Italien für drei ganze Wochen – was kann ich sprechen?

Woche 1 Verona und so – Hitze und Hetze

Ankunft 11. Juli 2023 (Dienstag)

Ankommen und keine Unterkunft haben könnte mit anderen Menschen anstrengend sein. Wir hatten freundliche Unterstützung von dem Menschen, bei dem wir zwar gebucht hatten, aber systemisch bedingt storniert wurden. Es dauerte etwas länger und knabberte den halben Tag weg. Schließlich hatten wir einen Ersatz, der zumindest die notwendigen Bedürfnisse gestillt hat. Da wir in dem Objekt unserer Wahl saßen und beratschlagten, wohin es denn nun gehen konnte, sahen wir auch die unerreichbaren Trauben. Wir hätten schöner wohnen können. Gut, dass dieses Ereignis nicht unsere Laune trübte.

12. Juli 2023 (Mittwoch) Am nächsten Tag Schach Matt durch Migräne. Auch unschön. Den ganzen Tag schlafen und schlafen. Abends erst ausgehungert los. Der Mann hatte schon seinen ersten Sonnenbrand und ich Nachholbedarf. Versprochen, dass wird trotzdem ein schöner Urlaub.

13. Juli 2023 (Donnerstag) Tag 3 dann gemeinsam Verona abgelaufen, alle Ecken bei Tage ein zweites Mal.

14. Juli 2023 (Freitag): Fein machen für die Oper „La Traviata“. In der Stadt strömen andere Menschen in schicken Kleidern Richtung Arena.

Eine besondere Atmosphäre war es allemale, doch teuer, weil man dort Getränke abnehmen musste, wenn man durstig war. Natürlich konnten wir die große Wasserflasche nicht mit hineinnehmen. Allerdings war die Akustik nicht so gut, wie gewünscht und man konnte auch ohne Operngläser gar nichts sehen. Zwar war die Kulisse für die Arena gemacht, nicht aber die Handlung, nicht aber die Inszenierung. Und da wäre sicher mehr gegangen – technisch gesehen.

15. Juli 2023 (Samstag) Doppeldisziplin: Vicenza und Venezia

Wir fuhren mit dem Zug nach Vicenza. Ein Stückchen weiter – soweit war es uns klar – beginnt dann Venedig. So groß und so wahnsinnig spannend war Vicenza nicht. Ob uns Venedig für mehr als ein paar Stunden reizen würde, wussten wir auch nicht. Zwei Städte an einem Tag, Steine, Fotos, weiter. Unterschiedliche Bedürfnisse wurden hier zur Deckung gebracht. Venedig hätte Zeit und leere Gassen gebraucht – zumindest für mich. Sicherlich eine sehr reizvolle Stadt, doch in diesem Tempo, mit diesen Massen sättigte meinen Bedarf dann vollständig. Vielleicht eine wirklich reizvolle Stadt, doch es braucht für mich einen anderen Rahmen.

Meter für Meter liefen wir durch die beiden Städte, so dass ich dann wegen der Hitze und wegen der Unruhe irgendwann am Kanal pausieren musste, mir Pistazien knabberte und dem Treiben zuschaute. In Vicenza hatte ich diese Phase auch gebracht und mit einem Pizzaessen verbracht. Ich brauche in der Hitze meine Phasen der Ruhe und sowieso sitze ich gerne irgendwo, nehme die Atmosphäre in mir auf und beobachte mich in diese Welt hinein.

16. Juli 2023 (Sonntag) ausschlafen und neue Ecken in Verona suchen – irgendwohin fahren mit dem Bus, weil es darin kühl war. Am Schluss bekommen wir doch wieder eine Kilometerpauschale und wir machen Meter. Wir haben uns Zeit genommen für einen Kaffee getrunken und Tiramisu dazu gegessen.

17. Juli 2023 (Montag) zum Gardasee: Peschiera dell Garda, Sirmione

Einen Tag lang keine Städtetour, keine Steine fotografieren, lieber einmal in einen Park oder sowas erbettelte ich mir. Deswegen fuhren wir nach Peschiera (gesprochen: Peski-era) dell Garda, um nach Malcesine (gesprochen: Maltschesine mit Betonung auf der zweiten Silbe) zu fahren. Direkt vor Ort warteten wir auf den Bus, der immer verspätet fährt (wie ich später feststellte) und entschieden uns, lieber mit der Fähre nach Sirmione zu fahren. Dafür saßen wir erstmal in diesem nichtssagenden Peschiera fest.

Dann fuhren wir mit der Fähre nach Sirmione. Die Halbinsel lässt sich leicht laufend erkunden, was wir trotz der Hitze auch taten. Erfrischende Abwechslung gab mir, dass wir teilweise wir durch den See waten mussten, denn der feste trockene Untergrund hatte an der Spitze der Halbinsel Lücken. Meine Sandalen waren seetauglich, die Turnschuhe nicht, so dass er deutlich vorsichtiger sein musste. Im See schwammen viele kleine Fischlein und Moos bedeckte die Steine. Ja, man hätte sich wie all die anderen einfach an den Strand legen und das Leben genießen können, doch wir sind weiter – zurück mit der Fähre und zurück nach Verona.

