Fundstück der Woche – auf der Suche nach einem Verlag

Besonders schön der Satz: „Den Duden gibt es auch als Buch.“ Hier hätte ich mir ein „jetzt“ dazwischen gewünscht. Ich bin sicher, meine Schüler und Schülerinnen aus der jüngsten Zeit schicken ihre Texte dorthin – alle. Ich könnte niederknien vor diesen Sätzen. [Ähm, ich mach das mit dem Gendern übrigens jetzt mal etwas einfacher und damit lesbarer. Für Infos bitte diese 10 Min opfern: (13) Genderneutrale Sprache? So einfach geht’s (Thomas Kronschläger – Science Slam) – YouTube]

Denke ich doch gerade an meine zwei 10er Schülys (beiderlei Geschlechts), die ein Gutachten für ein Stipendium von mir wollen, weil sie so herausragende Noten haben. Das Wort „herausragend“ ist hier auffällig, liebe Freundys. Ein Notenschnitt von 1,5 (also einsen und zweien) sei herausragend zu nennen? An einer Gesamtschule? An dieser Gesamtschule wohl gemerkt. Puh. Ich fragte die zwei, ob sie noch irgendwas außer dem Notenschnitt vorweisen können, irgendeinen sozialen Einsatz, irgendwas Tolles, irgendein Projekt. Nö. Ich musste mich bemühen, ernst zu bleiben. Ich habe ihnen erklärt, dass sie mir das mal vorformulieren sollen. Dabei flatterte Folgendes in mein Schulmailfach:

„Ich denke das ich eine führende Rolle in Gruppen arbeiten übernehmen und oft erwachsen und Verantwortungsvoll Handel in der Schule. Sonst keine Ahnung was sie reinschreiben können….“

(Mail an mich – genau so)

Wow. Herausragende Leistungen und einen Satz fehlerfrei Formulieren scheitert. Diskutieren wir an dieser Stelle nicht das Verhalten des Schreibys. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Selbsteinschätzung nicht annähernd an die Wirklichkeit heranreicht, diese Heiligen.

Meine Tochter hatte ein Vorstellungsgespräch und Praktikumsplatz nur deswegen bekommen, weil der Professor den genialen Menschen kennenlernen wollte, der heutzutage noch eine fehlerfreie Bewerbung schreiben konnte. Das war vor acht Jahren! Und was mein Partner an Bewerbungstexten zugesendet bekommt, daraus könnte man eine Bühnenshow machen. Ich befürchte aber, bald gibt es niemanden mehr, der diese Sprachwitze verstehen würde, denn es setzt sich immer mehr durch, dass für Bewerbungen genauso wenig gute Noten nötig sind wie eine fehlerfrei Ansprache.

Sucht man jemandy für eine Ausbildungsstelle, der/die vielleicht doch noch ein bisschen was kann, muss man inzwischen im Verhalten, im korrekten Sprachgebrauch und in Grundwissen nachschulen, damit es für die Ausbildung reicht. Liegt das an den unfähigen Lehrys? Liegt es an den bösen Medien? Liegt es an diesem Schulsystem?

Woran liegt es? Die Lehrys – meine Kollegys – sind sicher alles, aber nicht schuld. Mitbeteiligt bestimmt, aber weder die Ursache, noch der Motor. Sicher, sicher: Mangel an Konsequenzen, Angst vor Widerrufen, Desinteresse an endlosen Diskussionen. Bestimmt trifft auch zu, was eine Kollegin neulich zu mir sagte, dass vom Schnitt der Klasse die Cleveren von den weniger Beschenkten auch trotz mangelnden Einsatz und mangelnder Leistungsbereitschaft profitieren und so zur Möglichkeit eines Abiturs getragen werden, wenngleich es an Fähigkeiten dazu mangelt. Dadurch verwässert das gesamte Leistungsbild erheblich. Andererseits wird das Lehry durch die Form des Unterrichtsalltags mürbe wie Teig.

Beschreibe ich also mal eine sehr typische Situation aus meinem Alltag, die pars pro toto die allgemeine Situation an Schulen erklären mag. Vorab: Meine Schülys sind natürlich nicht respektlos und natürlich beleidigen sie mich als Lehrkraft nie, Tonfall ist höflich und zurückhaltend; sie sind Schafe, die zu Unrecht für Wölfe oder irgend sowas gehalten werden. Engel allesamt. Zumindest denken sie es von sich – und zwar mit Überzeugung.

Praktische Philosophie, Stufe 10, Freitag 4. und 5. Stunde in Dortmund: Ich greife mir eine leere durchsichtige Kiste und lasse alle Handys ausschalten und dort hineinlegen. Protest. „Warum?“, „Was soll das jetzt?“, „Das dürfen Sie nicht!“, „Das ist mein Handy!“, „Schreiben wir einen Test?“, „Was hab ich gemacht?“, „Sind Sie dumm, oder was?“, „Dazu haben Sie kein Recht!“ (Erstmal: JA, das des Hausrechts, alle Schülys müssen die Hausordnung lesen und unterschreiben. Darunter auch der Passus, dass die Lehrkraft das Recht hat, die Handys einzusammeln, wenn sie es für erforderlich hält.) Es dauerte 10 Minuten, die Handys am Anfang der Doppelstunde von allen einzusammeln. Von allen. Meines lag auch drin. Danach erklärte ich, dass wir mal ohne diese Dinger in der Tasche schauen können, ob wir uns besser konzentrieren. Danach erklärte ich, dass ich eigentlich nicht erklären muss, wieso ich sie einsammle und danach erklärte ich, dass dieser Protest und die Angriffe gegen mich als Aggressorin (in ihren Augen) nur zeigt, wie abhängig wir alle von diesen Dingern sind. Wieso erklärte ich das denn bloß erst danach? Ganz einfach, vorher war der allgemeine Lärmpegel so hoch, dass ich mich kaum mit meiner Stimme hätte durchsetzen können (und wollen – ich habe schließlich nur die eine). Als ich ihnen das sagte, meinten sie, sie hätten sich völlig normal verhalten und sie haben ja auch das Recht, was zu sagen, sich zu wehren. Der Unterschied von WAS und WIE ist ihnen nicht klar. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sie nach der Schulzeit, also nach 13 Jahren , für ihr respektive unser Durchhaltevermögen ein Abitur erhalten.

Aber was zeigt das? Wir Lehrys kämpfen an einer Front, an der es um Basiseinheiten des Verhaltens und des Miteinanders geht. Dass für den Rest oft zu wenig Zeit bleibt, wenn man auch noch irgendwie bemüht ist, Inhalte zu vermitteln, ist selbsterklärend. Ich befasse mich seit 6 Unterrichtsstunden in der Stufe 8 im Deutschunterricht mit sechs Stilmitteln. Sechs! Unterrichtsziel: sie sollen diese sechs Stilmittel in einem Text finden, erklären und ihre Wirkung bestimmen können. Eigentlich mache ich nur mit fünf Schülys Unterricht, die anderen malen die Buchstaben an. Oh, es geht um Basiselemente: Personifikation (nicht ganz leicht), Metapher (wirklich schwer), Vergleich (geht), Ironie (hohe Schule), rhetorische Frage (sehr schwierig) und Klimax (jaja, das ist wirklich nicht so einfach). Fünf Schülys höchstens versuchen zu verstehen, der Rest interessiert sich für die Inhalte meist sowieso nicht. Keine Frage, das müssen auch Gymnasiastys erst mal verdauen, doch dafür verschwende ich nicht so viele Stunden und ich muss mich nicht zwischendurch aufhalten mit: „Hol mal endlich dein Heft raus und schreib das ab!“ oder „Lass XY in Ruhe, du sollst das abschreiben!“, „Wirklich alles!“ auch nicht mit „Einfach, weil ich es sage! DU musst das in der Klassenarbeit können!“ oder „In jedem Text kommen Stilmittel vor, du solltest die wichtigsten erkennen und auch interpretieren können.“

Ich höre schon, du denkst, vielleicht sollte der Unterricht kreativer sein? Wer mag so trockenen Unterricht? Der Stoff ist langweilig und niemand interessiert das? Ja, sehe ich genauso. Ich habe im gleichen Kurs ein Langzeitprojekt zur Produktion eines Krimis am Laufen, sie sollen einen Krimi verfassen oder als Fotostory entwickeln. Sie haben unterschiedlich spannende Plots entwickelt und nun geht es in die Schreibphase. Die Stilmittel dienen (abgesehen von der nächsten Klassenarbeit) dazu, diese als Spannungssteigerung einzusetzen – gezielt.

Stilmittel erwähnt der Verlag pmaschinery nicht. Dafür das aber:

Anforderungen an Manuskripte – p.machinery – (pmachinery.de)

Süß wirklich, ich sehe im Geiste meine Schülys dort ihre kreativen und innovativen Texte hinschicken. Im PC-Raum, wenn sie mal einen Text abtippen sollen und eine möglichst große Schrift nutzen, verschnörkelt und unlesbar, damit es nach „mehr“ und nach „schön“ aussieht und wenn sie diese Formatierungen nicht rückgängig machen können, meine Digit-Natives, weil sie keine Ahnung haben, was im Hintergrund passiert. Jahrgangsstufe 12 (ca. 18 Jahre alt) völlig überfordert von den Möglichkeiten eines Programms wie Word. Die Generation, die Videofilme auf YouTube rauf und runter guckt, Serien streamt, die aber kein Tutorial passend für ihre PC-Fragen aufrufen kann, um sich dann Schritt für Schritt erklären zu lassen, wie man selbständig (ich weiß, es heißt jetzt selbstständig, aber ich finde das alte selbständig schöner) Veränderungen vornehmen kann. Meine Kinder? Sie sind Königys in ihrer Generation. Kann ja keiner mehr was.

Und dann denke ich, ich müsste bei einem solchen Verlag oder bei jedem sofort punkten:

  • Rechtschreibung = check
  • Satzbau = check
  • Storyaufbau = check
  • Dateiformate = check
  • Gezieltes Anschreiben = check
  • Ansprechende Geschichte = check.

