„Wir ernten … ernten, was wir … was wir sähen … sähen. […] Die Leute geh’n voll ab, die flippen voll aus …“
Wir hatten gestern unseren „Fanta4“-Moment, das Publikum war begeistert und alles lief wie am Schnürchen. Bis zum Schluss. Dann kam noch die Applausabfolge und mitten drin wurden wir unterbrochen. Warum hat mir keiner was gesagt, ich hätte so schön auch die Worte der Schulleiterin vorbereiten können. Wenn man nicht weiß, wie es geht, kann man auch nicht verlangen, dass es auf Anhieb gut wird. Also unser Stück war super. Zweimal. Ich hätt’s doch verdient (und vor allem nicht nur ich) und ich hätt’s gekonnt. Niemand kann ja ahnen … ahnen, keiner … keiner kann es … kann es wissen … wissen, dass sie nicht in der Lage ist, Arbeit zu würdigen, wenn es angemessen ist. Bitte, möge jemand verhindern – zu ihrem Schutz -, dass sie am Tag meines Dienstausscheidens (der nicht mehr so weit weg sein darf) – segensreiche Worte zum Abschied sprechen möchte. Ich denke, dann kann ich nicht mehr an mich halten, dann verliert sich all meine Höflichkeit, meine gute Erziehung und (er)bricht sich in meiner Zügellosigkeit in Bahnen – im Strahl. Stellt sich mir an dieser Stelle die Frage: Lernen wir nicht am meisten und auch am liebsten aus negativen Beispielen? Das war auf jeden Fall wieder ein Unikat für die Kiste: so sollte man es nie machen! Ihre Worte zuerst an die Spielerinnen und Spieler zu richten, war schon super, dann aber nicht einmal zu erwähnen, wer für das Stück verantwortlich ist, wer die technische, musikalische, organisatorische Leitung hatte, wer Regie geführt hatte, das ist mehr als armselig. Über den Rest breite sich schweigen.
„Doch wir wollen unsere Sorgen vergessen, tonnenweise Torte fressen. Bald ist alles egal, wir können uns eh nicht retten.“
Der Inhalt, bitte sehr!
Tom und Dunia, zwei Liebende in den Wirren der Schulzeit in den 80ern, suchen nach ihrer Identität. Dunia will die Welt verbessern, was ihre Eltern wohl nicht schafften. Ihr Freund scheint dem Thema Klimawandel auch gleichgültig gegenüberzustehen. Tom merkt, dass er Dunia verlieren könnte und will sie beeindrucken. Er sprüht ein Graffiti an die Schulwand. Dabei geht er ein hohes Risiko ein und wird erwischt. In Untersuchungshaft der eine, in der Ungewissheit, wie es nun mit der Liebe und dem ganzen Rest weitergehen soll, die andere leiden beide. Doch wie soll ein solches Märchen gut ausgehen? Oder gehen nicht nur Märchen am Ende gut aus?
Spoiler: Türlich geht es gut aus. Wir starten mit einem Weltuntergangssong, in der Mitte beehrt uns Peter Fox mit seinen Tipps für den letzten Tag und dann wir versöhnen uns mit dem Gedanken, dass die Welt heute noch nicht untergeht. Ja, Verantwortung ist gut und wichtig, die habe ich meinem Leben gegenüber auch. Das Leben ist ein Geschenk und ein Geschenk ist immer auch eine Aufgabe, enthält sie und führt dazu, in doppelter Hinsicht. Was für eine Sprache!
Zur Geschichte dieser Produktion:
Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums wollten wir etwas Besonderes an unserer Schule schaffen. Etwas, das uns eint, etwas, das mit unserer Schule zu tun hat, in dem Fall mit unserem Papiermotto. Was wäre besser geeignet als ein Schulmusical über die Leiden und Wirren der Schulzeit selbst?
Unser Schulmusical ist eine Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Fachbereichen mit der Unterstützung vieler Lehrkräfte, wie sie in der Form lange nicht an dieser Schule stattgefunden hatte. Ein großartiges Bühnenbild von der Kollegin Hoffmann-Pudelko, ein kleines harmloses Graffiti von Kollege Hanning, Kollege Zillich am Licht, die Lehrerband als chorische und musikalische Unterstützung. Letztlich zogen alle mit, selbst die Orga öffnete Arbeitsräume, wo vorher gar nicht dran zu denken war. Danke dafür.
