein neues Hobby angefangen: Cello spielen.

Auf gute Dinge lohnt sich WARTEN. Der Roman ist da

Proudly presents:

Was fühlt sich Papier gut an, was wiegt das 1065 Gramm in meiner Hand schwer! Oh, wie schön ist Panama.

Das Buch lässt sich jetzt endlich bestellen. Aktuell nur über den Verlag per Mail oder persönlich über mich, weil wir noch keine Seite eingerichtet haben: bestellungen@verlag-wortfuge.de, doch es wird überall zu bekommen sein, denn es ist mit der ISBN natürlich gelistet.

Autorenwelt liefert und gönnt den Autorys dabei noch einen fairen Zugewinn von 7%. Ich kann euch also nur ans Herz legen, entweder bei mir direkt zu bestellen (über den Verlag) oder über die: Autorenwelt Shop – Fair Bücher kaufen.

Für alle Paper-Versionen (Taschenbuch oder gebundenes Buch), die ihr über mich, den Verlag oder bei Autorenwelt bestellt, kann ich eine persönliche Widmung mit ein paar geflügelten, poetischen Worten passend zur lesenden Persönlichkeit beisteuern. So erhält das Buch einen ganz individuellen Charakter. Auch bekommt ihr das Buch über Amazon, denn es ist gelistet. Selbstredend bekommt ihr es auch bei dem BUCHHÄNDLER eures Vertrauens. Da seid ihr in guten Händen ohne Port. Sonst geht das Porto noch dazu, es sei denn, ich bin der persönliche Lieferservice. Das geht bei vielen zusätzlich.

Ein paar Eckdaten:

Die gedruckten Versionen erscheinen am 18. September 2024; diese können ab jetzt per Mail vorbestellt werden. (bestellungen@verlag-wortfuge.de) Jetzt braucht es nur noch deine Entscheidung:

ISBN: 978-3-911532-00-6 (Taschenbuch); 18,90 €

ISBN: 978-3-911532-01-3 (gebundene Ausgabe); 29,50 €

ISBN: 978-3-911532-02-0 (E-Book) (noch nicht erschienen, Erscheinungsdatum im Herbst) 16,50 €

A Geschichte hat’s das Büchle a:

Der Ausbruch eines für Männer tödlichen Virus sorgt dafür, dass die Infrastrukturen des gesellschaftlichen Lebens zusammenbrechen. Fast wie von einem zum anderen Moment verändern sich Gewohnheiten, Annehmlichkeiten verschwinden und gesundheitliche kleinere Krankheiten wie eine Blinddarmentzündung werden zu einer neuen Bedrohung des Lebens. Neben all diesen vielen neuen Herausforderungen müssen die Toten beweint und die Trauer bewältigt werden. Viele sterben und ein Impfstoff ist nicht in Sicht. In einem weltweit vernetzten Chat diskutieren Ärzte und Ärztinnen fieberhaft und suchen gemeinsam nach einem Impfstoff, doch die Gruppe wird immer kleiner.

Als die Gynäkologin Anna ihren Mann pflegt und dieser die tödliche Krankheit als einer von Wenigen überlebt, beteiligt sie sich an der Suche, denn sie glaubt, dass die Lösung nah liegt. Zu diesem Zweck schafft sie Laborbedingungen in einem Bergwerkstollen und überzeugt 28 Überlebende, dieses Projekt zu unterstützen. Sie verspricht ihnen Lebensmittel und ein Heilmittel gegen die durch die Krankheit bedingte Unfruchtbarkeit. Die Männer verbringen die Zeit hauptsächlich mit Warten und Untersuchungen im Stollen. Unterdessen verändert sich das soziale Miteinander der Frauen an der Oberfläche sehr schnell dahingehend, dass die Krankheit als ein Gottesurteil und damit der Mann als Fehler der Schöpfung betrachtet wird. Männer werden angegriffen, erleben Gewalt oder sterben weiter unaufhaltsam an der Krankheit. Eine feministisch-faschistische Partei übernimmt die Regierung, ruft den ersten Frauenstaat aus und löscht nach und nach alles aus, was an den Mann erinnert. Für die Überlebenden wird es zunehmend gefährlicher an der Oberfläche, doch das Miteinander im Stollen ist täglich mit neuen Herausforderungen verbunden, bis es schließlich zur Katastrophe kommt und die Männer entscheiden müssen, wie es für sie weitergeht.