Ironisch gedacht, könnte es natürlich sein, dass die Erfahrung alle Verlage lehrte, dass das Land der ehemals Dichter und Denker inzwischen ausgebrannt ist und man sich nur fremdländische Literatur in die Läden holen sollte, dann ist die Ausbeute besser. Natürlich, da kann ich auch als deutsche Pflanze nicht so viel reißen. Vielleicht dauert es nicht mehr lange, und Verlage lassen eine KI dran, die die Texte produziert: Was ist GPT-3 und spricht das Modell Deutsch? – Lernen Wie Maschinen (lernen-wie-maschinen.ai)

Gut, da ist einiges dran: der Verlag verdient nicht so viel an einem Buch, wie man glauben möchte, der größte Batzen geht wohl an den Buchhandel. Ein fremdländisches Buch respektive ein Roman bedeutet zwar noch Vermarktung und Übersetzung, aber die Kosten und das Risiko sind überschaubar, denn das Buch ist zumindest lektoriert und schon auf dem ausländischen Markt erprobt. Ich habe noch keine nennenswerte Veröffentlichung und auf mich und meine von mir fabrizierten Wortketten wartet keiner.

Sowieso steigt das Risiko, mit meinem aktuellen Roman bei einem konventionellen Verlag zu landen: zu lang (mindestens dreimal so viel, wie ein Erstling lang sein sollte), falsches Genre (Science Fiktion hat in konventionellen Verlagen wenig Lobby), mit der falschen Zielgruppe (Frauen lesen keine SF-Literatur) , dann auch noch so was Experimentelles (zwei Erzähler parallel) und zuletzt das Thema (Pandemie – wirklich jetzt?).

Tja, wie bewege ich einen Verleger dazu, trotzdem durch dieses Fernrohr zu schauen, um die Wahrheit zu erkennen? Die eine Wahrheit, so war mit Gotty helfe!

Ich hoffe, dass Steven King recht behält: Gute Literatur setzt sich durch. Ich meine, aus seiner Sicht hat er damit auf jeden Fall Recht: Entweder wird etwas (wie seine Texte) veröffentlicht und sie sind damit gut oder sie werden nicht veröffentlicht (wie nicht-seine Texte), dann sind sie es nicht wert. Aus meiner Perspektive aber betrachtet: Meine Texte sind gut, nicht aber veröffentlicht. Kein Verlag, keine Agentur hat bislang „HIER“ geschrien. Und ehrlich gesagt, vor allem nach dieser oben genannten Darbietung, hätte ich damit gerechnet. Zumindest ein kleiner Verlag, so ein winziger.

Nichts.

Statt dessen schon vier Absagen.

Sonst Stille.

Und das bei meiner Ungeduld.

Und meiner Eitelkeit.

Politiker:innen so inkonsequent wie Eltern – Maßnahmen müssen auch mal durchgesetzt werden, wenn sie weh tun!

Welche Mama oder welcher Papa weiß es nicht: der Schnulli muss spätestens zur Einschulung auf den Schnulli-Friedhof, sonst kommt der ja gar nicht in den Himmel. Aber es tut doch so weh, das liebgewonnene Beruhigungsmittel aufzugeben. Mama, gib mir meinen Schnulli zurück. Papi, hast du mich nicht mehr lieb?

Und wie sind wir Erwachsene? Also wir wollen auch unseren Schnulli behalten! *stampf. Na gut, wir können das mit Argumenten und Forderungen belegen.

„Ich brauch mein Auto für die Arbeit!“

„Wie soll ich sonst die ganzen Konsum-güter nach Hause schaffen?“

„Ich hab immer so viele Unterlagen, die ich transpor-tieren muss!“

„Nur mit dem Auto kann ich flexibel so viel Zeug regeln, sonst hab ich nicht genug Zeit für alles.“

„Ich brauch das Gefühl von Freiheit vor der Tür!“

Die blöden Politiker (vielleicht auch die weiblichen) verstehen das nicht und machen alles böse teuer. Wenn die Politikerinnen und Politiker in der Lage wären, wie Eltern an den Stellen konsequent zu sein, an denen es erforderlich ist, dann wären die Benzinpreise schon doppelt so hoch, dann würden Lehrkräfte nur noch ortsnah arbeiten (meine Schule liegt 36 km von meinem Wohnort entfernt), dann wären Inlandflüge verboten und die Bahnfahrt kostete in jedes europäische Land weniger als der Flug in selbiges, dann würde das stehende Auto nicht mehr so viel kosten und die Steuern für Familien mit mehreren Autos in einem Haushalt würden höher ausfallen, als für Familien mit nur einem Auto, dann hätte es die E-Auto-Vergünstigung nicht gegeben, sondern das preiswerte Bahnticket für größere Familien und das Stadtbahnticket für einen Euro. Aber das Auto ist unser dickstes Baby, die große Freiheit Nummer sieben.

„Vielleicht brauche ich es nicht, aber ich möchte es vor der Tür stehen haben, weil ich es benutzen könnte.“

Könnte genügt. Könnte ist gut, könnte ist richtig. Schau ich raus und sehe dort auf der Straße, Blech an Blech stehen statt Kinder spielen, sehe ich Bürgersteige statt Platz für Bürger, dann möchte ich die Freiheit ankotzen, die uns das Auto beschert. Im Strahl.

Freiheit durch Blech?

Statt nun den bockenden kleinen Kindern die Schokolade ganz inkonsequent zu geben – oder uns Erwachsenen einen Steuererlass auf Benzin -, müssen die Eltern in den Dialog gehen. Klar, erst der Schnulli (Corona mit Ausgangsverbot) weg, dann noch keine Schokolade (Kein Auto fahren?) und als Ersatz gibt es nur Obst (Bahnfahren und Fahrrad?)? Hart für die kleinen Menschen. Aber als Mama kann ich es erklären und ich kann das arme kleine Menschlein trösten, es für seine Tapferkeit loben und ihm Mut zu sprechen. Ich kann auch den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass das Zeitalter des Autos – wie wir es so lieben – angezählt ist, ebenso wie das fröhliche bunte Reisen durch die Welt (und das sag ich!). Als Politiker oder Politikerin kann ich mich hinstellen und sagen, dass die Erhöhung eigentlich längst überfällig war, dass man allmählich nach alternativen Transportmitteln Ausschau halten muss und nun die Aufgabe der Kommunen ist, das öffentliche Verkehrsnetz schnell auszubauen, attraktiver zu gestalten und etwas mehr Komfort anzubieten. Ich kann Akuthilfe für schwachverdienende Bürger und Bürgerinnen anbieten – die 9€-Monatskarte ist ein starker Anfang. Außerdem muss Homeoffice eine wichtige Größe werden, die den Menschentransport hinfällig macht. Ein Schritt zurück ist das Autosüchtelchen mit Schoki äh Steuererlass auf Benzin zu belohnen. UND auch Erdgas kostet gerade böse was mehr (also, was ich fahre), in RE zurzeit 2,99 € ein Kilo (meiner tankt 12 kg für ca. 400 km Leistung).

Oh ja, ich weiß, ich fahre täglich 36 km hin und zurück zur Arbeit, hasse das Bahnfahren kolossal und verbinde gern 20 oder 30 Dinge auf dem Weg. Von der Schule an der Post vorbei zur Physio, danach einen Yoga-Studio-Step und dann einkaufen, bevor ich nach Hause fahre. Mein ganz normaler Wahnsinn am Donnerstag. Aber, was wäre, wenn es nicht mehr ginge? Wenn sich das nicht mehr rechnete? Und was würde ich tun, wenn ich nicht mehr mit dem Auto fahren könnte? Wie würde ich mich organisieren?

Wir glauben – und das ist eine sehr schräge kindliche oder kindische (bei Erwachsenen) Annahme – dass wir Rechte auf Urlaub haben, dass wir uns was gönnen dürfen, doch Luxus trägt den Sammelbegriff „Luxus“, weil es was Besonderes ist. Ich gehöre bestimmt zu den Privilegierten, denn ich habe sehr schöne Reisen hinter mir, doch andererseits habe ich auch Jahre lang verzichtet, weil es eben nicht so selbstverständlich ist.

Seit wann sind wir eigentlich der Ansicht, „Ich zuerst“ ist fair? Wieso hat Langfristigkeit, Warten, Sparen, Ausdauer und Geduld keine Bedeutung mehr? Wieso adelt das nicht mehr einen Charakter? Wieso sind wir so eine Ausgeburt verwöhnter Gören? Wie unsere Kinder.

Nein, ich bin kein besserer Öko, auch wenn ich Bio-Eier esse, wenn ich auf Fleisch verzichte, wenn ich Erdgas statt Benzin verbrennen lasse, wenn ich vor allem Geld in die Bildung und so Zeug investiere. Mein Öko-Fuß ist auch viel zu groß. Doch statt mit dem Finger auf den größeren Buhmann zu zeigen (ich gendere das mal nicht!), müssten wir nicht Kraft unserer Intelligenz gemeinsam Schritte für eine Ent-Bequemlichkeitshaltung erarbeiten, statt zu warten, bis es noch schlimmer ist und gar nicht anders geht, als zu verzichten!

Aber, was sag ich! Ich spreche ja von Menschen, die lernen erst dazu und sind bereit, auf Bequemlichkeit zu verzichten, wenn es wirklich nicht anders geht. Solange dann jammern, bis … Ja, vielleicht hilft das Quengeln wie bei unseren Kindern.


„Und ich sach noch: Es gibbet nix aus der Kinderquengelecke – aber nein, Heinzchen musste ja die Ü-Eier unbedingt kaufen. Nu ham we den Salat.“

Die Agentur und das Exposé

Meine Logline: Als die letzten Männer nur noch in Frauenkleidern versteckt auf die Straße gehen können, entscheidet eine Ärztin, ob die Männer noch zu retten sind.

