Geneigte Leserschaft, Freunde und Freundinnen des guten Wortes,
bislang noch unbeachtet, stiefmütterlich behandelt, so muss ich diesem Feld doch meine Aufmerksamkeit widmen. Ich lerne nicht aus. Ich lerne nicht fertig. Manchmal lerne ich auch nicht, fertig. Doch ganz real widme ich mich aktuell Fragen, die ich mir in meinem Leben noch nicht gestellt hatte: Was will ich mit einem Verlag? Können wir gut mit der Druckerei zusammenarbeiten? Eine Performance für eine Lesung? Lieber auf Didaktik setzen? Wie bereite ich mich auf die Lesung vor? Nehme ich für eine Lesung Eintritt? Wer filmt die Lesung mit? Was davon kann ich in den üblichen Sozial Media Kanälen verwenden? Darf ich überhaupt eine freie Lesung veranstalten? Brauche ich dafür schon ein Gewerbe? Wie sichere ich eine Hörerschaft? Was ist eine Wohnzimmerlesung? Brauche ich eine Wohnzimmerlesung? Wie komme ich an Rezensionen, an Kommentare, an Bewertungen? Kann ich dazu nicht eine Party machen?
I. Lesung: 02. November 2024 15 Uhr – Eintritt frei Tanzatelier Widance Weidestraße 1, Recklinghausen
Bitte meldet euch an und kommt vorbei!
Eine Performativen Lesung
Eine Lesung stelle ich mir zunächst so vor, dass jemand auf einen Stuhl sitzt, an einem Tisch und dort ein Buch aufgeschlagen hat, aus dem er oder sie eben liest. Seite um Seite. Wenn er oder sie das gut macht, dann kann das spannend sein. Wenn nicht, dann ist das langweilig.
Wusstet ihr, dass die Schriftsprache dazu gemacht war, dass man sie laut liest? Also die deutsche Schriftsprache sollte nicht stumm gelesen werden. Es wurde viel Zeit und Kraft darein verwendet, die Schriftsprache so zu formen (mit Buchstaben und Regeln von Konsonanten und zusätzlichen Zeichen, etc.), dass sie vorlesend so funktioniert, wie die gesprochene Sprache. Übertrage ich das auf meine Lesung, dann sollte doch gar nichts schiefgehen!
Wie also lesen, so dass ihr nicht einschlaft oder euch langweilt?
Es wird eine Perfomance, denn ich hab den Vorteil, dass dieser erste Teil ja schon ein Geschenk aus der Zukunft ist, nämlich von den noch nicht gegründeten Lilith-Schwestern, die die letzten Männer retten wollen. In eine dieser Logenschwestern tauche ich ein, verwandle mich in sie und lese euch aus den Chroniken vor. Dabei gibt es kleine Spoiler hier und da, wie es später weiter geht, weil Mia sich nicht so richtig beherrschen kann.
Kleidung? Steht! Deko für den Tisch? noch nicht fertig Auswahl der Textstücke? Im Kopf schon irgendwie Charakter Mia? Ist klar Ort und Vorbereitung? Naja, im Kopf …
Ich freu mich auf euch. Lasst Mia nicht vor einem leeren Haus lesen und kommt vorbei. Übrigens: Männer sind ausdrücklich erwünscht und zwar nicht aus pädagogischen Zwecken, sondern weil die Welt mit ihnen viel schöner ist.
Als ich junge Mutter im Referendariat war – mit drei kleinen Kindern an und zwischen den Beinen und Armen – da dachte ich oft, es müsse einen Ort geben, wo man Luft bekommt, wo die Uhren langsamer tickten und wo das Leben entspannter sein könnte. Die drei Kinder wurden größer, die Ansprüche und Probleme mit und ich arbeitete mehr. Haushalt nebenher (wieso sollte ich eine gute Hausfrau sein wollen?), und schreiben ging gar nicht. Und überhaupt, wie schafften andere das? Noch irgendwie gut aussehen, Gäste empfangen und Freundschaften pflegen und Hobbys ausbauen? Sport und Gesundheit nicht zu vergessen … Ich managte es immer besser und gleichzeitig wuchsen die Herausforderungen.
Meine Ersttätigkeit „Lehrerin“ beschäftigt mich kognitiv und sozial und emotional so sehr, dass das mit dem Schreiben, den kreativen Tätigkeiten im Allgemeinen immer nur bis zu einem gewissen Grad im neuen Schuljahr klappte. Spätestens wenn das Feld „Gesundheit“ und „Bewegungsmangel“ drückt, wird es eng. Diese verschiedenen Felder, die ich wie im Tanzrausch besuchen muss, die lassen einen kaum zu atmen kommen.
Mein Zweitjob „Kinderpflege und -Versorgung“ hab ich stark reduzieren können, läuft langsam auch ein Nullsummenspiel hinaus. Ich glaube ja, eine gute Mutter zu sein, die ihren Kindern Entwicklungsfreiräume gab. Aber was ist schon wirklich „gut“? Und sind wir am Ende nicht alle gut? oder die Guten? Ich gebe zu, dass das Feld „Bewegungsmangel“ mehr Aufmerksamkeit verlangt, schon um einem weiteren Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Doch ehrlich, ich spür die Jahre langsam im Kreuz beim Aufstehen, muss also mehr tun. Das Problem versuch ich mit meinem Lieblingshobby „Tango“ zu erschlagen: Bewegung, Sozialkontakte, Achtsamkeitstraining, im Sommer sogar auch frische Luft. Genügt aber nicht, genügt aber nicht. Also freie Ressourcen auf Sektor „Kinder“ wurde direkt von dem Feld „Gesundheit und Bewegung“ absorbiert.
Nun gesellt sich ein Drittjob mit Platzansprüchen dazu: Verlag und Schreiben. Würde es gern zurückdrängen, sagen, dass gerade nicht so günstig ist, dass ich noch ein bisschen am Erstjob zu tun hab. Mein kleiner etwas pummelig gewordener Liebling „Kalender“ meldet sich zu Wort. Der ist ganz vollgestopft und fühlt sich übersättigt an, meint, er möchte doch auch mal abnehmen. Ich hab’s versprochen wegen Work-Life-Balance und so. Weniger voll. Und ich guck traurig „Kalender“ an und sag fast schon vorwurfsvoll, er möge sich an 2013/14 klammern, da waren wir das ganze Jahr unterwegs und hatten kaum Termindruck. Er jammert und meint, genau das sei sein Punkt, was fühlt es sich hübsch an, wenn man mal nicht weiß, was der nächste Tag bringt. Ich sag, dass wir davon auch einige 2020 hatten. Damit er nicht ganz so trostlos in der Gegend hängt, erklär ich ihm, dass ich gute Aussichten auf nächstes Jahr sehe, wenn wir diesen Erstjob loswerden und dafür einen waschechten Halbtagsjob an Land ziehen, einen, der hält, was er verspricht. „Kalender“ ist aber noch nicht fertig, zeigt mir, dass ich ja schon für nächstes Jahr Ostern, Juli, Pfingsten wenigstens Termine ausgemacht habe. Ach ja, seufze ich.
Damit kann ich mich nicht beschäftigen, weil mir Freund „Gesundheit“ – im Vertrauen, dat ist echte Hassliebe – gerade erklärt, dass wir aufgehört haben zu atmen, zu meditieren und Yoga vernachlässigen. Der ist so dicke mit „schlechtem Gewissen“, dass ich manchmal das Gefühl habe, gegen zwei Verbündete zu stehen, die wie eine Mauer keine Gnade kennen, so wie die Eltern früher. Und alles ja nur zu meinem Besten. Freund „Gesundheit“ erklärt mir außerdem, dass ich gerade einen Infekt ausbrüte. Viel Trinken – schon wegen der Haut. Und lass die Chips weg. Vitamin C brauchst du und Ruhe.
Und ich? Was ist mit mir?
Ich sitze am Rechner, dicken Kopf, Schniefnase und krieg mich nicht hochgewuchtet, um mich zu pflegen, muss noch eben: die KA 7 vorbereiten, die Telefonnummern für die Jugendherberge sowie die Telefonzeiten heraussuchen, noch die Zahnarztnummer vorbereiten, mir die Steuererklärung auf die To-Do-Liste legen, die Postkarte vorbereiten und die Lesungstermine sichten … Im Kopf hämmert gegen die Schädeldecke der Satz:
Hab ich was vergessen?
Hab ich was vergessen?
Ach ja, ich hab ein neues Hobby angefangen: Cello spielen.
Was fühlt sich Papier gut an, was wiegt das 1065 Gramm in meiner Hand schwer! Oh, wie schön ist Panama.
Das Buch lässt sich jetzt endlich bestellen. Aktuell nur über den Verlag per Mail oder persönlich über mich, weil wir noch keine Seite eingerichtet haben: bestellungen@verlag-wortfuge.de, doch es wird überall zu bekommen sein, denn es ist mit der ISBN natürlich gelistet.
