Seit ich damals den Roman „Report der Magd“ von Magret Atwood gelesen und auch die Serie aktuell verfolgt habe, drängt sich einmal mehr wieder die Frage auf, was passiert mit uns Frauen, wenn alles wieder auf Null gesetzt wird?!
Dystopie an die Frau – Report der Magd
Diese Geschichte beginnt damit, dass ganz harmlos alle Konten der Frauen eingefroren werden, dass sie ihre Geld für ihre Arbeit über ihren Mann oder ihren Vater ausgezahlt bekommen. Der zweite Schritt ist die berufliche Freisetzung der Frauen. Wie kocht man einen Frosch? Man setzt ihn ins Wasser und erhitzt langsam das Wasser, er merkt überhaupt nicht, wenn es zu spät ist. Und so perplex reagieren die Frauen auch. Missverständnis! Das kommt alles wieder in Ordnung. Wie sagt Hermine zu Harry im 5. Teil von „Harry Potter“: „Guck mal, die Sache ist ganz einfach …“ Harry unterbricht sie: „Hier ist gar nichts einfach, Hermine.“ Die Story setzt also in unser aufgeklärten Zeit ein. Frauen arbeiten in allen Berufen, verbinden Beruf und Kinderwunsch (mehr oder weniger gut) und leben in offenen Verbindungen mit Männern. Wie ein böser Traum (von ein paar faschistischen radikalen Christen) bricht die Veränderung über Nacht herein und entmündigt die Frauen und damit beendet sie den Wimpernschlag des feministischen Aufbegehrens gegen die jahrtausendalte Unterdrückung der Frau. Sherlock muss erst Watson in der „Braut des Grauens“ erklären, dass die eine Hälfte der Menschen die andere Hälfte der Menschen unterdrückt und versklavt und dass er damit die Frauen meint, die gegen Männer Krieg führen sollten. Wenn wir ganz ganz ehrlich sind, dann leben wir immer noch sehr ungleich! Männer arbeiten und haben abends eine Familie, Frauen haben Beruf und Kinder zu vereinen, kümmern sich um die Betreuung, huschen zwischen Arbeit und Kind hin und her. O-Ton Ex: „Du wolltest doch die Kinder!“ Männer wollen in der Regel ja keine Kinder, sie wollen nur Sex. Wenn wir noch ein bisschen ehrlicher sind, dann ist die Kleinfamilienregelung für die Frau ein 12-Jahre-K.O.-Vertag: Wohnung in Ordnung halten, Kind versorgen (oft mit schlechtem Gewissen) und Beruf. Bitte noch mit Karriere.
Harari – historischer Hintergrund
Yuval Noah Harari legt in seiner „kurzen Geschichte der Menschheit“ die These nahe, dass es zu unserem genetischen Konzept gehört, als Frau unterdrückt zu werden. Er behauptet, dass so einhellig und durchgängig in allen Gesellschaften und Kulturen unterschiedlichste Epochen Frauen eben zweitrangig behandelt wurden, dass scheinbar ein Konzept dahinter steckt. Das Patriachat sei ein sehr beständiges Konzept und die derzeitige Gleichberechtigung eine Ausnahmeerscheinung. Ich befürchte, dass er Recht hat. Aber wieso ist das so? Und daraus resultiert die nächste Frage: Wie lässt sich das verhindern? Mal davon abgesehen, dass heutige junge Frauen die Feministinnen als Emanzen verschreien, weiterhin viel mehr Wert auf ihr Styling legen, als darauf, ihre Rechte zu erhalten. Vom Balzverhalten her scheint es so, als müssten die Weibchen des Homosapiens das tun, was gemeinhin dem Männchen unterstellt wird, nämlich die BALZ übernehmen. Frau wirft sich in Schale, tut alles, um attaktiv zu sein. Natürlich für sich. Was aber völliger Quatsch ist. Sie will schöner sein als ihre Konkurrentinnen. Bestes Kleid, beste Maniküre, beste Schuhe, beste Manieren. Männer machen sich nur im Notfall Gedanken, ob sie gut ankommen, stellen das aber offensichtlich nicht so in Frage wie Frauen. Frauen beschäftigt eine Frage wie: Ob er meine Bessenreißer bemerkt hat, oder meine neue Frisur oder mein neues Make-up ode mein neues Deo? Männer beschäftigt das sicher wenige. Mir hat noch nie ein Mann gesagt, dass ich zu schlecht rassiert sei unter den Achseln. Frauen allerdings fanden das sehr notwendig, mich als Stinktier zu bezeichnen, weil meine Achselhaare zu lange waren. (Der Kontex Haarlänge gleich Gestank ist mi übrigens noch immer ein Rätsel.)