Ich habe 13 Agenturen und Verlage angeschrieben und jede Mail fühlte sich wie das Ausbrüten eines Eis an. Für die Henne sicher aufregend, ein Ei zu bebrüten, Tag für Tag, während ich aktuell mit 3 verschiedenen Exposés jongliere und mir einen Spaß daraus zu machen versuche, dass es ein Experiment sei, welches wohl Erfolg bringen könnte. Bringt denn eines Erfolg? Ich habe in den letzten Tagen NUR 13 Agenturen angeschrieben, nicht mehr und nicht weniger. Wenn man aber eine Agentur anschreibt mit dem Wissen, nie wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen, wenn man den Empfänger der Mail nicht direkt erreicht, dann …

Jede Mail ausgebrütet. Während dessen bestimmt auch acht Mal die Leseprobe gelesen und korrigiert. Hier ein Wort, da ein anderer Satz und noch einen Rechtschreibfehler gefunden und da versteckte sich noch ein winziges Detail.

Und jede Agentur will was anderes: Hier mal ein Fragebogen, dort 30, hier 10 Manuskriptseiten (ca. 1800 Zeichen pro Seite), eine Kurzzusammenfassung und ein Exposé und einen Klappentext, dann wieder nur 1 Seite zum Inhalt. Da kann man brüten und brüten.
Ein Hauch Tarantino-Genie hätt ich gern – ein winzigen Hauch. Meine Ausfahrt „Film“ liegt noch etwas in der Zukunft, aber „träumen wird man ja wohl noch dürfen, junges Fräulein.“

Die feministische Near-by-Dystopie erzählt – nach einer großen Katastrophe – aus zwei Ich-Erzähler-Perspektiven von der Umbruchphase der Gesellschaft, die sich in eine mono-geschlechtliche Gesellschaft verwandelt.
Jacek erzählt „Unten“ in passageweisem, philosophisch-essayistischem Präteritum in Form eines Prosatagebuch, während Anna „Oben“ in kurzen, verknappten in Präsenz verfassten Berichten das aktuelle Geschehen sowie ihre Forschung kommentiert und dokumentiert.

(Auszug aus meinem Exposé III)

Klingt das danach, dass man weiterlesen will? Ich meine, es klingt wie eine technische Erklärung, wenig interessant. Wie aber fängt man seinen Leser ein, wenn man ihn nicht kennt, wenn man nicht weiß, welche Interessen er oder sie hat, wenn man keine Infos hat, aber ihn dringend mit den ersten zwei Sätzen für sich gewinnen muss? Ich hab’s versucht, die Homepage gedeutet, die Tonalität, den kritischen oder fröhlichen Ton, mit dem sich Agenturen über unverlangte Manuskripte äußern. Ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge, den Agenten oder Verleger, wie er am Strand Stein für Stein lüpft und zur Seite wirft, weil er darauf hofft, einen Bernstein zu finden. Wie er schon Stunde um Stunde und Tag um Tag Steine umdreht, hochhebt und manchmal sogar denkt, dass doch bitte da irgendwo auch etwas Bernstein drin sein könnte. Natürlich weiß er, dass da kein Bernstein im Stein sein kann, nur daran. Ist ja Harz. Aber er wünscht sich so sehr und ist es gleichzeitig müde.

Einfach nur eine Mail schicken, alle Agenturen mit Leseproben und Exposés beregnen… Ich bin kein geduldiger Mensch.

Plötzlich hat sich die Welt verändert, als ein Virus, der als Schläfervirus in die Geschichte eingehen wird, nahezu alle Männer innerhalb weniger Wochen und Monate weltweit auslöscht. Frauen kämpfen um ihre Männer, die Versorgung und die Vermeidung von Seuchen. Börse, Banken schließen, das weltweite Wirtschaftssystem bricht zusammen. In Deutschland wird der Notstand ausgerufen, jedes Bundesland erhält Länderhoheit, nachkriegsähnliche Zustände wie fehlende Nahrungsmittel, fehlende Arbeitskräfte und zahlreiche Tote überall bestimmen den Alltag. Ängste, Hunger sowie Ausweglosigkeit führen zu vielen kollektiv organisierten Selbstmorden.

Politisch setzt sich eine Fraktion durch, die bei den letzten Bundestagswahlen als feminstisch-faschistische Partei gerade in die 5%-Hürde genommen hatte, die belächelt worden war, weil sie nur aus Frauen bestand. Eine scheinbar kleine Gruppe organisierter junger Frauen sucht gezielt nach Überlebenden, um sie zu töten, während andere Gruppierungen nicht aufhören, Trauergesang anzustimmen. Wieder andere sehen darin ein Zeichen Gottes, füllen sich erlöst, während weltweit die Ärztinnen immer weniger Hoffnung haben, rechtzeitig ein Heilmittel zu finden.

Auch aus diesem Exposé III

Ich muss übrigens sagen, dass meine ganze Ironie, die ich in der Corona-Krise immer wieder aus Pietätsgründen höchstens privat äußern durfte, hier hab einfließen lassen. Mir hat es so viel Spaß gemacht, dass humoristisch zu überzeichnen, auch im Roman kommt das immer wieder durch. Bist du interessiert an der Geschichte? Würde dir das reichen, um meinem Manuskript Raum zu geben? Der ganze Rest meines Exposés … hier ist er:

Als der Mann, JACEK KOWALSKI (55), Ehemann der Gynäkologin ANNA KOWALSKI (53) einer der wenigen Überlebenden ist, glaubt die Ärztin, ein Impfstoff oder Heilmittel finden zu können und sucht gezielt nach weiteren Überlebenden, die sie gemeinsam sechzig Tage mit ihrem Mann im stillgelegten Bergwerkstollen versteckt. Die Männer willigen ein, weil sie hoffen, dass Anna auch ein Mittel gegen die Unfruchtbarkeit findet und ihr Versprechen auf Versorgung einlöst. Jacek soll die Verwaltung und Logistik übernehmen.

Untersuchungen, Gespräche, Tests bestimmen den Alltag. Kleine Dinge wie Lebensmittelbeschaffung, Schlachtung von Zuchtvieh, Müllentsorgung werden zu großen. Abendgespräche, Nachrichten vom Tage füllen den Abend. Warten und die Zeit des Wartens Überbrücken werden somit zum Hauptthema im Stollen. Den Höhepunkt erreicht das Warten mit der Inszenierung von Beckets „Warten auf Godot“ durch zwei ältere Herren der Männergruppe.

Anna lebt fortan ein Leben zwischen Stollen, Krankenhaus und weiteren Verpflichtungen, dass ihr jede Zeit zum Nachdenken oder zur Ruhe nimmt. Die Zeit rennt währenddessen den Männern davon, denn wie lange kann ein Impfstoff noch von Nutzen sein, wenn immer weniger Männer in der Bevölkerung sind? Und was passiert mit den Männern im Stollen, wenn das Warten und der Ausgang des Wartens ungewiss sind? Nicht zuletzt, was wird aus der Beziehung zwischen Mann und Frau in diesem allumfassenden Umbruch?

Was ist, wenn die Frauen so überzählig werden, dass sie alles, was an den Mann erinnerte, ausradieren, umgestalten und umwerten? Wohin wird sich die Gesellschaft entwickeln, wenn der Impfstoff nur noch die Jungen retten kann, die noch nicht in der Pubertät sind und damit fünfzehn oder zwanzig Jahre lang keine erwachsenen und reifen Männer unter den Frauen leben? Wie sähe eine weibliche Welt aus? Wäre sie gerechter? Hätten die wenigen verbliebenen Männer eine Chance zu überleben? Würde sich die Dualität in eine Diversität auflösen? Können wir Menschen die Polarität zwischen Dominanz und Unterwerfung überwinden?

Am Ende des Romans ist der Impfstoff zwar gefunden, aber das bietet nun keine Lösung mehr, denn die Welt, wie sie vor dem Ausbruch des Virus existiert hatte, ist verloren. Die Männer ziehen sich in den Norden Deutschlands zurück, während Anna in dem neu gegründeten Frauenstaat Oya bleibt.

Dies ist der erste Teil einer fünfteiligen Handlung, die die Entwicklung der Welt nach dieser Katastrophe erzählt,  bis sie in der vierten oder fünften Generation überwunden werden kann.

Sag, würdest du das lesen wollen oder ist dir das zu viel oder zu schwierig?

Schritttempo – Denkprozesse – Ausstieg und ein Einstieg

Der große Ausstieg. Vielleicht ist es am Ende ganz lautlos, klein und im Rückblick simpel und einfach. Mir scheint es so gewaltig – lange Schatten im Voraus, weil ich weg will.

Ich will reisen und das tun, was ich will.

Gott, ich Privilegierte.

Zerbrechlichkeit der Pläne in dieser Zeit … und doch, ändern muss ich unbedingt etwas. Ich brauche den Raum für das Schreiben. Ich habe es mir versprochen.

Wenn mich der Mut verlässt? Der Mut? Mich verlassen? Wie soll das gehen? Ängste haben doch noch nie mein Leben bestimmt – oder doch? Hoffe ich doch gar darauf, dass eines meiner Kinder Kinder bekommt und mich abhält, eine der waghalsigen Ideen in Taten einzulösen: Mit der Transsibirische Eisenbahn nach Asien; in Italien (vielleicht Sizilien) leben und schreiben; durch Deutschland zu touren – Theaterkurse, Schreibkurse und Housesitting für die Freiheit des Schreibens.

