Mein Ich, das liebste Tier in mir. Philosophisches – Allzu Philosophisches

Geneigte Leserschaft, es ist so weit. Widmen wir uns mal wieder einem philosophischen Thema. Wie kann es anders sein, wenn ich im Unterricht mein Lieblingsthema „Die Sprache“ mit jungen Menschen ausarbeiten, bearbeiten und diskutieren darf? Und von der Sprache führt mich der direkte Weg zum Sein und zur Konstruktion von Sein; aber der Reihe nach.

Sich selbst nicht wichtig nehmen?

Einer meiner Lieblingsvideohäppchenmacher (was ist denn Deutsch bitte für eine phantastische Sprache!) auf Instagram ist Antonio Batinovic, er hat ein Post gedreht, in dem er uns verrät, was er seinem zehn Jahre jüngeren Ich gern sagen würde (also dem 20-jährigen Antonio): Nimm dich nicht so wichtig, denn nur du bist dir so wichtig, dass du dich ständig darum sorgst, was andere von dir denken. Bravo, Antonio. Ist das alles? Ich möchte mit euch zu dem Häppchen ein kleines Häppchen herumphilosophieren. Wieso? Wir können gar nicht anders können, als uns selbst wichtig zu nehmen. Zumindest nehmen wir uns sehr ernst. Und das „Wichtig-nehmen“ ist mehr ein „Wichtig-für-sich-sein“. In meinem Film habe ich die Hauptrolle und die sollte ich ernst nehmen, mit dem gebührenden Spaß an der Sache. Lasst uns doch mal schauen, was wir zu diesem ICH in uns sagen können.

Darf ich euch vorstellen: Ahamkara! Ein Teil meiner Selbst mit viel Kraft, viel Macht und vor allem, wie ein schreiend lautes Kind in mir, verlangt ständig Aufmerksamkeit und braucht ohne Ende Streicheleinheiten, Bestätigung und … Grenzen.

Ahamkara und Ahankara (Sanskrit) wörtl.: „Ich-Macher“ (Aham – Kara): das Ich bzw. Ego, das Empfinden eines eigenständigen Selbst, das Gefühl „Ich bin“, Ichbewusstsein, welches Teil der psychischen Instanzen (Antahkarana) ist, die alle geistigen Vorgänge ermöglichen; Selbstsucht; Selbstbewusstsein, Dünkel, Hochmut. Ahamkara ermöglicht das Denken, so dass die Vorstellung eines getrennten Wesens entsteht. Aus dieser Dualität der Subjekt-Objekt-Beziehung entsteht die Täuschung einer getrennten RealitätEmpfindungenWahrnehmungen und Wünsche stehen in enger Verbindung zu Ahamkara.

Ahamkara – Yogawiki

Die Yogis sehen in der Ich-Identifikation eine Gefahr des „SELBST-Verlustes“ und trotzdem auch eine Möglichkeit, diese Welt zu begreifen. Jaja, die da. Marshall Rosenberg rät jedoch aus einem ganz anderen Grund davon ab, sich auf eine Sache oder auf eine Identität festzuschreiben, nicht nur, weil es einschränkt, weil es mich definiert und damit festlegt, was und wer ich bin, sondern auch, weil es Verletzungen des Selbst durch Sprache vorbeugt. Vielleicht war Rosenberg ein Yogi. Auch Harari und viele andere Denker großer Inhalte halten sich bescheiden und finden den Weg in die Meditation, um zu sich Selbst zu finden, vorbei an dem lauten ICH. Es spielt auch keine Rolle, ob man ein Yogi, Zen-Meister oder Buddhist ist, wenn man seinem Gedankenstrom über seine eigene Person Einhalt gebietet. Es ist ein Aspekt der Gesundheit, wenn wir uns nicht mit Selbstzweifeln, Selbstvorwürfen und Hassgefühlen gegen andere quälen. Auch, wenn das nur einen kleinen Teil davon ausmacht, was uns alles durch den Geist zur eigenen Person, Persönlichkeit oder zum eigenen ICH durch den Kopf geistert. Wir beschäftigen uns ständig mit uns selbst: Wie wirkt das Kleid? Wie steht mir die Frisur? Was meint XY, wenn ich morgen Z mache? Wie wirke ich? Bin ich zu „xy“, bin ich zu wenig „xy“? Der Anteil, der sich mit einem anderen Problem befasst, wie das Lösen eine mathematischen Aufgabe, ist deutlich geringer.

Ich frage mich zum Beispiel im Laufe eines Tangoabends verschiedene Dinge, die mir abzustellen, trotz großer Konzentration kaum gelingen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich allein ständig meinen Geist mit all diesen Fragen beschäftige oder ob genau das auch alle anderen Anwesenden in der ein oder anderen Form tun:

  • Phase 1 Zuhause: Wirkt mein Bauch in dem oder in dem anderen Kleid flacher? Bin ich anziehend genug, damit andere mit mir tanzen wollen? Wie trage ich meine Haare dazu? All diese Fragen lassen sich unendlich dehnen. Auch darunter: Hatte ich das Outfit schon zu oft an? Wie oft war ich an dem Ort mit der Klamotte? Wer kommt heute? Wer sieht mich?
  • Phase 2 in der Pause auf dem Stuhl: Wirke ich zu erhitzt, ist mein Gesicht zu rot? Rieche ich vielleicht schon zu sehr? Denk an das Lächeln. Sitz nicht so uninteressiert oder miesepetrig da. Habe ich mich an den falschen Tisch gesetzt? Sehen mich die Tänzer gut genug?
  • Phase 3 von eher Anfängern aufgefordert zu werden: Tanze ich heute für die guten Tänzer zu schlecht. Sehen mich die guten Tänzer nicht? Wie kann ich gleich mal zeigen, dass ich es drauf habe? Bin ich nicht jung genug für die Tänzer? Wenn ich blond wäre, dann würde ich sicher aufgefordert werden?
  • Fragen nach einem schönen, verbindenden Tanz: Wird er mich wieder auffordern? Hab ich einen guten Eindruck hinterlassen? Haben andere das auch gesehen? Schwang mein Kleid schön mit?

Mein ICH und mein SELBST

Der Fall ist klar, dieser Gedankenstrom reißt nicht ab, völlig egal, was um mich herum passiert. Die einzige Rettung für mich (und vielleicht auch für „uns“) ist „Flow“ – fließen. Eins sein mit dem, was ich gerade tue und Ahamkara ist still, nein ICH ist still. Mein Ich schweigt. Stille. Dann bin ich ich selbst in meiner reinsten Form: unverstellt, ungeschminkt, pur, echt. Was also gilt es zu tun? Flow – und das ist ja ganz klar – auszudehnen. Wie aber soll ich das bewerkstelligen, wenn mich doch alles und jedes Ding immer wieder in diesen Ich-Fragen-Zirkel bringen kann und ich mich in Selbstdarstellung und Selbstentwürfen geradezu verliere? Wann kann ich ich sein?

Bevor wir uns weiter mit diesem Gedankenstrom beschäftigen: Wer ist dieses „ICH“ in mir? Es macht ja nicht mein Sein aus, sonst könnte ich mir nicht dabei zuschauen, wie ICH mir all diese Fragen stelle, mir all diese Gedanken durch den Kopf gehen und könnte mich nicht fragen, wie ich das durchbrechen kann. Daneben arbeitet ein Großteil unseres Gehirns ohne bewusste Auftragslage des Gehirns, das heißt, ich muss mir nicht extra bewusst machen, dass ich mich setzen will, dennoch kann ich mir diesen Vorgang Stück für Stück bewusst machen.

Tor Nørretranders vergleicht in seinem Werk „Spüre die Welt“ über das Bewusstsein unsere bewusste Vorstellung von uns selbst mit einer „Benutzerillusion“. In der gleichen Weise, wie „Desktop“ als Ort für meine Dateien auf dem Rechner die Grundlage der „Schreibtischmetapher“ nutzt, ist unser Bewusstsein als Benutzerillusion „unsere Karte von uns selbst und unseren Möglichkeiten, auf die Welt einzuwirken“ (S. 417). Dieses Ich ist keine feste Einheit, sondern auch das Ich, diese Persönlichkeit, ist eine Darstellung, die sich flexibel anpasst und verändert, die reift, wächst und je nach Umständen sich anpasst. Obwohl wir anderes erleben, halten wir uns für eine Person mit einem festen Wesenskern. Dafür sorgt mein Ich schon. Es erklärt mir stets auf’s Neue, wer ich bin, wieso ich so bin, wie ich bin und setzt sich mit mir auseinander, ob ich wirklich so sein muss, ob ich nicht in Wirklichkeit anders bin oder anders sein möchte. Damit sich mein Ich jedoch in dieser Weise auseinandersetzen kann, braucht es das Du und/ oder das Wir. Merleau-Ponty erklärt in der „Phänomenologie der Wahrnehmung“ bereits 1945, dass das Baby sein Ich erst durch die Außenwelt erkennen kann, weil es das DU erkannt und von sich selbst als getrennt abstrahiert. Ein schmerzlicher Prozess, der cira mit zwei Jahren beginnt.

„Die Wahrheit ‚bewohnt‘ nicht bloß den ‚inneren Menschen‘, vielmehr es gibt keinen inneren Menschen: der Mensch ist zur Welt, er kennt sich allein in der Welt. Gehe ich […] zurück auf mich selbst, so ist, was ich finde, nicht eine Heimstätte innerer Wahrheit, sondern ein Subjekt, zugeeignet der Welt.“

Merleau-Ponty „Phänomenologie der Wahrnehmung“, zit. n. „Man muss sich auf die Welt und die Dinge einlassen“

In „Spüre die Welt“ erklärt uns Nørretranders, dass das Bewusstsein eine neue Erfindung unseres Geistes ist, nicht älter als vielleicht 2000 oder 3000 Jahre alt. Er führt als Beleg das Entstehen des Monotheismus an und vergleicht den Glauben an den einen Gott mit dem sich im Geiste entwickelnden einem ICH. Die Behauptung steht im Raum, dass das Ich die Beschäftigung des Geistes ist, damit der „Rest“ des Organismus‘ in Ruhe arbeiten kann, ohne ständig unterbrochen zu werden. Viele Studien, neurologische Untersuchungen folgen. Meine geneigte Leserschaft, ich kann nur sagen, dass sich beide Werke wirklich lohnen, aber es sind ganz schöne Brecher, mit beiden kann man einen Menschen sogar wörtlich erschlagen.

Wo schaltet sich für dich bzw. für mich dieser Fragenzirkel aus?

Ich denke nach:

  • beim Spielen, also im günstigsten Fall beschäftigt mich das Spielen so sehr, dass ich gar nicht darüber nachdenke, ob ich jetzt witzig genug, gescheit genug, geheimnisvoll genug oder ähnliches wirke.
  • beim Tanzen, wenn ich mich konzentriere auf den Moment und tatsächlich nicht zulasse, dass der Gedankenstrom mich einfängt (was er nur dann nicht mehr tut, wenn der Tanz mich herausfordert)
  • bei der Meditation – manchmal.
  • beim Lauschen sitzend in der Natur gelingt es mir auch manchmal für Momente.
  • beim Schreiben, wenn ich eine Geschichte erzähle. Was soll ich da über mich nachdenken, da habe ich ja Figuren, über die ich Nachdenken kann.

Nach den Yogis ist dieser Zustand, in dem wir uns dann befinden, der Zustand des Selbst. Das Selbst ist mehr als nur das Bewusstsein oder die Projektion eines ICH. Das Selbst ist die Verbindung zu dem, wonach wir uns alle sehnen. Vermutlich? Nun Platon erklärte, dass wir in dem Unvollkommenen die Idee entdecken, weil wir aus der Ideenwelt stammen. Der Grund, weshalb Platons Lehre auch die Christianisierung überdauern konnte. Die Christen erwarten eine Erlösung und den Einzug ins Paradies, wenn man sich im Leben bewehrt hat. Das lässt sich ebenfalls als Rückkehr betrachten (Paradies, Sündenfall, Paradies). Irgendwann im Leben gibt es Momente, da sich zeigt, dass es irgendwie mehr gibt, als das was wir verstehen, dass die Welt vielleicht nicht so ist, wie sie uns erscheint, dass mehr hinter allem steckt. Die meisten von uns erfasst ein Sehnen und ein Hoffen, dass da noch etwas ist, was wir jetzt nicht erkennen. Die meisten nennen das Gott.

