Welttheater – Straßentheater – Bühnen ohne

Programmheft im Retro-Look

Nach Corona, endlich auch wieder in Schwerte mit dem 29. Festival der Straße. So herrlich bunt, so berührt die Altstadt. Wer noch nicht in Schwerte war, hier im Umkreis lebt, hat sowieso eine sehr schöne Altstadt in der Nähe der Ruhr verpasst. Doch in Szene gesetzt wird die Altstadt bis zur Rohrmeisterei einmal pro Jahr am letzten Augustwochenende durch das Welttheater der Straße.

Der Auftakt mit vielleicht 15 Attraktionen ein wenig schüchtern dieses Jahr, wenig kleine Zusatzprogrammpunkte. Sehen kann man dennoch nicht alles. Schon gar nicht, wenn man so dumm ist wie ich zu glauben, dass Samstag und Sonntag haargenau gleich in Anzahl und Durchführung verlaufen. Das Programm verrät wenig. Doch obwohl ich so wenig gesehen habe, scheinen aktuell die Akteure Bühne neu zu definieren, den Raum des Spiels neu zu erfinden.

Compagnie Dyptik“ haben kleine Inseln für Gäste auf die Bühne aufgebaut und die oft jungen Zuschauys integriert, indem sie diese auf Teppichen installiert haben.

Außerdem war die Bühne wie ein typisch griechisches Theater in der Mitte erniedrigt aufgebaut (was durch die Wahl der Lage optisch begünstigt wurde). Wie eine Manege hatte sie mehrere Ebenen und Stangen dazwischen. Gesang und Tanz würde kombiniert. Worum es eigentlich genau ging, war unklar für mich, aber es war sehr eindrucksvoll, gut aufeinander abgestimmt und dynamisch. Laute stark rhythmisierte Musik begleitete das Spektakel.

Paspartout war der zweite Akt, den ich mir vollständig angesehen hatte. Schon auch, weil ich Clownerie selbst machen möchte und so die Möglichkeit habe, davon Ausschnitte im Unterricht zu zeigen. Clownerie ist nicht meins, doch das war gut gemacht. Kein blöder Klamauk, sondern gut umgesetzte Situationskomik – wenn auch gestellt. Der Elefant (mit drei Menschen im Innern) wirkte unglaublich echt mit klappernden Wimpern und wackelnden Ohren.

Der Clown hat es so gut verstanden, die Kinder zu integrieren und ihren Übermut ohne viel Aufhebens zu bremsen, denn sie wollten ständig den Elefanten streicheln. Dass er französisch gesprochen hat, war völlig egal, wenn er auch einige Worte wie „Sitz“ auf deutsch parlierte. Witzig war, als er eine Dame aus dem Publikum anwies, dem Elefanten gut zuzureden, damit er sich auf den Hocker setzte. Er bat sie, es ihm vorzumachen und sagte „sitz“ zu der Frau. Sie setzte sich auch prompt. Ich bin mir nicht sicher, ob ihr aufgegangen ist, was er damit zeigen wollte. Lustig, denn Verweigerung wäre blockieren gewesen. Selbst die Kinder reagierten auf „sitz“, wenn sie zu übermütig den Clown herausforderten.

Die Story drehte sich darum, dass der Elefant nicht machte, was er wollte, doch gleichzeitig wurde immer wieder damit gespielt, dass es kein echter Elefant war. Dennoch konnte er Bananen und Zuckerstückchen essen, Elefantenäpfel fallen lassen, Wasser verlangen und trinken und natürlich auch Wasser lassen. Auch widerwillig und listig zeigte sich der „Kleine“. Dazwischen kleine musikalische Einheiten auf der Trompete oder der Ukulele mit Tanz.

Das Ein-Personen-Stück von „Crianças“ war nicht meins, wenn ich auch die Botschaft eindeutig fand: Die Künstlys brauchen mehr Geld. Mich überzeugte die Darbietung von Anfang an nicht. Allerdings die Puppe an den Schuhen und an den Leib gebunden zum Leben zu erwecken, war wiederum ein Highlight.