Autorenwelt liefert und gönnt den Autorys dabei noch einen fairen Zugewinn von 7%. Ich kann euch also nur ans Herz legen, entweder bei mir direkt zu bestellen (über den Verlag) oder über die: Autorenwelt Shop – Fair Bücher kaufen.
Für alle Paper-Versionen (Taschenbuch oder gebundenes Buch), die ihr über mich, den Verlag oder bei Autorenwelt bestellt, kann ich eine persönliche Widmung mit ein paar geflügelten, poetischen Worten passend zur lesenden Persönlichkeit beisteuern. So erhält das Buch einen ganz individuellen Charakter. Auch bekommt ihr das Buch über Amazon, denn es ist gelistet. Selbstredend bekommt ihr es auch bei dem BUCHHÄNDLER eures Vertrauens. Da seid ihr in guten Händen ohne Port. Sonst geht das Porto noch dazu, es sei denn, ich bin der persönliche Lieferservice. Das geht bei vielen zusätzlich.
Ein paar Eckdaten:
Die gedruckten Versionen erscheinen am 18. September 2024; diese können ab jetzt per Mail vorbestellt werden. (bestellungen@verlag-wortfuge.de) Jetzt braucht es nur noch deine Entscheidung:
ISBN: 978-3-911532-02-0 (E-Book) (noch nicht erschienen, Erscheinungsdatum im Herbst) 16,50 €
A Geschichte hat’s das Büchle a:
Der Ausbruch eines für Männer tödlichen Virus sorgt dafür, dass die Infrastrukturen des gesellschaftlichen Lebens zusammenbrechen. Fast wie von einem zum anderen Moment verändern sich Gewohnheiten, Annehmlichkeiten verschwinden und gesundheitliche kleinere Krankheiten wie eine Blinddarmentzündung werden zu einer neuen Bedrohung des Lebens. Neben all diesen vielen neuen Herausforderungen müssen die Toten beweint und die Trauer bewältigt werden. Viele sterben und ein Impfstoff ist nicht in Sicht. In einem weltweit vernetzten Chat diskutieren Ärzte und Ärztinnen fieberhaft und suchen gemeinsam nach einem Impfstoff, doch die Gruppe wird immer kleiner.
Als die Gynäkologin Anna ihren Mann pflegt und dieser die tödliche Krankheit als einer von Wenigen überlebt, beteiligt sie sich an der Suche, denn sie glaubt, dass die Lösung nah liegt. Zu diesem Zweck schafft sie Laborbedingungen in einem Bergwerkstollen und überzeugt 28 Überlebende, dieses Projekt zu unterstützen. Sie verspricht ihnen Lebensmittel und ein Heilmittel gegen die durch die Krankheit bedingte Unfruchtbarkeit. Die Männer verbringen die Zeit hauptsächlich mit Warten und Untersuchungen im Stollen. Unterdessen verändert sich das soziale Miteinander der Frauen an der Oberfläche sehr schnell dahingehend, dass die Krankheit als ein Gottesurteil und damit der Mann als Fehler der Schöpfung betrachtet wird. Männer werden angegriffen, erleben Gewalt oder sterben weiter unaufhaltsam an der Krankheit. Eine feministisch-faschistische Partei übernimmt die Regierung, ruft den ersten Frauenstaat aus und löscht nach und nach alles aus, was an den Mann erinnert. Für die Überlebenden wird es zunehmend gefährlicher an der Oberfläche, doch das Miteinander im Stollen ist täglich mit neuen Herausforderungen verbunden, bis es schließlich zur Katastrophe kommt und die Männer entscheiden müssen, wie es für sie weitergeht.
Und wenn wir schon so nett miteinander plaudern: Ich halte euch auf dem Laufenden, wann ich aus dem guten Stück lesen werde und wo diese Lesungen stattfinden. Hier erfahrt ihr es als erstes! 🙂
heute muss ich bekennen, meine Lust an Abenteuer und meine Freude an Verrücktheiten sind Geburten meiner fantastischen Gedankenwelt. Zu real sollte es nicht werden.
Ihr wisst, ich bereite meine Veröffentlichung vor, anvisierter Zeitraum ist vor Ende der Sommerferien. Für manche ist das noch lang, für andere knapp. Für mich ist das aktuell sogar knapper, denn wie gründet man in dieser kurzen Zeit einen Verlag und bringt in diesem sein erstes Buch unter? Doch lasst mich über diese Entwicklungen langsam Bericht erstatten.
Das Buch – und hier ist Buch der angemessene Ausdruck, weil es ja die gedruckte Version betrifft (falls ein Schüly heimlich mitliest und sich beschweren will, warum ich nicht vom Roman spreche) – ist jetzt endlich gesetzt. Jede einzelne Silbentrennung bin ich durchgegangen, was bei finalen 616 Seiten wirklich lange dauert. Zwischenspeicherungen und Seitenumbrüche. Und wie sieht das Textende auf den Seiten aus? Wo sind die Kapitelumbrüche? Wie sehen die Seiten überhaupt aus? Die Schrift zu klein? Der Abstand zu eng? Leute, wir haben uns drei Arbeitstage damit befasst, bis das gut war. Allein für die Silbentrennung habe ich von meinem ersten Kaffee am Samstag um 11 Uhr bis nachts um 1 Uhr dran gesessen, erlaubt hab ich mir Essenspausen. (Falls jemand fragt, wieso ich nicht beim Tangotanztee war.) Man könnte also schon glauben, dass mein Freund lieber alles andere gemacht hätte, als dann auch noch die Frage zu stellen, ob ich mir wirklich sicher bin, dass ich das als Selfpublisher bei einem Dienstleister veröffentlichen will.
Da hab ich mich vor Monaten dazu durchgerungen, die Hoffnung auf einen Verlag erstmal beiseite zu schieben, habe mir lang und breit erklärt, dass ich genug schlecht verlegte ausländische Bücher gelesen hätte, um zu wissen, dass nicht immer gute Literatur entdeckt wird, hab mir überlegt, als Selfpublisher zu veröffentlichen, sprich die Vermarktung selbst zu machen, habe mich für einen Anbieter entschieden, der recht seriös erscheint und dann… Dann rechnet mein Freund einfach nur ein paar Zahlen aus und ich schwimme in meinen Tränen.
Kurze Erklärung: Selfpublisher werden jene Autorys genannt, die keinen Verlag im Hintergrund haben, aber einen Dienstleistungsunternehmen (Tredition, BoD, epubli, etc.) nutzen, die das Buch setzt, ein Cover macht, bei Auftrag druckt, eine ISBN bereitstellt, etc. Dieser Dienstleister übernimmt in Form eines Bausatzsystems das, was der Verlag machen würde – scheinbar. Da dem Verlag jedoch wirtschaftlich daran gelegen ist, das Buch zu einem Erfolg werden zu lassen, ist das dem Dienstleister eigentlich egal, denn er hat weder Kosten, noch Arbeit, wenn nichts passiert. Das hat zwei Konsequenzen: 1. lässt sich der Dienstleister seinen Service natürlich bezahlen (Cover, Buchsatz, etc.), 2. prüfen sie nicht die Qualität des Buches in Form und Gestalt, ohne sich das bezahlen zu lassen, auch dann ist es von der Güte und Qualität eines Schnellstichs. Das heißt, dass ich mich in all die Bereich selbst einarbeiten muss, wenn ich – als Autory – will, dass es gut wird, schon um zu überprüfen, ob es gut ist. Dienstleister stellen die Plattform bereit und dafür bekommen sie letztlich richtig viel Geld, mehr als ein Verlag. Dabei ist der Text nicht korrigiert, nicht lektoriert, nicht ordentlich gesetzt, nicht auf Umbrüche geachtet, etc. Meist erkennt man am Cover (zumindest bei den ersten Publikationen), dass auch das Marke Eigenbau ist. An meinen Cover war ein Profi dran – und das hat auch was gekostet, Stück weit auch Lehrgeld.
Mein Freund fragte, wie ich die Marktchancen für mein Buch einschätze, wie viele ich denke, dass ich im ungünstigsten Fall verkaufen würde und rechnete mir mein Verlustrisiko aus. Dann rechnete er gegen, was Tredition an mir verdient, wenn ich zumindest die von mir erwartete Menge absetze und was ich davon bekomme. Tja, dann hab ich erstmal geheult, weil ich erstens dachte, dass ich so nie veröffentlichen kann, wenn immer jemand sagt, wie falsch mein Weg ist. Geheult hab ich auch, weil ich meine Deadline nicht einhalten kann, weil ich vielleicht zu viel auf Silbentrennungen gestarrt habe und weil ich dachte, ich müsste nicht im offenen Meer schwimmen lernen. Tropfnass saß ich da nun und fragte nach Lösungen. Der Mann antwortete bescheiden: „mach es doch selbst! Du machst eh alles andere schon. Jetzt kommt noch dazu, eine ISBN zu beantragen, die Druckerei selbst auszusuchen und dich in die VLB-Liste eintragen zu lassen. Fertig.“
So einfach soll das sein?