Die Zeit bis zum Ausstieg läuft an, zählbar in Tagen: Das Schuljahr bis zu den Sommerferien (133 Tage), dann noch drei Schuljahre. Überschaubarkeit der verbleibenden Zeit: ein Leistungskurs, drei Literaturkurse, eine halbe Klassenleitung, sogar die Konferenzen sind zählbar. Das allein klingt, als hätte ich Haftlockerungen. Wie oft soll ich sagen, dass nicht der Unterricht das Problem ist, sondern der ganze Rest: morgen zur anderen Schule, weil meine Schüler kleinen Grundschulkindern Angst gemacht haben (vielleicht); ein anderer meiner Schule löste letzte Woche Feueralarm aus; ein Schüler schubst mich (aus versehen), weil ihm nicht gefallen hat, dass ich ihm den Ball abgenommen habe, mit dem er auf dem Flur spielte. Ach, das sind nur so ein paar Schlaglichter, falsch „Schlaglöcher“. Diese Ereignisse erschweren den schleppenden Gang im Unterricht unermesslich. Diskussionen in jeder Stunde, ob man denn überhaupt was lerne! Seitens der Schüler und Schülerinnen wenig Einsatz für irgendwas. Meiner letzten Rettung beraubt, kann ich nicht einmal mehr aus Theaterkursen die nützliche Erkenntnis ziehen, dass sie gar nicht unwillig nur verhindert sind, diese Jugendlichen, diese SchülerInnen. Korrekturen, Frechheiten, Maßlosigkeiten … Natürlich müssen Jugendliche frech, ausfallend, maßlos und anspruchsvoll sein – aber ich habe genug davon gehabt. Mir reicht das jetzt. Ich habe nicht die Größe wie andere Lehrkräfte, darüber zu stehen. Wofür auch? Das ist mein Leben und ich will es zurück, ich will mich nicht permanent für dämliche Richtlinien verbiegen; Dinge lehren, deren Sinn ich nicht erkennen kann; Menschen etwas antun, was sie ein Leben lang beschäftigt, nur weil mein Arbeitgeber keine bessere Idee hat, als als Leistungsüberprüfung Noten zu verlangen; weil die Gesellschaft keine bessere Idee hat, als Noten als Vergleichswert anzuerkennen – trotz aller gegenteiliger Erkenntnis, wie unfruchtbar das ist.

Ich will mein Leben zurück. Ja, das, als ich noch selbst Inhalte meines Denkens bestimmen konnte. Als ich noch meine moralischen Werte vertreten durfte und konnte.

Wenn ich was bewegen könnte – hätte ich was gesagt? Würde ich klagen, wenn ich wirklich was bewegen könnte, was verändern könnte? Kann ich? Lächerlich! Ich kritisiere die Form der Schule: Noten, Unterrichtszeiten, Unterrichtsfächer, Raum, in dem das, was wir Schule kennen, stattfindet, die Regeln, die für das gelten, was wir „Schule“ nennen (Essenszeiten, Arbeitszeiten, Pausezeiten, Klozeiten … alles so unmenschlich festgelegt). Schon das Wort „Schule“ vergiftet jeden Kontext, in dem Lernen stattfinden soll oder kann oder darf.

Aber zurück zum Ausstieg – ich entschuldige mich für diese Emotionalität — ich wollte nur mal klarstellen, dass ich keine Flusen oder Fussel oder Flausen im Kopf habe, weswegen ich meinen Beamtenstatus aufgeben will.

Lucy wird in zwei Jahren und drei Monaten fertig sein. Dann plane ich den Auszug aus dieser Wohnung. Zwar will Diondra bis dahin noch hier wohnen, doch auch sie muss dann weichen. Wohin ist noch unklar. Falls sie hier bleiben will, müsste sie eine WG gründen und das kann sie sich in dieser Wohnung nicht gut leisten – die Schlafräume sind schlichtweg zu klein. Ich möchte zu meiner Freundin ziehen, um unser beider Ressourcen (einmal Strom, einmal Gas, einmal Telefon) zu schonen und um für den Aufbruch eine Reserve zu haben. Lucy will reisen (woher hat sie das bloss?) und ihre Sachen beim Vater unterstellen – der davon noch nicht weiß. Tja, da gibt es Dinge in dieser Wohnung, die ich selbst unterstellen müsste, die ich verkaufen oder loswerden müsste: Möbel, Bilder, Bücher, Akten. Und ich weiß nicht, für welchen Zeitraum. Das ist noch so offen.

Meine Pläne sind vielfältig, was die Zeit nach dem Ausstieg sowie die Vorbereitung darauf betrifft:

„Denken lernen in einer fremden Sprache“ – ein langfristiges Projekt, dass eine Mischung aus populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher empirischer Untersuchung des Erwerbs einer zweiten Sprache sein soll. Ich verfasse während des Lernens der italienischen Sprache Erfahrungsberichte zum Lernprozess. Ziel ist das Denken in der fremden Sprache. Dafür muss ich in Italien leben, wenn ich meinen Job aufgegeben habe. Es gibt Ideen und Optionen: Evtl. gibt es Finanzierungsmöglichkeiten über das Goethe-Institut — mal fahnden. Könnte sein, dass ich dafür ein Exposé bräuchte.

„Wie wollen wir leben? – Kleinfamilie als gesellschaftlicher Tod“ – etwas, worüber ich schon lange schreiben möchte – nicht aber ohne Recherche und Zeit. Aus meiner Sicht ist unsere Gesellschaft zu linear angelegt, die Familie, die Sippe, die Gemeinschaft hat zu wenig eingeräumten Platz darin, sondern muss so irgendwie daneben funktionieren und das macht krank (die Bildung, die Psyche, die Gesellschaft), weswegen wir auch gern die Placebos von Konsum wie Pillen inhalieren, in der Hoffnung, dass das Abhilfe schafft. Ein bisschen hilft es, für den Rest brauchen wir die Psycholog:innen und weitere Ablenkungen. Es gibt aber eine Sehnsucht. Also das würde ich gern schreiben. Das kann ich überall schreiben, auch im Zug der Transsibirischen Eisenbahn.

„Dreh dich, Schwänzchen“ läuft fast von allein. Der zweite Teil meiner Virus-Serie. Drei Jahre nach dem Großen Sterben. Andere Hauptfiguren, andere Nebenrollen. Sklaverei und die Suche nach der Lust. Umgang mit dem Verlust. Ein Krimi mit Mord und Intrigen, die Vorbereitung auf einen Krieg und der Suche nach einem neuen Glauben. Alles drin, was man braucht. Das hab ich schon begonnen und stocke gerade. Stocke, Stocke … ich muss weiter dran.

Außerdem ein paar Kurse, ein paar weitere Projekte, die irgendwie untergebracht werden wollen: Drehbuch-Kurs, DaZ-Zertifikat-Kurs, Cello, Tango, Yoga … am liebsten alles parallel. Einiges davon benötige ich vorbereitend für meinen Ausstieg, auch wenn das gar nicht so offensichtlich ist. Wirklich wichtig von all dem ist der DaZ-Kurs, weil der mir in der Fremde einen Job sichern könnte.

Es gibt auch ein paar Ideen für das sichere Netz, falls ich doch stürzen sollte … ein paar. Schöne Optionen. Mal sehen, was davon am Ende hält.

„Unten – Oben“ – abgeschlossen. AUF AUF zum Exposé

Fühlt sich sehr gut an, wenn man sagen kann: Ich hab’s fertig!

Nicht getippt und ausgedruckt liegt er vor mir, aber als E-Book lesbar. Ein Buch, das dieses Format liebt, denn eigentlich sind es zwei Bücher, die ineinander verwoben sind. Perspektivisches Erzählen. Nun folgt der nächste Schritt ein Exposé. Über alles kann ich schreiben, doch über meine Texte eine klare Aussage zu treffen ist schwierig.

Das Workbook „Deine perfekte Drehbuch-Idee“ von Aleksandra Kumorek im anderen Reiter offen verlangt von mir bereits nach dem ersten Aufschreiben meiner Idee, dass ich überlege, was diese Idee mit mir persönlich zu tun hat.

Was hat die Idee persönlich mit mir zu tun?

Persönlicher Zugang

Persönlich?

Vielleicht, dass Thema Männlein vs. Weiblein? Zum einen mag ich Männer, finde sie interessant, witzig und reizvoll, weil sie anders sind als Frauen, zum anderen sind Männer – nicht alle – aggressiv, dominant und feindselig. Ich kenne solche Männer nicht – möchte ich sagen, aber das ist nicht wahr. Ich bin eine Frau und habe Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht, die ersten mit elf. Toxische Männlichkeit wird das inzwischen genannt, weil wir endlich darüber reden. Andererseits: So sind Männer gar nicht. Seit meiner Ermächtigung habe ich nur einen Grenzfall erlebt, meistens sind sie wirklich vor allem anders als wir Frauen. Ich schätze diese Sachlichkeitsbezüge, diese eigenwillige Blickweise und diese andere Form des Seins. Rollenbilder, Idealisierungen, Stereotype – alles nur Konstrukte. Unsere Gesellschaft entwirft diese Gedankengebäude, in denen wir dann gefangen sind. Insofern stimme ich Adorno zu, dass wir nicht über diesen Tellerrand hinaus erkennen, dass wir in diesen unsichtbaren Gefängnissen leben, weil wir es nicht können. Die Morphologie lässt das nicht zu.

Aber ist das mein persönlicher Zugang?

Vielleicht der: Ich hab 2009 wegen einer Theatergruppe, die zu einem sehr hohen Anteil aus Frauen bestand, ein Frauentheaterstück entwickelt. Ein männlicher Kollege leitete den Musikpart und unterstützte die Theaterarbeit. Aus einem Spaß heraus entwickelte ich die Frage: Was wäre, wenn plötzlich alle Männer weg wären und wenn schon lange keine Männer mehr auf der Erde leben, weil sie ausgestorben waren? Wie würde sich die Gesellschaft verändern? Und was, wenn dann ein paar Jugendliche, aus Trotz und Neugier, Männer klonen, weil das Klonen verboten werden soll, weil das Sprechen über die Männer verboten ist, weil sie Männer überhaupt nicht kennen, außer als Testosteron-Monster? Was würde dann passieren, wenn die Frauen mit dem Mann nach 50 Jahren konfrontiert würden? Würden Männer dann nicht andere Rollen aufgedrückt bekommen? Welche wären das? Was für Rollenbilder und idealisierte Stereotype bleiben dann? Zumindest mein Kollege und ich hatten Spaß an dem Thema. Und mich hat es nicht losgelassen – hab das Stück drei mal inszeniert und bin drei Mal gescheitert.

Persönlicher?