Und wenn wir schon so nett miteinander plaudern: Ich halte euch auf dem Laufenden, wann ich aus dem guten Stück lesen werde und wo diese Lesungen stattfinden. Hier erfahrt ihr es als erstes! 🙂

Boahh ich bin so nervös.

Volle Fahrt voraus – und dann schauen, wo wir ankommen. Wir gründen …

Freunde des guten Wortes,

heute muss ich bekennen, meine Lust an Abenteuer und meine Freude an Verrücktheiten sind Geburten meiner fantastischen Gedankenwelt. Zu real sollte es nicht werden.

Ihr wisst, ich bereite meine Veröffentlichung vor, anvisierter Zeitraum ist vor Ende der Sommerferien. Für manche ist das noch lang, für andere knapp. Für mich ist das aktuell sogar knapper, denn wie gründet man in dieser kurzen Zeit einen Verlag und bringt in diesem sein erstes Buch unter? Doch lasst mich über diese Entwicklungen langsam Bericht erstatten.

Das Buch – und hier ist Buch der angemessene Ausdruck, weil es ja die gedruckte Version betrifft (falls ein Schüly heimlich mitliest und sich beschweren will, warum ich nicht vom Roman spreche) – ist jetzt endlich gesetzt. Jede einzelne Silbentrennung bin ich durchgegangen, was bei finalen 616 Seiten wirklich lange dauert. Zwischenspeicherungen und Seitenumbrüche. Und wie sieht das Textende auf den Seiten aus? Wo sind die Kapitelumbrüche? Wie sehen die Seiten überhaupt aus? Die Schrift zu klein? Der Abstand zu eng? Leute, wir haben uns drei Arbeitstage damit befasst, bis das gut war. Allein für die Silbentrennung habe ich von meinem ersten Kaffee am Samstag um 11 Uhr bis nachts um 1 Uhr dran gesessen, erlaubt hab ich mir Essenspausen. (Falls jemand fragt, wieso ich nicht beim Tangotanztee war.) Man könnte also schon glauben, dass mein Freund lieber alles andere gemacht hätte, als dann auch noch die Frage zu stellen, ob ich mir wirklich sicher bin, dass ich das als Selfpublisher bei einem Dienstleister veröffentlichen will.

Da hab ich mich vor Monaten dazu durchgerungen, die Hoffnung auf einen Verlag erstmal beiseite zu schieben, habe mir lang und breit erklärt, dass ich genug schlecht verlegte ausländische Bücher gelesen hätte, um zu wissen, dass nicht immer gute Literatur entdeckt wird, hab mir überlegt, als Selfpublisher zu veröffentlichen, sprich die Vermarktung selbst zu machen, habe mich für einen Anbieter entschieden, der recht seriös erscheint und dann… Dann rechnet mein Freund einfach nur ein paar Zahlen aus und ich schwimme in meinen Tränen.

Kurze Erklärung: Selfpublisher werden jene Autorys genannt, die keinen Verlag im Hintergrund haben, aber einen Dienstleistungsunternehmen (Tredition, BoD, epubli, etc.) nutzen, die das Buch setzt, ein Cover macht, bei Auftrag druckt, eine ISBN bereitstellt, etc. Dieser Dienstleister übernimmt in Form eines Bausatzsystems das, was der Verlag machen würde – scheinbar. Da dem Verlag jedoch wirtschaftlich daran gelegen ist, das Buch zu einem Erfolg werden zu lassen, ist das dem Dienstleister eigentlich egal, denn er hat weder Kosten, noch Arbeit, wenn nichts passiert. Das hat zwei Konsequenzen: 1. lässt sich der Dienstleister seinen Service natürlich bezahlen (Cover, Buchsatz, etc.), 2. prüfen sie nicht die Qualität des Buches in Form und Gestalt, ohne sich das bezahlen zu lassen, auch dann ist es von der Güte und Qualität eines Schnellstichs. Das heißt, dass ich mich in all die Bereich selbst einarbeiten muss, wenn ich – als Autory – will, dass es gut wird, schon um zu überprüfen, ob es gut ist. Dienstleister stellen die Plattform bereit und dafür bekommen sie letztlich richtig viel Geld, mehr als ein Verlag. Dabei ist der Text nicht korrigiert, nicht lektoriert, nicht ordentlich gesetzt, nicht auf Umbrüche geachtet, etc. Meist erkennt man am Cover (zumindest bei den ersten Publikationen), dass auch das Marke Eigenbau ist. An meinen Cover war ein Profi dran – und das hat auch was gekostet, Stück weit auch Lehrgeld.