So einfach scheint es zu sein, allerdings kam dann die Frage auf, wie sonst, wenn nicht als Selfpublisher? Alle machten es so. Verlag oder Selfpublisher-Dienstleister. Außerdem sollte ich mal planen, wie die nächsten Schritte und Finanzierungseckdaten aussehen, also am besten gleich einen Businessplan erstellen. Ich plane doch eh eine ganze Buchserie, also böte sich als Geschäftsform ein Verlag an. Nun, dann müsste ich noch ein Gewerbe dazu anmelden und fertig.
Und ehe wir uns versahen, erstellte ich einen Businessplan für einen Verlag mit einem ganz anderen Konzept. Der Verlag trägt den wirklich schönen Namen „Verlag Wortfuge“. Ich weiß nicht, ob ihr, meine liebe Leserschaft, wusstet, dass ich Fugen super finde. Sowohl als Spalte, Lücke – also als architektonische Form -, als auch die musikalische Fuge. Aus meiner Sicht gibt es die übrigens auch im Film: „Täglich grüßt das Murmeltier“ ist eine filmische Fuge. Außerdem ist mittels diesem Fachausdruck geklärt, dass bestimmte Buchstaben über die Wortfuge hinaus keine Ligatur bilden können, weil damit der Wortsinn entstellt wird. Für alle, die auch nicht Wissen, was eine Ligatur ist: um Platz zu sparen beim Druck, wurden manche Buchstaben zu einem Druckbuchstaben zusammengezogen, als man noch den Druck in form von Bleibuchstaben in einem Rahmen setzte. Auch heute wird das noch gemacht. Im Deutschen kommt das häufig bei Wörtern zu Stande, die mit dem „f“ Kontakt habe, oder mit dem „t“. Den Artikel von Wiki hab ich euch oben verlinkt. Das ist sehr spannend. Was aber ist die Wortfuge genau?
"Im Deutschen werden Ligaturen nur gesetzt, wenn die zu verbindenden Buchstaben im gleichen Morphem liegen, beispielsweise im Wortstamm. Ligaturen werden in der Regel nicht gesetzt, wenn die Buchstaben über eine grammatikalische Fuge (z. B. eine Wortfuge) reichen. „Kaufläche“ (Kau-fläche) wird daher mit fl-Ligatur geschrieben; „Kaufleute“ hingegen nicht, weil die Buchstaben f und l verschiedenen Wortteilen (Kauf-leute) angehören."
Schöner kann man es kaum beschreiben. Aus genau dem Grund hab ich mich mit der Silbentrennung so lang beschäftigt, weil das Programm oft nicht weiß, wie die Morpheme zusammengesetzt sind. Morpheme sind die kleinsten sinntragenden Spracheinheiten, Silben eben. Unter anderem fand das Programm, dass man „To-timpfstoff“ so trennt. Ja, wir müssen ein paar mal hinsehen, bis wir verstehen, was das heißen soll, doch „Tot-impfstoff“ ist sofort klar. Und dieses schöne Wort „Wortfuge“, was den Spalt zwischen dem einen Wortteil und dem anderen meint, wovon jeder Teil auch für sich stehen könnte und nur zusammen bilden sie ein neues Wort, eben wie das Wort selbst, dieses Wort ist noch von keinem anderen Verlag verwendet worden.
Und so heißt dann nun unser Verlag. Unser, weil wir es zusammen machen. Ich muss nicht allein schwimmen lernen, ich habe einen Partner an meiner Seite. Wie schön ist das.
Tango bedeutet: es gibt einen Führenden und einen Folgenden – geschlechtlich in allen Kombinationen denkbar, denn nach dem Mythos seiner Entstehung lernten Männer von Männern in Hinterhöfen die Tangoschritte, während Frauen es Frauen beibrachten, wie man so richtig auf die Schritte reagierte. Der oder die Führende bietet dabei den nächsten Schritt an, der oder die Folgende folgt der Einladung, so, wie er sie eben versteht! Es gibt Regeln, damit die oder der Folgende versteht, was der oder die Führende anbietet. Ein Dialog wird es, wenn eine Person auf die andere reagiert, wenn beide dafür sorgen, dass es sich gut anfühlt.
Wichtig dafür sind folgende Regeln. Bitte beachten Sie:
Lektion 1: es gibt keine falschen Schritte, es gibt nur welche, die vielleicht nicht intendiert waren.
Lektion 2: die Musik gibt den Rhythmus vor, das vertanzen erfolgt durch das Paar.
Lektion 3: Die geführte Person macht mit: sie geht selbst, dreht selbst. Und die führende Person schubst, schiebt oder drückt nicht.
Das Führen beinhaltet die anstrengende Dimension von Planung und Verwirklichung im Raum. Wenn noch ganz viele andere dasselbe mehr oder weniger berechenbar tun, lässt sich das Gestalten des Dialogs schwerer realisieren. Gestalten kann ich es allerdings nur, wenn es mir „erlaubt“ wird, wenn ich dafür nicht bestraft werde. Natürlich merke ich, wenn es mein Gegenüber aus dem Konzept bringt. Doch wie geht er damit um? Von Schweißausbruch bis Unterbrechung des Tanzes ist alles möglich, wie ich festgestellt habe. Spielereien, gewagte Verzierungen, Unterbrechungen der Schrittfolge und Übernahme der Führung bringe ich in unseren Dialog erst ein, wenn ich einmal oder ein paar Mal mit demselben getanzt habe.
Führen – auf zwei Arten
Zwei Arten von Tangueros bevölkern die Tanzfläche, dazwischen gibt es weiche und harte Konturen, selbstredend. Schon lange gehe ich davon aus, dass die Art, wie wir tanzen, oder präziser, wie wir uns tänzerisch ausdrücken, viel über uns selbst aussagt. Paare und einzelne Menschen könnte man über das Tangotanzen therapieren, vielleicht sogar heilen! Natürlich erfahre ich einiges über den Herren mit dem offenen oder geschlossenen Knopfloch, schließlich starre ich auf seine halb unter dem Hemd verschwundene Kette oder jenen Anhänger, starre auf seine kleinen grauen Haare auf der Brust, die sich mühselig am Hemd vorbei hervorschieben, oder auf kleine Dinosaurier auf dem Hemd, um ordentlich bei ihm zu bleiben, vor ihm zu bleiben, mit ihm zu sein. Es gibt Tänzer, die haben eine Führung wie ein Stakkato, ruckartig und zackig, kraftvoll, schwungvoll und manchmal auch unbarmherzig. Hier ist Führung haben ganz wichtig. Zack, hängst du an der Brust des Fremden und er führt. Es gibt aber auch die weiche, zarte Führung, die kaum zu bemerken ist, wo ich mich frage, was ich machen soll. Das Ideal ist die Führung, die ganz weich bleibt und doch fühlt man sich so sicher wie auf einem Schiff auf offener See. Der Herr macht fast unsichtbare Bewegungen, aber eindeutige, die genau interpretierbar sind. Leicht wie eine Feder, jede Bewegung ist kontrolliert. Wenn man eng mit diesem Herren tanzt, dann ist es die eigene Entscheidung und fügt sich dynamisch als Angebot in den Tanz ein. Und dann gibt es die Führung, bei der man weiß, dass man sich auf offener See befindet, vermutlich ist da der Herr der Rettungsring …
Meine schönsten Tango-Momente in diesem Jahr in Krummendeich
1. Ein Tanz mit meinem Angstgegner, den ich nicht nur souverän meisterte, sondern dem ich viel Freude und experimentellen Spaß abgewinnen konnte. Bis zu dem Moment, als ich sagen durfte: „Das hab ich gar nicht geführt!“ 2. Mehrere sehr experimentelle Tänze, die nicht nur uns beiden Spaß gemacht haben, sondern auch ohne Achsbruch oder Achsverlust (für die nicht-tangoaffinen Lesenden) verliefen. 3. Das Kompliment eines Tänzers nach der Woche, dass er nicht nur genossen hat, mit mir zu tanzen (wie ich im übrigen auch mit ihm), sondern dass er etwas mitnimmt insbesondere aus den Tänzen mit mir, nämlich die Experimentierfreude. Außerdem hat er erklärt, dass ihm besonders gefällt, dass ich so dabei bin beim Tanz, dass ich ihn vor Karambolage mit anderen Paaren bewahrte, dass ich gezielt und dezent die Führung übernahm und ihn das nicht störte. 4. Mit vielen wirklich guten Tänzern sehr häufig getanzt zu haben. Ich tanze auch mit Tanguero Nr. 1, den es verrückt macht, wenn ich Zwischenschritte setze, wenn ich verziere und er es mitbekommt, wenn ich die Barridas nutze, um Taktspielchen zu machen, etc. und beherrsche mich dann. Freude, Tangospaß und Lust am Tanzen macht mit Tanguero Nr. 2: Raum für Spielereien, Geduld und Mitspiel, Grenzen ausloten im Rahmen der Regeln und schauen, was sich gut anfühlt. Davon gab es diesmal richtig viele, acht würde ich meinen.