Ich dachte, aus dem Scheitern heraus gäbe es eine Chance, nämlich das Transfermedium zu wechseln – oder mir erneut andere Probanden zu suchen 🙂 Also Drehbuch. Schreib ich das selbst, dann hab ich beim Film auch die Möglichkeit der Schauplatzinszenierung, also Bild statt Worte. Die reifen Figuren könnten durch Spieler:innen dargestellt werden, die auch reifer sind. Dann sind da diese vielen denkbaren Nebenhandlungen: Familie, Architektur und Kunst, Beziehung und Liebe, ein totalitäres Regime, all das kam bislang zu kurz.

Dafür wollte ich nur die Vorgeschichte kurz niederschreiben … 800 MS-Seiten weiter ist das Ergebnis. War das genug, um den Punkt „Authentizität“ zu erfüllen?

Dein größter Schatz ist deine Lebenserfahrung. Deine Erlebnisse, deine Begegnungen, dein individuelles Denken und Fühlen. Das ist es, was deinen Stoff einzigartig macht. Was ihn von den anderen Stoffen abhebt. Was ProduzentInnen interessiert.
Überlege: Wo kannst du aus deiner Erfahrung schöpfen? Worin bist du ExpertIn? Deine Erlebnisse, deine Begegnungen, deine Einsichten sind dein persönlicher Schatz, den es zu bergen gilt. Natürlich darfst du deine Geschichte auch als Science-Fiction-Thriller, als historischen Stoff oder als Fantasy-Romanze erzählen. Aber das ist nicht die Basis deiner
Geschichte. Die Basis ist deine Lebenserfahrung, dein individueller Blick auf die Welt.“ (Aleksandra Kumorek)

Ich zähle auf den Workshop bei ihr und hoffe, dass ich am Schluss ein schickes erstes Exposéchen habe.

Welche Schritte haben nun zu folgen?

  1. Betaleseratten ab Februar Texte verteilen
  2. Parallel Exposés an Agenturen senden
  3. Ostern abarbeiten der Rückmeldungen der Betaleseratten
  4. Bis zum Sommer abwarten, was für Rückmeldungen von den Agenturen kommen
  5. Abhängig von Rückmeldung die Vermarktung planen.
    1. Vermarktung?
    2. Vermarktung?
    3. Vermarktung?

Meine Figuren — alle neune

Neune – das wäre ja schön …

Schritt 4 verlangt von mir, dass ich über mein Figurenensemble nachdenke. Über alle? Irgendwie wohl. Ein Schnelldurchlauf will mir da nicht gelingen. Es gibt schauplatzabhängige Figuren, manche wichtiger als andere, manche nur phasenweise wichtig.

Unten sind anfänglich 29 Männer sowie die fünf Frauen aus Annas Team. Von den 29 Männern sterben einige (Jannick, Alex, Nils Dimitri, Niklas, Dennis), andere kommen dazu. Zunächst sammelt Paul Pierre in der Stadt auf, der Angst vor Frauen hat und eunuchisiert wurde, dann folgen fünf, die die Impfung überlebt haben, unter anderem der drogenabhängige Doktor und der frauenhassende Feuerwehrmann. Am Schluss sind es wohl 30 Männer, die den Stollen gemeinsam verlassen und in den Norden Deutschlands aufbrechen. Wozu brauch ich die alle? Damit es glaubwürdig eine Männerenklave wird, ein anderes Konzept wäre, die Figurenzahl einzudampfen und Emmas Liliths Schwestern viel aktiver Überlebende einzusammeln. Führte dennoch zu einer großen Zahl Männer, man müsste aber nicht so ständig mit ihnen hantieren.

Soweit zu den Männern, da gibt es aber auch noch etliche Frauen vor allem OBEN: Die Clique von Anna (Bianca, Fran, Nadel (die tot ist), Miri, Nicole), das Team von Anna (Salma, Nanja, Emma, Katharina), die direkt bedeutenden Kolleginnen im Krankenhaus Tina und Francis und die Leiterin der Notstand II (Martina) sowie die Bürgermeisterin Andrea … Daneben noch einige Randfiguren, wie eine Uturistin und sich als Liliths Schwester ausgebende Frau, sie tauchen auf und ab. Viele viele Figuren. So viele kleine Geschichten und Episoden ergeben sich daraus, die teilweise nur angedeutet werden, wie zum Beispiel die Liebesgeschichte zwischen Jannick und Nanja, die sich im Stollen entwickelt und kurz vor Ende der 60 Tage durch Hinrichtung beider Liebenden zerstört wird. Wie soll ich das alles in ein kurzes fünfseitiges Exposé bringen?

Schreiben – korrigieren – weiterschreiben

„Unten“ ist fertig, „oben“ ist fertig – also theoretisch. Die Handlung ist erzählt. Allerdings muss ich „oben“ deutlich überarbeiten. Streng kürzen, denn es handelt sich um einen Berichtstil. Anna berichtet von ihren Forschungsarbeiten. Das ist langweilig. Sie hat keine aktive Handlung zu berichten, selbst das ist eben ein Bericht. Das ist auch langweilig … Puh. Mein erstes Problem.

„Oben“ habe nicht gut gesichert. Alle Arbeiten von Oktober bis Dezember sind futsch und muss ich nachholen … Bin demoralisiert und scheue mich vor der Menge der Arbeit … Alles geht mir damit sehr langsam von der Hand. Mein zweites Problem.

3. Problem = ich übertrage den gesamten Wordtext Stück für Stück – wegen der Überarbeitungen – in ein anderes HTML-Programm, damit ich daraus ein E-Book für meine Betaleser machen kann. So können sie hinterher entscheiden, ob sie die Tage chronologisch erst Oben oder Unten lesen wollen oder ob sie jeweils einen Handlungsstrang nach dem anderen lesen mögen. Das ist viel Arbeit – too.

4. Problem = Unterwegs beim Korrigieren kleiner und großer Schwächen des Textes, suche ich nach besseren Formulierungen, such ich nach Bildern und ergänze eine ganze Menge. Der Text vorher war ein Rohprodukt. Etwas davon zu kürzen, was schlecht ist, das fällt mir nicht schwer, aber es kommt so viel Neues hinzu, dass ich die 10-Prozent-Marke nicht erfüllen kann.

5. Hürde = Zeit: In 16 Tage läuft meine Zeit ab und bis dahin, werde ich nicht mal mit den Leseproben für die Literaturagenturen fertig – so viel Ehrlichkeit ist kaum zu ertragen.

Dabei ist es so, dass ich den Text durchgehe, eine Textstelle überarbeiten will und dafür noch mal hier was lese, da noch einmal quergucke und dann den Text nach stilistischen Schwachstellen filtere. Anschließend versuche ich die Textstellen zu verdichten und sprachlich aufzuhübschen. Inzwischen finde ich schneller Bilder oder sprachliche Vergleiche oder Metaphern, doch mache Textstellen verlasse ich, ohne sie gut überarbeitet zu haben. Ich komme mir vor, als hätte ich ein riesiges Haus, von dem ich genau weiß, was wohin soll, doch in dem einen Raum sind noch alle Möbel mit Tüchern verhangen, manchmal finde ich sogar noch Spinnweben, in dem anderen Raum ist der Boden fertig, aber es stehen keine Möbel drin, nur Platzhalter und im dritten Raum ist alles bis zur letzten Ecke fertig. Durch den streife ich auch immer wieder, freue mich, dass er so weit ist. Halte mich auf, um noch eine Fluse vom Stuhl zu entfernen, obwohl ich weiß, dass alle Räume fertig werden müssen. Dann trenn ich mich schweren Herzens und fang lustlos an einer andern Stelle in dem großen Haus an. Allerdings packt mich dann das Schleifen des Tisches für den Raum so sehr, dass ich ganz vertieft bin, für Stunden. Schaue ich dann hoch, stelle ich fest, dass ich nicht so viel geschafft habe, wie ich gerne hätte. Dann flitze ich schnell durch die Räume, um mal eben noch was an Boden zu gewinnen.

Vielleicht bin ich zu detailverliebt, doch andererseits kann ich das nicht übertreiben.

Ich will es gut machen. So gut, dass es keine Langeweile gibt, wenn man mit dem Buch anfängt.

Misogynie – Ein Begriff, der erklärt gehört.

„Misogynie […] ist ein zentraler Teil  sexistischer  Vorurteile  sowie  Ideologien und ist daher eine wichtige Grundlage für die Unterdrückung von Frauen in männlich dominierten Gesellschaften. Misogynie manifestiert sich auf vielfältige Weise, von Witzen über Pornografie bis hin zur Beförderung eines Empfindens von Selbstverachtung von Frauen und ihren eigenen Körper.“

– The Blackwell Dictionary of Sociology: 2000[30]

Ich war 18 Jahre und stellte fest, dass ich nicht Fräulein genannt werden wollte. Mit meiner besten Freundin Anja besuchte ich Seminare, die die Rolle der Frau thematisierten. Ich war eine politisch aktive Feministin. Zumindest soweit, wie man das als Jugendliche ist.

(Anmerkung: In einer Diskussion jüngst zu dem Wort „Fräulein“ stieß ich darauf, dass manch eine Frau das nicht einmal anstößig findet, verniedlicht und damit auch verdinglicht zu werden. Schließlich sei das Wort doch ungefährlich und könnte sogar Unabhängigkeit vom Mann als unverheiratete Frau anzeigen. Doch wieso muss ich mich als Frau über den Mann oder in Differenz zum Mann definieren? Ein Mann der Diskussionsrunde befriedete die Situation, als er sagte, dass die Anstößigkeit im Mangel eines Gegenbegriffs für den unverheirateten Mann fehle. Ist es aber nötig, einen Menschen allgemein über ein Status zu definieren?)

In meinem Studium achtete ich anfangs auf eine Sprachsensiblität, die heute „gendern“ genannt wird. Ich habe es eingestellt, vielleicht aus Bequemlichkeit, vielleicht auch, weil es keinerlei Erfolge brachte. Ich habe meinen Feminismus wie ein altes Kleidungsstück abgelegt. Eigentlich war ich sicher, ich hätt es bei einem Umzug nach der Heirat verloren.