Albert Camus spricht oft von der empfundenen Leere, die dazu führt, dass man im normalen Trott des Lebens innehält und sich der Absurdität des Lebens bewusst wird, bevor man weitermacht. Diese Leere sind Haltemomente, in denen wir erkennen können, dass die Welt anders ist. Camus sprich hier von „Fremde“.

Konstruktion – Dekonstruktion – Konstruktion

Gehen wir wieder ein Schritt zurück: Merleau-Ponty erklärt uns anschaulich, dass ein Baby in die Welt geworfen sich als Teil der Mutter versteht, erst dadurch, dass „Mutter“ nicht funktioniert wie der Arm und der Mund und das Bein, erst durch begreifen von Umwelt, lernt das Baby, dass es neben dem Eins-Sein als Wir eine Abstraktion davon gibt, das DU. Mit der wachsenden Erkenntnis, dass es ein DU gibt, erlebt das Kind sich als Ich. Inzwischen geht man in der Forschung davon aus, dass die erste Trotzphase und die Alptraumphase mit zwei Jahren unmittelbar mit diesem Erkenntnisprozess verknüpft ist. Die zweite große Trotzphase beginnt mit ca. 12 Jahren und die nennen wir Pubertät; hier entwickelt sich eine neue Dimension von Ich-Bewusstsein. Man könnte sagen, dass die erste Stufe ein Vor-Bewusstsein ist, in dem ich nicht über mein Wirken, mein Sein und mein Handeln nachdenken muss. Durch die Pubertät erhalte ich als neues Tool sozusagen die Selbstreflexion. Damit geht einher, dass ich auch meine Zukunft plane und überlege, wann was angebracht ist. Lebte ich bis dahin eher von Tag zu Tag, machte mir um die Fülle des Kühlschranks wenig Sorgen (es sei denn, meine Lebensumwelt verlangt dies), so passiert es, dass ich jetzt darüber nachdenken kann und jetzt auch trotz Fülle an ein Übermorgen denke.

Dies ist die Geburt der Konstruktion meines Ich, meines Selbst und meines Seins.

Das passiert nicht alles auf einmal, dafür habe ich in unserer Gesellschaft richtig viel Zeit, zehn bis dreizehn Jahre sogar. (Ich denke, der Prozess wird beschleunigt, wenn in dem Entwicklungsprozess eigene Kinder kommen, der junge Mensch früh für sich selbst real verantwortlich ist – Arbeiten, selbständig Wohnen und Leben, Kinder versorgen, etc.) Was aber konstruiert mein ICH denn überhaupt? Auf der Basis von Erfolg und Misserfolg mit Handlungen entwickelt das Ich Strategien. Was funktioniert, wird weiterhin methodisch genutzt. Habe ich gelernt, dass Charmeeinsatz nützlich ist, baue ich diese Fertigkeit aus, habe ich gelernt, dass unsichtbar machen eine gute Methode ist, werde ich das ausbauen. Daraus bildet sich dann ein Charakter oder eine Persönlichkeit. An dieser Stelle die Anmerkung sei erlaubt, dass die Person bei den alten Griechen mit „Maske“ übersetzt war, also etwas, hinter das man sich Selbst verbarg. Mein Selbst also bleibt hinter der Persönlichkeit verborgen.

Natürlich bin ich nicht meine Einstellung zu Geld, zur Natur und so weiter, aber es gehört auch zu mir, es ist ein Teil meiner Selbst, macht mich jedoch nicht aus. Schauen wir genau in uns hinein, dann sehen wir auch, dass Charme, Geiz, Ablehnung ebenso wie eine körperliche Einschränkung oder wie eine Erkrankung uns zwar formen und uns beschäftigen, aber nicht immer in gleichem Maße. Im Winter macht mich eine Depression handlungsunfähiger als im Sommer, manchmal ist die Arthrose in den Gelenken schlimmer als an anderen Tagen. Den Einfluss jedoch kann ich nicht abstreiten. Wenn ich also gelernt habe, dass man auf meine Krankheiten Rücksicht nimmt, dann können sie trotz Einschränkung vorteilhaft genutzt werden. Außerdem habe ich die Möglichkeit, über eine Krankheit mich selbst in irgendeiner Form darzustellen. Ahamkara meldet sich also und drückt sich kommunikativ aus.

Bei Jugendlichen entwickelt sich die Persönlichkeit vor allem durch extreme Herausstellung von Besonderem; Krankheit, Ereignisse und Hobbys. Da Jugendliche wenig bedeutende Erlebnisse haben – außer welchen, über die sie nicht so gerne sprechen -, Hobbys entweder zu unbedeutend finden (Musikinstrument Lernen, Fußballverein oder sowas ist eher nicht besonders) oder gar keine haben, werden körperliche Merkmale hochstilisiert, zumal Körperlichkeit ohnedies eine zentrale Rolle einnimmt. Was funktioniert, wird beibehalten und so beginnt das Konstrukt vom Ich. Durch die zunehmende Selbstreflexion und dem erschütternden Moment der Leere begünstigt, fragt sich ein junger Mensch (mit viel Zeit) immer wieder, wer er sei. Junge Menschen kommunizieren nun diese Frage und all ihre Vorstellungen davon oder behalten sie vollständig für sich, gleichzeitig werden die Freunden nicht müde, Feedback zu geben, sowohl für das erste wie auch für das letztere Verhalten. Gleichzeitig dient das Feedback zur Bestätigung der Selbstwahrnehmung und testet das Konstrukt auf Stabilität. Die Welt um uns konstruieren wir gewohnheitsgemäß basierend auf unseren Sinnen. Unsere Beziehungen konstruieren wir ähnlich. Fehlende Kenntnis füllen wir durch Interpretation. Wenngleich wir aus eigener Erfahrung wissen, dass wir keine feste Persönlichkeit haben, so halten wir uns doch für formstabil und setzen gerade bei anderen voraus, dass sie immer so sind, wie sie jetzt sind. Dabei verhalten sich Menschen eher durchgängig irgendwie, behalten aber selten eine Meinung ihr Leben lang, verlagern Werte, Vorlieben, etc. Das wiederum bauen wir in unser Konstrukt als Phasen ein. Auch hier ahnen wir manchmal, dass es anders ist, aber im Fluss der Ereignisse wird diese Ahnung überspült. Beziehungen konstituieren sich auch nicht nur aus dem Bild, was ich vom Gegenüber habe, sondern auch auf etwas, was zwischen uns passiert. Wie unsichtbare Fäden sind wir miteinander verwoben und spielen an den gleichen Stellen unterschiedlich auf ihnen. Meine Frage nach Ordentlichkeit wird in Beziehungen durch das Feedback an den Fäden beantwortet, meine Korrektur entweder beim Maß an Ordentlichkeit oder meiner Einstellung zur Ordentlichkeit ist maßgeblich daran gebunden. Lebe ich mit einem Menschen zusammen, der sehr ordentlich ist, erlebe ich dadurch permanent Konflikte, zeigt sich lebensweltlich um mich in anderen Menschen um mich herum, dass Ordentlichkeit ein hohes erstrebenswertes Gut ist, so werde ich sicherlich eher mein Maß an Ordentlichkeit optimieren und anpassen. Lebe ich mit einem Menschen zusammen, dem Ordentlichkeit mehr bedeutet als mir, sind alle Menschen um mich herum ohne dieses hohe Gut an Ordentlichkeit ausgestattet, werde ich vermutlich daran arbeiten, dass der andere toleranter wird. Bin ich hingegen der Ordnungsbedürftigere, übe ich entsprechend meiner lebensweltlichen Erfahrung mehr Druck aus oder übe mich stärker in Toleranz und Akzeptanz. Je nach dem, mit welchen Menschen ich mich umgebe, verändert sich auch meine Persönlichkeit. Ich konstruiere unterschiedliche Beziehungsstufen, ich konstruiere unterschiedliche Wichtigkeiten und passe mein Ich an. Mein Ich wiederum entwirft von den Menschen in meinem Umfeld gemäß persönlicher Erfahrungen und begründet in der Historie ein Bild, ein Bild für diese spezielle Beziehung. Diesem Entwurf entspricht diese andere Person mehr oder weniger, denn auch sie passt sich diesem Bild an – gemäß unserer Beziehungsstruktur.

Dümpel dümpel dümpel … alles nur Theorie – mausgrau und schlammig

Ich lese in Foren, wie man eine Veröffentlichung plant, organisiert und lenkt. Ich versuche es nachzuvollziehen und zu praktizieren, doch immer ist der Termin gerade falsch, die Reihenfolge stimmt nicht, habe gerade was verpasst, den falschen Button angeklickt oder irgendeinen Schritt ausgelassen oder vergessen. Ich komm mir vor wie in einem Teich, ohne irgendwie vorwärts zu kommen. Es geht natürlich und selbstredend um meinen Roman.

Eine Kladde voll guter Ideen hab ich, schon allein die Grillparty für die ersten Lesenden meines Romans und daraus eine Bewertungsmaschine für diverse Plattformen zu generieren, halte ich für einen guten Plan.

10 gute Gründe, wieso man meinen Roman lesen sollte:

  1. Die Geschichte spielt im Ruhrgebiet und erzählt von einem Szenario, dass auch ohne den Ausbruch der Pandemie passieren könnte.
  2. Das Sterben des Mannes ist weder Rache noch Sühne, es ist tragisch und bedauerlich und wird auch so von den Charakteren erlebt. Doch die Frage ist, was tut der Mensch dann?
  3. Die Geschichte wird humorvoll erzählt. Man kann lachen. Wortwitz, Situationskomik und teils groteske Figuren.
  4. Viele philosophische Ansätze sind in der Geschichte enthalten, die einfach erklärt werden. Mittendrin wird auch noch ein Theaterstück inszeniert und diskutiert.
  5. Frauenthemen, Männerthemen, Frauenhass, Männerhass – all das findet von verschiedenen Perspektiven eine Beleuchtung, wird gerade zu ausgeleuchtet.
  6. Die Geschichte ist am Schluss final erzählt. Der zweite Teil ist von diesem insofern unabhängig, als dass andere Figuren Hauptcharakter sind (ähnlich wie in Bridgerton).
  7. Die handlungstragenden Charaktere wie Emma, Paul, Elvis, Jacek, Miri, Anna, Mani, Waldemar, Martina, etc. sind vielfältig und mehrdimensional angelegt.
  8. Anchels T-Shirt-Sprüche sind ein witziger Beitrag zum Tagesgeschehen.
  9. Man erfährt vieles über das Ruhrgebiet, den Bergbau, die stillgelegten Stollen, medizinische Fakten, politische Entscheidungen, Obduktionen, etc.
  10. Multi-Perspektivischer Blick auf eine Liebesgeschichte; wer beurteilt was wie und überhaupt?! Kommunikationen, Bedürfnisse und den daraus erwachsenden Problemen. Und das Ende ist sogar romantisch zu nennen.

Mein Eindruck, ich komm nicht vorwärts. Egal, was ich tue. Jetzt muss ich diese Woche die Klausuren fertigmachen und die Korrektur des HC abschließen, dann geht es weiter. Und es gibt doch so viele Erfahrungsberichte, so unendlich viele, wieso mach ich immer die falschen Schritte? In diesem Sinne: Ich denk mal positiv und sag: es wird!!!

Das Wagnis mit dem Fremden — Berührung, Körperlichkeit und die Tangomanie

Liebe Lesegetriebene, heute möchte ich euch den Tango näher bringen. Nicht Tangoschritte, keine Tangomusik, sondern das Besondere der Tangomanie.

Aufgespannt zwischen Angst und Neugier als zwei Triebkräfte des Lebens erwägen wir, wie viel Risiko wir eingehen und mit welchen Konsequenzen wir leben wollen. Im Theaterspiel gibt es Übungen, die die Spielenden in Wagnisse stürzen, die im geschützten Raum nur ein Schein-Risiko darstellen. Schein-Risiko meint hier, dass man natürlich weiß, dass man nicht blind ist, wenn es gilt, die Augen zu schließen, um für die nächste Übung ohne Sehkraft zu arbeiten. Die Erfahrungen daraus sind jedoch echt. Das bedeutet, dass ich tatsächlich in Stress gerate, weil ich ein Geräusch nicht zuordnen kann, dass ich mich schutzlos ausgeliefert fühle, weil ich nicht fliehen kann wie ein Sehender oder eine Sehende. Diese Erfahrungen oder diese Empfindungen kann ich mir bewusst machen. Durch dieses mir Bewusstmachen eigne ich mir diese Erfahrung an und kann sie auch als Sehende nutzen. In der Regel kennen sich die Mitglieder einer Theatergruppe. Wenn eine Übung wie „blindes Huhn“1 angeleitet wird, ist das eine Herausforderung und kann als Grenzerfahrung erlebt werden, doch eine solche Übung wie zum Beispiel „blindes Huhn“ würde ein guter Spielleiter nicht zu Beginn einer neuen Gruppe anleiten. Wir haben bei einer Theatergruppe ein Mikrokosmos, der zwar nach den gesellschaftlichen Regeln funktioniert, doch innerhalb dieser Welt auch eigene Regeln aufstellen kann, die eine größere emotionale und körperliche Nähe zulassen, als das sonst üblich ist. Unser Wagnis ist damit kalkulierbar.