Mein Freund fragte, wie ich die Marktchancen für mein Buch einschätze, wie viele ich denke, dass ich im ungünstigsten Fall verkaufen würde und rechnete mir mein Verlustrisiko aus. Dann rechnete er gegen, was Tredition an mir verdient, wenn ich zumindest die von mir erwartete Menge absetze und was ich davon bekomme. Tja, dann hab ich erstmal geheult, weil ich erstens dachte, dass ich so nie veröffentlichen kann, wenn immer jemand sagt, wie falsch mein Weg ist. Geheult hab ich auch, weil ich meine Deadline nicht einhalten kann, weil ich vielleicht zu viel auf Silbentrennungen gestarrt habe und weil ich dachte, ich müsste nicht im offenen Meer schwimmen lernen. Tropfnass saß ich da nun und fragte nach Lösungen. Der Mann antwortete bescheiden: „mach es doch selbst! Du machst eh alles andere schon. Jetzt kommt noch dazu, eine ISBN zu beantragen, die Druckerei selbst auszusuchen und dich in die VLB-Liste eintragen zu lassen. Fertig.“

So einfach soll das sein?

So einfach scheint es zu sein, allerdings kam dann die Frage auf, wie sonst, wenn nicht als Selfpublisher? Alle machten es so. Verlag oder Selfpublisher-Dienstleister. Außerdem sollte ich mal planen, wie die nächsten Schritte und Finanzierungseckdaten aussehen, also am besten gleich einen Businessplan erstellen. Ich plane doch eh eine ganze Buchserie, also böte sich als Geschäftsform ein Verlag an. Nun, dann müsste ich noch ein Gewerbe dazu anmelden und fertig.

Und ehe wir uns versahen, erstellte ich einen Businessplan für einen Verlag mit einem ganz anderen Konzept. Der Verlag trägt den wirklich schönen Namen „Verlag Wortfuge“. Ich weiß nicht, ob ihr, meine liebe Leserschaft, wusstet, dass ich Fugen super finde. Sowohl als Spalte, Lücke – also als architektonische Form -, als auch die musikalische Fuge. Aus meiner Sicht gibt es die übrigens auch im Film: „Täglich grüßt das Murmeltier“ ist eine filmische Fuge. Außerdem ist mittels diesem Fachausdruck geklärt, dass bestimmte Buchstaben über die Wortfuge hinaus keine Ligatur bilden können, weil damit der Wortsinn entstellt wird. Für alle, die auch nicht Wissen, was eine Ligatur ist: um Platz zu sparen beim Druck, wurden manche Buchstaben zu einem Druckbuchstaben zusammengezogen, als man noch den Druck in form von Bleibuchstaben in einem Rahmen setzte. Auch heute wird das noch gemacht. Im Deutschen kommt das häufig bei Wörtern zu Stande, die mit dem „f“ Kontakt habe, oder mit dem „t“. Den Artikel von Wiki hab ich euch oben verlinkt. Das ist sehr spannend. Was aber ist die Wortfuge genau?

"Im Deutschen werden Ligaturen nur gesetzt, wenn die zu verbindenden Buchstaben im gleichen Morphem liegen, beispielsweise im Wortstamm. Ligaturen werden in der Regel nicht gesetzt, wenn die Buchstaben über eine grammatikalische Fuge (z. B. eine Wortfuge) reichen. „Kaufläche“ (Kau-fläche) wird daher mit fl-Ligatur geschrieben; „Kaufleute“ hingegen nicht, weil die Buchstaben f und l verschiedenen Wortteilen (Kauf-leute) angehören."
Wikipedia, Ligatur (Typographie)