Verräterin – ich. Nie wollte ich heiraten, lieber frei mit mehreren Männern und Frauen leben. Ich habe geheiratet, denn ich war mir als Alleinerziehende gar nicht mehr sicher, dass das ein gutes Lebenskonzept war. Alleinerziehende. Als alleinerziehende Frau ist man (witzig) vor allem allein. (Und wieder eine Definition über eine Funktion!) Nicht nur zwischenmenschlich sondern auch wirtschaftlich. Ich fühlte mich verdammt und ausgegrenzt. Ich und meine Tochter. Mein Fehler, mein individueller Fehler war meine leichtlebige Haltung zur Sexualität und zum Sex. Das hatte nichts mit meinem Geschlecht zu tun. Dachte ich. Die Art und Weise des Umgangs des Sexualpartners – oder doch besser Sexualgegners wie ein Gegenspieler? – allerdings hatte ich doch auch verdient, also die negative Haltung. Ich wollte ihn (den Vater des Kindes) nicht – also ich lehnte seinen Heiratsantrag ab. Oder hatte das Thema doch was mit meiner freien Wahl für mein Examen zu tun? (Ich dachte, das ist was Individuelles. Vermutlich nicht, nachdem was er mir 16 Jahre später ohne mich auch nur zu Wort kommen ließ vor den Kopf knallte und ich mich fragte, inwiefern ich diesen Mann kannte und inwiefern ich mich wohl gekannt haben mag. Ich sag mich in den Aussagen, ihn als Samenspender missbraucht zu haben, die nun nicht mehr mit dem „Blag“ umgehen und nach Hilfe schreien würde, nicht wieder. Bis dahin dachte ich eigentlich, dass man über alles reden könnte!)

M. ist die strukturellewirtschaftliche oder rechtliche Ausgrenzung bzw. Benachteiligung von Frauen.

Wikipedia: Misogynie

Die Worte von T. werden mir auf ewig nachklingen: „Kein Problem, du ziehst nach Iserlohn zurück und wir heiraten. Du kannst ja dein Studium noch zu Ende machen, aber dann sorge ich für uns. Ein Mann, ein Wort!“ Rums. Iserlohn? Ich? Hausfrau und Mutter? Ich? Ehe ohne Liebe? Ich ? Da sah ich mich nicht. Und das war es dann auch. T. hat sich um seine Tochter nicht gekümmert. Misogynie hab ich dahinter gar nicht entdeckt, allerdings ein sehr überholtes (für mich überholtes) Denkbild von der Frau als Mutter und Kümmerin, zugleich von einer idiotischen Hilfsbedürftigkeit. Ich – als humanoides Wesen – gebe zu, bei manchen Dingen Hilfe zu brauchen. Alles kann ich eben nicht. Aber nicht, weil ich eine Frau bin. Ich erinnere mich, dass ich da an den Roman von Merilyn French „Frauen“ dachte und meinte, ich hätte mich verhört.

M. ist die Entmenschlichung oder Objektifizierung von Frauen (nicht nur durch Abwertung, sondern auch durch wirklichkeitsfeindliche Überidealisierung weiblicher Identitätsaspekte bspw. Körperideale, Mutterideale, Verhaltensideale etc.),

Wikipedia: Misogynie

Ich wollte Schriftstellerin werden, als ich mit meinem Studium begonnen hatte, denn das war alles, was ich wirklich konnte (und kann). Diese Idee war offensichtlich für meinen Mann K. – den ich dann doch heiratete – keine, die er unterstützen konnte. Und ich gab sie auf, weil ich mit mehr als 25 Jahren dachte, dass das vielleicht eine fixe und völlig überholte Idee ist. Lehrerin ist solider und ermöglicht mir ein eigenes sicheres Einkommen, so lange ich die Kinder habe. Auch eine individuelle Entscheidung – oder etwa nicht? Was wäre, wenn ich den soliden Berufe gehabt hätte und der andere einer „fixen“ Idee nachjagte? So wie mein aktueller Partner, der sich selbständig gemacht hatte – wenn er auch heute damit erfolgreich ist. Bleiben wir für einen Moment dabei, dass das meine Entscheidung war, so war für mich eines klar: Keine Unterstützung.

„Misogynie […] Kennzeichnung von Einstellungen, die die strukturelle Benachteiligung der Frau in der Gesellschaft und im privaten Bereich widerspiegeln. Misogyne Einstellungen und Verhaltensweisen äußern sich sowohl offen restriktiv (Karrierehemmnisseungleiche Bezahlung etc.) wie auch durch die in verdeckter Weise erfolgende Beschränkung der Frau auf ihre traditionelle Geschlechtsrolle (Verzerrung des Selbstbildes der Frau aufgrund spezifischer Sozialisation, Betonung ihrer schwächeren Position durch überlieferte Höflichkeitsformen etc.).“– Lexikon der Soziologie: 2011

 Lexikon der Soziologie: 2011

Ich wollte Kinder, ich wollte für sie da sein. Also eine sehr bewusste Entscheidung. Meine Kinder wollte ich nicht, weil ich kleine Kopien von mir wollte, weil ich zeigen wollte, dass ich es kann oder weil sie mal für mich sorgen könnten, ich wollte Kinder, weil ich sehen wollte, wie sie sich entwickeln. Meine große Tochter wollte ich, weil ich erleben wollte, wie es ist, Mutter zu werden. Wie fühlt sich das Leben im Bauch an? Wie fühlt sich die Verantwortung an? Was passiert mit mir? Nicht mit meinem Geschlecht. Darüber habe ich nicht nachgedacht. Mein Geschlecht hatte damit nur so viel zu tun, wie mir mein Körper ermöglichte, selbst Kinder zu bekommen. Das ist nicht unwesentlich, macht aber nicht mein Sein aus. Als meine Tochter geboren war, habe ich ihr Verstärkung gegen die Eltern gewünscht. Deswegen hat sie zwei Geschwister bekommen. Fertig. Ich möchte betonen, dass ich meine Kinder nicht zur Selbstverwirklichung brauchte, sondern aus Neugier. Keine Ahnung, ob das ein guter Grund ist, aber ich halte ihn zumindest für besser als das erstere und auch besser, als ein Kind als Prestigeobjekt zu bekommen wie viele Frauen, die neben der Karriere noch zeigen müssen, dass sie ein Kind großziehen können. Doch auch ich musste irgendwie Kinder und Beruf und Haushalt zusammen schaffen. Urrrghhh

Herbst 2019: In meinem Emailfach landet ein Aufruf zur Demo vieler Frauen, weil Frauen mit der Doppelbelastung oft allein dastehen: Kinder und Haushalt, dann noch der Beruf. Also ich denke, es ist eine Dreifachbelastung. Mein erster Gedanke: Selber schuld. Ich hab die Frauen vor Augen, die den musealen Zustand einer Wohnung ohne Staubkorn und Schmutzfleck als Normalzustand anstreben und dachte „selbst Schuld“. Ich möchte mich entschuldigen, denn mir war nicht klar, welche Sozialisierung wir mit der Muttermilch zu uns genommen haben. Auf dem Weg in die Emanzipation. Frauenrechte in BRD und DDR ist ein Podcast von Ulrike Beck und wurde am 29. Juni 2020 auf Bayern 2 ausgestrahlt und erklärt, wie es zum Gesetz der Hausfrauenehe kam.

„Erst am 1.Juli 1958 tritt das neue Gleichberechtigungsgesetz in Kraft – das allerdings keineswegs eine Gleichstellung von Mann und Frau verankert, sondern das Gegenteil: die so genannte Hausfrauenehe. […] Die Frauen in der Bundesrepublik begehren dagegen nicht auf. Im Gegenteil: Für die meisten gilt es als Statussymbol, verheiratet zu sein. Angesichts des Frauenüberschusses ist der Kern der Frauenfrage, so schreibt die Zeitschrift „Heute“ 1957 „der Kampf um den Mann.“ [siehe ebenda; PDF zur Sendung]

Ich selbst habe sehr häufig mit meinem Ex-Mann darüber gestritten, wie meine Hausfrauenpflichten aussehen. Ich habe innerlich mit mir gerungen, weil ich keinen Beitrag leistete (natürlich tat ich das schon, nämlich einen erheblichen für die Gesellschaft – und ich habe meinen Job für die Gesellschaft sehr gut gemacht.); ich fühlte mich sehr oft minderwertig und unfair und zu faul (ich war rund um die Uhr auf den Beinen: Kinder, Wäsche, Einkaufen, Ärzte, Erlebnisprogramm, Versorgung, etc.), zu unorganisiert und zu sehr „kindkonzentriert“. Nach außen habe ich keinen Zweifel gelassen: „Wenn dir eine aufgeräumte Küche wichtig ist, dann räume sie auf“, habe ich zu ihm gesagt, „schließlich kannst du das genauso gut!“ Außen hab ich den Schein erhalten, dass ich darüber stehe, innerlich hat es an mir gefressen: Aus dem Grund hab ich nach Elias ersten Lebensjahr mit dem Arbeiten begonnen. Und das war die Hölle selbst. Doch an dieser Stelle: Mein Ex hat das alles mitgetragen und unterstützt, denn dies war keine fixe Idee, sondern erlöste auch seine Ernährerrolle. In ihm nagte nämlich das andere Gift, was auch seine Mutter einträufelte: „Wo bleibt dein Gegenwert? Du gehst arbeiten, machst sauber und kümmerst dich um die Kinder. Wo aber bleibt dein Gegenwert?“

Mit drei Kindern musste ich aber nicht mehr voll arbeiten, da konnte ich doch auf eine 2/3 Stelle gehen. Also guten Gewissens. Mein Wunsch nach Schriftstellerei hab ich auf meinen 50. Geburtstag verschoben (insofern bin ich sogar schneller.) Dennoch hatte ich das Gefühl, es nicht wirklich zu schaffen. Andere Frauen konnten das besser. Mein persönliches Shot down erfolgte, als meine jüngste Tochter ein Jahr alt war. Positiver Nebeneffekt: mein Ex erkannte zum ersten Mal meine Leistung an.