Anders sieht das aus, wenn wir uns einem Risiko aussetzen, der in der realen Welt spielt. Das Wagnis ist größer, wenn ich auf einer Tanzveranstaltung mich dem Fremden aussetze, denn ich riskiere damit auch immer gleich eine gesellschaftliche Verwundung. Ist diese Wunde aber wirklich so groß? In unserer Welt könnte man denken, ist das eigentlich nicht wirklich so, denn bei einem totalen Gesichtsverlust kann ich die Gruppierung verlassen, eine neue suchen und mit dem Bündel an Erfahrung von vorne beginnen, außer eine öffentliche, digitale Demütigung würde mich verfolgen. Tango aber findet in der realen Welt statt und Tango hat eine kleine Gemeinde von Besessenen.

Versetzen wir uns in die Situation einer Tango-Tanzveranstaltung, getanzt wird Tango Argentino.2 Dies bedeutet, zwei Menschen tanzen auf einer Tanzfläche gemeinsam mit weiteren Paaren eine nicht-einstudierte und nicht-abgesprochene Folge von Tanzschritten, indem eine Person führt und die andere folgt.3 Die führende Person denkt sich passend zur Melodie und zum Rhythmus Muster und Schritte aus, die sie der folgenden Person durch das Regelkonzept „Führung durch die Brust bzw. über die Körpermitte“ vermittelt. Klingt kompliziert, ist auf keinen Fall einfach. Es ist ein Tanz der Achtsamkeit, weil beide sich aufeinander einlassen und konzentrieren müssen.

Auf einer Milonga4 – also der Tango-Veranstaltung – tanzen Paare, die sich kennen, miteinander, zum Beispiel aus dem ein oder anderen Kurs kennen miteinander. Manche Tanzpartner hat man zwar schon mal auf der einen oder anderen Veranstaltung gesehen, aber weder mit ihr gesprochen, noch mit ihr getanzt. Anders als bei Tanzbällen, finden hier dennoch Begegnungen auf der Tanzfläche als Erstkontakt statt. Anstelle eines ersten Kennenlernens steht man sich plötzlich Fuß an Fuß, Leib an Leib und Arm in Arm gegenüber, nimmt den Geruch des anderen nach Schweiß, Seife, Parfum, Waschmittel, Rasierwasser, Hautcreme, Atem-Erfrischer, Bier, Wein, Zigarettenrauch als komplexes Ganze wahr und ist in diesem Moment ausgeliefert, denn schon die Höflichkeit verbietet ein Weglaufen. Manchmal erfährt man erst nach dem ersten Tanz den Namen seines Gegenübers. Nun entscheidet sich in dem Moment, ob nah oder distanziert getanzt wird. Für mich ist das deutlich vom Geruch und von der Schweißmenge abhängig. Diese Nähe im eigenen Intimkreis ist ungewöhnlich. Wir lassen sie nach den Regeln des Tango-Gesetzes zu und akzeptieren, dass uns ein absolut fremder Mensch ca. 12 Minuten lang uneingeschränkt nah ist. Natürlich gibt es Momente, die erotisch konnotiert sind, aber entgegen den Gerüchten ist dies nicht die Regel. Auch kommt es vor, dass nach mehrfachem gemeinsamem Tanzen der ein oder andere „Fremde“ denkt, dass sich mehr entwickelt hätte und neigt zu Vertraulichkeit (Kuss auf die Wange, mit Fingerspitzen die Wirbelsäule oder am Nacken streicheln, vertraulich die Wange anschmiegen, etc.), aber selbst das hat eine geregelte Grenze und ist nicht die Regel.

Brunnen – der zum Spielen einlädt

Wieso aber setzen wir uns diesen „Gefahren“ aus?

Tango Argentino ist in unserer Zeit und vielleicht auch nur in der westlichen Kultur insofern besonders, weil zum einen die beiden Tanzenden sich auf einen teilimprovisierten Tanz einlassen und nicht wissen, was sie erwarten wird, und zum anderen auf Milongas (den Tanzveranstaltungen) die Regel herrscht, dass man mit auch vollkommen fremden Menschen tanzen kann/ darf/ dazu bereit sein sollte. Was für den Tango gilt, mag in Ausnahmen auch für andere Tänze wie zum Beispiel Salsa gelten, doch ist das nicht zu verwechseln mit Standard und Lateinamerikanischen Tänzen, da man in der Regel (es gibt sicher Ausnahmen) mit einem festen Partner tanzt, vielleicht auch in einer festen Gruppe.

An einem Tangoabend tanze ich in der Regel drei Stunden, vielleicht sitze ich davon zwei Tandas, also ca. 8 Tänze lang, vielleicht komme ich an einem Abend auf sechs bis zehn unterschiedliche Tänzer. Einige davon sind mir bekannt, manche mit mir befreundet, in die dritte Kategorie gehören die mir Fremden. Nicht jede Tanda ist ein Genuss, dennoch überwiegt ein anderer Reiz, hat geradezu Suchtcharakter. Ich mutmaße, dass die Nähe und die Körperlichkeit eine Ruhe und Zufriedenheit in mir auslösen, dass ich mich entspannen kann. In Gesprächen mit Tanzpartnern nannten sie ähnliche Erfahrungen. Es macht glücklich. Natürlich, durch die Berührung wird Oxytocin ausgeschüttet und das sorgt für Wohlbefinden und Gesundheit. Die Bewegung zu Musik, die Achtsamkeit miteinander und die gefühlte Verbindung sind aber mehr – so bilde ich mir ein – als eine gute Ausschüttung des Kuschelhormons. Nicht immer fühlt man die Verbindung im gleichen Maße, doch latent scheint sie uns alle zu bewegen. Und ich stelle an mir fest, dass ich mehr Intimität (ohne Sexualität) mit Menschen will, statt oberflächliches Einerlei, statt Smalltalk und Schein-Verbindung.

Es führt ganz sicher zu einem intimeren Miteinander, zumindest geht mir das so mit meinen Tangomenschen. Umarmungen werden selbstverständlicher, körperliche Nähe wird selbstverständlicher, Freundschaft wird selbstverständlicher. Auf der Tanzfläche werden die Gespräche intimer, privater, je häufiger man miteinander tanzt. Doch nicht alle Menschen tanzen, nicht alle Freunde sind tangomane Menschen. Natürlich sind auch diese in der Lage, andere zur Begrüßung oder zum Abschied zu umarmen, doch ist es weit weniger selbstverständlich, sich innig zu umarmen. Treffe ich auf meinen Tanzpartner, so ist die erste Umarmung innig und andauernd, treffe ich auf meinen Spielkollegen, dann ist die Umarmung eine gesellschaftlich akzeptierte auf Abstand gehaltene Andeutung einer Umarmung, obwohl unsere emotionale Nähe ähnlich intensiv ist.

Ich möchte einen Schritt weiter gehen (gedanklich) und frage mich, ob nicht wie bei „blindes Huhn“ auch hier nur ein Schein-Risiko vorliegt. Ist es nicht vielmehr so, dass wir glauben, gesellschaftlich was zu riskieren, wenn wir nicht den Schein wahren? Was passiert uns denn, wenn wir körperliche Nähe zulassen? Was passiert uns, wenn wir laut sprechen, laut lachen und raumgreifend sitzen? Wovor haben wir Angst? Wieso haben wir Befürchtungen, was der andere denkt? Ich denke doch auch, was ich will. Ich kommentiere im Kopf alles Mögliche meines Gegenübers, manchmal sogar durch meine Mimik, aber letztlich wird es mir doch nur dann wichtig sein, wenn mir der Mensch wichtig ist, auf den diese Gedanken bezogen sind. Also umgekehrt interessiert mich doch wirklich von den wenigsten Menschen, was sie zu mir denken und das ist dann der Fall, wenn ich eine Beziehung mit ihnen habe. Und wenn mir der Mensch wirklich wichtig ist, dann sind die Gedanken eine Mischung aus Wohlwollen und Kritik. Ebenso wird es umgekehrt sein. Manchmal enthalten sie Sorge, manchmal Eifersucht, manchmal Neid. Aber es sind meine Gedanken und aus diesem Grund auch in der Regel ungeäußert. Andere werden über mich ähnliches denken. Wenn mir die Menschen, die da denken, wichtig sind, würde ich dem Gewicht beilegen, wenn sie ihre Gedanken äußerten. Nicht immer tun sie das, also weiß ich oft nicht, was sie denken. Mir ist bewusst, dass wir davon ausgehen, dass aus den Gedanken mehr resultieren wird und dieses „mehr“ ist so undefiniert wie der Tango mit dem Fremden.

Mich umgreift innerlich immer häufiger der Gedanke, dass ich eigentlich sein könnte, wie ich will ohne unumstößliche Konsequenzen zu provozieren. Wenn die Menschen von einer Person wie Trump, Putin oder Hitler geleitet werden wollen, dann spielt doch ohnehin keine Rolle, wer ich bin oder wie ich mich gebe. Es ist ein Spiel und in meinem Universum bin ich die einzige, die mit ihren Gedanken, den Konsequenzen des Handelns und den jeweils veränderten Bedingungen leben muss. Aber ich muss das alles auch, wenn sich die Rahmenbedingungen im Außen gravierend verändern (Umweltkatastrophe, Krieg, Seuche). Woher kommt diese Angst? Und wie komm ich wieder in das Paradies der unbegrenzten Möglichkeiten? So gern wäre ich ein Bonobo.

Das menschliche Miteinander erfordert Regeln, das ist ebenso alt und verankert in unsere Gesellschaftsbildung wie das Kultivieren von Ritualen für alles Mögliche: Phasierung des Jahres, Initiation für die Jugend, Verhaltensweisen, etc. Eine uralte Ausdrucksform, die an Regeln und Rituale gebunden ist, ist das Tanzen. Das Tanzen verlangt wenigstens zwei Dinge: Den Wunsch nach einem irgendwie gestalteten Miteinander zunächst einmal ohne die Absicht von sexueller Verbindung und das Vermögen, Musik zu hören, zu verstehen (also als Kette und Zusammenhang von Lauten zu begreifen) und in Bewegung übertragen zu wollen. Nicht jedem Lebewesen auf unserer Erde ist das Geschenk der Musik gemacht worden.

