Wertschätzen des Berufs. Oder wohin mit dem Rest in Würde?

Wenn dem Menschen nichts mehr bleibt, so sucht er einen Sinn in Würde. Ein alter Freund erzählte mir, dass Menschen in den ausweglosesten und absurdesten Situationen für sich ihre Würde bewahren wollen. Das will ich gar nicht vertiefen und auch diesem Artikel nicht mehr Tiefe geben, als er verdient, denn es geht doch eigentlich um das Einfachste der Welt: Toiletten.

Mexikanische Toilette pour vous

Hier die erste Toilette, die ich in Mexico am Flughafen besuchte. Nein, die ist nicht ungewöhnlich spartanisch, sie ist üblich spartanisch. So sehen nahezu alle öffentlichen Toiletten aus. Mann äh also Frau bügbeugt sich über die mit Wasser gefüllte Schüssel, was zu „Rückspritzen“ und zu starken Oberschenkeln führt. Sitzen ist nahezu unmöglich, denn sie sind viel zu tief – Sauberkeit ist natürlich auch der Grund. Einziger Vorteil: Die Spülung lässt sich mit dem Fuß auslösen, so dass man nicht überflüssig viel Berührung mit dem Hebel hat; im Bild rechts zu erkennen. Schwierig sind diese Toiletten, wenn man mehr als Wasser lassen muss. Tja, schwierig.

Selten schöner Anblick einer Toilette für Gäste in einem Restaurant in USA

In Amerika werden sie „restroom“ genannt. Dass wir als Deutsche amüsiert sind, weil wir natürlich unsere menschlichen Reste der Verdauung an diesem Ort hinterlassen, muss der Amerikany nicht verstehen, aber für ihn ist es ebenso selten ein Raum zum Ausruhen und Rasten wie unsere Toiletten für uns. Je öfter ich darüber nachdenke, um so mehr spiegelt sich Wertschätzung und Respekt darin, wie die Toiletten gestaltet sind. Lasst uns beginnen, das mal näher zu untersuchen. Für mich die angenehmste Toilette auf meiner Reise in der USA fand ich bei unserem Gastgeber in Las Vegas, denn sie verfügte über eine regulierbare Popodusche, die optisch ansprechendste war diese Toilette in Brooklyn in einem kleinen veganen Café.

Straßburg – A-Hotel

Nicht jedes Bad ist so schön eingerichtet wie dieses hier aus dem A-Hotel in Straßburg, dürfte es aber, damit ich mich als Gast wohlfühle. Es zaubert sogleich ein Lächeln auf meine Lippen. Wie auch damals bei meiner Nilkreuzfahrt, als aus meiner Kleidung Schnecken gelegt wurden oder die Handtücher einen Schwan bildeten. Ich verlange ähnliches sicher nicht für meine Lehrertoiletten, aber ein bisschen davon wäre schön; 10 Prozent vielleicht.

Toilette im Chelsea Market in New York

Wenn ich allerdings an öffentliche Toiletten denke, dann denke ich bei größeren Veranstaltungen und größeren Gebäudekomplexen immer an Schlangen von Frauen vor dem Tor der Erleichterung, obwohl Kabine an Kabine zum Entlasten angeboten werden. Frauen, die ihre kurze Pause vor und in den WCs verbringen und nicht immer, um sich noch einmal schnell nach zu schminken. Kommt man in den Raum der Begierde, dann steht Kabine an Kabine, manchmal mit zu niedrigen Schüsseln, manchmal mit zu schmalen Kammern. Papier am Boden, beschmutzte Schüssel, vielleicht mit Blut verschmiert. Häufig in Amerika gab es kleine Überzieher für die Sitzfläche, die anschließend natürlich entsorgt werden muss. Müll produzieren sie mindestens doppelt so viel wie hier in Deutschland. Mir würde eine funktionierende Sprühdose mit Desinfektionsmittel genügen. Manchmal gibt es das. Corona sei dank, hängen diese Desinfektionsmittel nun häufiger bei den Spülbecken, so dass man sich das zu seinem Kloschüsselchen mitnehmen kann (auf einem Blatt Toilettenpapier). Diese kasernenartige Anordnung der Kammern sorgt wenig für eine angenehme Situation, praktikabel ist sie allemal. Die schöneren Toilettenanlagen bieten einen breiten Spülbeckenbereich, der hübsch dekoriert ist, warmes Wasser zur Wahl stellt und wo Hygieneartikel für die Frauen angeboten werden. Dafür würde ich auch gern dann mal einen Euro Trinkgeld zurücklassen.