18. Juli 2023 (Dienstag) Abreisetag für meinen Reisegefährten. Nach einer Woche fiel ihm das schwer. Mir auch. Einen letzten Cappuccino, ein letztes Croissants und da steht der Bus schon bereit. In der Stadt fuhr der Mann zum Bahnhof, ich hingegen ging zu meiner nächsten Unterkunft. 9 Kilometer außerhalb der Stadt und ich wollte komplett zu Fuß hingehen.

Zwei Wochen allein weiterreisen – was kommt auf mich zu?

Passieren, so viel ist sicher, kann mir ja nix: zivilisierte, europäische Welt und ich bin mit einem universalen Wissenskoffer im handlichen Taschenformat (Smartphone) und dem universellen Verständnishelfer hauptsächlich bestehend aus Plastik (Kreditkarte) unterwegs. Außerdem bin ich weit aus dem riskanten Frauenalter raus, bald beginnt die Zeit, da ich froh sein muss, wenn ich als attraktiv genug gelte, damit man mir nachschaut. Alles Sorgenmachen fällt also bei Licht betrachtet sehr schwer. Langeweile habe ich auch wenig mit mir, aber vielleicht gibt es ja Dinge, die in meinem Kopf auftauchen, die ich ungern aushalte. Aber auch das ist nicht weiter lebensgefährdend.

Bin ich allein unterwegs, dann nehme ich mir sehr viel Zeit für die Wege und schau, was sich mir zeigt und was seine Aufmerksamkeit will. Einen Plan, was genau ich sehen muss, wohin ich gehen muss und dergleichen, fehlt mir oft. Einer meiner letzten Ex hat das auf unseren Touren immerzu heftig kritisiert, hat mir vorgeworfen, nicht richtig zu reisen und schon gar nicht zu wissen, was ich will. Er hat zumindest mit letzterem ein bisschen Recht, nicht insgesamt, aber ein bisschen. Das richtige Reisen ist ja so, wie das falsche Reisen oder Fehlschritte beim Tango zu machen. Das geht letztlich nicht. Es gibt nur eine eigene Tonalität vom Reisen und wenn die mit dem Reisepartner nicht übereinstimmt, dann findet man vielleicht eine Schnittmenge oder man stellt das gemeinsame Reisen schlicht ein. Mein Allein-Reisen hat mir allerdings erst gezeigt, was ich mir von meinen Reisen erhoffe und außerdem, wie anpassungsfähig an meine Reisebegleiter bin. Ich bin bereit, viele Abstriche von dem zu machen, was mir selbst Vergnügen bereitet. Jetzt bin ich NULL vorbereitet. Ist auch nicht schlimm, Wege entstehen ja beim Gehen.

Ich laufe also meine erste Schlafstätte ohne Mann an. 9 Kilometer raus aus Verona durch 34 Grad Hitze meist ohne Schatten und zunächst auch ohne Wasser. Völlig verrückt. In einem kleinen Supermarkt erstehe ich zwei Nektarinen und eine Flasche Wasser, die ich bis zum Ziel auch leere. Ich werde von einer lieben Gastwirtin in Empfang genommen, auch eine Reiseseele und bekomme als erste ein Wasser. Ihr Haus gleicht einem Museum, alles liebevoll zusammengetragen und arrangiert, wie man an dem Bild und dem Hut auf dem Ständer sehen kann. Wir kommen ins Gespräch.

Maggie bringt mich aus reiner Freundlichkeit am nächsten Tag nach Garda. Sie plaudert über die Gegend und erzählt mir, dass es bei Borghetto einen sehr schönen Park gibt, den ich mir unbedingt ansehen soll. Außerdem muss ich dort Tortellini essen. Hätten wir das früher gewusst, wären ich und mein Freund sicher dorthin gefahren. Also eine Idee, die wir noch einmal aufgreifen werden, denn wir sind uns einig, wir müssen nochmals herkommen – nur zu einer anderen Jahreszeit (März, April).

Malcesine (19. – 22.7.23) – pittoreskes Dörfchen

Malerischer kann eine Gegend kaum sein. Berge um den See, klares Wasser und Sonnenschein. Wäre nicht überall nur Deutsche, wäre es wirklich fantastisch. Nein, man spricht mich überall auf Deutsch an, sobald ich Buongiorno gesagt habe. Als ich aus dem Bus gestiegen bin, falle ich förmlich in mein gebuchtes Hotel direkt am See. Das Zimmer sei noch nicht fertig, erklärt mir der Hotelier auf Deutsch. Ich könnte bei einem Kaffee als Willkommensgruß warten oder das Gepäck stehen lassen. Ich wähle den Kaffee mit dieser Aussicht.