Eine emotional-körperliche Verbindung ohne sexuelle Absicht

Wenn ihr Frieden wollt und wissen wen ihr lieben sollt
Fallt dem Schwarm in die Arme, denn das zieht euch wieder hoch
Euer Yin und Yang hat doch keinen Sinn und Zweck
Immer nur links und rechts, immer nur Krieg und Schecks
Doch es gibt kein Netz und es hat nie eins gegeben
Alles in Scherben und jetzt war’s wieder keiner gewesen

Also fegt jetzt zusammen, nehmt euch zusammen
Vergesst euer Programm und legt euch zusammen
Wiederstand ist zwecklos, nach unserer Erfahrung
Es stimmt was man sagt, Ihr habt echt keine Ahnung
Echt keine Ahnung
Null (null, null)
Zero

Fantastischen Vier, Die Lösung (2010)

Im Mittelalter dominierten strenge Regeln das Miteinander. Annäherung an das andere Geschlecht waren mit unzähligen Regeln behaftet. Der gesellschaftliche Tanz bot eine Möglichkeit der Annäherung, ein gesellschaftlich gestattetes Beschnuppern unter der Beobachtung vieler. Sicherlich kam es zu erotischen Emotionen, denn wenn man die Berührung auf ein Minimum reduziert, werden diese wenigen Momente des Kontakts zu ganz besonderen Ereignissen, jedoch wird nicht jede Begegnung Glücksgefühle ausgelöst haben. Noch heute gibt es in unserer Gesellschaft eine Intimitätsgrenze, die zwar von Bevölkerungsgruppe zu Bevölkerungsgruppe variiert, aber doch vor allem eine gewisse körperliche Schutzzone errichtet. Wir lassen Menschen unterschiedlich nahe an uns heran, was damit einhergeht, ob wir die betreffende Person gut oder weniger gut kennen. Die Sympathie und die gesellschaftlichen Regeln ergänzen diese Grenzen. Aber wir wollen körperliche Verbindungen eingehen. Wir sehen das bei den Kindern schon, wie sie miteinander kuscheln, als Geschwister beieinander schlafen und ganz ungezwungen mit ihrer Körperlichkeit umgehen, solange sich die Erwachsenen nicht bewusst oder unbewusst (wertend) einmischen. Dann erleben wir die Pubertät, der Rauswurf aus dem Paradies der Unschuld und der ewigen Fragerei im Kopf, ob wir gut genug sind, ob wir geachtet werden, ob wir zu weit gegangen sind, ob wir hätten weitergehen sollen, ob wir attraktiv sind, ob wir was verändern müssen, ob unsere (Schönheits-)Maßnahmen greifen, etc. Wir sind uns – ganz banal gesagt – unserer Nacktheit bewusst. Schlimmer noch, wir wissen, dass wir nackt vor die anderen treten und verschleiern unsere Nacktheit durch Worte, die doch offenlegt, was wir wollen. Je nach dem, wie geschickt wir sind, gelingt es uns auch mehr oder weniger zu blenden. Und wir sind alle gefällig, lassen uns blenden oder spielen in aller Höflichkeit das Spiel nach den Regeln mit, damit wir Anerkennung, Liebe und damit Zugeständnisse erfahren.

Vielleicht wäre die Lösung, uns selbst zu Bonobos zu kultivieren.

  1. Die Hühner sind blind, können sich normal bewegen, ein Jäger kann sehen, darf nur kleine Gänseschritte machen und muss bei jedem Schritt ein „Piep“ als laut angeben. Wenn er ein Huhn gefangen hat, hakt sich das Huhn dann mit offenen Augen bei ihm unter, und sie jagen fortan zusammen, bis alle Hühner eingefangen sind. ↩︎
  2. Bereits wenn man einen Tango-Argentino-Kurs besucht, erlebt man, dass die Tanzpartner gewechselt werden, um das Erlernte nicht nur mit seinem eigenen Tanzpartner tanzen zu können. In einem Standardtanzkurs lerne ich gemeinsam mit meinem Tanzpartner eine Rumbatanzfolge und studiere sie mit ihm ein. Er übt für sich, ich übe für mich und dann tanzen wir das miteinander. Im Tangokurs bekommen wir ein Tanzmuster gezeigt, der wie ein Baustein verwendet werden kann, der kein Zwang hat, irgendwo platziert zu sein, damit eine bestimmte Abfolge funktioniert. Dieses Tanzmuster verlangt eine ganz klare Führung und ein klar definiertes Folgen, eine bestimmte Körperhaltung, eine bestimmte Achtsamkeit und eine Konzentration aufeinander. Erst wenn ich diese Abfolge auch mit x-beliebigen anderen tanzen kann, habe ich sie verstanden. An der Stelle die kurze Anmerkung: Bei üblichen Tanzkursen zu Walzer und Co neigen Partner dazu, sich zu streiten, weil der andere nicht macht, was er soll. Sie versteht ihn nicht, er versteht sie nicht, beide sind davon überzeugt, dass sie es richtig(er) machen, dass sie den Rhythmus halten, dass sie es besser verstanden haben, etc. Im Tangokurs deckt sich allerdings auf, dass beide die Figur nicht tanzen können oder nur in Teilen und dass der oder die Einzelne jeweils ganz eigene Baustellen hat, an denen es zu arbeiten gilt. Plötzlich stellt man bei sich fest, dass man den Rhythmus nicht wirklich erkennt und muss das trainieren, stellt fest, dass man die eigene Achse nicht halten kann, dass man den Fokus nicht halten kann oder ähnliches mehr. Tango ist also auf jeden Fall eine Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit sowie den eigenen Möglichkeiten und Grenzen. ↩︎
  3. Jaja, das ist sehr patriarchal, theoretisch. In unserer Welt ist es aber auch der Raum, in denen Männer die Kraft ihrer Dominanz trainieren und schauen, ob sie eher zu den einladenden Tanzräumen neigen oder die Tanzfläche beherrschen. Ein Tanzlehrer sagte einmal, dass es die Rolle Butler und Polizist gäbe, klare Anweisung oder freundliche Einladung. UND, in diesen Kreisen kommt es häufig vor, dass die Frau auch die führende Rolle lernt (vermehrt Männer auch die Folgende), so dass hier nicht immer eine Mann-Frau-Situation gegeben ist. Letzter Punkt dazu: Es ist als Folgende sehr schwer zu lernen, wirklich nur und genau nur das zu tun, was gerade gefragt wird und nicht schon mal die Figur zu tanzen, weil man meint, man habe sie erkannt, oder schon mal vorzutanzen oder noch irgendwas anderes zu machen. Vorauseilender Gehorsam sozusagen. Frauen bzw. Folgende (gilt auch für Männer) müssen erst mühsam lernen, zu warten. Schon aus diesem Grund wird in vielen Tanzstunden der Partner gewechselt, damit man auch weiß, wie sich die Führung von jemand anderem ausnimmt und man erkennt: „Ah, da hab ich nicht aufgepasst.“ und „Oh, ich kann das doch!“ Als Führende ist es ein hartes Brot, sich die nächsten Schritte zu überlegen, den Raum in seiner Fülle (da tanzen noch andere) zu organisieren und dann noch Rhythmus und Mensch zu führen. Das ist nicht so leicht, wie das von außen erscheint. Von Männern verlangt es die Klarheit, dass sie wissen, was sie tun. Also da liegen viele persönliche Lernmöglichkeiten. ↩︎
  4. Auch das kurz erklärt: Auf diesen Abendveranstaltungen oder Tanznachmittagen (es gibt beides) wird in der Regel klassische Tangomusik gespielt. Warum? Weil man dort den Takt gut hört. Es werden alle drei Tanzstile abwechselnd eine Tanda gespielt. Das heißt: Eine Tanda besteht als Einheit aus drei oder vier Liedern (legt der DJ fest), die zu einem Tanzstil gehören und in der Regel ähnlich sind. Es gibt drei Tanzstile: Tango Klassik, Walz und Milonga. Richtig, die Milonga ist sowohl der Name für die Tanzveranstaltung als auch für einen Stil. Wieso? In Argentinien tanzen die Tangieros lieber Milongas. Was ist der Unterschied der Stilarten? Walz ist mit dem Walzer-Rhythmus ein bisschen komplexer zu tanzen, allerdings ist es das gleiche Tempo in seiner Tanzform wie der klassische Tango. Der klassische Tango ist der, den man zu Anfang in den Tanzschulen lernt. Milonga ist der schnelle Tango. Er ist aber nicht nur schneller, er ist auch rhythmisch etwas anders und er wird noch mehr im Knie getanzt, weil man schnellere Wechsel hat. Eine Milonga-Tanda besteht immer nur aus drei Stücken. Der DJ arbeitet nun folgender Maßen (also in der Regel): 3-4 klassische Tangos, Cortina (Unterbrechungsmusik), 3-4 Walz, Cortina, 3-4 klassische Tangos, Cortina, 3 Milongas, usw. Walz und Milongas werden also seltener getanzt. Die Cortina, also die Unterbrechung zwischen den einzelnen Tandas erfolgt, damit sich die Paare zu ihren Plätzen begeben und neu zusammenfinden. Manche DJs spielen kurz ein Zwischenlied an, andere spielen ein vollständiges Lied. Es hängt von der Lokalität bzw. vom Anlass ab. ↩︎

„Beklaute Frauen“ – Rechte und Pflichten einer Frau … Wer bin ich?

Geneigte Leserschaft, bin ich eine Frau oder ein Mensch? Was zuerst? Das eine weniger als das andere? Habe ich eine Natur oder unterdrücke ich die Natur zugunsten der Kultur? fühle mich oft zunächst als ICH, geschlechtsneutral, vielleicht auch wesensneutral. Gern bin ich eine Frau, weil das einfach viel mehr Wunder enthält. Vielleicht würde ich das anders sehen, wenn ich alternativ nicht-frau sein kann, aber das ist mir nicht gegeben. Als Frau bin ich aber auch nur eine Ausprägung von verschiedenen Formen und könnte, abgesehen von dem Faktor Kinder-bekommen, genauso gut ein Mann sein. Zumindest von außen betrachtet. Natur und Kultur zu kontrastieren, lohnt sich auch nicht wirklich, denn wir können das eine nicht von dem anderen ablösen, ohne immer auch das andere schon zu berühren. Genetisch ist dem Menschen anhaftend, dass er ordnet, strukturiert, sich aneignet und seine Umwelt kultiviert. Diskutiert eine Ameise ihre Position im Staat?

Muss ich „ja“ sagen, wenn ich nicht „nein“ sage?

Muss ich „ja“ sagen, wenn ich nicht „nein“ sage?

Ich weiß, ich habe die Frage wiederholt. Sie hallt in meinem Kopf nach. Wie ist das genau gemeint? Ich wollte Kinder, alle drei. Hätte gerne mehr genommen, doch dazu braucht es manchmal zwei Menschen, die das wollen … zumindest in unserer Gesellschaft. Ich wollte diese drei Kinder auch nicht bekommen, damit sie von anderen betreut werden, obwohl sie das wurden. Sie wurden reichlich fremdbetreut. Dass meine Idealvorstellung von Familienstrukturen jenseits unser patriarchalen Gesellschaft liegen, habe ich bereits in dem Beitrag „Ende der patriarchalen Strukturen? – Wenn sich Liebe vom Rest trennen ließe“ formuliert, aber was meint das?

Mein Herz schlägt sicher feministisch und keine gesund-denkende Frau kann sich gegen die Wünsche der Feministin, endlich gleichberechtigt zu sein, verschließen, ohne sich selbst zu verraten. Angesichts der Zahlen und Statistiken zu Gender-Gap, zu Femzide, zur Gewalt gegen Frauen, angesichts der Geschichte des Hasses gegen Frauen, politisch und gesellschaftlich gewollt, kann eine Frau auch gegen den Feminismus nicht gleichgültig sein. Und letztlich bedeutet das, dass ich individuell den Kampf ausfechten muss und in meinem Leben für die Sache einstehen muss. Will ich das? Bin ich bereit dazu? Ich habe geheiratet. In meiner Ehe gestritten darum, dass mein Partner Elternzeit nimmt und verloren. Habe versucht für den Partner und für mein Ansehen, Familie und Beruf zu vereinen, habe meine Kinder nicht dafür bluten lassen wollen und alles unter einen Hut zu bringen versucht. In der Ehe gestritten um den Umstand, eine schlechte Ehefrau zu sein, weil ich meinen Haushalt nicht bewältigt habe, neben Beruf und Kinder. Wer sprach da schon von Care-Arbeit? Ich, ich allein hab die Kinder gewollt. Mein Ex-Mann wollte sie auch, aber anders als ich. Arbeit und die Anerkennung einerseits, Familie zuhause andererseits, alles ist schön. Willkommen in der Wirklichkeit der Rama-Familie. Ich bin noch immer der Ansicht, dass ich auch als Frau das Recht haben sollen dürfte, dass ich mich um meine Kinder kümmere. Meine Kinder. Meine Kinder. Und ich bereue meine Entscheidung, dass ich mich um eine gleichzeitige berufliche Unabhängigkeit bemühte. Eins von beidem genügt.

Nein, wenn ich nicht nein sage, so sage ich vielleicht trotzdem nicht ja, zumindest nicht zu allem. Ich wollte meine Kinder selbst begleiten und ich wollte dennoch ein Leben führen, dass es mir ermöglicht, selbst-bestimmt zu sein. Ich dachte, es würde genügen, dies nacheinander zu wollen. Jetzt ist die Zeit für das andere, weil meine Kinder groß sind. Grundsätzlich sollten sich Frauen klar sein – und Männer irgendwie auch, was sie wirklich wollen. Und wenn sie zunächst Kinder bekommen wollen, sich darum kümmern wollen, sollte ihnen das anerkannt und beruflich zugeschlagen werden. In einer Welt, die alles monitär bewertet, sollte auch alles einen monitären Wertmarker bekommen und zwar einen, der angemessen zur Leistung steht. Wir brauchen ein gesellschaftliches Miteinander, in dem real alle die Kinder mittragen: finanziell, räumlich, wirtschaftlich, ökologisch.