Schöner kann man es kaum beschreiben. Aus genau dem Grund hab ich mich mit der Silbentrennung so lang beschäftigt, weil das Programm oft nicht weiß, wie die Morpheme zusammengesetzt sind. Morpheme sind die kleinsten sinntragenden Spracheinheiten, Silben eben. Unter anderem fand das Programm, dass man „To-timpfstoff“ so trennt. Ja, wir müssen ein paar mal hinsehen, bis wir verstehen, was das heißen soll, doch „Tot-impfstoff“ ist sofort klar. Und dieses schöne Wort „Wortfuge“, was den Spalt zwischen dem einen Wortteil und dem anderen meint, wovon jeder Teil auch für sich stehen könnte und nur zusammen bilden sie ein neues Wort, eben wie das Wort selbst, dieses Wort ist noch von keinem anderen Verlag verwendet worden.

Und so heißt dann nun unser Verlag. Unser, weil wir es zusammen machen. Ich muss nicht allein schwimmen lernen, ich habe einen Partner an meiner Seite. Wie schön ist das.

Eine Woche Tango-Flow, Tango-Gedanken, Tango-Takte in Krummendeich – ohne Ablenkung

Tango bedeutet: es gibt einen Führenden und einen Folgenden – geschlechtlich in allen Kombinationen denkbar, denn nach dem Mythos seiner Entstehung lernten Männer von Männern in Hinterhöfen die Tangoschritte, während Frauen es Frauen beibrachten, wie man so richtig auf die Schritte reagierte. Der oder die Führende bietet dabei den nächsten Schritt an, der oder die Folgende folgt der Einladung, so, wie er sie eben versteht! Es gibt Regeln, damit die oder der Folgende versteht, was der oder die Führende anbietet. Ein Dialog wird es, wenn eine Person auf die andere reagiert, wenn beide dafür sorgen, dass es sich gut anfühlt.

Wichtig dafür sind folgende Regeln. Bitte beachten Sie:

  • Lektion 1: es gibt keine falschen Schritte, es gibt nur welche, die vielleicht nicht intendiert waren.
  • Lektion 2: die Musik gibt den Rhythmus vor, das vertanzen erfolgt durch das Paar.
  • Lektion 3: Die geführte Person macht mit: sie geht selbst, dreht selbst. Und die führende Person schubst, schiebt oder drückt nicht.

Das Führen beinhaltet die anstrengende Dimension von Planung und Verwirklichung im Raum. Wenn noch ganz viele andere dasselbe mehr oder weniger berechenbar tun, lässt sich das Gestalten des Dialogs schwerer realisieren. Gestalten kann ich es allerdings nur, wenn es mir „erlaubt“ wird, wenn ich dafür nicht bestraft werde. Natürlich merke ich, wenn es mein Gegenüber aus dem Konzept bringt. Doch wie geht er damit um? Von Schweißausbruch bis Unterbrechung des Tanzes ist alles möglich, wie ich festgestellt habe. Spielereien, gewagte Verzierungen, Unterbrechungen der Schrittfolge und Übernahme der Führung bringe ich in unseren Dialog erst ein, wenn ich einmal oder ein paar Mal mit demselben getanzt habe.

Führen – auf zwei Arten

Tangotanzpaar aus Argentinien in Werl zu Gast (2024)

Zwei Arten von Tangueros bevölkern die Tanzfläche, dazwischen gibt es weiche und harte Konturen, selbstredend. Schon lange gehe ich davon aus, dass die Art, wie wir tanzen, oder präziser, wie wir uns tänzerisch ausdrücken, viel über uns selbst aussagt. Paare und einzelne Menschen könnte man über das Tangotanzen therapieren, vielleicht sogar heilen! Natürlich erfahre ich einiges über den Herren mit dem offenen oder geschlossenen Knopfloch, schließlich starre ich auf seine halb unter dem Hemd verschwundene Kette oder jenen Anhänger, starre auf seine kleinen grauen Haare auf der Brust, die sich mühselig am Hemd vorbei hervorschieben, oder auf kleine Dinosaurier auf dem Hemd, um ordentlich bei ihm zu bleiben, vor ihm zu bleiben, mit ihm zu sein.
Es gibt Tänzer, die haben eine Führung wie ein Stakkato, ruckartig und zackig, kraftvoll, schwungvoll und manchmal auch unbarmherzig. Hier ist Führung haben ganz wichtig. Zack, hängst du an der Brust des Fremden und er führt. Es gibt aber auch die weiche, zarte Führung, die kaum zu bemerken ist, wo ich mich frage, was ich machen soll. Das Ideal ist die Führung, die ganz weich bleibt und doch fühlt man sich so sicher wie auf einem Schiff auf offener See. Der Herr macht fast unsichtbare Bewegungen, aber eindeutige, die genau interpretierbar sind. Leicht wie eine Feder, jede Bewegung ist kontrolliert. Wenn man eng mit diesem Herren tanzt, dann ist es die eigene Entscheidung und fügt sich dynamisch als Angebot in den Tanz ein. Und dann gibt es die Führung, bei der man weiß, dass man sich auf offener See befindet, vermutlich ist da der Herr der Rettungsring …