Es ist so entspannend, dass ich den ganzen Tag dort sitzen könnte und schon in dem Moment überlegte, ob ich eine Nacht anhängen solle oder nicht. Malcesine als touristischer Ort ist auf jeden Fall niedlich. Sehr viele Restaurants, kleine Gässchen, Geschäftchen, alles schön.

Zwei Ausflüge plus ein bisschen Ausruhen bei der Hitze und schreiben erlaubte ich mir an diesem Ort. Erstens besuchte ich den Berg, was ganz sicher eine schöne Idee war, wie die Bilder beweisen. Auf Monte Baldo begegnete ich dem ehemaligen Klassenlehrer von Lucy, Herrn Diedrich. Ich kam von Toilette, er wollte hin, auf der Treppe kam es zu einer unausweichlichen Begegnung. Es war eine sehr freundliche Steh-im-Weg-Begegnung. Außerdem hatte ich eine interessante langandauernde Falterbegegnung, denn der kleine Falter setzte sich auf meinen Finger und schlürfte genüsslich meinen salzigen Schweiß von der Hand.

Zweitens besuchte ich von dort aus Limone, was auch eine gute Idee war. Ich dachte, was für ein superorigineller Name für eine Touristenstadt, doch es hat seine Bewandtnis damit. Als Laie weiß man natürlich nicht, dass die Stadt wegen ihrer Zitronengärten, die über Winter mit Glas und Holzbauten geschützt wurden, einzigartig im 19. und Anfang des 20. Jahrhundert waren, so dass von dort aus die Limonen und Zitronen und alle Unterarten in die westliche Welt geliefert wurden. Ja, auch mein Wissen wurde durch das Museum erweitert. Jeder Text dort natürlich auch auf Deutsch.

Die Stelen im letzten Bild erinnern noch an die Vergangenheit, dass nämlich überall diese terrassenartig angelegten Limonengärten das Bild prägten. Heute prägt das Stadtbild die Touristen, die in kleinen Lädchen, Limonen aus Stoff, auf Papier gedruckt oder gestickt kaufen.

Paderno (22.7.23) nur für eine Tangonacht.

Wehmütig verließ ich Malcesine, lief ein bisschen durch Garda und dachte mir, dass das zwar auch ein schnuckeliges Örtchen sei, aber doch bei weitem nicht vergleichbar mit Malcesine war. Es wirkte für mich nicht so einladend und verträumt zugleich. Von da aus dann auf der Fähre nach Desenzano und dann mit dem Zug das letzte Stück nach Bresia und weiter mit dem Zug bis zum Hotel.

Von Brescia hab ich nichts nennenswertes zu berichten, denn Paderno ist doch ein sehr uninteressanter Vorort, der nur für mich der Tangounterhaltung diente. Die Anmeldung lief per SMS vorab mit Bestätigung, gebucht inklusive Praktika. Da es soweit entfernt von mir war und ein Bus nicht hinfuhr, dachte ich mir ein Taxi zu gönnen. Die Dame an der Rezeption lachte. Am Wochenende müsse man ein Taxi reservieren. Sie probierte es dennoch bei drei Unternehmen. Fehlanzeige. Dann brachte sie mich freundlicherweise. Ich war begeistert, sonst wäre aus der Praktika nichts mehr geworden. Bei der Praktika trainierten wir die Verzierung für Herr und Dame. Die Praktika habe ich mit zwei Männern durchgeführt, weil zu wenig Damen anwesend waren. Der eine war ein deutschsprechender Mann Names Massimo, der sich immer wieder versicherte, dass er nicht zu stark führte; der andere ein roher, blutiger Anfänger, der noch schlechter Englisch sprach als ich. Ich wollte tanzen und ich tanzte auch mit diesen beiden Exemplaren. In Italien fordert die Frau nicht auf. In Italien sitzt man auf dem angewiesenen Platz. In Italien spreche ich die Sprache nicht. Ich war ein Exot, aber nicht exotisch genug, damit die Herren neugierig waren. Auf Massimos Wunsch hin zeigte mir der Tanzlehrer, wie die Figur geführt wird und erklärte Massimo, dass ich das könne. Im Laufe der Milonga erkannte dann auch Massimo, dass ich deutlich über seinem Niveau tanzte. Leider wurde ich von anderen Männern wenig aufgefordert, obwohl ich den Herren ein Loch in ihre Gesichter guckte. Schlussendlich hatte ich ein paar wirklich schöne Tänze und ein paar nette Gespräche mit Massimo. Am Schluss bedankte er sich, dass ich überhaupt mit ihm getanzt hätte. Ich erklärte, dass wir Damen in Deutschland uns selten verweigern, schließlich sind wir alle nur auf dem Weg und jeder oder jede kann es nur lernen, wenn man auch mit besseren tanzt.

Und als ich nach einer wirklich schönen Abschlusstanda zum Hotel laufen will, werde ich nach einem Kilometer von einem Tangotanzpaar aufgegriffen und zum Hotel gefahren. Ich war dankbar.