Mir wird von Psychologinnen und politischen Gruppierungen erklärt, dass ich Verständnis haben muss, dass auch mein Gegenüber eigene Ziele wählt, in seiner Geschichte lebt und seine Grenzen hat, die ich respektieren soll, die ich akzeptieren soll und – wenn ich ihnen zuwider handele – ich gleichfalls Gewalt ausübe. Ja, verstehe. Verstehe. Ich verstehe das dann so, dass ich im Prinzip die Bedingungen meiner Partnerschaft mit dem Mann, der meine Kinder mit mir zusammen großzog, selbst gewählt habe und nun ertragen muss, weil er diese historischen Fundamente unserer Kultur ebenfalls leben wollte und sogar sich in seiner Rolle bestärkt sah und diese sogar begrüßte. In der Rückschau ist es auch so, dass ich ja viel streitlustiger war als er, auch und vor allem aus seiner Sicht. Alles, was er erinnert, ist das „Wie“, kein Quäntchen „Was“ ist dort auszuquetschen. Ich kann also streiten, versuchen meine Argumente anzubringen, kann tun, was ich will und letztlich stellen Vater und Sohn sich hin, Arm in Arm und erklären, dass sie die Intelligenz sind und dass sie der Erfolg sind. Wenn ich mein Handeln und Streiten reflektiere, dann sehe ich den Wunsch nach Gleichberechtigung, den Wunsch nach Anerkennung, den Wunsch nach Selbstverwirklichung. Ich soll also Verständnis haben und dennoch wie Jeanne D’Arc kämpfen und bemerke kaum, dass es Don Quichotes Windmühlen sind, die ich angreife? ICH will als Frau auch Frau genug sein dürfen, Kinder großziehen zu können und doch will ich soviel Mensch sein, dass ich das nicht allein tun muss, dass ich nicht allein damit bleibe und in Windeln, Schlafmangel und Hoffnungslosigkeit ertrinke. Ich will nicht beschimpft werden, weil ich es wage, meine Stimme zu heben und zu sagen, dass beides möglich sein muss. Und ich will auch nicht akzeptieren müssen, dass ich ausgebeutet werde, weil ich in dem Spiel die weibliche Puppe benutze.

  1. Beruf und Kind und Haushalt, das ist Sklaverei.
  2. Kind und Haushalt, das ist Gefängnis.

… Für die Frauen natürlich nur. Kann es nicht anders sein? Was muss passieren, dass auch Männer diese Rollenverteilung nicht mehr wollen?

Natürlich kann ich den Hintergedanken der „positiven Verstärkung“ sehen, wenn ein Preis wie „Spitzenvater des Jahres“ die Männer anregen soll, doch auch ihre Vaterrolle ernster zunehmen. Nur: geht der Schuss nicht nach hinten los, weil eben die Frauen diesen Job so selbstredend seit Jahrtausenden ausüben? Mir ist klar, dass der Wettbewerbsgedanke den Mann motivieren soll, sich mehr zu bewegen, trotzdem könnte ich kotzen.

Erschwernis ist: Ich kann bestimmte Erfahrungen nicht als Wissen über etwas machen, sondern erlebe sie und dann muss ich auch noch schauen, ob das individuelle oder gesellschaftliche Erfahrungen sind. Wenn mir die Worte fehlen, etwas zu benennen, kann ich mich auch nicht mitteilen, nicht so, dass mein Gegenüber mich versteht. Sprachlosigkeit, Ohnmacht sind Konsequenzen daraus. Nehmen wir noch einmal das Thema Gewalt: Gewalt aus Ohnmacht bzw. Mangel an alternativen Strategien ist etwas anderes als Gewalt aus Macht trotz Alternativen. Bei ersterem benötige ich die Erkenntnis eines Problems, eine Problemanalyse und dann die Option von Alternativen. Das nimmt tatsächlich Zeit in Anspruch, lässt sich aber bewältigen. Wenn jemand Gewalt ausübt, weil er ein Machtmensch ist, dass werden die Optionen nur subtilere Mittel der Machtausübung werden, vielleicht ohne Schrammen und blaue Flecken, doch ähnlich problematisch. Und nun stehe ich irgendwo in meiner Entwicklung in meinem Leben, habe wunderbare Ratgeber gelesen: Ich-Stärkung, Grenzsetzung und ich weiß nicht noch was alles und die Theorie ist ganz erstaunlich hübsch und attraktiv. Ich schwöre mir, dass mir X und Y nicht passiert, dass ich A bis Z tun werde, sollte es doch so sein. Das Leben aber ist letztlich nichts, was nach Handbuch funktioniert und ich kann lediglich im Nachhinein reflektieren, was ich wieso wie getan habe und dass es vielleicht kein Einzelschicksal war. Dann aber ist es auch keine individuelle Boshaftigkeit mehr, sondern steckt im Detail im System. Seit dem Ende der Moderne wissen wir, dass es „Das Böse“ nicht gibt. Wir wissen, dass die Welt sich nicht in „gute“ und ich „schlechte“ Menschen teilen lässt, dass ein Charakter durch viele Facetten hindurchschimmert und sich die Farbenpracht im komplexen Zusammenspiel zeigt. Und wenn ich dann erst im Nachhinein in der Lage bin, X und Y als „X“ und als „Y“ zu benennen, ja auch erst dann als solche verstehen kann, was hätte ich denn dann anders machen können? Ich stehe hier mit meiner Zeitlichkeit behaftet und weiß genau, wem will ich was erzählen? All die guten Ratschläge, wenn Frauen von Gewalt erzählen, die sie erleben oder erlebt haben, sind böse Schläge, denn wir stecken alle – Mann und Frau und alles dazwischen – in dieser Falle des Erlebens verhaftet als naturiertes Kulturwesen oder kultiviertes Naturwesen. Dazwischen. Vielleicht kommt nur der Humor uns bei.

Lasst uns noch einmal vor Augen führen, welche Werke dieses charmante Thema behandeln:

Schöler, Leonie: Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte, 12. Aufl., München 2024

Endler, Rebekka: Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt, 2021

Clemm, Christina: AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt, 2020

Holland, Jack: Misogynie. Die Geschichte des Frauenhasses, 2001

Roman – Frauenthema und Männerdiskriminierung, Nachrichten über Massenvergewaltigung

In welcher Welt wollen wir leben? In dieser aktuell doch sicher nicht. Auf einer Buchvorstellung wurde mein Roman direkt kritisiert, weil die Männer sterben, übrigens sehr human, gar nicht durch Folter, Vergewaltigung oder Hunger, also absolut unmännlich. Mir liegt böse in den Fingern zu schreiben, dass human vermutlich eine weibliche Eigenschaft ist, während Gewalt, Brutalität männlich sein muss. Genetisch? Vielleicht genetisch.

Ich muss zugeben, dass die aktuellen Nachrichten über den in Frankreich zu ende gegangenen Prozess Pelicot und der über Telegram organisierte Austausch darüber, wie Mann am besten eine Frau betäubt und anschließend vergewaltigt in mir eine Sintflut an Emotionen austreibt und nebenbei auch eine Sinnflut antreibt. Welchem Mann kann man eigentlich trauen? Mir sitzen mein Tanzpartner, den ich Freund nennen würde, und seine Lebensgefährtin gegenüber und ich frage mich, was weiß ich nicht, muss ich vor ihm Angst haben? Auch vor ihm? Muss ich nicht nach all dem vor jedem Mann Angst haben?

Ich erinnere mich erneut an meine Romanvorstellung und daran, dass ich kritisiert wurde, dass ich den Mann an sich angreife, weil ich mir eine Welt vorstelle, in der der Mann nicht mehr solche Macht hat. Eine Traumphantasie von einem Paradies für Frauen! Ich kann verstehen, warum in Essen der Beginenhof nur Frauen aufnehmen. Nein, eine Welt ohne Männer mag ich mir wirklich nicht vorstellen. Also gut, habe ich streng genommen, aber ich würde dort nicht leben wollen. Ich dachte aber auch immer, dass nicht alle Männer so sind, dass sie Frauen Gewalt antun und dass ich bestimmt am Verhalten des Mannes mitbekommen kann, ob er mir Gewalt antun will oder nicht. Doch wenn es genetisch ist, ich nicht mitbekomme, wie mein Gegenüber mich gerade entmenschlicht, um mit und an mir seine Gewaltphantasien auszuleben, wo bin ich dann sicher? Wann bin ich dann sicher?

G. Pelicot hat bestimmt ihre üblichen Differenzen mit dem Ehemann gehabt, sie wird vermutlich mit ihm gestritten haben über die Kindererziehung, über das Geld, über Anschaffungen und über Freiräume. Sie werden gute Tage gehabt haben, vergnügliche und sie werden ein ganz normales Eheleben geführt haben. Wie also geht das? Wie fängt das an? Hat er sich über sie geärgert, weil sie ihm seine Lieblingswurst nicht eingekauft hat und weil sie die nie kauft, hat er sich mit der ersten Betäubung an ihr gerächt und sie mal dafür „bluten“ lassen? Dann hat er sich gedacht, dass das gar nicht so schlimm war und hat es noch einmal gemacht? Und dann hat er daraus ein Experiment gemacht und fand es sexuell immer erregender? Wie oder wo beginnt so ein Trip? Und was bedeutet das dann letztlich, wenn man mit 72 Jahren auf ein Eheleben zurückblicken muss, dass durchfärbt ist von einer gewaltigen Lüge und von massiver Gewalt und von so einem Missbrauch an Vertrauen und dergleichen. Das ist der Mann, den man bekocht hat, mit dem Mann hat man Kinder, mit dem das eigene Leben geteilt, an dessen Schulter geweint, den Mann in Krankheit gepflegt.

Wie sollen wir Frauen überhaupt noch Vertrauen für irgendeinen Mann haben? Für die meisten Männer, mit denen ich zusammen war oder mit dem ich aktuell zusammen bin, würde ich meine Hand ins Feuer gelegt haben, dass ich da sicher bin – wie „in Adams Schoß“. Aber heute? In Adams Schoss ist eine Frau nicht sicher.

Es ist der Puls der Zeit. Meine Romanidee ist älter, doch nun ist die Zeit offensichtlich reif für dieses Thema. Und die Reaktion im Buchladen zeigt, es ist aller höchste Eisenbahn, dass wir Frauen uns ermächtigen, nicht mehr wie ein Kaninchen vor der Schlange zu erstarren, nicht mehr zu dulden, wenn Männer über Grenzen treten, nicht mehr zu schweigen. Meine Tochter erzählte heute von einer Übergriffigkeit während der Arbeitszeit durch einen Kunden und erklärte, wie sie ihn bestimmt und klar und gar nicht lächelnd und freundlich in die Schranken gewiesen hat und ich wünschte mir, mir würde dies auch so gut gelingen. Wir hören uns blöde Witzen an, dumme Sprüche, ertragen Hände auf Oberschenkeln, im Nacken oder um die Hüfte gelegt und schweigen. Das muss aufhören. Ebenso wie das Ammenmärchen, dass die wahre Gefahr für die Frauen im dunklen Wald in der Nacht läge und nicht direkt im Bett nebenan. Wir müssen aufhören, unseren Töchtern vom gefährlichen fremden Mann nachts um zwei zu erzählen. Wir müssen damit beginnen, dass wir ihnen Handlungsweisen beibringen, wenn Papa, Bruder, Freund und Onkel zudringlich werden. Wir müssen diese Dinge beim Namen nennen und nicht nur in Frauenrunden. Lassen wir den Männern das Manspreading oder das Mansplaining. Kleinigkeiten. Aber wirklich wichtig ist, dass wir Frauen uns ermächtigen, Empowerment ist das Stichwort. Dafür brauchen wir kein Organ wie in „the Power“ von Naomi Alderman.

Ist es eine unerfüllbare also utopische Wunschvorstellung, dass Männer und Frauen in einer Welt gemeinsam leben könnten, ohne gegenseitig sich unterdrücken zu müssen, sobald es zum Machtausgleich käme? Gibt es keine Möglichkeit der Gleichberechtigung im Miteinander? Muss A immer B dominieren, unterwerfen und unterdrücken? Können wir über unsere genetische Anlage nicht hinaus? Warum sind wir keine Bonobos …?