M. ist die geringe Anerkennung der Arbeit von Frauen (Care-ArbeitGender Pay Gap etc.),

Wikipedia: Misogynie

Die Demo! Ich habe lange darüber nachgedacht und für mich entschieden, dass mir vor allem Probleme bereitet, mich nicht als humanoides Wesen (ich empfinde das nicht als Frau) um meine Kinder kümmern zu können, ohne Schuldgefühle einem Partner gegenüber oder mir selbst, weil ich doch als emanzipierte Frau meinen Weg gehen muss.

Wenn ein PAAR sich für Kinder entscheidet, dann steht die Aufgabe der Brutpflege an. Angenommen, das würde gesellschaftlich, dann könnten die ersten drei Jahre beide Eltern zur Verfügung stehen (weil es viel entspannter ist und man dann auch Kinder in die Welt schickt, die sich gut entwickeln können, wenn man sie nicht fremdbestimmt hat), anschließend arbeiten die Eltern in den Ferienzeiten nicht. Diese Zeit wird als Vorrente vergütet – also mit der Arbeitszeit danach verrechnet – wie BAFÖG oder ein Darlehen. Alles, was Kinder kosten – alles – wird von der Gemeinschaft getragen, so dass jene, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden oder keine eigenen haben können und keines in Pflege nehmen wollen, langfristig dafür mehr in die Gemeinschaft zahlen. Kinder sind eine Sache der Gemeinschaft, deswegen kann die Gemeinschaft begrenzt Regeln aufstellen, wie die Kinder durch die Gemeinschaft versorgt werden. Nebenbei wäre das Kinderkriegen für AkademikerInnen wieder interessanter und wir könnten der Idiokratie entgegen wirken.

Das humanoide Wesen ist ein Gemeinschaftstier, es braucht die Herde. So, wie ich jede Kind verpflichte lesen und schrieben zu lernen, in die Schule zu gehen, so kann ich auch jedem Jugendlichen als Unterrichtsfach die Erziehung zum Inhalt machen, ein Pflegepraktikum auferlegen und das Soziale Jahr nur noch inhaltlich freistellen, nicht aber, dass es erfolgt. Wieso auch nicht? Individualität? Der freie Wille? Und wir lassen uns alle sagen, welches Buch wir lesen sollten oder welcher Weg der bessere ist. Algorithmen bestimmen unsere INDIVIDUALITÄT. Und unsere jeweilige Sozialisierung. Aber schauen wir weiter.

Quotenregel hin oder her: Zumindest zwingt sie althergebrachte Strukturen in den Blick zu nehmen. Wie wenig das leicht ist, erinnere ich mich, denn mein Ex durfte nicht ohne Gesichtsverlust und mit gefürchteten Repressalien Erziehungszeit beantragen. Neulich im Park: Ein Mann der muslimischen Kultur wickelte öffentlich im Park seine kleine Tochter selbst. Wenn das nicht ein Anlass zur Hoffnung ist.

Was wollen die unterschiedlichen Individuen, was ist für den Fortbestand und die Entwicklung der Gesellschaft sinnvoll oder notwendig und was ist konsensfähig? Frage meines Partners.

Mein Ansicht nach lassen sich manche Dinge nicht individuell regeln, sondern brauchen gesellschaftliche Regeln wie jetzt in Zeiten von Corona oder die Quotenregel. Ließen wir den Menschen die Freiheit, aus Einsicht in die Notwendigkeit die Masken zu tragen, würden sie es nicht. Trinken schwangere Frauen dennoch Alkohol, weil sie sich das doch nicht von so’nem blöden Arzt vorschreiben lassen, hat das schwere gesundheitliche Folgen für ein anderes Leben. Das wiederum nötigt die Gemeinschaft unterschiedliche und vermeidbare Aufwendungen ab. [Ich will hier nicht von Geld sprechen, auch wenn das die Währung ist, in der die Aufwendungen spürbar oder berechenbar sind, weil es gleich den Anschein hat, es ginge auch nur um die Zahlen. Ich sehe das allerdings eher auf die Ressourcen einer Gemeinschaft bezogen, die in Geld ausgewertet werden kann.] Sicher gibt es viele Dinge, die frei zu entscheiden sind – widerspenstig zähle ich auch den §218 dazu, der für mich absolut keine Option zu keiner Zeit gewesen wäre – und dennoch geregelt werden müssen, wie eben in dem Paragraphen.

Also ist geht es im Kern um die Frage; Wo brauchen Menschen die Unterstützung der Gesellschaft?

Heute im Radio WDR5: Die Pflege darf nicht weiter als Liebesdienst der Frauen gesehen werden. Sie kostet Geld [Ressourcen, Kraft, Zeit].

WDR 5, Radiobeitrag

Wenn aber der gesellschaftliche Rahmen – wie bei der Quote oder sonstigem – erstmal gegeben ist, dann kann man individuell entscheiden, ob man lieber so oder so handeln will. Eine passenden gesellschaftlichen Rahmen zu setzen bedeutet noch nicht, dass es unter Zwang durchzusetzen sei. Das ist die Kehrseite — eben eine Gradwanderung. UND bedeutet nicht auch die ewige „Freiheit für individuelle Entscheidungen“-Rufe, dass da der misogynische Gedanke greift. Angriff auf die Individualität oder eben der Ruf nach Individualität zur Verschleierung eines gesellschaftlichen Problems?

Ich hatte gedacht, mit dem Thema „Feminismus“ bin ich in Reinen. Mit Männern komme ich aus und keiner von ihnen verachtet mich, weil ich einen Frau bin. Gewalt, sexualisierte Gewalt kenne ich, aber der Mensch ist ein Mensch.

Dann fing ich an, diesen Roman zu schreiben, von dem ich dachte, es sei vor allem eine gute Geschichte und ich erzähle sie gern, weil es mir Spaß macht, sie zu erzählen. Recherche: Feminismus, Gewalt gegen Frauen, Androzentrisches Weltbild, Männerberufe, Frauenhass und Femizide brachen über mich ein und holten mich dort ab, als ich als 18 Jährige am Sparkassenschalter stehe, einem jungen Bankfachangestelltem gegenüber, dem ich erkläre, dass ich keine halbe Frau bin und deswegen nicht Fräulein sei, so wenig, wie er Herrlein.

Ich rede viel mit Männern über den Inhalt des Romans, in dem ich 97% aller Männer sterben lasse und den Rest später durch Feministinnen täten lassen werde. Ein Mann fand bislang, dass mein Roman männerfeindlich sei, was er genauso ist, wie unsere Welt frauenfeindlich. Viele mehr Männer sehen in ihren Geschlechtsgenossen tatsächlich das Übel der Welt begründet: Trump, Erdogan, Kim Jong-un; Bolsonaro und Co sind gefährlich. Ob Frauen es grundsätzlich besser machen, bleibt offen; statistisch gesehen zu wenig Material.

In meinem Roman geht es nicht darum, mit Männern abzurechnen und zu sagen, dass sie die schlechten Menschen sind. Aber eine Abrechnung ist es schon. Es ist Zeit, dass wir uns nicht als Gegner betrachten sondern als zwei Teile eines Ganzen, die sich gegenseitig bereichern und befruchten.

Verschieden, aber gleich-wertig.

Und es ist gleich viel wert, ein Mensch zu sein: Weder das Geschlecht, die Hautfarbe, der Geburtsort noch die Arbeit darf den Unterschied als Diskriminierung, Fehler, Herabsetzung, Entwürdigung oder schlimmeres ausmachen.

Wenn Frauen einen Männerjob ausüben, dann machen sie es anders als Männer: anders heißt nicht schlecht. Dieses Anders braucht Raum, wenn wir von diesen Stigmata des Geschlechts wegwollen. Mein Roman treibt das auf die Spitze.

Die Rolle der Geschlechter … Modelle müssen begründet werden?

Mein Quellen:

Recherche ist noch nicht beendet. Und für eine Diskussion bin ich offen. Also sagt was.

Zu viel Inhalt und doch zu wenig Handlung?!

Erstmal das Standardessen für die arbeitende Scarlett essen (Spaghetti Algi e alio) und dann denken.

Meine Figur ist zu langweilig.
Anna macht zwar ganz ganz viel, aber gleichzeitig sitzt sie nur rum, hier eine Sitzung, dort eine Besprechung, da ein Dialog. Sie macht nichts. Natürlich passiert in dieser neuen Welt viel, aber das kann ich nur über Nachrichten zeigen, weil meine Figur eigentlich nie am Ort des Geschehens dabei ist. Ihr Antagonist ist die Uhr oder sind die vielen Aufgaben, denen sie ausgesetzt ist. Ständig wechseln die Orte, gleichzeitig wiederholen sie sich auch:
— Besprechung im Rathaus
— Station Gynäkologie oder Pathologie im Krankenhaus
— Stollen und Labor
— Elternhaus

Da ist wenig „Handlung zeigen“. Im Moment zeige ich nur, dass sie keine wirkliche Zeit hat, sich auf die Forschung zu konzentrieren. Bekomm auch den Dreh nicht, wie sie den Impfstoff vielleicht doch noch finden kann. Muss ich aber am Ende, denn sie muss ihn sogar noch ausprobieren.

Hab es nach Tagen mal so hintereinander gelesen und stelle zwei Dinge fest: 1. sie ist sehr reflektierend-philosophisch unterwegs (so meine Gedanken spiegeln sich stark in der Figur) und 2. bricht ständig die Handlung, weil auf sie viele Dinge einwirken (da sie bei allem sehr besonnen und ruhig bleibt, sehr freundlich ist, entspricht sie hier gar nicht meinem eigenen Sein – was mich beruhigt). Wenn ich das so lese, dann lese ich eine Menge Aktion, wo tatsächlich manches schon zu viel Zirkus ist. Was ich davon auslagern kann – vielleicht auch in den zweiten Teil – muss ich sehen. Auslagern will ich zum Beispiel sowohl den Ausbau des Feminismus und des Männerhasses (Misandrie) als Reaktion auf die historische Misogynie und den aktuellen Verlust einerseits – dargestellt durch die Machtübernahme der Uturistinnen – und der Wunsch nach Gleichstellung der Geschlechter, Diversität und nach Auflösung des Kampfes angesichts der großen Verluste – dargestellt durch Liliths Schwestern – andererseits. In 60 Tagen kann kein Geschlechterkampf ausgetragen sein, der so lange schwelte.