Bergamo (23.7.23) – eine Stadt aus Mauern.

Warum genau ich hierher wollte, weiß ich gar nicht, aber jetzt, da ich sie gesehen habe, denke ich, ich würde gern mal mehr Zeit dort verbringen. Eine wirklich interessante Stadt, geprägt durch viele viele Mauern. Sicher auch dem geschuldet, dass es eine Ober- und eine Unterstadt gibt – verbunden durch eine Funicolare (Seilbahn) – , aber das ist es nicht allein. Ich finde sie sehr reizvoll und kann nur sagen, dass ich mich auf einen zweiten Besuch freue und fahre dann auch mit der Seilbahn.

Mailand (24. – 27.7.23) – direkt am Bahnhof liegt das Hotel.

Aus dem Italienisch-Unterricht wusste ich vom Dom, von dem großen Platz, den Modegeschäften und natürlich auch von der Madonnina, damit wusste ich mehr von dieser Stadt als von allen anderen Städten, die ich bisher gesehen hatte. Zwiespältig war ich, ob ich hier sein wollte, nach Malcesine und dem schönen Gardasee oder nach Bergamo. Diese Stadt jedoch hat was ganz besonders.

Am ersten Tag lief ich zunächst nur zur Orientierung herum. Dachte mir, dass ich am nächsten Tag mit den alten Trams fahren könnte, bewahrte mir das San Franzisco-Flair auf. Wollte auch Chinatown, Parks und andere Stadtteile erst später erkunden. Ich freute mich schon auf den dritten Tag, an dem ich mit meinem Rechner, einem kleinen Picknick in einem Park auf meiner bunten Decke sitzen würde, um dann zu schreiben. So waren meine Ideen.

In der Nacht kam es zu einem gewaltigen Sturmböen, Hagel und Regenfällen, die noch am nächsten Tag überall deutlich ihre Spuren hinterließen. Die Tram fuhr nicht, die Parkanlagen waren alle geschlossen, überall sah man umgeknickte Verkehrsschilder, entwurzelte und gebrochene Bäume.

Eine nicht-fotogene Chinatown zum Beispiel, in der ich eine der besten Pediküren hatte, die ich je im Leben genießen durfte; günstig war sie zudem. Die Fußmassage dauerte allein eine Stunde bestimmt. Es war sehr angenehm. Wenn ich meinem Geld nicht böse bin, geh ich morgen hin und lass mich massieren, bevor ich heimreise (habe ich doch nicht getan, war anders beschäftigt). Ich habe in dem Stadtteil auch Dumblings gegessen, die waren ganz gut.

Cimitero Monumentale (seit 1866)

Dann bin ich auf einen Friedhof zu gestolpert; das Gebäude sah von Ferne interessant aus. Das Castello hatte ich einen Tag vorher schon gesehen (umrundet), aber das Gebäude erinnerte auch an eine Burg oder Festung. Nein, es war aber ein Friedhof. Sehr spannend, wie reiche oder adlige Familien ihre Toten bestatten, mit welchen Phantasien sie dieses ins Jenseits schicken. Zwei Stunden bin ich dort spazieren gegangen und hatte nicht genug von den vielen verschiedenen Gruften, Grabskulpturen und Bildchen auf den Urnenplätzen bekommen. Die Gruften und Gräber sind so interessant und kunstvoll gestaltet, dass sie Geschichten erzählen. Ich hatte das Gefühl, hier könnten nach Mitternacht doch die Toten aus ihren Gräbern steigen und tanzen.

Dieser Friedhof ist eine traumschöne Kulisse für Filme, egal ob für eine Horrorkomödie oder einen Fantasiefilm. Man kann sich gar nicht satt sehen an all den Darstellungen. Da ist das Grab mit einer demütigen, geschwächten Prometheusfigur (zumindest würde ich sie so interpretieren) einer Familie, in der zwei Männer den Vornamen Cesare trugen, daneben eine abgewandte Figur aus de letzten Jahrhundert mit abgestelltem Gewehr. Allein diese Kombination, die mir sehr zufällig erscheint, erzählt eine Geschichte. Dann ist dort zentral ausgestellt eine Familiengruft, die wie ein christliches Denkmal aussieht und die Leiden Jesus als Erzählband auf einer sich verjüngenden Säule erzählt. Eine mehrere Meter hohe Gruft, ästhetisch schön gemacht und doch erzählt sie nur vom Leid. Auf einem Grab sitzt zurückgelehnt und jovial ein junger Lebemann, als würde ihn das Treiben um ihn herum amüsieren. Wieder ein anders Familiengrab zeigt zwei Männer, Schulter an Schulter auf einem Bein knieend vor einem Säulengang. Sieht man von der anderen Seite, so haben beide Männer die Köpfe mit geschlossenen Augen aneinander gelehnt. Ihre Mimik in stummer Trauer. So kunstfertig sind manche Gräber, dass sie für sich stehen können würden und doch im Rahmen all der anderen Skulpturen und architektonischen Bauten kaum mehr zur Wirkung kommen. Es ist, als wetteiferten die künstlerischen Arbeiten miteinander.