Und ich frage mich, wie werde ich diese hoffnungslosen Bilder wieder los: Männer, die ihren Schwanz in irgendein Loch in der Mauer, der Wand oder ein Astloch stecken, um sich zu befriedigen. Männer, die irgendeine Frau bewusstlos ficken. Männer, die einer Frau ihren Schwanz in den Mund stecken, obwohl sie vielleicht daran erstickt, die in Truthennen ihre Schwanz treiben, ob diese tot oder lebendig sind, die Orang-Utan-Weibchen zu Frauen verkleiden und ficken, die sogar ihren Schwanz in einen Staubsauger einführen. No capisco. Und würde ich all das tun, wenn ich auf der anderen Seite der Macht stünde? Gibt es irgendwas Vergleichbares in mir, irgendeine Phantasie, die mich verstehen lässt? Ehrlich, ich suche und suche und suche. Ich will kein Kind ficken, weil es so schön kindlich ist. Ich will mich nicht an einem Baum reiben oder an einem Bein oder mir nicht in einer vollen U-Bahn zwischen die Beine greifen und mich selbst befriedigen oder irgendeinem fremden Mann die Hose runterziehen, ihm zwischen die Beine greifen. Wieso habe ich nicht eine kleine miniperverse Phantasie, die mich verstehen lassen könnte, dass all das „menschlich“ ist. Wieso fühlt es sich so an, als sei ich von einem anderen Stern?

Allmählich verstehe ich, dass ich diese Romanserie schreiben will, weil ich begreifen möchte, was es heißt, solchen Zwängen unterworfen zu sein. Nur, wie werde ich diese Bilder wieder los?

Ausverkauf: Heile Welt – Ein Rock-Pop-Schulmusical für und mit Schule

„Wir ernten … ernten, was wir … was wir sähen … sähen. […] Die Leute geh’n voll ab, die flippen voll aus …“

Hier ist schon fast voll – reserviert eben

Wir hatten gestern unseren „Fanta4“-Moment, das Publikum war begeistert und alles lief wie am Schnürchen. Bis zum Schluss. Dann kam noch die Applausabfolge und mitten drin wurden wir unterbrochen. Warum hat mir keiner was gesagt, ich hätte so schön auch die Worte der Schulleiterin vorbereiten können.. Also unser Stück war super. Zweimal super, zwei Mal mit zufriedenen, fröhlichen Gesichtern im Publikum. Dass unsere Schulleiterin nicht Benedikts und meine Arbeit zu würdigen wusste, hatten wir zwar anders verdient. Doch … niemand kann ja ahnen … ahnen, keiner … keiner kann es … kann es wissen … wissen. Bitte, möge jemand verhindern – zu ihrem Schutz -, dass sie am Tag meines Dienstausscheidens (der nicht mehr so weit weg sein darf) – segensreiche Worte zum Abschied sprechen möchte. Ich denke, dann kann ich nicht mehr an mich halten, dann verliert sich all meine Höflichkeit, meine gute Erziehung und (er)bricht sich in meiner Zügellosigkeit in Bahnen – im Strahl. Stellt sich mir an dieser Stelle die Frage: Lernen wir nicht am meisten und auch am liebsten aus negativen Beispielen? Das war auf jeden Fall wieder ein Unikat für die Kiste: So bitte nicht! Ihre Worte zuerst an die Spielerinnen und Spieler zu richten, war super, dann aber nicht einmal zu erwähnen, wer für das Stück verantwortlich ist, wer die technische, musikalische, organisatorische Leitung hatte, wer Regie geführt hatte, das ist mehr als armselig. Über den Rest breite sich Schweigen.

„Doch wir wollen unsere Sorgen vergessen, tonnenweise Torte fressen. Bald ist alles egal, wir können uns eh nicht retten.“

Der Inhalt, bitte sehr!

Tom und Dunia, zwei Liebende in den Wirren der Schulzeit in den 80ern, suchen nach ihrer Identität. Dunia will die Welt verbessern, was ihre Eltern wohl nicht schafften. Ihr Freund scheint dem Thema Klimawandel auch gleichgültig gegenüberzustehen. Tom merkt, dass er Dunia verlieren könnte und will sie beeindrucken. Er sprüht ein Graffiti an die Schulwand. Dabei geht er ein hohes Risiko ein und wird erwischt. In Untersuchungshaft der eine, in der Ungewissheit, wie es nun mit der Liebe und dem ganzen Rest weitergehen soll, die andere leiden beide. Doch wie soll ein solches Märchen gut ausgehen? Oder gehen nicht nur Märchen am Ende gut aus?

Spoiler: Türlich geht es gut aus. Wir starten mit einem Weltuntergangssong, in der Mitte beehrt uns Peter Fox mit seinen Tipps für den letzten Tag und dann versöhnen wir uns mit dem Gedanken, dass die Welt heute noch nicht untergehen wird. Ja, Verantwortung ist gut und wichtig, die habe ich meinem Leben gegenüber auch. Das Leben ist ein Geschenk und ein Geschenk ist immer auch eine Aufgabe, enthält sie und führt dazu, in doppelter Hinsicht. Was für eine Sprache!

Zur Geschichte dieser Produktion:

Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums wollten wir etwas Besonderes an unserer Schule schaffen. Etwas, das uns eint, etwas, das mit unserer Schule zu tun hat, in dem Fall mit unserem Papiermotto. Was wäre besser geeignet als ein Schulmusical über die Leiden und Wirren der Schulzeit selbst?

Bühne mit unvollständigen Bühnenelementen. Nebenbühne rechts für Schauspielerys; Podest links für die Lehrercombo

Unser Schulmusical ist eine Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Fachbereichen mit der Unterstützung vieler Lehrkräfte, wie sie in der Form lange nicht an dieser Schule stattgefunden hatte. Ein großartiges Bühnenbild von der Kollegin Hoffmann-Pudelko, ein kleines harmloses Graffiti von Kollege Hanning, Kollege Zillich am Licht, die Lehrerband als chorische und musikalische Unterstützung. Letztlich zogen alle mit, selbst die Orga öffnete Arbeitsräume, wo vorher gar nicht dran zu denken war. Danke dafür.

Im Laufe der Produktionszeit von  1,5 Jahren mussten einige Hürden überwunden werden. Es zeigten sich neben organisatorische Fallstricke auch grundlegende Schwierigkeiten mit einem beständigen Ensemble. Gestartet sind wir mit 40 Schülerinnen und Schülern aller Jahrgänge, die mitmachen wollten. Viele aber stiegen nach kurzer Zeit aus, weil sie Schulnotenabfall oder das Verpassen von Anschlüssen befürchteten. Einsteigende und aussteigende Mitspielerinnen und Mitspieler sorgten für Rollenverschiebungen, sorgten für inhaltliche Veränderungen und Anpassungen, bis endlich dieses Ensemble von 15 Schülerinnen und Schülern die gekürzte und angepasste Version spielen konnten. Daraus gewachsen sind Freundschaften fürs Leben. Zuvor hatten wir ein Stück beabsichtigt, dass doppelt so lang gewesen wäre, dass deutlich mehr Choreografien aufgewiesen hätte. Auch musikalisch haben wir das Stück zusammengestaucht, häufig nur den Refrain gesungen.

Mein Ensemble und der Auftritt

Die Jugendlichen waren großartig, sie haben jede Menge Applaus verdient und zwar nicht nur für das Ergebnis, sondern vor allem für ihren Weg, den sie zurückgelegt haben. Sie sind mutig an ihre Grenzen gegangen, sind liebevoll miteinander umgegangen, haben sich in den Text mühsam und kämpferisch hineingekniet, Ängste und Paniken ausgehalten, haben alles gegeben und sind so gewachsen. Jeder und jede einzelne hatte in diesem Stück seinen oder ihren ganz eigenen Moment des Wachstums und des Erfolgs. Unsere Tanzmaus kann laut und kann auf den Punkt, sie kann sich zeigen und war so sichtbar. Unser Bär mit seiner Begabung, die Gruppe zusammenzuhalten und für den einzelnen da zu sein, hat niemanden aus den Augen gelassen und alle geschützt. Unser Klaviervirtuose steckte mindestens zwei weitere an, Klavierspielen lernen zu wollen. Wir hätten eine Kamera auf das Klavier stecken sollen, damit man sieht, dass er selbst spielt. Die Eifrige von allen, die immer alles für alle am Start hatte, immer auf den Punkt, immer dabei. So eine tolle Ausstrahlung hat unsere Schüchterne. Niemand sieht es ihr an und sie hat sich getraut, sie konnte sich zeigen. Die Entwicklung von zwei oder drei weiteren Mädchen, die so anders im Unterricht waren und dann mit ihrem Spiel auf der Bühne glänzten. Dieser Eifer und diese Hingabe. Unsere Hauptdarsteller, die einen eigenen Weg fanden, Nähe zu spielen, so dass das Publikum einen Kuss erwartete. Nun, hinter der Bühne plötzlich zeigt sich, dass sie sich was zu geben haben. Nein, sie sind keineswegs verliebt ineinander, aber sie können es heute spielen. Die vielen kleinen Momente vor dem Spiegel, hinter der Bühne. Es ist ein Geschenk.

Bei mir stellt sich das Gefühl von Stolz und Liebe ein. Das und genau das will ich. Ich möchte Jugendliche dazu bringen, dass sie über sich hinauswachsen und für sich kleine Erfolge haben, die ihnen niemand wegnehmen kann. Denke ich an meine Schulzeit zurück, dann erscheint mir dieser Moment, als ich auf die Bühne gehen musste und das Theaterstück in vor meinem geistigen Auge.

Das Ende und die Reflexion

Gewürdigt wurden wir. Die Jugendlichen waren begeistert und haben sich bedankt für diese Arbeit. Was sollte ich mehr wollen? Kolleginnen und Kollegen waren entzündet und stolz auf die Kids. Ich muss sagen, dafür tue ich das. Auch wenn ich zugegeben gerne höre, dass ich etwas gut oder toll oder schön oder besonders gemacht habe, weiß ich schließlich, dass da nur meine Eitelkeit gestreichelt werden will. Noch mehr will ich meine Begeisterung für die Jugendlichen teilen, für das, was ich mit ihnen erlebt habe.

Am Ende gibt es einige organisatorischen Dinge, die ich im nächsten Durchlauf anders händeln würde. Auch der Ablauf und die Probenzeiten müssten anders für die Spielenden eingebettet sein. Unverändert möchte ich meine Spielgruppe lassen. Ich möchte diese 15 jungen Menschen nehmen und das nächste Stück mit ihnen planen und dann vielleicht noch eines, diesmal mit noch mehr Tanz und mit mehr Hauptrollen und noch mehr Gesang und mehr Instrumenten … Ich hätte Lust …

… da klopft schon das nächste Projekt: „Der zerbrochene Krug“ …

… Immer ist ja irgendwas.

Aber wer weiß, vielleicht 2026 wieder?

Exklusiv: Interview mit einem Newbie am Autorenhimmel. Die Debütautorin Scarlett H Mirro erklärt

Ich hab es mir nicht nehmen lassen, wo ich schon mal so dicht an einer Autorin herankomme, mit Scarlett H Mirro ein Interview zu führen. Hier präsentiere ich es im klassischen Frage-Antwort-Format.

Hallo Scarlett H Mirro. Wir haben bereits berichtet, wie du zu deinem Künstlernamen gekommen bist. Wie siehst du das heute?

Viele machen mich darauf aufmerksam, dass hinter dem H doch wohl der Punkt fehle. Das Fehlen wird nicht als Besonderheit, sondern als Fehler wahrgenommen. Das hatte ich nicht bedacht.

Und hat das eine Konsequenz für dich?

Tatsächlich überlege ich, weil ich ja keinen „fehlerhaften“ Namen nutzen will, ob ich das ändere. Vielleicht.

Von deinem Künstlernamen abgesehen, ist ja auch der Titel eher ein Arbeitstitel, oder?

Eigentlich hatte ich den Titel für einen genialen Wurf gehalten. Kurz, eindeutig und vieldeutig, aber ich gebe heute zu, er geht doch wenig flüssig von den Lippen. Na, letztlich frag ich mich, ob man auch Grisham gefragt hat, wie er zu „Die Jury“ kam.

Ein Titel ist wie der Name eines Kindes. In vielen Augen eigenartig oder falsch oder deplatziert oder unpräzise, doch mit der Zeit gewöhnen sich auch die größten Kritikerinnen und Kritiker, bis es „normal“ ist, dass der Roman oder die Geschichte so heißt.

