Vor dem ersten Schritt nachdenken über das, was man sein will? Bevor ich meine erste Lesung halte, mache ich mir Gedanken, wie ich die Lesungen halten will? Bevor ich meinen Roman veröffentliche, mache ich mir Gedanken, was für eine Autorin ich sein will? Und hier komme ich an die Gendergrenze – ehrlich, ich will doch nicht nur mit den Autorinnen als Autorin verglichen werden, wenn ich einen Satz wie diesen schreibe. „Was will ich für ein Autor sein?“ schließt ein, dass ich mit männlichen Autoren verglichen werde statt mit Frauen, gendere ich den Satz, dann sinkt der Vergleichsparameter um die Anzahl der männlichen Vergleichmöglichkeiten. Aber ich bin eine Frau. Diese neue Genderei führt dazu, dass ich mein Frausein in den Fokus rücke, nein in den Fokus ramme. Aber was hat nun mein Geschlecht mit meiner Schreibe zu tun?
Also von Vorne: Was für ein Autory will ich sein?! Klingt komisch, weil ich doch eindeutig weiblich bin. Puh … was ist die Sprache komplex. Versuche ich es ohne Etikette nach Rosenberg, dann fragt sich, was ist das Autorseiende an der Autorenschaft. Es geht doch um die Aspekte von dem, was einen Schreiberling ausmacht! Was aber ist das denn?
Was ist diese Autorenmarke? Und – weiter gefragt – was wäre meine Autorymarke? Das Unverwechselbare? Eine Marketingstrategie? Die Zeiten für diesen Blog in der alten Fassung sind gezählt, wenn meine Marke steht? Steht …
Oha, eine Leiche.
Meine schriftstellerische Besonderheit ist sicherlich die, dass ich gerne viele Figuren bespiele und gerne ungewöhnliche Handlungen meiner Figuren anstrebe. Inhaltlich neige ich dazu, in dem Gewöhnlichen das Tiefsinnige zu suchen – ich kann eben Smalltalk nicht. Gilt auch privat. Und ich hab vielleicht was zu sagen? Vielleicht. Ich mag flach nicht. Und doch, viele Autorys sind gerade deswegen auch sehr erfolgreich, weil flach. Oh du mein Kafka, solch eine bizarre Tiefe. Mag ich diese Tiefe je erklimmen? Was aber ist das unverwechselbare von Proust, von Kafka, von Musil? Ich spüre, dass ich nicht in diese Reihe gehöre, zumindest werde ich das am Ende nie entscheiden können und auch müssen.
Genügte es damals zu schreiben, heute muss man sich zeigen. Zeigen wie diese Autorinnen im Gespräch: FBM18 // Gesprächsrunde: Aufbau einer Autorenmarke. Rasierklinge war Rainald Goetz 1983 und da noch etwas, das Schlagzeilen machen konnte. Heute muss ich das Übermorgen mitdenken, zumindest, wenn ich gehört werden will. Ist mir das egal, bedeutet: dann ist es auch egal, wie ich etwas sage. Und da ist sie wieder, diese eine Frage, die mich seit Jahren umtreibt:
Habe ich etwas zu sagen, dass gehört werden muss/sollte?
Sind meine Worte mehr als das, was meine Kochkunst vermag? Oder gerade so viel? Ein leckeres Essen? Ein amüsanter Abend? Würde es nicht genügen, wenn es mein Vergnügen mehrt – worin ich äußerst erfolgreich bin? Muss ich mich denn um ein großes Ohr bemühen?
Gestern hatte ich Besuch, den ich mit einem komplett selbstgemachten italienischen Menü beglückte: zweierlei Nudeln (Spinat-Ricotta-Ravioli und Basilikum-Tagliatelle) sowie zweierlei Soßen (Linsenbolognese und Spargel-Sahne-Soße) sowie Fladenbrot mit Kräuterbutter vorab und einem Amarenakirsch-Parfait als Dessert. Fünf Stunden Arbeit, eine Stunde Essvergnügen und Huldigung des Essvergnügens durch angenehme Gespräche, verplätscherte Zeit.
Das Verhältnis von Roman Schreiben zu Roman Lesen ist ähnlich. Nur die Ernte für die Mühe fahre ich doch selten ein. Ehrlich gesagt, hätte mir der Prozess der Menüentwicklung keinen Spaß bereitet, wieso hätte ich das machen sollen? Beides ist bereits ein großes Vergnügen. Doch koche ich keine fünf Stunden für mich allein, wenn ich nicht Menschen habe, die das wertschätzen und sich wohlfühlen, eben weil ich ihnen so ein leckeres Diner bereitet habe. Wieso sollte ich den Roman schreiben, wenn ihn außer mir keiner liest?
Meine Autorenmarke? Ich bin die, die Vergnügen bereitet und den Finger in die Wunde legt, die unangenehme Frage stellt und gut zuhören kann, der man sich öffnet wider Willen. Ich bin die, die zweifelt, sich ehrlich in den Spiegel anschaut und der es schaudert, ob des Menschseins – so ungeheuerlich in jeder Hinsicht. Ich bin die, die keine Diplomatie kann, weil ich sie für eine Lüge halte. Ich bin die, die echte Toleranz durch Verstehen erreichen will. Ich bin die, die trotzdem lästert und trotzdem Vorurteile hat. Nur weiß ich, dass ich Vorurteile habe. Und ich mache mich über uns Menschen lustig, weil wir so lustige Vorstellungen von der Welt haben, ganz so, als sei sie für uns gemacht, nicht, als würden wir nur ein Teil davon sein.
Tja, und wie forme ich daraus eine Marke? Einen gebrochenen Spiegel hab ich ja schon als Künstlynamen, sogar ein Hörspiel hab ich dazu gemacht … vor Jahrhunderten scheint es mir. Vielleicht wäre das dann zumindest das Symbol. Eine Unheilige.
Und wie genau stelle ich das dar?