Auch hier waren die Spuren des Sturms deutlich, einige Gräber waren dadurch sogar beschädigt. Manche Spuren erschienen mir allerdings älteren Ursprungs zu sein.

Auch an meine letzten Tag hatte ich keine Gelegenheit, mit der Tram zu fahren. Die Parkanlangen waren noch immer geschlossen, so dass ich mit meine Laptop unterm Arm weit herumrannte, nichts zu finden, wohin ich mich setzen und arbeiten konnte. Manchmal ist ziellos auch einfach genau das: ziellos. Auf diesem Nicht-Weg kam ich wieder an der Modewelt vorbei und wunderte mich einmal mehr, was Menschen sich so ausdenken konnten. Ich stolperte in ein Museum, das sowohl Bilder als auf den Raum (als altes Herrenhaus) präsentierte. Die Bilder waren sehr reizvoll, denn sie handelten nicht (ausschließlich) von wichtigen Menschen in großen Portraits, sondern zeigten Szenen des Alltags. Nachgestellte Szenen, die wie eine Momentaufnahme wirkten und in stilisierter Form die Mode dieser Zeit (ungefähr um 1850) wiedergab. Amüsant war für mich, dass ich als Betrachter(in) natürlich wusste, dass es keine echten „Fotos“ waren, die wir machen können, um einen Moment festzuhalten, doch auch unsere vielen Fotos sind oft gestellte Momentaufnahmen. Es scheint also ein Trieb des Menschen zu sein, den Moment nachstellen zu wollen und als „wahr-so“ zu kennzeichnen.

Abends besuchte ich eine Ausstellung zu Leonardo da Vinci, wozu ich keine Fotos machen durfte. Ich habe mich etwas geärgert, weil die Audioführung nicht im Eintrittspreis enthalten war und die Texttafel ausschließlich italienische Erklärungen aufwiesen. Es gab einige interaktive Ausstellungsexponate. Lohnend erwiesen sich die Erklärungen zum „letzten Abendmahl“ und die Anzeige, wie es tatsächlich mal ausgehen haben sollte. Allerdings find ich jedes Mal befremdlich, dass das Abendmahl wie ein Zeitdokument behandelt wird, so als hätte Da Vinci die Geschichte selbst erlebt. Ich würde vermuten, dass Da Vinci eben auch nur die Bibelstelle interpretiert hat, wenn auch sehr anschaulich.

Die Sprache – gesteigerte Fähigkeiten

Es ist erstaunlich, wie viel ich doch verstehe – also wenn es geschrieben steht. Wenn jemand mir etwas erzählt, gerade einfach so heraus, dann verstehe ich selten, was der andere sagt, es sei denn, er pronunziert überdeutlich.
Je länger ich allerdings hier bin, desto mehr Grammatikregeln kommen zurück. Un und una habe ich noch einmal nachgelesen und mich versucht zu erinnern, welche Endungen wofür stehen. Ich weiß, dass ich manche Vokabeln kennen sollte, weiß aber deren Bedeutung dann doch nicht.

Blöd ist es, dass ich noch immer jeden Satz bauen muss. Ich hab kein zugängliches Konstrukt. Und noch blöder finde ich, dass ich mich zwar bemühe, die Sprache einzusetzen und mir über die korrekte Aussprache viele Gedanken mache, aber dass ich selten wirklich verstanden werde. Häufig, weil ich das „r“ falsch betone. Wenn es denn dann angekommen ist, dann ist doch meine Aussprache nicht so richtig falsch, nur eben nicht italienisch genug. Vor allem am Gardasee verriet sie mich immer als Deutsche. Ich sagte „Guten Tag“ auf italienisch und bekam eine deutsche Antwort.

Fazit: Ich werde besser, sammle neue Vokabeln, aber ich habe weniger gelernt als erhofft – zumindest erscheint es mir im Moment so. Außerdem bleibt auch immer die Erleichterung, wenn ich mit Deutsch oder Englisch verstanden werde, dass ich mich nicht so abkämpfen muss.

Was würde sich ändern, wenn es plötzlich keine Männer mehr gäbe?

Eines dürfte sicher sein: Die Welt geht dann nicht innerhalb der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre unter, weil keine Babys mehr geboren würden. Es ginge ein Rucken und Rumpeln durch die weibliche Bevölkerung und vieles würde sich vermutlich sehr schnell verändern. Sicher würde alles, was an Männer speziell erinnerte und ein Ärgernis oder einem Steh-im-Weg gliche, entsorgt. Statt Männer gäbe es dann verschiedene Frauengruppen,

  1. die Lieblichen, Sanftmütigen und Intriganten
  2. die Dominanten, Maskulinen, Direkten
  3. die Ruhigen
  4. die Lauten; oder
  5. die Bemalten und Behangenen und
  6. die Nüchternen und Natürlichen

Schnell wäre man bei der Hand mit Differenzierungen, denn der Mensch neigt dazu, zu trennen und zu kategorisieren, zu dualisieren – könnte man sagen.