Meine schönsten Tango-Momente in diesem Jahr in Krummendeich

1. Ein Tanz mit meinem Angstgegner, den ich nicht nur souverän meisterte, sondern dem ich viel Freude und experimentellen Spaß abgewinnen konnte. Bis zu dem Moment, als ich sagen durfte: „Das hab ich gar nicht geführt!“
2. Mehrere sehr experimentelle Tänze, die nicht nur uns beiden Spaß gemacht haben, sondern auch ohne Achsbruch oder Achsverlust (für die nicht-tangoaffinen Lesenden) verliefen.
3. Das Kompliment eines Tänzers nach der Woche, dass er nicht nur genossen hat, mit mir zu tanzen (wie ich im übrigen auch mit ihm), sondern dass er etwas mitnimmt insbesondere aus den Tänzen mit mir, nämlich die Experimentierfreude. Außerdem hat er erklärt, dass ihm besonders gefällt, dass ich so dabei bin beim Tanz, dass ich ihn vor Karambolage mit anderen Paaren bewahrte, dass ich gezielt und dezent die Führung übernahm und ihn das nicht störte.
4. Mit vielen wirklich guten Tänzern sehr häufig getanzt zu haben. Ich tanze auch mit Tanguero Nr. 1, den es verrückt macht, wenn ich Zwischenschritte setze, wenn ich verziere und er es mitbekommt, wenn ich die Barridas nutze, um Taktspielchen zu machen, etc. und beherrsche mich dann. Freude, Tangospaß und Lust am Tanzen macht mit Tanguero Nr. 2: Raum für Spielereien, Geduld und Mitspiel, Grenzen ausloten im Rahmen der Regeln und schauen, was sich gut anfühlt. Davon gab es diesmal richtig viele, acht würde ich meinen.

Resümee zu Krummendeich 2024

Im Tanzkurs übt man das Ideal, auf der Tanzfläche bei einer Milonga ist alles möglich. Es ist ein Dialog. Wieso sollte ein Dialog etwas sein, wobei der eine immer nur eine Frage stellt, und der andere nur mit vorgegebenen Antworten reagiert? Tango, dass ist ein improvisierter Tanz nach Regeln der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Vor einem Jahr tanzte ich mit R. zum ersten Mal in Krummendeich bei Isabella und Ivan. Anfänger hörte ich. Ich ahnte Schlimmes, doch mein Tanzpartner hatte die Lust am Tango entdeckt wie ein staunendes Kind. Er probierte aus und schaute, was passierte, wenn man den Schritt so oder so machte. Und ich probierte mit. Ich schaute, was ich alles machen kann, ohne das Folgen ganz zu lassen. Es war eine Befreiung, die sich über ein Jahr hinzog. Auf Spiekeroog tanzten wir zum Jahresbeginn erneut zusammen. Mein neuer Erkenntnisgewinn: ich muss nicht nach der Führungsabsicht suchen und im Trüben herumstochern, es genügt, wenn ich tanze, was ich verstehe. Klingt ganz leicht, ist aber mental mehr Arbeit, als der Herr vielleicht denkt. Zurück in diesem Jahr Krummendeich stellte ich fest – solange ich nicht darüber nachdachte und meinen Kopf verbog, was jetzt wieder mein Problem sei – dass mir viel egaler als sonst war, ob der Führende sich vollends verstanden sah, solange wir nur beide unseren Spaß hatten.