Resümee zu Krummendeich 2024
Im Tanzkurs übt man das Ideal, auf der Tanzfläche bei einer Milonga ist alles möglich. Es ist ein Dialog. Wieso sollte ein Dialog etwas sein, wobei der eine immer nur eine Frage stellt, und der andere nur mit vorgegebenen Antworten reagiert? Tango, dass ist ein improvisierter Tanz nach Regeln der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Vor einem Jahr tanzte ich mit R. zum ersten Mal in Krummendeich bei Isabella und Ivan. Anfänger hörte ich. Ich ahnte Schlimmes, doch mein Tanzpartner hatte die Lust am Tango entdeckt wie ein staunendes Kind. Er probierte aus und schaute, was passierte, wenn man den Schritt so oder so machte. Und ich probierte mit. Ich schaute, was ich alles machen kann, ohne das Folgen ganz zu lassen. Es war eine Befreiung, die sich über ein Jahr hinzog. Auf Spiekeroog tanzten wir zum Jahresbeginn erneut zusammen. Mein neuer Erkenntnisgewinn: ich muss nicht nach der Führungsabsicht suchen und im Trüben herumstochern, es genügt, wenn ich tanze, was ich verstehe. Klingt ganz leicht, ist aber mental mehr Arbeit, als der Herr vielleicht denkt. Zurück in diesem Jahr Krummendeich stellte ich fest – solange ich nicht darüber nachdachte und meinen Kopf verbog, was jetzt wieder mein Problem sei – dass mir viel egaler als sonst war, ob der Führende sich vollends verstanden sah, solange wir nur beide unseren Spaß hatten.
Was ist denn nun Krummendeich und Spiekeroog (vermutlich auch Proitzer Mühle)?
Krummendeich ist ein sehr familiäres Tangoerleben, mit wenig Ablenkung konzentriert auf den Tangofortschritt. Täglich tanzen wir ca. 6 Stunden Tango, mit einem Ruhetag dazwischen. Leckeres Essen (vegetarisch und urgesund) gibt es zwischendurch. Alles vor Ort mit einem schönen Tanzraum und toller Akustik. Diesmal waren wir ca. 40 Personen, die sich nach den sechs Tagen richtig gut kennengelernt haben. Sport und Körper stehen im Fokus: morgens Wachwerdbewegungen mit Yoga, um 10 Uhr ein Warm-up für den Körper zur Bewegungsvorbereitung, dann 1,5 Stunden Kurs, um 16.30 nochmals zwei Stunden Praktika und abends ab 21 Uhr Milonga bis niemand mehr tanzt. Spiekeroog hat ein ähnliches Konzept: Schwerpunkt Tango ohne Ablenkung, viel Ruhe und Natur, doch das ist im Vergleich die selbstversorgende XXXL-Version, denn die auch täglichen Milongas erlauben höchstens das Briefmarkentangotanzen. Und: Ivan legt bessere Musik auf.
Wieder hin? Ja, nächstes Jahr im Juli 2025 hab ich die Termine schon gebucht. Wer weiß, was sich bis dahin bewegt hat.
Vor langer langer Zeit saß ich in meinem Studentenzimmer (so um 1995) und dachte, es sei an der Zeit für einen Künstlernamen. Im Kafka-Seminar hatten wir gerade darüber gesprochen, dass eine historische Figur mit Namen Franz Kafka nicht identisch ist mit dem Schriftsteller Franz Kafka. Die private Person Kafka umfasst mehr als das, was er geschrieben hat und doch deuten wir heute viele seiner Texte hinsichtlich seiner Privatheit. Darüber hinaus allerdings war Kafka jemand, der mit den Worten, mit der Sprache rang, darüber hinaus war er jemand, der sein Schreiben reflektierte und der wie kein anderer verstand, systemische Ohnmacht auch sprachlich abzubilden. Das ist mehr als sein Problem, Sohn zu sein und als solcher vor seinen eigenen Augen versagt zu haben. Ich wollte damals vor allem mein privates Sein von meinem künstlerischen Sein trennen, denn ich dachte damals noch, dass die Welt auf meine Texte wartete und ich unbedingt berühmt werde. Mein Privatleben war meines, meine Künstlerrolle war öffentlich. Also suchte ich nach einem passenden Wort. Ich spielte mit diversen Wörtern, unter anderem fand ich das Wort „Mirror“ reizvoll. Schwer in der Aussprache, hart als deutsches Wort rückwärts gelesen „Rorrim“, aber das war es noch nicht. Mirror war mir zu platt. Die Idee von Spiegel, sich oder etwas widerspiegeln und verzerren mag ich, auch wenn ich diese Selfi-Welt und das sich vor der Kamera produzieren, wie das heute stattfindet, wirklich ablehne. Aber auch das steckt im Spiegel, die Reflexion der Oberfläche.
Die nächste Zutat war, dass ich ja einen Künstlernamen suchte, also könnte ich ja auch bei Künstlern suchen. Der Künstler Joan Miró macht abstrakte, farbenfrohe Bilder. Diese Kunst mag ich. Damit war ich schon sehr dicht an „Mirror“ dran. Da ich den Namen ja nicht kopieren wollte, hab ich einfach von Mirror das R weggelassen. Wie dicht ich mit meinem Schreiben an diese bunte, schräge, vieldeutbare Kunst heranreiche, war mir damals weniger bewusst als heute. Wenn ich an mein Erstling „Die Lehre von der Chaotologie“ denke, dann steht dieser Text einem Bild wie „Karneval des Harlekin“ (1934) von Miró in nichts nach.
Die literarische Vorlage für meinen privaten Vornamen ist Scarlett O’Hara aus dem verfilmten Roman „Vom Winde verweht“ von M. Mitchell (1936). Von Anfang an war klar, dass Scarlett Bestandteil bleiben würde, denn das ist zum einen an sich schon der kreative, lebendige und lebensbejahende Teil in mir, der mein Schreiben maßgeblich beeinflusst, zum anderen ist es die Verbindung zur Künstlerwelt. Wie lange habe ich gehadert, ob ich nur aus Eitelkeit kreativ sein wollte und es vielleicht gar nicht wirklich war. Bildete ich mir das alles nur ein? Aber auch Kreativität ist etwas, dass wir selbst durch Training formen können, ebenso wie Beweglichkeit, Witzigkeit, Spontanität (zumindest behaupte ich das hiermit). Da ich also den Namen einer literarischen Vorlage trage, dient mir mein Vorname als Schablone für mein Künstlersein. Wie unzählig oft ich gefragt werde, ob schon mein Vorname „Scarlett“ mein Künstlername sei! (Halbsatz off) Scarlett stellt damit die Verbindung zwischen Kunst und Wirklichkeit dar.
Das H in „Scarlett H Mirro“ ist zum einen der Bezug zu meinem Geburtsnamen und damit eine Hommage an meinen früh verstorbenen Vater. Ich trage den Namen Hermann mit Liebe im Herzen. Zum anderen folge ich hier dem irischen Ansatz meiner literarischen Vorlage: O’Hara. Ich bilde mir damit ein, meiner schottischen Seelenverwandtschaft in meinem Künstlernamen Raum zu geben. Auf den Zusammenschluss von H und Mirro mittels eines Apostrophs habe ich verzichtet , weil ich die Schreibform nicht kopieren wollte. Gesprochen klingt mein H Mirro ebenso wie O’Hara, ist aber kein Adelszusatz und auch kein Titel, wie in manchen Kulturen üblich.
Zum guten Schluss hat mein Name ein M als ersten Buchstaben, weil ich die Form des M geschrieben sehr mag; vor allem im Kontrast zum S, da ich ja auch Autogramme mit diesem Namen geben wollte. Es soll sich schließlich für Fans meiner Texte lohnen, sich ein Autogramm abzuholen, ein zwei persönliche Worte zu bekommen und dafür braucht es einen schön geschriebenen Künstlernamen.
Jetzt könntet ihr, liebe Freunde des geschriebenen Wortes, meinen, dass ich nach all den Jahren meinen Künstlernamen wegen besseren Wissens und wegen individuellen Wachstums ändern sollte, doch aus zwei Gründen tue ich das nicht: a) habe ich das vor vielen Jahren in meinem Studentenzimmer in Bochum entschieden, das nicht zu tun und b) habe ich erst in den letzten Jahren verstanden, wie dicht an der Wahrheit der Name ist. Profiliere ich doch immer, weil ich sage, was ich denke (bei weitem weniger, als viele vermuten würden), weil ich meinen eigenen Weg gehe (mit mehr Schmerzen, als die meisten vermuten würden), weil ich alles in Zweifel ziehe und hinterfrage (auch die Selbstzweifel sind nie weit weg), so tue ich das sicher auch mit meinen Texten: die Themen, die Ansichten, die Vielstimmigkeit, das Figurenaufgebot, etc. Das mein Erkenntnisprozess so lange brauchte, liegt vielleicht daran, dass ein Spiegel eben nur reflektiert, nur widerspiegelt und nicht selbst Erkenntnis liefert, das muss der Betrachtende allein tun. Auch wenn es so wirkt, als würde ich arrogant in meinem Schreibkämmerchen sitzen und denken, anderen den Spiegel vorzuhalten und mich darüber zu erheben, so ist darin eine schwere Bürde zu tragen, denn nur den Spiegel zu halten und dem Gegenüber den Rest zu überlassen, ist kaum auszuhalten, ohne nervös hin und her zu rutschen und sich zu wünschen, der andere möge endlich erkennen, möge verstehen, möge sehend werden.