Wie es dazu kam, dass sich die Welt gegen die Mannheit entschied, ist zunächst nebensächlich, wenn man die eingangs gestellte Frage betrachtet. Würde die eine Hälfte der Menschheit fehlen, würde dies auf die andere Hälfte eine Auswirkung haben, aber welche?

  • ein Teil der Frauen würde sicherlich aufatmen, nämlich weltweit all jene, die durch oder mit Gewalt unterdrückt wurden, die mehr Leid als Freude erfahren haben im Leben: Zwangsprostituierte; kleine Mädchen, die durch wichtige Bezugspersonen vergewaltigt wurden; Zwangsverheiratete, Gefangene durch Religion und Tradition. Das dürften sehr sehr viele Frauen weltweit betreffen.
  • ein Teil der Frauen würde schweren Kummer, schwere Trauer erfassen, nämlich jene Frauen, die lieben und geliebt wurden. Auch das trifft einen großen Teil: Mütter, Liebhaberinnen, frisch Verliebte.
  • einem kleineren Teil wäre es sicherlich gleich, denn sie wissen noch nicht, was ihnen entgangen ist. Dieser Teil stellte zugleich die jüngeren Frauen, die eine Welt hineinwachsen, die sie nicht anders kennen.
  • ein weiterer kleiner Teil würde sich das Leben nehmen, weil sie die Welt ohne Männer öde, langweilig und traurig fänden.
  • vermutlich würde ein anderer kleiner Teil hochgradig aggressiv reagieren und Angst und Schrecken verbreiten, da es ja nun konkurrenzlos möglich ist.

Wie auch immer die emotionale Reaktion sein wird, die Menschen werden aufgrund der Samenbanken überleben. Vermutlich würde sich nach einem längeren Schrecken die Gesellschaft neu sortieren. Es würden Bestimmungen erlassen werden, nach welchen Kriterien eine Frau ein Kind austragen darf und wann nicht. Es würden Frauen mit eingefrorenen Embryos versuchen, ihre Rechte zu sichern. Je nach Not würden diese persönlichen Rechte umgangen oder wirtschaftlich entschädigt. Auf jeden Fall ginge parallel die Forschung weiter, weibliche Eizellen direkt zu befruchten, also zu verbinden, damit die männlichen Samenzellen nicht mehr nötig sind, die Menschheit aufrechtzuhalten.

Wahrscheinlich ist, dass ärmliche Weltregionen, die sich diese medizinisch-technische Ausstattung nicht leisten können, nach und nach entvölkern, wodurch sich die Natur in den Regionen erholen würde.

Zunächst würde auch wieder verstärkt regional Kontakt entstehen, weil man viele Ressourcen schonen müsste (Benzin, Strom, Wasser), bis die Frauen die fehlenden Männer in Beruf und Alltag ersetzen. Vermutlich wird dann eine neue Währung und ein neues Zahlungssystem sowie neue Regelungen des Miteinanders eingeführt, die versuchen, alte Fehler auszumerzen.

Vermutlich gäbe es Gesellschaften, die versuchen, den Mann genetisch zu reproduzieren (also die Samen vor allem nach männlichen Nachkommen zu nutzen, was schief ginge, weil wir ja bereits in China sehen, dass eine Gesellschaft mit vor allem männlichen Exemplaren zur Arterhaltung nicht so richtig schlau ist!), ebenso wie es Gesellschaften gäbe, die vor allem den Mann aus der Reproduktion heraushalten wollen werden. Auch das ist nicht so richtig schlau. Intelligent wäre eine Lücke lassen (weil nun mal zwanzig Jahre Männer fehlen werden) und dann es natürlich nachwachsen lassen – die Natur weiß schon, wie sie sowas richtet.

Aber der Mensch wäre nicht der Mensch, wenn er sich nicht einmischen täte.

Keine Zeit für irgendwas – für was?

Fast Ferien – fast geschafft. Fast auch wieder Platz auf dem Zeitkonto. Fast.

Unser „beinahe“ ist so dicht mit dem „schnell“ der Engländern verwandt, dass man spürt, dass es gemeinsame Wurzeln geben muss und ist es auch nur das Menschsein.