Dabei gibt es eine echte Erklärung für diesen Titel. Die Loge „Liliths Schwestern“ gibt fiktional betrachtet als Rahmenhandlung diese Teile als Hinterlassenschaft der letzten Männer heraus. Es sind alles Dokumente, die diese Loge archiviert und für die Nachwelt erhalten will, damit die Männer als Teil der Gesellschaft – wenn auch historisch geworden – nicht in Vergessenheit geraten. Diese ersten Dokumente oder Akten, hat die Gründerin Emma Seidensticker gesammelt, nämlich als Akte „Oben“ von der Impfstofffinderin Anna Kowalski und als Akte „Unten“ von ihrem Ehemann und ersten Überlebenden Jacek Kowalski. Sie hat die Akten nach dem Ort unterschieden, damit die Namen der Erzähler und der Erzählerin nicht öffentlich werden. Wenn man so will, sind „Oben“ und „Unten“ Codewörter.

Oh ja, das klingt auf jeden Fall nach Verschwörung und Geheimorganisation.

Ja, das ist ja verrückt. Mensch. Vielleicht klingt es so, weil das ja alles sogar drin ist! Verschwörungstheorien tauchen zahlreich auf. Eine hier und eine da. Es gibt einige ganz lustige Geschichten dazu, zum Beispiel …

Nicht spoilern. Stoppt. Davon lass uns später reden. Doch was uns außerdem brennend interessiert: Wie verlief die erste Lesung?

Die erste Lesung? Ja, schön, dass du mich darauf noch einmal ansprichst, aber das war nicht meine glanzvollste halbe Stunde. Ich war zwar vorbereitet, doch hab ich einen der Kardinalsfehler begangen. Wirklich niemals sollte man an einem Ort sprechen, ohne vorher eine Probe gemacht zu haben. Die Akustik war wirklich schlecht. Ganz selbstkritisch muss ich zugeben, dass ich selbst nicht deutlich genug in die Geschichte einführt habe. Ich wollte es richtig gut und richtig spannend machen und hab damit leider den Kern der Geschichte versäumt, darzulegen. Wirklich blöd gelaufen.

Anfängerfehler. Sowas kann doch passieren.

Vielleicht. Vielleicht einer Person, die sich nicht mit Bühnenauftritte auskennt, die kein Theater macht. Aber mir? Mir hätte das nicht passieren dürfen. Ich versuche mir das zu verzeihen, um es beim nächsten Mal besser zu machen!

Und wie geht es aktuell für dich weiter? Was ist der nächste Schritt?

Wie du weißt, habe ich mit einem Partner den Verlag Wortfuge gegründet, den gilt es nun auch zu füttern. Dafür braucht es wirklich meinen Einsatz, vor allem zeitlich. In den Weihnachtsferien werde ich Lese-Videos aufnehmen, die ich nach und nach in den Äther der sozialen Medien sende, damit ich meinen Roman vor allem an eine mir unbekannte Leserschaft bringe. Im Moment ist es noch so, dass jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin mir bekannt ist. Das ist schon wirklich spannend, zu wissen, dass mein Roman bei Freunden auf dem Nachttisch liegt. Doch was ist, wenn ich den Leser oder die Leserin nicht mehr kenne und sie eines Tages einen Leserbrief oder eine Nachricht in einer Cloud schreiben und meinen Roman erwähnen, mir oder anderen berichten, was sie denken, wegen dieser Geschichte? Das ist wirklich aufregend.

Hast du denn schon Kommentare zu deinem Roman gehört?

Bislang sind das natürlich die üblichen Floskeln: Spannend. Gefällt mir. Ist ganz gut. Interessant. Sowas eben. Ich höre auch: Ich komm nicht dazu, zu lesen. Ich lese ja nicht so viel oder erstmal lese ich was anderes.

Und das ist nicht, was du hören willst?

Es ist natürlich nett, wenn mir jemand sagt, dass ihm oder ihr mein Buch gefällt. Was mich wirklich interessiert, sind jedoch weiterführende Gedanken, die sich die Lesenden machen: Was ist deine Lieblingsfigur und warum? Was denkst du zu dieser Art Zukunft? Wozu regt dich die Geschichte an? Welche Fragen stellst du dir? Was findest/fandest du witzig? Wann hast du gelacht? Womit hast du nicht gerechnet?
Letztlich ist eine Geschichte auch Geschmacksache. Eine Spielfreundin erklärte mir, dass diese Art Geschichten nicht so ihre wäre. Nicht jeden Geschmack kann ich treffen. Auch wenn sich meine Eitelkeit angekratzt fühlt. Die eine findet vielleicht diese ganzen ausgeloteten Philosophien unerträglich zäh. Der nächste jedoch mag die Vielfalt der Perspektiven. Ein weiterer wünscht sich eine Liste mit einer Personenübersicht, weil es davon so zahlreiche gibt. Eine andere findet genau das überflüssig, weil man sich das doch merken kann und seine eigene Phantasie nutzen will.

Ja, es sind aber auch wirklich mächtig viele Figuren, die du da am Start hast.

Das stimmt. Ich hab selbst ne Liste gebraucht. Vielleicht sollte ich sie wirklich der Leserschaft bereitstellen. Wie genau ich das mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht wäre eine Ehrentafel auf der Seite der Schwesternschaft eine gute Idee. Darüber mache ich mir noch Gedanken.

Das Buch ist ja fertig, also damit ist doch die Bahn frei für den kreativen Ausschuss für den zweiten Teil. Wie steht es damit?

Mal langsam. Wir haben festgestellt, dass die Vermarktung und der Vertrieb dieses ersten Teils schon noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch wenn der zweite Teil schon seit drei Jahre unvollendet auf meinem Rechner hängt, nützt mir wenig, dass er bereits halb abgeschlossen ist. Ich habe bei diesem ersten gemerkt, dass es mehr Zeit abverlangt, als ich erwartet habe, die Korrektur zu machen. Allerdings hab ich das auch nicht so schlau angefasst und irgendwie versucht, wie eine Anfängerin irgendwie hinzubekommen, statt mir die Hilfe zu holen, die nahe liegt. Überhaupt, gerade in diesem ersten Teil liegt viel Lehrgeld. Aber das war zumindest schon einkalkuliert. Zu der Frage, was jetzt ansteht, lautet meine Antwort: Aktuell muss ich für mich prüfen, wie sehr ich schreiben und Verlagsarbeit machen will. Komme ich nicht raus aus meinem Schuldienst, muss ich diese Pille schlucken, dann geht das nur, wenn ich meine Stundenzahl reduzieren kann, denn sonst blute ich aus. Ich brauche einen alternativen Job, damit meine kreative Kraft nicht so abgesaugt wird. Wie aber alle Menschen um mich herum, setzt sich meine Lebenswelt aus vielen Aufgaben zusammen. Ich bin schon froh, dass gerade das Musical zu einem Ende kommt, so dass damit wieder Kräfte frei werden. Andererseits hat sich schon ein neues Theaterprojekt angekündigt. Und wenn ich das ernstnehme, bindet das natürlich auch wieder Ressourcen.

Stimmt, du bist nebenher auch als Lehrerin und als Theaterpädagogin tätig. Was heißt das denn genau?

Aktuell arbeite ich noch an meiner Musicalproduktion. Ich habe die Textfassung dazu geschrieben und mit einem Musikkollegen zusammen die Stücke ausgewählt und die Gruppe gecoacht und Regie geführt. Die gesamte Organisation hing an uns, dafür haben wir einige Lehrkräfte aktiviert, die unser Projekt unterstützt haben. Jetzt sind noch zwei Wochen Zeit, bis es zur Premiere kommt. Wir zeigen das Stück zwei Mal. Ein wahnsinnig tolles Bühnenbild ist in der Kooperation mit einer Kunstlehrerin entstanden und ein Teil des Kollegiums singt auf der Bühne mit. Insgesamt ein großes Ding. Die Handlung ist entsprechend der Gestaltung von Musicals einfach, mit Gesang, Tanz und Musik. Ein Paar aus den 80ern, er Rocker und sie eine Weltverbesserin, sie kommen zusammen, sie will was bewegen, er will seine Ruhe. Ihr zum Gefallen sprayt er ein Graffiti an die Wand und wird erwischt. Doch es geht alles gut aus. Nach den Sommerferien haben wir das Stück noch einmal scharf eingedampft, damit wir es aufführen können. Jetzt wird es richtig gut. Außerdem hab ich von einem Kollegen den Literaturkurs übernommen: Der zerbrochene Krug. Ich mag das Stück vom Kleist, gleichzeitig wohnt in mir dieser kleine Schalk, der ja nichts einfach genauso aufführen kann, wie es geschrieben steht. Andererseits ist eine ernsthafte Aufführung zu machen, auch eine wirkliche Herausforderung für mich.

Moment, da würde ich doch gern mal nachhaken, was meinst du damit, dass du kein Stück so aufführst, wie es geschrieben steht? Du hast „Kabale und Liebe“, „Iphigenie auf Tauris“, den „Zauberlehrling“ doch schon mal auf deinem Plan gehabt. Hast du die nicht ernsthaft aufgeführt?

Fangen wir hinten an: Den Zauberlehrling hab ich verändert, damit er als Stück funktionierte. War eine Schwarzlichtinszenierung. Darunter hab ich die andere berühmte Ballade von Goethe gemischt: „Erlenkönig“. Schiller und Goethe hatte ich damals sehr verknappt zusammengesetzt, die Rahmenhandlung war dann ein kollegiales Miteinander zwischen Schiller und Goethe, die sich Auszüge aus ihren aktuellen Theaterproduktionen zeigen, um darüber fachmännisch zu diskutieren. Ich fand zum Beispiel die „Iphigenie“ immer sehr langweilig, zu redelastig und habe eine Kampfszene eingebaut, die es in Goethes Textfassung nicht gibt. Schiller gefällt die Szene so nicht, er kritisiert also den ehrwürdigen Goethe und bietet ihm mehrere Alternativen an. Goethe ist so verärgert, dass er erklärt, die Szene aus seinem Stück einfach ganz zu streichen. Das genau mein ich mit Schalk. Ich kann es nicht lassen, etwas Vorgefundenes neu zu gestalten, neu anzuordnen. Bei Stücken wie „Woyzeck“ ist das natürlich gar kein Problem. Da ist ein experimentelles Herangehen nahezu vorgeschrieben. Aber sonst gelingt mir das einfach nicht.

Wie du das so beschreibst, brennst du jedoch für die Theaterarbeit und es scheint so, als würde dir etwas fehlen, wenn du kein Theater mehr machen darfst.

Das hast du richtig erkannt. Ja, mir würde etwas fehlen. Ich mache sehr gerne Theater. Schon das der Grund, weshalb ich nun die Ausbildung zum BUT bei Sandra Anklam abschließe. Vielleicht kann ich mir doch einen der wenigen Jobs angeln, bei denen man fest angestellt ist, dann würde ich dafür den Schuldienst sofort quittieren. Naja, im Grunde mach ich zu wenig Theaterprojekte, um trotz all der Jahre so viel Erfahrung damit zu haben, wie zum Beispiel Sandra Anklam, die in einer Woche einen Kurs leitet, eine andere Woche ein neues Theaterprojekt anfängt und so mehrere Spielbälle in der Luft hält. So ein Job wäre ideal.

Vorhin hast du aber gesagt, dass das deine Kreativität dann abzieht.

Richtig. Die Schule tut das mit ihren Stressoren, dem Termindruck, den Klausuren, den Korrekturen. Ich weiß nicht, ob das bei einem Beruf, wie ihn Sandra Anklam ausübt, auch der Fall wäre.

Das kannst du ja nicht ausprobieren. Doch wenn du irgendwo angestellt bist, wo du bleiben magst, wirst du dich nicht lösen und durch die Welt fahren, damit du schreiben kannst. Richtig?

Richtig. Vielleicht fehlt mir doch der Mut und ich bin nur eine dieser Maulheldinnen.

Am Ende machst du es wie Karl May und schreibst nur über deine Sehnsüchte.

Vielleicht. Am Ende.

Performative Lesung – ab sofort wird geprobt?!