Wer häufiger Gast des Welttheaters ist, weiß, dass mit dem Sonnenuntergang der Höhepunkt auf den Wiesen hinter der Rohrmeisterei wartet. Dieses Jahr war es für mich zum zweiten Mal ein ganz besonderes Vergnügen. Der krönende Abschluss war die Verwandlung des Publikums in Odysseus Meere von Theater Gajes aus den Niederlanden mit Odyssee. Zum Inhalt steht auf der Ankündigung:

Theater Gajes verwandelt die klassische Erzählung „Die Odyssee“ in eine aufwändige Platzinszenierung, ein Theatererlebnis, das alle Sinne anspricht. Das Publikum selbst wird zum Meer, durch das Odysseus auf seinem Schiff zwischen Verführungen und Gefahren navigiert, getrieben von den Intrigen der Götter.

Bevor es losging, hab ich noch einige Fuhrwerke fotografiert:

Die Helfys, die dafür sorgten, dass die Fuhrwerke passieren konnten, waren in grünen Overalls gekleidet – hier noch ein wenig Entspannung vor der Show.

Theater Gajes (welttheater-der-strasse.de)

Auf Stelzen und in höhergelegenen Fuhrwerken trieben sie durch das Publikum. Im Publikum ein aufmerkendes Raunen, sobald es losging. Unsicherheit im Gemurmel, ob die das wirklich ernst meinen mit dem „durch das Publikum“ Laufen. Und wie Ernst!

Eine Stimme aus dem Off beginnt mit tiefem Klang zu berichten, dass nach dem großen Sieg über Troja, er, Odysseus als Mann der 1000 Listen zurück zu seiner Frau Penelope will. Er betet zu Athene und bittet sie inbrünstig um ihre Unterstützung, denn Poseidon will ihn nicht über das Meer fahren lassen, ihm sei er zu listig. Poseidon, protzig als Lebemann dargestellt, braust auf einem motorisierten Fahrzeug zwischen das Publikum, er wird von lauten, rockigen Metalriffs begleitet. Ihm ist die holländische Sprache zu eigen, während zum Beispiel Athene nur englisch oder Hades italienisch spricht. Durch die Wiederholung von Odysseus wird jedoch schnell deutlich, worum es geht, so dass die Sprache keine Barriere darstellt.

Als Teil der Inszenierung musste jeder Zuschauy schnell reagieren und überall seine Augen haben, denn ganz plötzlich kam etwas von links oder von hinter einem. Die Musik war durch Podeste ebenfalls schön in Szene gesetzt und bewegte sich ebenfalls durch das Menschenmeer, allerdings bei Leibe nicht so dynamisch. Die Akteure schlüpfen immer wieder in verschiedene Rollen, nutzen dabei, dass sie vom Schiff in das Publikum abtauchen können. Manchmal sterben sie beim Kampf, weil der Zyklop sie vernichtet oder weil sie dem Gesang Zirzes verfallen. Durch entsprechende Kostüme gelingen die Wechsel für das Publikum unbemerkt, so dass man manchmal denkt, dass es sich um eine Hundertschaft an Darstellerys handeln müsse.

Die Stationen der Reise waren durchaus die klassischen wie Troja, der Zyklop, die Sirenen, Zirze, die lange Flaute, allerdings sehr modern interpretiert, knapp erzählt, so als habe man keine Zeit, weit auszuholen. Am Schluss wird das Schiff durch einen Sturm zum Kentern gebracht. Mit Hilfe einer Windmaschine, Wasser und Eis tanzen Schneeflocken in der Luft. Letztlich überlebt Odysseus auf dem Meer auf einem Stück Treibgut. Das Schlussbild ist dann, wie er sich an Land und zur wartenden Penelope schleppt, zu ihren Füssen liegt und sie beschwört, bis sie sich umarmen.

Ein wundervolles bildreiches Spektakel, musikalisch sehr ästhetisch in Bild und Ton unterstützt. Wirklich beeindruckend gut gemacht.