Und bedenkt immer: Wieso sticht der Skorpion den Krebs, der ihn über das Wasser tragen soll? Er kann nicht anders.
Letzte Unterrichtsstunde vor den Ferien. Vertretungsunterricht. Die Schülerschaft hat sich einen Film überlegt, den sie sehen wollen. „Nur eine Frau“ (2019). Der andere Lehrer hat grob geschaut, wovon der Film handelt: Tötung einer Frau als Ehrenmord auf deutschen Boden nach einer wahren Geschichte. Der Junge, der den Film vorgeschlagen hat, selbst ein türkisch-stämmiger Junge, kannte die Geschichte. Ich schau mich in der mir unbekannten Lerngruppe um. Ein Mädchen trägt Kopftuch wie die Hauptdarstellerin des Films, genau sie wirkt eher abwesend, beschäftigt sich mit dem I-Pad, dem Handy und ihrer linken Sitznachbarin.
Der Film eignet sich hervorragend, um die Problematik von Tradition und Religion, von Frauenunterdrückung und Rollenproblematiken zu thematisieren, sie zu diskutieren, wenn man sie denn erkennt. Aber worum geht es eigentlich?
Eine junge Türkin wird nach den Regeln ihrer Wurzeln durch den Vater in Istanbul mit 18 Jahren (vermutlich) zwangsverheiratet. Schwanger und vielfach geschlagen kommt sie nach Deutschland zu ihrer zehn-köpfigen Familie (acht Geschwister bei fünf Brüdern und drei Schwestern) zurück und bringt damit die erste Schande über die Familie. Das lassen ihre Geschwister und ihre Eltern sie spüren. Sie ist nicht willkommen, sie hat keinen Platz in der ohnedies engen Wohnsituation und wird schließlich in die Putzkammer verwiesen. Sie sucht sich bei den Ämtern Hilfe, denn die Belastung wird für sie immer größer. Sie will ausziehen. Zweite Schande, die sie über die Familie bringt, denn allein Frauen bringen über die Familie Schande. Nach und nach bricht sie sämtliche Regeln, legt das Kopftuch ab, hat einen Freund, geht einem Beruf nach und kümmert sich um ihren Sohn, aber sie lässt nicht ab von ihrer Familie. Sie will unbedingt ein Teil von der Familie bleiben. Der älteste Bruder rät ihr mehrfach, sich mit ihren Sohn ganz fortzubegeben. Doch sie bleibt, glaubt, dass die Familie ihr verzeihen wird, bis zur Katastrophe.
Der Film zeigt noch 30 verbleibende Minuten an, als die zweite Lehrkraft den Film anhält, zehn Minuten vor dem Pausenschellen.
„Was habt ihr denn verstanden? Worum geht es?“ Standardfrage.
Erster Schock, die häusliche Gewalt als Grund für ihre Rückkehr wird als wenig schlimm angesehen. Sie sei halt wieder da.
Ich hake nach: Wieso wollte die junge Frau Aynur ausziehen?“
Ihren Wunsch, auszuziehen, versteht das Mädchen mit dem Kopftuch als Rücksicht gegenüber der Familie. Das Baby sei eben zu laut. (Schock zwei).
„Wollte sie nicht wegen des Bruders weg?“
Ja wohl auch, was der Bruder gemacht habe, sei nicht so schön, aber der musste deswegen ja die Wohnung (vorübergehend) verlassen, aber sie ist eine Hure.
Zur Erklärung: Der Bruder Sinan belästigt im Film seine Schwester nachts sexuell, nachdem sie aus dem Mädchenzimmer in die Putzkammer gezogen ist, während ihr Baby neben ihr liegt und beide schlafen. Sie stellt ihn am Tag darauf zur Rede. Er würgt sie und streitet es ab, stellt sie als Lügnerin dar, weil sie ausziehen will. Der Vater schickt ihn raus, die Mutter macht ihrer Tochter Vorwürfe. Die junge Frau hat bis zu diesem Moment lediglich ihren Ehemann verlassen, brav und gehorsam alles getan, was ihre Eltern und Brüder von ihr verlangt haben.
„Was ist mit der Not von Aynur? Sie wird belästigt, als Putzkraft ausgebeutet, darf nichts und wird in der eigenen Familie wie ein Mensch ohne Rechte behandelt.“ Nichts. Schulterzucken. Unverständnis.
Meine wichtigste Frage richte ich an den türkisch-stämmigen Jungen von 14 Jahren, der uns diesen Film „beschert“ hat: „Findest du das Mädchen mutig oder glaubst du, sie hat bekommen, was sie verdient?“
Der Junge stottert und sagt, dass sie nicht unbedingt hätte sterben müssen, da ging der Bruder zu weit, aber sie sei eine Hure und habe ihren Glauben verloren und die Eltern beleidigt.
Dann will ich wissen, was sie zur Hure macht.
Ganz klar, die vielen verschiedenen Männer.
„Welche? Bitte benenne die Männer, mit denen sie schläft.“
Also der Mann in dem Geschäft (der mit ihr geflirtet hatte, mehr nicht), Tim, der sich zurückzog, nachdem die Brüder ihm Angst gemacht hatten; der Mann bei Cans Geburtstag. Weitere Männer treten nicht in Erscheinung, bis wir den Film stoppten. Für die Schülerinnen und Schüler waren das einhellig „viele verschiedene“.
Zur Hure mache sie aber auch, dass sie tanzen ging, dass sie sich nicht mehr den Kopf bedecke und dass sie rauche und (vermutlich) Alkohol tränke, also sich auch vom Glauben abwandte.
Wenn sie ein Mann wäre, hätte sie das alles gedurft?
Eine Schülerin fragt uns (als Lehrkräfte), ob wir „auch nur“ denken, dass der Islam frauenfeindlich sei. Sei er aber nicht und dann hören wir den Satz, denn ich schon so oft von Schülern und Schülerinnen gehört habe: Das Paradies liegt zu den Füßen der Mutter. Bevor die Frage beantwortet wurde, ob Männer dann auch zu einer Hure werden, wenn sie rauchen, trinken und tanzen gehen, klingelte es leider.
Der Lehrerkollege (in Ausbildung) erkennt, dass dies kein Film war, den man hintergrundlos am Ende des Schuljahres zeigen kann, dass es hier Handlungs- beziehungsweise Erklärungsbedarf braucht.
Der Anfang der Geschichte fällt mir ein, denn die junge Frau, die für ihren Mut und ihren Wunsch nach gleichberechtigtem Leben den Tod erfährt, erklärt dem Publikum zunächst, dass wir weder Kultur noch Sprache verstehen – wir Deutschen oder wie Westlichen oder wir Christen. Das Problem der Sprache könne sie lösen und ab da sprechen die Protagonisten und Protagonistinnen deutsch. Das Problem der Kultur bleibt genauso ungeklärt wie dieser Teil ungesagt bleibt. Wir stehen vor diesen mittelalterlichen Denkweisen und sind sprachlos. In unserer maßlos zu nennenden Arroganz glauben wir, dass sie (die anderen) sich schon uns anpassen werden, weil es ja unsere Gesetze sind. Wir glauben, dass sie schon verstehen werden, doch in Wahrheit ist alles so komplex und wie ein verheerendes Durcheinander, was sich vielleicht erst in vielen Jahren nach all diesen Ereignissen aufdröseln lässt – „großes Vielleicht“.
Da ist die Kultur zu nennen: hier ein Stückchen davon, nämlich die Lüge von der geehrten Frau, denn sie wird nur geehrt, wenn sie sich wie eine Heilige verhält. (Historiengewandte wissen, dass unsere eigenen Vorstellung von der Hure und der Heiligen noch in unserem Blut kriecht, denn das Christentum hatte sehr absonderliche Vorstellungen in unsere Kultur gepflanzt, die noch bis heute wirken: Jack Holland: Misogynie. Die Geschichte des Frauenhasses, 2007.1) Das sichert dem Mann maximale Freiheit und mindestens eine ihn umsorgende Ehefrau unter dem Deckmantel, dass er für die Familie sorgen muss, so ganz allein.
Dann ist da die Subgemeinschaft also der türkisch-stämmigen Gemeinde, in der alle den anderen beäugen, dass ja niemand aus der Reihe tanzt und sich alle an die Traditionen, an die Beichtregeln, an die Gepflogenheiten halten.