Für die Männer: als Hygieneartikel bezeichne ich hier nicht Puder oder Deo, sondern Tampons, Slipeinlagen, Binden, Taschentücher. Das ist sehr hilfreich, weil wir Frauen manchmal von unserer Blutung überrascht werden und nichts dabei haben, um uns zu versorgen. Nichts ist so peinlich wie eine Durchblutung von Unterwäsche und Wäsche.

Die teilöffentlichen Toiletten – mein Arbeitgeber und die Klos

Viele öffentliche Toiletten allerdings sind zum Fürchten, es gehört häufig eine Nasenklammer sowie die Überwindung des Ekelgefühls zu einem Besuch dazu. Da wir Frauen nicht in der Lage sind, uns irgendwo hinzustellen und die Welt wie mit einem Gartenschlauch zu befeuchten, suchte ich mir manchmal lieber ein Stückchen Wald oder ein Gebüsch, um mich zu erleichtern. Ich lass hier mal freundlich außer acht, dass es für die Männer diese lecker Stehpissuare in der Stadt gern in der Nähe der Bahnhöfe existieren. Frauen, die wirklich aufgrund der anatomischen Gegebenheiten häufiger pinkeln müssen, einen angemessenen Platz für ihren Rest selten finden können. Dem Problem hat Rebekka Endler ein eigenes Kapitel in „Patriarchart der Dinge“ gewidmet, sehr lesenswert.

Toilette der Schule

Ist die Toilette meines Arbeitgebers öffentlich? Publikumsverkehr macht sie zumindest öffentlicher, doch wie eine öffentliche Toilette in der Stadt kann sie nicht betrachtet werden. Mein Arbeitgeber ist der geizigste überhaupt, denn er setzt die hochqualifizierten Lehrkräfte für jede Tätigkeit ein, statt ausgebildete Fachkräfte zusätzlich einzustellen, so dass sich Lehrkräfte kaum noch auf das konzentrieren können, was ihr eigentlicher Job ist. Betrachten wir die Toiletten, dann zeigen sie wenig Einsatzbereitschaft, für die Notdurft gut zu sorgen. Die Toiletten der Schülerschaft sind abstoßend: es fehlt an Toilettenpapier und es stinkt fürchterlich.

Waschbecken des Lehrerklos

Die Toiletten der Lehrerschaft sind kaum besser: aus einem Abfluss im Boden stinkt es modrig, faulig nach schlechten Eiern und anderem Unrat. Immer liegt ein widerlicher Geruch in der Luft. Die Toiletten sind schlecht mit Licht ausgestattet, auf jeden Fall ohne Hygieneartikel, vielleicht mal mit Papiertüchern, das Toilettenpapier hart, Seife ist ein Hop-on-Hop-off-Artikel. Die Schüsseln haben mal einen Sprung, sind fleckig und Wasser läuft bei einer unaufhörlich. Insgesamt bekommt diese Toilette eine schlechte Wertung. Unabhängig davon laufe ich für die Toilette durch das ganze Gebäude. Unsere Schule ist in A, B, C, G-Gebäude eingeteilt und schon ganz zu Beginn meiner Tätigkeit dachte ich, dass man besser Rollschuhe trägt, um die Wege in fünf Minuten zu schaffen. Allein im Verwaltungsgebäude (zwischen A und C) findet sich eine Gemeinschaftsdamentoilette von 5 Kabinen für ca. 60 Kolleginnen, im G-Gebäude gibt es dann ein weiteres Damenklo für eine Person nutzbar. Diese wird von Kolleginnen genutzt, die im G-Trakt unterrichten, da dieser etwas weiter weg ist. Sporthallen sind auch bestückt. Gut also, wenn man Sport unterrichtet. Ein älterer Kollege beschwerte sich bei mir, dass für die Männer noch weniger Kloschüsseln eingeplant worden waren und er manchmal ganz schön laufen muss, damit er noch rechtzeitig zur Toilette kommt.