Die erste Hälfte des Jahres hat mich durch wichtige Erfahrungen, durch mein großes Fest und durch zahllose Kleinigkeiten abgehalten, regelmäßig zu schreiben. Aktuell muss ich mich daran gewöhnen, dass mein linker Mittelfinger noch immer nicht so belastbar ist, dass er als Mitglied des Zehnfingersystems gelten kann. Aber was sind schon alltägliche Banalitäten, wenn man sich über die großen Dinge Gedanken macht:

  • Was kann der nächste Job werden? Womit steige ich aus der Schule aus?
  • Wie viele Seiten hat mein erster Roman und komm ich um ein Lektorat herum oder nicht?
  • Wohnung? Wohnen? Wohin?
  • Wann genau will ich raus?
  • Schaffe ich das Schuljahr noch oder lass ich schon jetzt alles hinter mir? Was ist mit meinen Zusagen? Z. B. das Musical.
  • Y-Chroniken als HP fit machen: Wie kann ich starten?
  • Baukaustensystem, um Zeit zum Schreiben zu finden. Ein 450€-Job, Lektorat im Homeoffice und zwei Tage non-stopp schreiben, dazwischen Tango, Tango und Yoga?

Eine Umfrage zu meinem Buchrückentext hab ich soweit fertig, dass ich sie auf den Weg bringen kann. Wer mag mal mitmachen?

https://forms.gle/pcLseFsMEGS3jXMG6

Und doch, fast schon Ferien.

Was darf es werden? – Rätselhafte Zukunft bleibt es … fort und fort

Von irgendeinem fernen Moment in der Zukunft aus wird klar sein, wieso ich mich wann für welchen Weg entschieden habe, doch heute? Ein Rätsel, ein Kraftakt der Entscheidung, ein Widerstreit all der Möglichkeiten.
Ja, jeder Moment kann diese Spannung in sich halten, doch manche Lebensmomente scheinen mich innerlich zu zerbersten, kaum auszuhalten ist diese Unerträglichkeit des Nicht-Wissen, ja das Nicht-Wissen oft so segensreich, ist jetzt kaum zu ertragen. Ach ich glaube auch, ich könnte ersticken an dem Flimmern hinter meinen Augen, wo vermeintlich das Gehirn sitzt. Und das wiederum dürfte allen nicht-theatralen Menschen widerlich überstreckt erscheinen, geradezu klebrig.

Wochen befasste ich mich mit den ersten 50 Seiten, mit dem Exposé und wieder mit den ersten 50 Seiten und dann wieder mit dem Exposé. Noch einmal alles laut irgendwem vorlesen. Meine Auslassungspunkte, […] um die 50 MS-Seiten zu markieren, wanderten wie Krebse vor und zurück und vor und zurück im Arbeitspapier. Neue Auslassungszeichen als Marker. Inzwischen merke ich, wieso das Exposé so wichtig ist, was daran schwierig ist und wie man das in Griff bekommt. Mir schwirrte der Kopf; drehte sich um sich selbst unsichtbar von außen, er rotierte vornüber und seitlich. „Kettenbildende Handlung“, „Wendepunkte“, „Hauptcharaktere“, „Figurenlogik“, „Must, Don’t, Need & Want“ … Jedes Mal wenn ich dachte, jetzt kann man kaum noch was daran schrauben; weggelassen hab ich vieles – alles verschmerzbare Nebenhandlungen. Aber werde die Figuren deutlich genug? Ist die Handlung klar? Zeigt sich die Tonalität? Und schon wieder könnte ich mich im Kreis drehen.

Dieser Wettbewerb (Alfred-Döblin-Ausschreibung) kann meinen Wendepunkt markieren, meinen für das Schreiben. Möglich, vielleicht auch nicht. Was ist, wenn die Geschichte doch keinen Widerhall findet – diesmal? Ich sitze schon hier, beiß auf den Nägeln rum, wenngleich sicher noch keine Wahl getroffen ist – schließlich ist gerade erst Dezember, ein Monat liegt zwischen der Abgabe und dem heutigen Tage.

Aber der nächste Druck steht an der Tür: 7. Januar 2023: Abgabe für eine Drehbuchgeschichte. Und ich weiß gar nicht, welche ich da nehmen soll. Was ist gut genug? Was kann ich bis dahin schleifen? Ich muss endlich meinem Schreiben diesen Raum geben, egal, ob Klausuren mich bedrängen oder nicht. Wir müssen alle dadurch, dass ich mir diesen Raum erkämpfe.

Dann meine vertickenden zwei Jahre, eigentlich noch achtzehn Monate, vlt. einundzwanzig. Wie gabelt sich mein Weg auf? Aktuell sind die Optionen so reichhaltig wie das Menü zu Weihnachten; üppig, zum Anbeißen, Achtung: Völlegefühl. Inzwischen die einfachste Idee ist die, nach Italien zu gehen und einfach alles andere erstmal hinter mir zu lassen, vielleicht irgendwo an der Küste zu arbeiten, bisschen Taschengeld und dann in der Zeit drumherum zu schreiben. Die einfachste, aber vermutlich nicht die richtigste. Und richtig: Richtig kann man überhaupt nicht steigern. Die Frage ist doch: WIE will ich leben? Ich weiß genau, vom Schreiben leben werde ich nicht mehr können. Vermutlich nicht. Zumindest nicht den klassischen Weg vom Tellerwäscher … und so weiter. *haha