Dann der menschlich soziale Aspekt: Wer kann grausamer sein als die eigenen Geschwister? Dieser mitleidlose Aspekt wird hier durch die hohe Zahl natürlich verstärkt. Durch die Sippenhaft innerhalb der Gemeinde kommen jedoch häufig auch noch weiter entfernte Verwandte wie Cousins dazu – so ist das zum Beispiel bei uns an der Schule
Dazu dann der gefährliche Funke: Pubertät (bis 25 Jahre!) meets Testosteron. Die Zeit also, in der junge Männer am anfälligsten sind für Sekten, Radikalisierung, Gewalt, Glaubenssätze, Feindbilder. Gerade das ist sehr glaubwürdig, denn sie hat nicht nur einen Bruder, nicht nur zwei, sondern gleich vier. Dass sie sich auch gegenseitig beweisen müssen, wie taff, wie gläubig und wie stark sie sind, sieht man vor allem in dieser Hochzeitsszene am Anfang, in der nicht ein einziger danach fragt, ob die Schwester diese Ehe will oder wie es ihr damit geht. Sie muss – fertig. Und sie selbst haben ein cooles Fest.
Und wir Lehrys und Politiys träumen davon, dass unser Schulsystem das auffängt? Wir träumen tatsächlich in diesem Dornröschenschlaf, dass es genügt, wenn wir „Stopp“ sagen?
Ich habe bis heute gedacht, dass das Hauptproblem darin bestünde, dass diese Subkultur der Muslime eben wie eine Parallelwelt funktioniere, die zu unserem Wissen keine Verschränkung herstellt. Die veralteten und längst überholten Unterrichtsinhalte unserer Schulen, die durch unsere bemühten Bildungsretter immer wieder mundgerecht zerstückelt werden, bei denen unsere Schülerschaft eher geneigt ist, in Würde den Tischschlaf zu zelebrieren, werden so stark abgelehnt, dass die Parallelwelt davon unberührt bliebe. Der Bildungsretter zu oft in einem lächerlichen Kleid wird so nicht ernsthaft als Held wahrgenommen. Oft ist die Herleitung zu der Realität innerhalb der Parallelwelt viel zu weit hergeholt, von der Bildungselite zu abstrakt gedacht, so dass die Übertragung auf die täglich erlebte Wirklichkeit durch zum Beispiel eine Lektüre von Heinrich von Kleists „Marquise von O.“ nicht vollzogen wird. Doch heute war ich Zeuge, dass unsere Bildungsinhalte wie dieser Film zwar bekannt sind, diese aber ohne Wirkung bleiben, weil sie von der Parallelwelt assimiliert werden. Die Bildungsinhalte werden vollständig anders gelesen bzw. interpretiert und für die eigenen Zwecke „missbraucht“. Der Junge hat zwar gesehen, dass Mord nicht so toll sei (zumal der Imam ja auch betont hatte, dass man in DEUTSCHLAND nun seine Schwester nicht als Ehrenmord steinigen dürfe, in anderen Ländern sieht das anders aus.), aber seine Ansicht nach ist der Film ein Lehrfilm für die muslimischen Mädchen, nicht zu einer „Gefallenen“ zu werden.
Ich habe mich an den Gedanken geklammert, dass die Bildung unser Held in enger Kleidung sei, Bildung erreiche jeden Menschen, so dass sie insgesamt toleranter und freundlicher miteinander umgehen. Natürlich weiß ich, dass kognitives Verstehen noch kein verändertes Handeln nach sich ziehen muss, doch es kann. Dieses „kann“ war es, woran ich meine Hoffnung geklammert habe. Im Wissen, dass unser Schulsystem ungeeignet ist, diesen Job auszuführen, stirbt die Hoffnung dennoch zuletzt. Aber was ist, wenn sie stirbt?
Unsere Geschichten zu diesem ehrhaften Verhalten bestaunen wir unverblümt. Die Literatur ist voll von den Damen, die in eine Gesellschaft eingeführt werden und dumm wie Schafe sind. Denken wir allein an „Frühlingserwachen“, wo das arme Kind glaubt, vom Küssen gibt’s Babys. Und mit welcher Hingabe sehen wir heute die Serie „Bridgetowns“, eben weil sie diese bunte Farbenpracht im Käfig abbildet. ↩︎
„Oben – Unten“ – mein erstes Veröffentlichungsbaby muss wirklich gut aussehen.
Wir haben Ende Juni, die erste Veröffentlichung rückt im Kalender näher. Meine erste richtige Veröffentlichung. Das erste Buch ist schon Teil einer ganzen Serie von weiteren Geschichten, die alle noch ein wenig unsortiert in Ordnern mäandern, unreif vor sich hin gären. Doch dieses erste, wie immer, dieses erste ist für mich der Erfahrungsprozess zum Lernen wie es geht. Ich bin gespannt, in Sorge, aufgeregt und neugierig, ungeduldig, nervös und zuversichtlich. Alles gleichermaßen. Zum einen will ich mich mit dem ganzen rechtlichen Kram nicht befassen, andererseits will ich es genau wissen. Zum einen will ich gar kein Marketing betreiben müssen, zum anderen überlege ich schon, wie ich Interviews gebe und Lesungen halte. Dieses Hin und Her und mein Gefühlsleben ist in viele kleine Mosaikstücke zerrissen. Für mich ist es ein großes Ereignis mit einem Feuerwerk an Gefühlen. Für die Welt ohne Bedeutung. Ob mein Schreiben die Kraft und das Feuer hat, so viele Herzen und Träume zu bewegen wie Rowling oder King? Träumen wird man ja wohl dürfen und möglich wäre es mit diesem Stoff. Möglich bestimmt. Möglich wäre es.
Vielleicht wird es einen Tag geben, an dem sich meine Idee und meine Geschichte in die Herzen von sehr vielen Menschen hineinliest, dass ich von einem großen Erfolg sprechen kann. Wird das dann für mich noch so viel Bedeutung haben wie dieser erste Moment meiner Veröffentlichung, wo ich so unsicher, so unerfahren und so unwissend war? Meine Hochzeit war ein großes Ereignis, die Geburten meiner Kinder waren viel bedeutender, viel emotionaler und unendlich mehr verändernd.
Ja, ich wünsche mir Leser und Leserinnen, die in meinen Geschichten träumen, Phrasen meiner Texte zitieren und mit Freunden über die „Hätte, Wenn und Aber’s“ diskutieren; die mir Fragen stellen; denen auffällt, wie viele kleine freche Zitate aus anderen Geschichten Eingang gefunden haben; die mir erzählen, welche Textstelle sie lustig, traurig oder witzig fanden, die mehr wissen wollen über Paul, Mani, Anna, Miri und die anderen alle; die zum nächsten Teil Spekulationen haben und sich auf meiner Fanwebseite tummeln und mit anderen Geschichtenkennende austauschen wollen; die sich über das Verhalten, die Gewalt und die Ausweglosigkeit ärgern; die auch wollen, dass dieser fortgesetzte Geschlechterkrieg ein Ende findet…
Und Angst habe ich, dass ich einer Welle des Hasses ausgesetzt werde, weil mein Roman zum Werkzeug von Vorurteilen gemacht wird. Männerhasserinnen und Frauenhasser im gleichen Maßen haben hier viel Platz für Vorurteile. Dabei ist es nicht so, dass ich Vorurteile schüren will, sondern die Facetten des falschen gegenseitigen Bekriegens abbilden will. Ob das dazu führen kann, dass Männer lernen wollen, Frauen zu verstehen und das Frauen lernen wollen, Männer zu verstehen?
Tagträumereien, wie ich mir meine Zukunft denke oder – Schrägstrich – wünsche, das kennt jede und jeder. Doch in diesem Jahr wird sich erweisen, ob dieses Träume Konturen bekommen, die sich in die Realität heben lassen. Mein erster Schritt „Lösen von Materie“ har ja schon mal geklappt, hat Schmerzen verursacht und ich habe das überlebt. Mein zweiter Schritt „Zähne in Ordnung bringen“ ist ebenfalls sehr sehr schmerzhaft, konfrontiert mich auch mit meinen Urängsten, aber in einer ganz anderen Weise. Jeder diese Schritte schafft das Relief einer neuen Zukunft. Doch wie wird es sein?
Damals, als ich das erste Mal schwanger war, als ich erlebte, wie sich das Unbekannte meiner Zukunft im Bauch bewegte und anfühlte, da dachte ich so vieles, was sich nicht ereignete und ich dachte an so wenig, was sich ereignete. Was lustige Vorstellungen hatte ich bis zur Realität davon, wie das Zusammenleben mit eigenen kleinen Kindern sein könnte und wie Erziehung funktionierte. Dies war meine einschneidenste Erfahrung und hat eine lange Lebensphase umfasst.
Jetzt stehe ich vor den Toren einer neuen Lebensphase; ich bin erfahrener, toleranter und sogar geduldiger geworden, wobei schon ein Anteil meiner großen Ungeduld dazu führte, dass ich besser nicht weiter an dieser Schule Lehrerin sein sollte. Diese Phase geht jetzt zu Ende.