Außerdem sind Männer vor allem bequem und warten scheinbar lieber, während Frauen irgendwie auffällig aktiver sind. Das führt dazu, dass auch beim Flirten das Weibchen den dominaten oder aktiven Teil einnimmt. Dass der Geschlechterdisput nicht auf die unterschiedlichen Geschlechtsorgane ganz biologisch zu reduzieren ist, erklärt Harari auch. Die Natur von Mann und Frau ist nicht so unterschiedlich. Da brauch ich auch nicht weit nachdenken, schon unsere Sprache – das Hauptwerkzeug unserer Kultur – ist männlich geprägt. Es ist selbstverständlich Änderungen unterworfen, doch wie schwer es ist, eine nicht gewalttätige Sprache zu führen, dazu hat Marshal Rosenberg lang uns häufig unterrichtet und daraus sein Lebenswerk gemacht.
Allerdings will ich glauben, dass es auch mit der Biologie zu tun hat. Als ich meine drei Kinder bekam, merkte ich, wie sehr sich alles in mir nach Schutz ausrichtete und ich Dinge zu akzeptieren begann, die ich in meinem vorherigen Leben nicht toleriert hatte.
Den Mann nervende Weiblichkeit
Beispiel TANGO: Im Tango führt der Mann. Im Tango fordert der Mann die Frauen auf. Im Tango zeigt der Mann Profil in jeder Hinsicht. Real besehen tanzen Männer lieber mit den Frauen, die sie schon kennen (aus dem Tanzkurs, wo die Leitung übernimmt, dass regelmäßig getauscht wird) oder die sie kennengelernt haben. Sie sagen nicht nein, wenn eine Frau sie auffordert, aber es wird nicht so gern gesehen. Frauen sitzen wie auf einer Stange und warten auf die Aufforderung und animieren mit Blicken und Kommentaren, versuchen das Eis zu brechen. Das ist nur ein Symbol dafür, was überall sonst auch passiert. Im Swingerclub warten Männer vor den Räumen, ob eine Frau reingeht, aber sie flirten nicht und sie werden nicht aktiv.
Zwei Vermutungen legt das nahe: 1. Männer waren noch nie der Teil, der sich um die Balz kümmern mussten, weil sie wählen konnten. 2. Das entspricht unserem Zeitgeist, dass die Männer eher passiv sind. Früher war das anders.
Ich denke, dass die erste Annahme vernünftig ist, da sich Männer im Zweifelsfall mit Gewalt nehmen konnten, was sie wollten, ohne das es zu Problemen führte bzw. in vielen Teilen der Erde führt. Außerdem sind die Rituale, die wir historisch überlebt haben (Taschentuchaufheben, Verlobungszeit, Werbephase, Achtung vor den Eltern, Mitgift), sicherlich eingeführt worden, weil Männer eben eher passiv sind. Mich erinnert das an eine meiner Lieblingsserien, nämlich an „Outlander“.
Outlander ist eine US-amerikanische Science-Fiction-Fantasy-Fernsehserie von Ronald D. Moore. Sie basiert auf der im Original gleichnamigen Romanserie von Diana Gabaldon. Die Serie startete in den USA am 9. Wikipedia
Jamie Fraser – der Hauptcharakter – ist ein ganz ungewöhnlicher Mann, weil er eben für seine Frau einsteht und um sie kämpft. Er begreift das als selbstverständlich. Auch ihre Ehre wieder herzustellen, ist für ihn selbstverständlich. Insgesamt ist er der Inbegriff dessen, was sich eine Frau an ihrer Seite wünscht. Nicht optisch, nichts unbedingt als dieser Mann, sondern eher die Art und Weise, sein Vorgehen, seine Selbstverständlichkeit, seine Eindeutigkeit und seine Akzeptanz. Ich bin immer wieder beeindruckt und denke, gibt es solche Männer in der Realität?! Ich weiß natürlich, dass diese fiktive Figur eine Phantasie einer Frau ist. Konventionen der gegengeschlechtlichen Annäherung fehlen auf jeden Fall. Gleichzeitig ist die Frau in der Lage, dieses Defizit auszugleichen und hat die Balz übernommen. Die Kleidung zeigt das. Dennoch ist die Frau nicht befreit, der Mann auch nicht.
Wenn nun wir mal diskriminieren?
In sozialen Medien wie Twitter lässt sich verfolgen, dass das Thema Gleichbehandlung oder Gleichberechtigung nicht erreicht ist. Manche Frauen müssen sehr hartnäckig verteidigen, dass Männer noch immer gewalttätig sind, dass noch immer nicht die gleichen Rechte für Mann und Frau gelten, dass immer noch nicht beide Geschlechter gleich behandelt werden. Meinen Unterricht – Philosophie sei dank – nutze ich gerne für Experimente. Es gibt Jungen, die würden vermutlich ohne Zögern erklären, dass ich männerfeindlich bin. Bin ich sicher nicht, denn ich mag Männer, meistens. Doch wenn ich in der Presse oder bei Twitter lese, was Frauen passiert, was sie erleben mit Männern, dann erinnert mich das an eigene Erfahrungen, an unschöne Begegnungen mit Männern. Umgekehrt hab ich davon noch nie Männer sprechen hören.