Anna kann sich lange lange lange gegen die einseitige Betrachtung von Männern und ihrer Rolle wehren und behält im Blick, dass Männer vor allem humanoide Wesen sind, die ebenso vielschichtig sind wie Frauen. Gegen Ende der Stollenzeit denkt sie jedoch, dass vielleicht eine Geschlechtertrennung für die Frauen zum Schutze und zu ihrer Fortentwicklung besser sei als eine gemischte Gesellschaft. Das Sein (ihre Welt) hast sich so verändert, dass sich auch ihr Bewusstsein (die Wahrnehmung der Welt) verändert hat. Sie geht den Vertrag ein, weil sie das beste hofft, doch nicht daran glaubt.

Ich habe Anna gefunden: Als MIttlerin steht sie am Ende zwischen den Stühlen und muss sich entscheiden. Sie entscheidet sich gegen alle alten Werte (Liebe, Ehe, gemischte Gesellschaft, Gleichberechtigung, etc.) und verschiebt eine Veränderung auf später.

Aber Abspecken muss ich die Handlung auf jeden Fall. Ich muss schauen, was ich davon in Teil II auslagern kann.

Unten? — Feddich!

Der erste Teil – der im Stollen spielt – ist fertig. Den habe ich vor ein paar Tagen mit 356 Manuskriptseiten abgeschlossen (82.000 Wörter). Die Story steht. Die Figuren müssen noch klarer umrissen werden, da bin ich nicht zufrieden mit. Mit dem zweiten Gang werde ich aus den Figuren Charaktere formen und deutlicher in ihren Geflechten darstellen. Manche schwimmen etwas in andere hinein. Im dritten Gang dann 10 % raus und dann kann ich das anderen Menschen zu lesen zumuten.

Jetzt bin ich an „oben“. Die Geschichte muss raus.

Ich setzte mich genauso unvoreingenommen daran wie an den ersten Teil. Den wollte ich aus der Sicht von Anna schreiben. Reizvoll in den Kopf des anderen zu sehen: Wir hören die Gedanken von Jacek zu Anna und wir hören die Gedanken von Anna zu Jacek. Wichtiger noch, wir können zusehen, wie beide sich in einem „nicht mehr ganz so ehrlich zu einander“ verstricken, in der Annahme, der andere bekommt das nicht mit und gleichzeitig fühlen sich beide betrogen, weil sie natürlich mitbekommen, wenn der andere lügt. Darüber reden beide nicht und es kommt zu einer Entfremdung, begünstigt durch die Umstände.

Nun setzte ich mich also auf Annas Platz. Meine größte Sorge: Gleicher Stil, indifferenter Einheitsmatsch. Aber ich fand etwas schon nach den ersten Sätzen, wieder so ganz unterwegs:

Anna schreibt im Bericht-Stil und im Präsens. Alles was sie erlebt und was sie fühlt, wird von ihr formal berichtet – für ein zukünftiges gebildetes Publikum.

Durch den Tempuswechsel ist es nicht nur ein eigener Stil, es ist auch absolut stimmig, weil die Mann-Ära zu Ende geht (zunächst einmal – also so in etwa zumindest) und damit Vergangenheit ist, selbst die wenigen Exemplare können das nicht reißen und, weil die Frauen-Ära aufsteigt, jetzt aktuell.

WOW – und das so ungeplant.

Während ich daran gearbeitet habe, musste der Autorenwelt-Newsletter ins Mailfach flattern. Ich hab einfach mal wieder reingesehen, ob da doch mal was interessantes drinsteht. Und ich fand eine Ausschreibung vom Verein Lesezeichen e.V., mit der ich die Tragfähigkeit meiner Geschichte an einem kleinen Beispiel testen könnte. Sie suchen kleine Romanideen von Autoren, die noch kein Debüt hatten. 150 MS (Manuskriptseiten) soll der nicht überschreiten. Ich dachte, wenn ich die Geschichte von Pierre erzähle, sind die 150 Seiten locker voll. Ich kann die Bühne ausprobieren, die Figuren einführen, zumindest Paul, Jacek und Anna. Ich kann die Antagonisten testen – die Uturistinnen – und ich kann schauen, ob mein Stil ankommt.

Die Leseprobe, das Exposé, eine Kurzvita, meine Veröffentlichungen – mehr braucht es nicht. Die Prämisse in das Exposé? Ja, was genau ist das eigentlich? Ich habe mir das immer mit der „Was wäre, wenn?“-Frage gemerkt. Noch besser aber: Die Moral von der Geschichte oder die Lehre hinter dem Ganzen. Was will der Autor dem Leser oder der Leserin völlig verklausuliert mitgeben?

Da saß ich nun mit Pierre. Schöne Dinge, die ihm da passieren und die spannend sind, aber was will ich dem Leser sagen? Da hab ich doch echt lange drüber nachdenken müssen. Getz hab ich die Prämisse: Wenn man immer gegen was anläuft, tut eben der Kopf weh. Also … in diesem Sinne – ich begeb‘ mich auf’s Laufradle.

Noch eine Teststrecke von vier lieben netten Menschen und dann geht es auf Reise.

Bin am Werk drane – Teil II

Das seitenweise Runterschreiben gelingt mir nicht. Ich stelle fest, dass hier und da Recherche für den weiteren Verlauf wichtig und nötig ist. Oder ich spring zurück, weil ich an diversen anderen Tagen noch was einbauen muss. Einmal hab ich nur einen Handlungsstrang in den Rest integriert und durchgeplotet.

Zur Romanstruktur: Die Tage sind gezählt, die unsere Helden im Stollen verbringen (Unten) und was währenddessen in der Stadt passiert (Oben). Diese Tage dienen der linearen Orientierung. Damit ich die Orientierung nicht verliere und nicht so viel Zeit mit Suchen verbringen muss, wann was genau vorher oder nachher passiert ist, habe ich mir eine tabellarische Übersicht wie ein Kalenderblatt mit 90 Feldern (für drei Monate) aufgehängt. Damit ich also weiß, ab wann im Stollen von wem Brot gebacken wird, ist das an Tag 4 auf einem blauen Zettel (Farbe = Ort) vermerkt. Das erlaubt mir die Wochentag im Blick zu behalten, So kann ich sie abzählen. Das wiederum erlaubt mir, zyklische Abläufe zu koordinieren und damit kann ich zurückspringen und kleinere Handlungsstränge geschickt einflechten, ohne nochmals alles umzustricken zu müssen. Hier ein Beispiel:

Einer der Handlungsstränge, denn ich erst im Nachhinein untergebracht hatte, obwohl ich ihn schon ganz am Anfang im Kopf hatte, war die „Warten auf Godot„- Sequenz. Wenn wir einen Querschnitt an Menschen annehmen können, dann haben wir eine deutlich geringere aber doch vorhandene Zahl an Intellektuellen, denen das Theater fehlen wird, wenn es lange ausbleibt. Naheliegend ist, dass sie selbst ein Theaterstück inszenieren, wenn die Langeweile groß genug ist. Allerdings musste ich erstmal schauen, wann dieser Zeitpunkt denn kommt. Auch, wie lang die Handlung danach noch im Stollen stattfinden würde. Ich wollte, dass dieses Theaterstück den Höhepunkt des Wartens und der Langeweile von UNTEN markiert. Danach dreht die Handlung nämlich und wir haben eine große Beschleunigung bis zur Katastrophe und dem Ende. Als ich den Moment der Aufführung absehen konnte, konnte ich auch die Handlung dafür einführen. Aber auch die Vorbedingungen, die eine Inszenierung unter so vielen verschiedenen Menschen erst ermöglicht.

Das Theaterstück von Beckett habe ich vorher nicht gesehen. Ich wusste davon nur, was allgemein über das absurde Theaterstück bekannt ist: Man wartet auf jemanden, der nicht kommt. Daher stammt die Redewendung, die ich gerne nutze, wenn das Warten sinnlos ist. Wenngleich Warten für die meisten Menschen die unangenehmste Beschäftigung in der Lebenszeit ist, so ist es eine, der wir nicht ausweichen können und die viel Raum einnimmt. Auf irgendwas warten wir immer: Auf Normalität, auf den Postboten, auf Nachrichten, auf das Ende, auf den Anfang, auf die Liebe, auf die Erfüllung, auf Ruhe, auf Aufregung. Immer zeichnet das Warten aus, dass wir nicht im Hier und Jetzt verweilen. Die Menschen im Stollen warten auch, mit Langeweile und sinnlosen Taten. Und das Warten dachte ich, könnte mit dem Theaterstück über das Warten ein Ende finden, wenn auch nicht das geplante Ende mit dem Erfolg, dass das, worauf alle gewartet haben, eintritt. In dem Zuge suchte ich passende Zitate und passende Handlungselemente aus dem Beckett-Text, mit dem ich mich vorher nicht befasst hatte. Dann folgt das Wunder, dass ich schon öfters erlebte: Meine Intuition (also dieses fragil vage Gefühl) hat mich an die klarste Wasserstelle geführt. Ich habe so sehr passende Zitate gefunden, dass man denken könnte, ich suchte eine passende Geschichte für die Zitate.

Ein Beispiel: Immer versucht, immer gescheitert, egal, versuch‘ es wieder, scheitere erneut, scheitere besser.
– https://gutezitate.com/autor/samuel-beckett

Das war nicht einmal das Beste. Das hebe ich mir auf. Dieses Wunder ist der Grund, dass mir das Schreiben so viel Spaß macht. Ich setze mich mit Dingen auseinander, wie ich es sonst nicht täte und es macht mich glücklich.

Die Handlungsstränge von UNTEN und OBEN unterscheiden sich, ebenso die Positionen der Protagonisten … Mein Leitgedanke auch bei den Figuren:

Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Anonymus – den Marx und Egels waren es nicht.