Geneigte Leserschaft, Freunde und Freundinnen des guten Wortes,

bislang noch unbeachtet, stiefmütterlich behandelt, so muss ich diesem Feld doch meine Aufmerksamkeit widmen. Ich lerne nicht aus. Ich lerne nicht fertig. Manchmal lerne ich auch nicht, fertig. Doch ganz real widme ich mich aktuell Fragen, die ich mir in meinem Leben noch nicht gestellt hatte:
Was will ich mit einem Verlag? Können wir gut mit der Druckerei zusammenarbeiten? Eine Performance für eine Lesung? Lieber auf Didaktik setzen? Wie bereite ich mich auf die Lesung vor? Nehme ich für eine Lesung Eintritt? Wer filmt die Lesung mit? Was davon kann ich in den üblichen Sozial Media Kanälen verwenden? Darf ich überhaupt eine freie Lesung veranstalten? Brauche ich dafür schon ein Gewerbe? Wie sichere ich eine Hörerschaft? Was ist eine Wohnzimmerlesung? Brauche ich eine Wohnzimmerlesung? Wie komme ich an Rezensionen, an Kommentare, an Bewertungen? Kann ich dazu nicht eine Party machen?

I. Lesung: 02. November 2024
15 Uhr – Eintritt frei
Tanzatelier Widance
Weidestraße 1, Recklinghausen

Bitte meldet euch an und kommt vorbei!

Eine Performativen Lesung

Eine Lesung stelle ich mir zunächst so vor, dass jemand auf einen Stuhl sitzt, an einem Tisch und dort ein Buch aufgeschlagen hat, aus dem er oder sie eben liest. Seite um Seite. Wenn er oder sie das gut macht, dann kann das spannend sein. Wenn nicht, dann ist das langweilig.

Wusstet ihr, dass die Schriftsprache dazu gemacht war, dass man sie laut liest? Also die deutsche Schriftsprache sollte nicht stumm gelesen werden. Es wurde viel Zeit und Kraft darein verwendet, die Schriftsprache so zu formen (mit Buchstaben und Regeln von Konsonanten und zusätzlichen Zeichen, etc.), dass sie vorlesend so funktioniert, wie die gesprochene Sprache. Übertrage ich das auf meine Lesung, dann sollte doch gar nichts schiefgehen!

Wie also lesen, so dass ihr nicht einschlaft oder euch langweilt?

Es wird eine Perfomance, denn ich hab den Vorteil, dass dieser erste Teil ja schon ein Geschenk aus der Zukunft ist, nämlich von den noch nicht gegründeten Lilith-Schwestern, die die letzten Männer retten wollen. In eine dieser Logenschwestern tauche ich ein, verwandle mich in sie und lese euch aus den Chroniken vor. Dabei gibt es kleine Spoiler hier und da, wie es später weiter geht, weil Mia sich nicht so richtig beherrschen kann.

Kleidung? Steht!
Deko für den Tisch? noch nicht fertig
Auswahl der Textstücke? Im Kopf schon irgendwie
Charakter Mia? Ist klar
Ort und Vorbereitung? Naja, im Kopf …

Ich freu mich auf euch. Lasst Mia nicht vor einem leeren Haus lesen und kommt vorbei. Übrigens: Männer sind ausdrücklich erwünscht und zwar nicht aus pädagogischen Zwecken, sondern weil die Welt mit ihnen viel schöner ist.

Zwei oder drei Jobs – wer zählt da schon so genau?

Als ich junge Mutter im Referendariat war – mit drei kleinen Kindern an und zwischen den Beinen und Armen – da dachte ich oft, es müsse einen Ort geben, wo man Luft bekommt, wo die Uhren langsamer tickten und wo das Leben entspannter sein könnte. Die drei Kinder wurden größer, die Ansprüche und Probleme mit und ich arbeitete mehr. Haushalt nebenher (wieso sollte ich eine gute Hausfrau sein wollen?), und schreiben ging gar nicht. Und überhaupt, wie schafften andere das? Noch irgendwie gut aussehen, Gäste empfangen und Freundschaften pflegen und Hobbys ausbauen? Sport und Gesundheit nicht zu vergessen … Ich managte es immer besser und gleichzeitig wuchsen die Herausforderungen.

Meine Ersttätigkeit „Lehrerin“ beschäftigt mich kognitiv und sozial und emotional so sehr, dass das mit dem Schreiben, den kreativen Tätigkeiten im Allgemeinen immer nur bis zu einem gewissen Grad im neuen Schuljahr klappte. Spätestens wenn das Feld „Gesundheit“ und „Bewegungsmangel“ drückt, wird es eng. Diese verschiedenen Felder, die ich wie im Tanzrausch besuchen muss, die lassen einen kaum zu atmen kommen.

Mein Zweitjob „Kinderpflege und -Versorgung“ hab ich stark reduzieren können, läuft langsam auch ein Nullsummenspiel hinaus. Ich glaube ja, eine gute Mutter zu sein, die ihren Kindern Entwicklungsfreiräume gab. Aber was ist schon wirklich „gut“? Und sind wir am Ende nicht alle gut? oder die Guten?
Ich gebe zu, dass das Feld „Bewegungsmangel“ mehr Aufmerksamkeit verlangt, schon um einem weiteren Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Doch ehrlich, ich spür die Jahre langsam im Kreuz beim Aufstehen, muss also mehr tun. Das Problem versuch ich mit meinem Lieblingshobby „Tango“ zu erschlagen: Bewegung, Sozialkontakte, Achtsamkeitstraining, im Sommer sogar auch frische Luft. Genügt aber nicht, genügt aber nicht. Also freie Ressourcen auf Sektor „Kinder“ wurde direkt von dem Feld „Gesundheit und Bewegung“ absorbiert.

Nun gesellt sich ein Drittjob mit Platzansprüchen dazu: Verlag und Schreiben. Würde es gern zurückdrängen, sagen, dass gerade nicht so günstig ist, dass ich noch ein bisschen am Erstjob zu tun hab. Mein kleiner etwas pummelig gewordener Liebling „Kalender“ meldet sich zu Wort. Der ist ganz vollgestopft und fühlt sich übersättigt an, meint, er möchte doch auch mal abnehmen. Ich hab’s versprochen wegen Work-Life-Balance und so. Weniger voll. Und ich guck traurig „Kalender“ an und sag fast schon vorwurfsvoll, er möge sich an 2013/14 klammern, da waren wir das ganze Jahr unterwegs und hatten kaum Termindruck. Er jammert und meint, genau das sei sein Punkt, was fühlt es sich hübsch an, wenn man mal nicht weiß, was der nächste Tag bringt. Ich sag, dass wir davon auch einige 2020 hatten. Damit er nicht ganz so trostlos in der Gegend hängt, erklär ich ihm, dass ich gute Aussichten auf nächstes Jahr sehe, wenn wir diesen Erstjob loswerden und dafür einen waschechten Halbtagsjob an Land ziehen, einen, der hält, was er verspricht. „Kalender“ ist aber noch nicht fertig, zeigt mir, dass ich ja schon für nächstes Jahr Ostern, Juli, Pfingsten wenigstens Termine ausgemacht habe. Ach ja, seufze ich.

Damit kann ich mich nicht beschäftigen, weil mir Freund „Gesundheit“ – im Vertrauen, dat ist echte Hassliebe – gerade erklärt, dass wir aufgehört haben zu atmen, zu meditieren und Yoga vernachlässigen. Der ist so dicke mit „schlechtem Gewissen“, dass ich manchmal das Gefühl habe, gegen zwei Verbündete zu stehen, die wie eine Mauer keine Gnade kennen, so wie die Eltern früher. Und alles ja nur zu meinem Besten. Freund „Gesundheit“ erklärt mir außerdem, dass ich gerade einen Infekt ausbrüte. Viel Trinken – schon wegen der Haut. Und lass die Chips weg. Vitamin C brauchst du und Ruhe.

Und ich? Was ist mit mir?

Ich sitze am Rechner, dicken Kopf, Schniefnase und krieg mich nicht hochgewuchtet, um mich zu pflegen, muss noch eben: die KA 7 vorbereiten, die Telefonnummern für die Jugendherberge sowie die Telefonzeiten heraussuchen, noch die Zahnarztnummer vorbereiten, mir die Steuererklärung auf die To-Do-Liste legen, die Postkarte vorbereiten und die Lesungstermine sichten … Im Kopf hämmert gegen die Schädeldecke der Satz:

Hab ich was vergessen?

Hab ich was vergessen?

Ach ja, ich hab ein neues Hobby angefangen: Cello spielen.

Auf gute Dinge lohnt sich WARTEN. Der Roman ist da

Proudly presents:

Was fühlt sich Papier gut an, was wiegt das 1065 Gramm in meiner Hand schwer! Oh, wie schön ist Panama.

Das Buch lässt sich jetzt endlich bestellen. Aktuell nur über den Verlag per Mail oder persönlich über mich, weil wir noch keine Seite eingerichtet haben: bestellungen@verlag-wortfuge.de, doch es wird überall zu bekommen sein, denn es ist mit der ISBN natürlich gelistet.

Autorenwelt liefert und gönnt den Autorys dabei noch einen fairen Zugewinn von 7%. Ich kann euch also nur ans Herz legen, entweder bei mir direkt zu bestellen (über den Verlag) oder über die: Autorenwelt Shop – Fair Bücher kaufen.

Für alle Paper-Versionen (Taschenbuch oder gebundenes Buch), die ihr über mich, den Verlag oder bei Autorenwelt bestellt, kann ich eine persönliche Widmung mit ein paar geflügelten, poetischen Worten passend zur lesenden Persönlichkeit beisteuern. So erhält das Buch einen ganz individuellen Charakter. Auch bekommt ihr das Buch über Amazon, denn es ist gelistet. Selbstredend bekommt ihr es auch bei dem BUCHHÄNDLER eures Vertrauens. Da seid ihr in guten Händen ohne Port. Sonst geht das Porto noch dazu, es sei denn, ich bin der persönliche Lieferservice. Das geht bei vielen zusätzlich.

Ein paar Eckdaten:

Die gedruckten Versionen erscheinen am 18. September 2024; diese können ab jetzt per Mail vorbestellt werden. (bestellungen@verlag-wortfuge.de) Jetzt braucht es nur noch deine Entscheidung:

ISBN: 978-3-911532-00-6 (Taschenbuch); 18,90 €

ISBN: 978-3-911532-01-3 (gebundene Ausgabe); 29,50 €

ISBN: 978-3-911532-02-0 (E-Book) (noch nicht erschienen, Erscheinungsdatum im Herbst) 16,50 €

A Geschichte hat’s das Büchle a:

Der Ausbruch eines für Männer tödlichen Virus sorgt dafür, dass die Infrastrukturen des gesellschaftlichen Lebens zusammenbrechen. Fast wie von einem zum anderen Moment verändern sich Gewohnheiten, Annehmlichkeiten verschwinden und gesundheitliche kleinere Krankheiten wie eine Blinddarmentzündung werden zu einer neuen Bedrohung des Lebens. Neben all diesen vielen neuen Herausforderungen müssen die Toten beweint und die Trauer bewältigt werden. Viele sterben und ein Impfstoff ist nicht in Sicht. In einem weltweit vernetzten Chat diskutieren Ärzte und Ärztinnen fieberhaft und suchen gemeinsam nach einem Impfstoff, doch die Gruppe wird immer kleiner.

Als die Gynäkologin Anna ihren Mann pflegt und dieser die tödliche Krankheit als einer von Wenigen überlebt, beteiligt sie sich an der Suche, denn sie glaubt, dass die Lösung nah liegt. Zu diesem Zweck schafft sie Laborbedingungen in einem Bergwerkstollen und überzeugt 28 Überlebende, dieses Projekt zu unterstützen. Sie verspricht ihnen Lebensmittel und ein Heilmittel gegen die durch die Krankheit bedingte Unfruchtbarkeit. Die Männer verbringen die Zeit hauptsächlich mit Warten und Untersuchungen im Stollen. Unterdessen verändert sich das soziale Miteinander der Frauen an der Oberfläche sehr schnell dahingehend, dass die Krankheit als ein Gottesurteil und damit der Mann als Fehler der Schöpfung betrachtet wird. Männer werden angegriffen, erleben Gewalt oder sterben weiter unaufhaltsam an der Krankheit. Eine feministisch-faschistische Partei übernimmt die Regierung, ruft den ersten Frauenstaat aus und löscht nach und nach alles aus, was an den Mann erinnert. Für die Überlebenden wird es zunehmend gefährlicher an der Oberfläche, doch das Miteinander im Stollen ist täglich mit neuen Herausforderungen verbunden, bis es schließlich zur Katastrophe kommt und die Männer entscheiden müssen, wie es für sie weitergeht.

Und wenn wir schon so nett miteinander plaudern: Ich halte euch auf dem Laufenden, wann ich aus dem guten Stück lesen werde und wo diese Lesungen stattfinden. Hier erfahrt ihr es als erstes! 🙂

Boahh ich bin so nervös.