Im August kommt er – meine erste Veröffentlichung
Was ich mir vornehme, plane und woran ich arbeite, scheint sich doch umzusetzen. Ich benötige dafür eine Deadline, etwas Zeit und meine Träumerei, die mir ausmalt, wie ein Plan entstehen kann. Nachdem ich nun meinen Roman zum x-ten Mal selbst zur Korrektur gelesen habe (einmal rückwärst), kann ich sagen, dass ich die meisten kleinen Fehlerchen mit der Löschtaste erwischt und aufgespießt habe. Aktuell will ich ihn noch einmal durchlesen, zwei oder drei kleine sehr flüchtige Biester ausmerzen und dann ist es getan. Im August kommt er dann raus, offiziell.
Ganz offiziell ist das nicht meine erste Veröffentlichung. Ich hatte schon das Vergnügen der ein oder anderen Kursgeschichte, siehe meine Vita. Anders ist es allerdings dennoch. über 650 Seiten (normal beschriebene, nicht in MS-Format) sind so umfangreich in den Details, dass ich erstaunt bin, welche interessanten Symbole ich gefunden habe, welche eigenartigen Metaphern sich wiederholen und wie dicht insgesamt der Text geworden ist. Das ein oder andere vergesse ich tatsächlich immer mal wieder, habe es zwei Mal gesagt und muss mich dann entscheiden, wo ich es wegstreiche. Ich stelle fest, dass ich nach sechs oder acht Mal Lesen trotzdem nicht genau weiß, wo ich das hingeschrieben habe. Und immer wieder stelle ich mir die Frage, ob 60 Tage tatsächlich genügen, eine solche Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken. Ist das glaubwürdig? Dann beruhige ich mich und denke, dass Corona uns genau das gezeigt hat. 60 Tage für einen gesellschaftlichen Totalschock würden genügen.
Wenn ich es verfilmen würde, würde ich die Dauer der Gefangenschaft allerdings offen lassen. Ich würde nicht darüber nachdenken, ob es nun 50 oder 60 Tage sind. Hier diente es meiner Einteilung.
Und wozu ich eine Menge Phantasie und einen langen Atem brauchen: WERBUNG. Ich muss meinen Roman selbst bewerben, über sämtliche Kanäle, die mir zur Verfügung stehen. Ich muss die Y-Chroniken beatmen, mit Leben füllen. Hier kleine Zusatzgeschichten, dort ein kleines Hörspiel und alles, was es für eine schöne Fanseite benötigt. Lesungen wollen organisiert, Texte rangeschafft und der zweite Teil nachgelegt werden. Ja, der hat schon einiges an Volumen, doch muss ich mich bezähmen, denn im zweiten Teil wird nicht alles auf einmal gesagt.
Werbung und Vermarktung, da braucht es mehr als nur ein paar Träumereien von Radiobeiträgen, Auftritten in TV-Talkrunden oder ähnliches mehr. Ja, das wäre schon sehr nett, wenn es jedoch zu Auftritten in Talkrunden kommt, dann bin ich bereits erfolgreich. Soweit darf man das nicht vergessen.
Wie isst man einen Elefanten?
Ich weiß, was ich schreiben will, ich weiß, worauf die Geschichte hinausläuft und ich weiß, dass mein Endziel eine Serie ist, an der ich zumindest mitschreibe. Hielt ich meinen Gedanken für besonders, dass es sich um einen Welt-Plot handelt, bei dem in jedem einzelnen Teil eine andere Figur im Fokus steht? Ja, dachte ich. Ich habe mich im langen Prozess damit auseinandergesetzt, ob Paul und Bianca bleiben, als zentrales Antagonisten-Gestirn. Ja, die anderen Figuren sollten am Rande schon weiter mitlaufen, sozusagen mitwachsen, ihre Beweggründe, ihre Entscheidungen, ihre Wünsche und Ängste sollten jedoch kein zentrales Thema umranken. Ich wollte – und werde es so auch machen – die Welt durch verschiedene Blickwinkel betrachten. Vor allem finde ich spannend, unterschiedliche Genres zu kreuzen und durch diese Wechsel hindurch einen ganz leisen, klaren Faden einer Tonalität wirken zu lassen. Der Stoff erhält so einen Schimmer, den nicht alle erkennen können. Soweit das Ideal.
Und ich dachte, das sei eines meiner Alleinstellungsmerkmale, denn alle anderen Serien drehen sich in der Regel um eine Hauptfigur. Im Prinzip arbeitet Julia Quinn mit ihren Schmachtschinken Bridgerton in ähnlicher Weise. Sie widmet jeden Band ihrer Saga einem anderen Familienmitglied und arbeitet sich durch, so dass die anderen Familienmitglieder zwar auftreten, auch mal was zu sagen haben, sich auch weiterentwickeln, aber ihre Geschichte ist erzählt und nun folgt eine andere leidenschaftliche Liebesgeschichte. Der Rote Faden bei den Bridgertons ist Lady Whistledown bzw. Penelope Featherington und wie sie sich langsam von einer Raupe zum Falter hin entwickelt. Andererseits bleibt die Autorin Collins in einem Genre und das will ich selbst überwinden.
Eine weitere Parallelität ist die Anzahl der Figuren. Auch in meinen Geschichten (eigentlich schon immer) treten viele viele Figuren in Erscheinung. Der einzige Roman, der das nicht hat, ist die Nietzsche-Frau, das sind drei Figuren. Sollte ich zu Lebzeiten gefragt genug werden, würde ich diese Geschichte final korrigieren und publizieren. Doch das ist eine andere Geschichte. Das Zeitmedaillon bräuchte ebenfalls nicht mehr viel Schliff – andererseits, heute schreibe ich anders. Man wird sehen. Die Chaotologie wäre ein Liebhaberstück. 🙂
Der schwierigste Teil, der vermutlich wenig begeisterte Fans finden wird, ist der erste. Ich weiß das. Dafür gibt es zahllose Gründe: sehr langatmig erzählt, sehr komplexe Sprache, anspruchsvolle Wechsel mit zahllosen Lücken, die sich der oder die Lesende selbst füllen muss, viele Figuren, als Genre ist eine Liebesgeschichte in einem Science Fiction sehr anspruchsvoll (entweder lesen Männer SiFi oder Frauen Liebesgeschichten, der Mix gelingt dann selten). Und da es noch sehr lang ist – für ein Debüt viel zu lang, würde mich wundern, wenn ich in den ersten Jahren mehr als 150 Exemplare verkauft bekäme. Sollte ich es deswegen nicht so aufwendig und (für mich) teuer veröffentlichen? Nein, ich denke genau das Gegenteil. Inzwischen liebe ich diese Geschichte besonders: diese bunte Männermischung im Stollen, die vielen Dinge, die nebenher passieren und wie sich daraus eine neue Welt erschaffen hat. Ich darf nur nicht vergessen, dass die Gummipuppen in Teil II noch ein Comeback brauchen. Auf jeden Fall werden die Sektkorken knallen, wenn ich die Marke von 150 verkauften Exemplaren erreicht habe. Und eine Chance habe ich, wenn es im ersten Jahr der Veröffentlichung passiert.
Was bei all meiner Planung wichtig ist:
einen Arbeitstag pro Woche für das Schreiben
einen für all die Korrespondenz und Werbung
drei Tage, um richtiges Geld zu verdienen;
einen für Theaterseminare, Tangolektionen oder ähnliche Projekte
einen Tag für mich und die Küche oder den Garten.
Mehr als sieben Tage hat die Woche nicht. Das will also genau überlegt und entschieden werden. Drei Tageswoche, da wird wenig für meine Rente hängen bleiben. Ich brauche also für die Rente einen Plan B: Erbschaft, reiche Heirat, Mäzen, Ruhm. Ich weiß, der Ruhm ist mir ja gewiss, aber macht der satt? Vor allem brauche ich eine Lösung, falls ich so alt werde, dass ich gepflegt werden muss. Was, wenn ich das alte Altsein nicht verhindern kann oder verhindern will? Will ich auch in diese Falle tappen zu glauben, dass ich nur älter werde, nicht gebrechlich, unbeweglich, krank, vergessend, hilfsbedürftig? Das alles will ich nicht werden, aber schützt mich der Wille davor?
Bevor wir dahin schauen, schauen wir auf die nächste Lebensphase, meine totale Freiheit. Womit ich mir beweise, dass der Mensch doch mehr Freiheit hat, als die meisten sich zugestehen, wenn ich das wirklich realisiert bekomme. Die kleinen Schritte hin in eine andere Wirklichkeit:
Jetzt zu Ende bringen, was ich begonnen habe: Musical, Finanzamt, Autoumbau, Jobsuche
Kündigen meiner Lehrtätigkeit und einen neuen Vertrag für sechs bis acht Monate unterschreiben
Filmfestivals, BUT-Seminare belegen bis zum Abschluss, Tangolehrerausbildung, Universität besuchen
Umherreisen, dazwischen online Geld verdienen oder auf dem Weg (Housesitting, Oma-Nanny, Gelegenheitsjobs, auf der Straße Theater oder Singen)
Die Romanteile 3, 4, 5, evtl. 6 schreiben, mich weiter an Drehbucharbeiten begeben und die verkaufen
Beenden der Lebensphase mit 57 oder 58 Jahren, indem ich sesshaft in einer schönen Stadt (Potsdam, Freiburg, o woanders) werde.