Mein Unterrichtexperiment: Ich erkläre den Jungen, dass Männer aufgrund ihrer Hirnaktivität eigentlich nicht so erfolgreich sind wie Frauen, weil die nun mal ein größeres Hirn haben und sowieso viel sozialer ausgerichtet sind. Ich lass das wie eine Pointe am Anfang klingen, sage den Mädchen, dass sie einfach nachsichtiger sein sollten. Die Jungs lachen in der Regel tatsächlich über diesen Witz. Ich frage sie, wieso sie das nicht als Diskriminierung wahrnehmen?! Meistens bleiben sie auf der Sacheebene, nämlich dass dafür die wissenschaftliche Forschung fehle. Ich konfrontiere sie damit, dass ich sie gerade diskriminiert habe. Reaktion: Sie empfinden das nicht als Diskriminierung. Meine Vermutung: Wir Frauen sind diskriminierungsempfindlicher als Männer, weil wir eine Historie der Unterdrückung und der Gewalt in unserem Bewußtsein veranktert haben. Sklavenmoral á la Nietzsche. Sprich: Der Sklave nimmt sein Sklave-Sein an und verhält sich sklavisch, wodurch der Herr sich als über ihn stehend erlebt und darin bestätigt fühlt. Der Kreislauf erhält sich selbst. Der Sklave ist dem Herrn dankbar, wenn er ihn in die Freiheit entlässt. Real gab es nie diesen Unterschied, es war immer eine kulturell entwickelte Trennlinie. Übersetzung: Wenn der Mann uns als gleichberechtigt akzeptiert, sind wir ihm für diese Handlung dankbar. Er selbst erfreut sich daran, dass er so nett ist. Damit wird die Ungleichbehandlung eigentlich bestätigt.
Wieder Beispiel Tango: Grundsätzlich geht es beim Tango darum, dass der Mann die Frau führt, er mit seiner Führung deutlich macht, was Frau zu tun hat. Sollte die FOLGENDE den FÜHRENDEN nicht verstehen, funktioniert an der Stelle das Zusammenspiel von beiden Akteuren nicht. Anders als bei anderen Tanzformen lernt man beim Tango mögliche Muster und mögliche Reaktionen, nicht ganze Schrittfolgen auswendig. Anders als bei anderen Tänzen wechseln die Tanzpartner häufig und viel. Frauen neigen bei Tanzveranstaltungen eher dazu, sich zu entschuldigen, wenn sie den Mann nicht richtig verstanden haben. Anfangs versuchen sie irgendwas zu tanzen, damit sie dem anderen das Gefühl geben, ihn verstanden zu haben. Damit überspielen sie die eigene Unsicherheit und auch die Pause beim Tanz, falls unklar, ist was nun der nächste Schritt ist. Zwei Muster sind bei Frauen besonders deutlich: Angst, dass Falsche zu machen und dem Mann entgegenkommen zu wollen. Beides bedient das obige Muster, dass der Mann richtig ist und die Frau falsch. Ich habe aufgehört, mich für Missverständnisse zu entschuldigen und höre nun häufiger, dass der Mann meint, er habe falsch geführt. Außerdem bleibe ich stehen, wenn ich nicht verstehe, was der andere will. Und siehe da, der Mann bewegt sich. Fazit: Soll der Mann sein Verhalten verändern, dann muss ich es auch. Er wird aktiv, wenn ich Raum dafür schaffe … Also ist das historisch determiniert oder nicht?!
Wenn Männer aus ihrer Herrenrolle heraus mit uns noch immer „ungleich“ verfahren bzw. kein Bewußtsein dafür haben, wie empfindlich dieses neue Konstrukt ist, was können wir dann jetzt tut, damit es so bleibt bzw. sich in ein freudliches nicht-kriegerisches Milleau hin bewegt? Und da scheint das Problem eben auch bei uns Frauen zu liegen, denn Frauen verhalten sich auch untereinander in ihrer Rolle annehmend. Wie eben beim Tango. Außerdem: Ich lerne Männer kennen, die im Prinzip den gesamten Diskussionen wegen Fraufeindlichkeit oder Diskriminieruung oder Gewalt gegen Frauen sehr ratlos gegenüberstehen und die Diskussion ablehnen. Sie verhalten sich so, wie beim Tango, wenn Frauen sich für ihr Fehlverhalten entschuldigen. Manchmal denke ich, wir Frauen führen die Gespräche gegen Windmühlen, die ebenfalls nur von uns gehört werden. Allerdings sind wir zueinander dabei wenig kooperativ. Ich glaube, dass Männer sich mehr in Ruhe lassen und auch in Ruhe gelassen werden wollen und sie deswegen den ganzen Zauber/Hassel rund um diese Debatte nicht mitführen wollen.
Da ich ja kommende Generationen vorbereite, also auch kommende Frauen in ihren Rollen, muss auch da ein Ansatz her. Und da bin ich unschlüssig, wie man einem Frosch beibringt, dass er doch reagieren muss, wenn man ihn auch nur langsam erhitzen will.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich denke, der Ansatz muss sein, dass wir Frauen uns kooperativer verhalten und aus unser Opferrolle austreten, weniger lamentieren, weniger diskutieren und mehr bestimmen, mehr fordern ohne Diskussion. Kurz und knapp.
Wie gut mir das gelingt, hab ich gerade bewiesen … 🙂