Aber ist es nicht übertrieben, an der Schüssel der Notdurft die Wertschätzung für einen Beruf auszumachen? Ich zumindest mache die Wertschätzung meines Geldes als Gast daran fest, denn ob ich ein Restaurant wieder besuchen werde, hängt auch mit dem stillen Örtchen zusammen. Wenn ich an diesem Ort für einen Moment Frieden finden kann, nicht zehn Zentimeter über der Schüssel meine Muskeln anspannen muss, weil mein Berührungsekel zu groß ist, nicht nach Toilettenpapier umsonst Ausschau halte, die Luft nicht anhalten muss oder keine Platzangst bekomme, dann bin ich viel viel entspannter, wenn ich die Toilette verlasse.

In dem Rahmen: Wie oft verkneife ich mir lange den Besuch des WCs, weil ich Aufsicht habe, weil ich schnell in die andere Klasse muss, weil ich in einer Klasse stehe und weil ich dann irgendwie immer gebraucht werde. Gerade wegen der Regelblutungszeit ist das manchmal eine starke Herausforderung, denn mit dem Gefühl des Durchblutens vor der Klasse zu stehen, ist äußerst unangenehm.

Positive Beispiele

Ja, es gibt auch die WCs, die mir ein gutes Gefühl machen. Im La Boca zum Beispiel, wo zwar die Kabinen nicht so hübsch sind, aber das durch all den Rest wett gemacht wird: Wasserhahn von der Decke, Lichtspiel, Hygieneartikel, alter Sessel.

Damenklo der Hausbrauerei Feierling

Oder dieses Fundstück: das entdeckte ich auf dem Damenklo der Hausbrauerei Feierling in Freiburg; diese Kneipe an sich ist schon ein Kundenmagnet, aber ein Sofa auf der Toilette war für mich neu.

Ich denke auch an Toiletten mit dem Schick einer alten Fabrikhalle. Im Widance in Herne beispielsweise findet sich ein kleiner Puppenwagen aus alten Tagen auf dem Damenklo, in dem die Toilettenpapierrollen gelagert sind, ein Bild von lachenden Kindern an der Wand, eine Zeichnung eines Tangotanzpaares im Regal. Natürlich Hygieneartikel vorhanden und Handtücher, echte Handtücher, und für alle Ängstlinge auch noch Papiertücher.

Ich bilde mir zwar ein, dass ein Handtuch wenig schmutzig werden kann, durch das ABTROCKNEN von Nicht-Schwerarbeiter-Händen, die gerade mit Seife gewaschen worden waren, aber sicher irre ich mich da fürchterlich. Die „German Angst“ macht vermutlich Bakterien resistenter gegen Seife und Desinfektionsmittel. Zwar hab ich mal irgendwo gehört, dass in geringer Dosis Bakterienkontakt sinnvoll ist, damit die Immunabwehr auch Arbeit hat und sich nicht durch Allergien ihre Macht nicht gegen den eigenen Organismus richtet, aber das war schließlich vor Corona. Was mir wirklich richtig dolle Angst macht: Es gibt einen Ausdruck für „Überängstlichkeit“, die sich auf eine Volksgruppe bezieht, deren Teil ich bin, ebenso wie von der arrogantesten Tierart auf diesem Planeten, die für das größte Pflanzen- und Tiersterben verantwortlich ist, seit Meteoriten auf die Erde fallen. Ach Mist. Und dann bin ich auch noch Teil von einem Beruf, der ebenfalls für den größten Schaden in der Entwicklung des Lebens eines Menschen sorgen kann. Und nur das letzte kann ich ändern. Sicher aber nicht, dass die Toiletten angenehme Ort des Ausruhens werden.

Aber eine Frage habe ich nach alledem noch: Hochgeklappt oder geschlossen? Gibt es für den Klodeckel ein Gesetz, ein Knigge, eine einheitliche Verhaltensregel?