Eine schöne Liste. Das Hausprojekt schließt diese Lebensphase des Reisens und Treibens. Das ist dann meine Abschlussphase und da möchte ich dann ankommen und all das machen, was noch in mir ist, wie auch Oma-sein, bevor dann mein Körper den Rückzug anstrebt. Am liebsten möchte ich so eine alte Lady werden, wie es M.’s Mutter ist, doch wer weiß, was der Lebensweg bereithält.
Care-Arbeit ist kein masochistischer Frauenzug, auf den man in Zukunft setzen kann.
„Ehrlich, man muss ja keine Kinder bekommen. Ist freiwillig! Wer sich für Kinder entscheidet, entscheidet sich gegen Reichtum und Karriere und gegen Freizeit für die nächsten zehn Jahre Lebenszeit. Einfache Rechnung. Wer das nicht will, verhütet oder treibt ab. Wir leben im 21. Jahrhundert, da braucht sich niemand mehr dafür rechtfertigen, wenn er sich gegen Kinder entscheidet. Gibt ja eh genug Menschen auf der Welt.“ O-Ton Ende. Die Sprecherin: eine junge Frau Ende zwanzig.
Problem: Überalterung der Gesellschaft. Spätestens, wenn ich alt und hilfsbedürftig bin, wünsch ich mir einen Familienanschluss.
Problem: Unsere Gesellschaft kann sich auch nur scheinbar ein Volk von Egoistis leisten, am Ende brauchen wir Nachwuchs in allen Bereichen.
Das zweite Problem lässt sich natürlich über Zuwanderung lösen, doch genau an dieser Stelle wird es hakelig, denn die Zuwanderung lässt sich nicht nach Berufen durchplanen. Die Öffnung muss auch für die Menschen erfolgen, nicht nur für deren Fähigkeiten und Fertigkeiten. Auch die zu uns wandernden Menschen wollen Familienanschluss und kommen nicht als Roboter. Das erste Problem ist nicht nur eines der Einsamkeit, sondern vor allem auch der durch das Altern bedingten Hilflosigkeit.
Gehen wir also für einen winzigen Moment davon aus, dass Kinder ein notwendiges Übel für das Fortbestehen der Gesellschaft ist – gerade den Konservativen müsste das klar sein und deswegen förderungswürdig erscheinen. Gehen wir weiter davon aus, dass wir uns wünschen – ganz konservativ gedacht –, dass unsere Zukunft in wirklich gut ausgebildeten Händen liegt und nicht dem Zufall überlassen ist, dann geht es um Erhalt dessen, was unsere Wertevorstellung ist. Soweit, so hübsch. Für alle, die es jedoch noch nicht verstanden haben:
Der Bildungskanon zerfällt.
Wenn wir wollen, dass für künftige Generationen „Verantwortung“, „Zuverlässigkeit“, „Fähigkeit im Beruf“, „Belastbarkeit“ und „Kompetenz“ nicht bloße Füllwörter sind, dann braucht es leider eine Veränderung des aktuellen Sparkurses. Dann muss der Zauberstab mit Geldspitze geschwungen werden: Kleine Klassen, mit Lernmaterial und Experimentierräumen ausgestattete Schulen, zentrale unabhängige Überprüfungen von Prüfungsergebnissen (ZP, Abitur, Staatsexamina), qualifizierte Bildungskräfte (und ich meine absichtlich nicht Lehrkräfte, die ihren Stoff durchbringen wollen) und pädagogisches Personal sowie Schulen, die danach ausgerichtet sind, moderne Erkenntnisse des gesunden Lernens, umzusetzen. Schluss mit der zwei Klassenstruktur, die nur scheinbar gleichberechtigt nebeneinander steht: Gymnasium contra Restschulen. Beginnen muss man bei den Schulen, die im sozialen Brennpunkt stehen. Je schneller dort gehandelt wird, desto weniger gehen uns wichtige Ressourcen für unsere Gesellschaft von morgen verloren. Nicht die Bildungselite zuerst, sondern die zuletzt, denn teurer kommen uns die „armen“ Kinder zu stehen (Vandalismus, Radikalisierung, Drogen, Sozialabgaben, etc.).
Kinder sind nicht allein subjektive Statuselemente für ein Liebespaar und deren Work-Life-Balance-Killer.
Der Staat muss ein Interesse haben, dass Kinder die Zukunft unserer Gesellschaft so tragen, wie wir uns das auch für unser Alter später wünschen. Wenn wir gesellschaftlich nicht begreifen, dass jedes KIND von der gesamten Gesellschaft finanziell zu gleichen Teilen getragen werden muss, dann verschlafen wir unsere Wunschzukunft im Dornröschenschlaf. Wenn ich mich für Karriere und gegen Kinder entscheiden darf, dann muss ich die finanziellen Mehrkosten für jene übernehmen, die sich nicht um Karriere kümmern können, weil sie stattdessen dafür sorgen, dass später zum Beispiel Pflegepersonal vorhanden sein wird. Konservativ gedacht, muss Carearbeit in der Familie belohnt werden, mehr als jede Form von Karriere, denn letztlich ist es die Arbeit für die Familie, die unsere Standards in Zukunft sichert.
Wieso legen wir Frauen nicht unsere Care-Arbeit in das Nähkörbchen und holen sie erst hervor, wenn wir uns langweilen, ganz so wie ein Hobby?
Wenn ich – und so habe ich damals schon gedacht, als meine Kinder klein waren – für all die Arbeit jemanden bezahlen müsste, könnte ich mir das vermutlich nicht leisten. Umgekehrt fühlte ich mich wie die Ausbeuterin meines Mannes, als ich nur für meine Kinder da war, nicht einmal den Haushalt richtig bewältigen konnte: nur einkaufen, kochen und für die Kinder sorgen. Ausgebeutet hab ich den Mann, der als zwischendurch Alleinverdiener, dann als Hauptverdiener uns anderen versorgten. Mein Anteil an all dem war doch nicht so groß, nur sehr zeitintensiv. Gespart habe ich an Zeit und Ausgaben für mich. Fatal, denn so funktioniert unsere Gesellschaft überhaupt nicht. Oder doch? So funktioniert sie die letzten Jahrzehnte.
Was aber heißt das schon? Wir haben alle ganz billiges (unglückliches) Fleisch. Das Rind zählt zu den erfolgreichsten Säugetieren in seiner Masse, aber ist es deswegen individuell damit zufrieden? Kann es wohl kaum, wenn man sich Dokumentationen wie zum Beispiel „System Milch“ von Andreas Pichler aus dem Jahr 2017 vor Augen führt. So wie dieses System am Kapitalismus krankt, so durchdringt es Lebensraum für Lebensraum, eben auch unseren Bildungssektor, der nicht billig genug sein kann.
Wir alle liegen aber entspannt in unseren Liegenstühlen, weil das so bequem ist und warten lieber erstmal ab, ob sich was ändert. Die Seuche Covid hat uns nicht nachhaltig aus diesem Schläfchen gerüttelt, warten wir also, bis es zu weiteren Überschwemmungen, Hungerkatastrophen, Kriegen um Ressourcen und weiteren Flüchtlingswellen kommen wird. Wir leben in einem sehr fruchtbaren Land, was wir vergessen, weil es billiger ist, Lebensmittel zu importieren, doch was wenn … Wenn wir überrascht werden, in diesen unseren bequemen Liegestühlen und plötzlich keine Lebensmittel aus Südeuropa und Übersee mehr bekommen können? Jaja, dann mal fix wieder zurück zu Landwirtschaft? Alles braucht wenigstens ein Jahr Anbau und Pflege. Woher nehmen wir nur diese Idee, dass alles so bleibt, wie es war, wie es schön für uns, während wir uns umsehen und mitbekommen, dass Überschwemmungen, Trockenheit und politische Unruhen zunehmen?
Wir müssen dazu kommen, dass Europa stärker zusammenwächst und wir uns täglich darin erinnern, dass wir nicht einander Fremde sind, sondern Brüder und Schwestern. Wenn wir wollen, dass sie unsere Werte von Toleranz und Achtung teilen, dann gelingt das nur über Aufklärung durch Bildung. Wir müssen GELD für die Bildung anfassen und zwar reichlich.
Wenn wir wollen, dass unsere Welt nicht täglich bedroht ist, aus den Fugen zu geraten, dann müssen wir mit unserer Umwelt stärker im Einklang leben: saisonal Essen, Konsum reduzieren, den Tieren den respektiven Platz im Leben einräumen, den sie als Lebewesen ebenso verdienen wie wir.
Wenn wir wollen, dass es allen gut geht und nicht Angst und Neid (bzw. Egoismus) unser Miteinander bestimmen, dann muss uns Toleranz, Verständnis und Vertrauen selbstverständlicher werden . Wenn wir uns umeinander kümmern und niemanden zurücklassen, dann sind wir vielleicht nicht mehr der Luxusreichste Staat, doch insgesamt ein zufriedener.