Was ist denn nun Krummendeich und Spiekeroog (vermutlich auch Proitzer Mühle)?

Erfurt: Straßeneck-Graffiti

Krummendeich ist ein sehr familiäres Tangoerleben, mit wenig Ablenkung konzentriert auf den Tangofortschritt. Täglich tanzen wir ca. 6 Stunden Tango, mit einem Ruhetag dazwischen. Leckeres Essen (vegetarisch und urgesund) gibt es zwischendurch. Alles vor Ort mit einem schönen Tanzraum und toller Akustik. Diesmal waren wir ca. 40 Personen, die sich nach den sechs Tagen richtig gut kennengelernt haben. Sport und Körper stehen im Fokus: morgens Wachwerdbewegungen mit Yoga, um 10 Uhr ein Warm-up für den Körper zur Bewegungsvorbereitung, dann 1,5 Stunden Kurs, um 16.30 nochmals zwei Stunden Praktika und abends ab 21 Uhr Milonga bis niemand mehr tanzt.
Spiekeroog hat ein ähnliches Konzept: Schwerpunkt Tango ohne Ablenkung, viel Ruhe und Natur, doch das ist im Vergleich die selbstversorgende XXXL-Version, denn die auch täglichen Milongas erlauben höchstens das Briefmarkentangotanzen. Und: Ivan legt bessere Musik auf.

Wieder hin? Ja, nächstes Jahr im Juli 2025 hab ich die Termine schon gebucht. Wer weiß, was sich bis dahin bewegt hat.

Mein Künstlername lautet Scarlett H Mirro. – Wie komme ich zu diesem Künstlernamen?

Vor langer langer Zeit saß ich in meinem Studentenzimmer (so um 1995) und dachte, es sei an der Zeit für einen Künstlernamen. Im Kafka-Seminar hatten wir gerade darüber gesprochen, dass eine historische Figur mit Namen Franz Kafka nicht identisch ist mit dem Schriftsteller Franz Kafka. Die private Person Kafka umfasst mehr als das, was er geschrieben hat und doch deuten wir heute viele seiner Texte hinsichtlich seiner Privatheit. Darüber hinaus allerdings war Kafka jemand, der mit den Worten, mit der Sprache rang, darüber hinaus war er jemand, der sein Schreiben reflektierte und der wie kein anderer verstand, systemische Ohnmacht auch sprachlich abzubilden. Das ist mehr als sein Problem, Sohn zu sein und als solcher vor seinen eigenen Augen versagt zu haben. Ich wollte damals vor allem mein privates Sein von meinem künstlerischen Sein trennen, denn ich dachte damals noch, dass die Welt auf meine Texte wartete und ich unbedingt berühmt werde. Mein Privatleben war meines, meine Künstlerrolle war öffentlich. Also suchte ich nach einem passenden Wort. Ich spielte mit diversen Wörtern, unter anderem fand ich das Wort „Mirror“ reizvoll. Schwer in der Aussprache, hart als deutsches Wort rückwärts gelesen „Rorrim“, aber das war es noch nicht. Mirror war mir zu platt. Die Idee von Spiegel, sich oder etwas widerspiegeln und verzerren mag ich, auch wenn ich diese Selfi-Welt und das sich vor der Kamera produzieren, wie das heute stattfindet, wirklich ablehne. Aber auch das steckt im Spiegel, die Reflexion der Oberfläche.

Die nächste Zutat war, dass ich ja einen Künstlernamen suchte, also könnte ich ja auch bei Künstlern suchen. Der Künstler Joan Miró macht abstrakte, farbenfrohe Bilder. Diese Kunst mag ich. Damit war ich schon sehr dicht an „Mirror“ dran. Da ich den Namen ja nicht kopieren wollte, hab ich einfach von Mirror das R weggelassen. Wie dicht ich mit meinem Schreiben an diese bunte, schräge, vieldeutbare Kunst heranreiche, war mir damals weniger bewusst als heute. Wenn ich an mein Erstling „Die Lehre von der Chaotologie“ denke, dann steht dieser Text einem Bild wie „Karneval des Harlekin“ (1934) von Miró in nichts nach.