Im Laufe der Produktionszeit von 1,5 Jahren mussten einige Hürden überwunden werden. Es zeigten sich neben organisatorische Fallstricke auch grundlegende Schwierigkeiten mit einem beständigen Ensemble. Gestartet sind wir mit 40 Schülerinnen und Schülern aller Jahrgänge, die mitmachen wollten. Viele aber stiegen nach kurzer Zeit aus, weil sie Schulnotenabfall oder das Verpassen von Anschlüssen befürchteten. Einsteigende und aussteigende Mitspielerinnen und Mitspieler sorgten für Rollenverschiebungen, sorgten für inhaltliche Veränderungen und Anpassungen, bis endlich dieses Ensemble von 15 Schülerinnen und Schülern die gekürzte und angepasste Version spielen konnten. Daraus gewachsen sind Freundschaften fürs Leben. Zuvor hatten wir ein Stück beabsichtigt, dass doppelt so lang gewesen wäre, dass deutlich mehr Choreografien aufgewiesen hätte. Auch musikalisch haben wir das Stück zusammengestaucht, häufig nur den Refrain gesungen.
Mein Ensemble und der Auftritt
Die Jugendlichen waren großartig, sie haben jede Menge Applaus verdient und zwar nicht nur für das Ergebnis, sondern vor allem für ihren Weg, den sie zurückgelegt haben. Sie sind mutig an ihre Grenzen gegangen, sind liebevoll miteinander umgegangen, haben sich in den Text mühsam und kämpferisch hineingekniet, Ängste und Paniken ausgehalten, haben alles gegeben und sind so gewachsen. Jeder und jede einzelne hatte in diesem Stück seinen oder ihren ganz eigenen Moment des Wachstums und des Erfolgs. Unsere Tanzmaus kann laut und kann auf den Punkt, sie kann sich zeigen und war so sichtbar. Unser Bär mit seiner Begabung, die Gruppe zusammenzuhalten und für den einzelnen da zu sein, hat niemanden aus den Augen gelassen und alle geschützt. Unser Klaviervirtuose steckte mindestens zwei weitere an, Klavierspielen lernen zu wollen. Wir hätten eine Kamera auf das Klavier stecken sollen, damit man sieht, dass er selbst spielt. Die Eifrige von allen, die immer alles für alle am Start hatte, immer auf den Punkt, immer dabei. So eine tolle Ausstrahlung hat unsere Schüchterne. Niemand sieht es ihr an und sie hat sich getraut, sie konnte sich zeigen. Die Entwicklung von zwei oder drei weiteren Mädchen, die so anders im Unterricht waren und dann ihr Spiel auf der Bühne. Dieser Eifer und diese Hingabe. Was war es Arbeit, dass die beiden Hauptdarsteller einen Weg fanden, Nähe zu spielen. Nun, hinter der Bühne plötzlich zeigt sich, dass sie sich was zu geben haben. Nein, sie sind keineswegs verliebt ineinander, aber sie können es heute spielen. Die vielen kleinen Momente vor dem Spiegel, hinter der Bühne. Es ist ein Geschenk.
Bei mir stellt sich das Gefühl von Stolz und Liebe ein. Das und genau das will ich. Ich möchte Jugendliche dazu bringen, dass sie über sich hinauswachsen und für sich kleine Erfolge haben, die ihnen niemand wegnehmen kann. Denke ich an meine Schulzeit zurück, dann erscheint mir dieser Moment, als ich auf die Bühne gehen musste und das Theaterstück in vor meinem geistigen Auge.
Das Ende und die Reflexion
Gewürdigt wurden wir. Die Jugendlichen waren begeistert und haben sich bedankt für diese Arbeit. Was sollte ich mehr wollen? Kolleginnen und Kollegen waren entzündet und stolz auf die Kids. Ich muss sagen, dafür tue ich das. Auch wenn ich zugegeben gerne höre, dass ich etwas gut oder toll oder schön oder besonders gemacht habe, weiß ich schließlich, dass da nur meine Eitelkeit gestreichelt werden will. Noch mehr will ich meine Begeisterung für die Jugendlichen teilen, für das, was ich mit ihnen erlebt habe.
Am Ende gibt es einige organisatorischen Dinge, die ich im nächsten Durchlauf anders händeln würde. Auch der Ablauf und die Probenzeiten müssten anders für die Spielenden eingebettet sein. Unverändert möchte ich meine Spielgruppe lassen. Ich möchte diese 15 jungen Menschen nehmen und das nächste Stück mit ihnen planen und dann vielleicht noch eines, diesmal mit noch mehr Tanz und mit mehr Hauptrollen und noch mehr Gesang und mehr Instrumenten … Ich hätte Lust …
… da klopft schon das nächste Projekt: „Der zerbrochene Krug“ …
… Immer ist ja irgendwas.