Die literarische Vorlage für meinen privaten Vornamen ist Scarlett O’Hara aus dem verfilmten Roman „Vom Winde verweht“ von M. Mitchell (1936). Von Anfang an war klar, dass Scarlett Bestandteil bleiben würde, denn das ist zum einen an sich schon der kreative, lebendige und lebensbejahende Teil in mir, der mein Schreiben maßgeblich beeinflusst, zum anderen ist es die Verbindung zur Künstlerwelt. Wie lange habe ich gehadert, ob ich nur aus Eitelkeit kreativ sein wollte und es vielleicht gar nicht wirklich war. Bildete ich mir das alles nur ein? Aber auch Kreativität ist etwas, dass wir selbst durch Training formen können, ebenso wie Beweglichkeit, Witzigkeit, Spontanität (zumindest behaupte ich das hiermit). Da ich also den Namen einer literarischen Vorlage trage, dient mir mein Vorname als Schablone für mein Künstlersein. Wie unzählig oft ich gefragt werde, ob schon mein Vorname „Scarlett“ mein Künstlername sei! (Halbsatz off) Scarlett stellt damit die Verbindung zwischen Kunst und Wirklichkeit dar.

Das H in „Scarlett H Mirro“ ist zum einen der Bezug zu meinem Geburtsnamen und damit eine Hommage an meinen früh verstorbenen Vater. Ich trage den Namen Hermann mit Liebe im Herzen. Zum anderen folge ich hier dem irischen Ansatz meiner literarischen Vorlage: O’Hara. Ich bilde mir damit ein, meiner schottischen Seelenverwandtschaft in meinem Künstlernamen Raum zu geben. Auf den Zusammenschluss von H und Mirro mittels eines Apostrophs habe ich verzichtet , weil ich die Schreibform nicht kopieren wollte. Gesprochen klingt mein H Mirro ebenso wie O’Hara, ist aber kein Adelszusatz und auch kein Titel, wie in manchen Kulturen üblich.

Zum guten Schluss hat mein Name ein M als ersten Buchstaben, weil ich die Form des M geschrieben sehr mag; vor allem im Kontrast zum S, da ich ja auch Autogramme mit diesem Namen geben wollte. Es soll sich schließlich für Fans meiner Texte lohnen, sich ein Autogramm abzuholen, ein zwei persönliche Worte zu bekommen und dafür braucht es einen schön geschriebenen Künstlernamen.

Jetzt könntet ihr, liebe Freunde des geschriebenen Wortes, meinen, dass ich nach all den Jahren meinen Künstlernamen wegen besseren Wissens und wegen individuellen Wachstums ändern sollte, doch aus zwei Gründen tue ich das nicht: a) habe ich das vor vielen Jahren in meinem Studentenzimmer in Bochum entschieden, das nicht zu tun und b) habe ich erst in den letzten Jahren verstanden, wie dicht an der Wahrheit der Name ist. Profiliere ich doch immer, weil ich sage, was ich denke (bei weitem weniger, als viele vermuten würden), weil ich meinen eigenen Weg gehe (mit mehr Schmerzen, als die meisten vermuten würden), weil ich alles in Zweifel ziehe und hinterfrage (auch die Selbstzweifel sind nie weit weg), so tue ich das sicher auch mit meinen Texten: die Themen, die Ansichten, die Vielstimmigkeit, das Figurenaufgebot, etc. Das mein Erkenntnisprozess so lange brauchte, liegt vielleicht daran, dass ein Spiegel eben nur reflektiert, nur widerspiegelt und nicht selbst Erkenntnis liefert, das muss der Betrachtende allein tun. Auch wenn es so wirkt, als würde ich arrogant in meinem Schreibkämmerchen sitzen und denken, anderen den Spiegel vorzuhalten und mich darüber zu erheben, so ist darin eine schwere Bürde zu tragen, denn nur den Spiegel zu halten und dem Gegenüber den Rest zu überlassen, ist kaum auszuhalten, ohne nervös hin und her zu rutschen und sich zu wünschen, der andere möge endlich erkennen, möge verstehen, möge sehend werden.

Und bedenkt immer: Wieso sticht der Skorpion den Krebs, der ihn über das Wasser tragen soll? Er kann nicht anders.