  • Ausbildung zur Yogalehrerin? Yoga intensiv? Bringt mich das voran? Ja, vermutlich mich, aber den Rest?! Haha. Zumindest hätte ich eine Jobperspektive – wenn auch nicht für den Lafri-Kurs.
  • Studium Drehbuch? Bringt mein Schreiben ganz sicher voran. Aber auch mich? Auch meine Beruflichkeit? Was ist mit der Lafri-Perspektive?
  • Rückzug und Konzentration auf das Schreiben? Bringt mein Schreiben sicher voran, meine Lebenslust auch, aber auch meine Beruflichkeit? Was ist mit der Lafri-Perspektive?
  • Statt mir Sorgen machen, einfach Reisen – einmal Welt und zurück. Irgendwie geht es ja weiter.

Was also darf es werden?

Schule – warum brennt sie denn nicht endlich? Lehrerausbildung

Im Prinzip wissen wir es alle, zumindest diejenigen von uns, die in dem Betrieb tätig sind:

  1. ist die Ausbildung zu Lehrkraft gelinde gesagt „am Thema vorbei“;
  2. bereitet weder das Studium noch das Referendariat darauf vor, was dann kommt und
  3. ist es absolut unwichtig für die Einstellung als Lehrkraft, ob man mit Kindern und Jugendlichen umgehen mag oder nicht.

Wieso ist das so? Die Ausbildung – falls man das so nennen will – ist völlig verknöchert und alt. Wie eben auch niemand wirklich die Schule reformieren will, so traut sich auch niemand ernstlich an diese fragwürdige Lehrerausbildung.

Referendariat – der Ist-Zustand

Wenn ich jemanden haben möchte, der mir einen Tisch schreinern kann, wieso sag ich ihm dann nicht: „Probier mal dein Glück – und ich sag dir dann, wie dicht du dran warst! Du hast ja schon so Tische gesehen in deinem Leben, weißt ja, dass die vier Beine haben.“ So aber ist die Lehrerausbildung.

Der Referendar bereitet 45 Minuten phasierten Unterricht vor, der davon losgelöst ist, dass er ein ganzes Jahr durchhalten muss, dass es ein aufbauendes Curriculum gibt und dass es immer wieder aktuelle Themen gibt, die den Unterricht vom Lerngegenstand abhalten. Materialvorbereitung, Sätze vorbereitet, Tafelbild vorgeplant. Und in den Seminaren behandelt man Lerntheorien von Piaget und Co.

Nach meinem Referendariat wusste ich nicht, wie ich Gruppen steuere, wie Gruppendynamik zu bremsen ist. „Da hat ja jeder Lehrer sein eigenes Rezept!“ Und das steht sogar in den Standardtheorien von Guru Hilbert Meyer. So ein Quatsch. Natürlich gibt es Regeln. Keine Hundeschule würde sagen, dass da so jeder Halter so sein eigenes Konzept fahren müsste. Ich wusste nicht mal, wie ich einzelne Teile der Gruppe benenne. Wie ich mit Gruppen umgehe, wie ich einzelne Bestandteile der Gruppe identifiziere und was ich dann tun kann, habe ich durch meine theaterpädagogische Ausbildung gelernt. Verrückt. Und das ist das, was ich vermitteln möchte.

Wieso gibt es Nachwuchsmangel?

Meine Kollegin – sehr engagiert, sehr motiviert – erklärte mir, dass sie doch für diesen Stress, für diese Art Arbeit, für diesen Mangel an Erfolg, an Wertschätzung und an Voraussetzungen für gute Arbeit nicht studiert habe. Richtig. Dafür studiert man nicht. Auch nicht für die Ferienzeit, um das mal gesagt zu haben.

Wer also in der Lage ist, mit seinem Studium etwas Sinnvolles zu tun, der tut das auch. Gerade die NW-Fächer – Mangel an der Schule – bieten Spielraum für Großes. Während man nicht so genau weiß, was eigentlich Germanistik sinnvoll machen kann, kann ich mir sofort Spitzenjobs im Bereich Chemie, Mathematik und Physik vorstellen. Also nur um es gesagt zu haben: NICHTS von dem, was ich in meinem Studium gemacht bzw. gelernt habe, wende ich im Unterricht oder meinem schulischen Alltag an. NICHTS. Als Zahl? 0,0. ZERO. Der Inhalt meines Studiums hat mich definitiv nicht zum Lehrer ausgebildet. Er hat mir eine Grundlage für selbständiges Arbeiten vermittelt, was ich immer noch anwende. Doch ehrlich gesagt, hätte es Inhalte gegeben, die ich wirklich nutzen hätte können. Mein Studium hat meine Art zu denken, meine Art Probleme zu lösen, beeinflusst. Hinzukommt eine gute Allgemeinbildung, die ich im Alltag nutze, doch inhaltlich hat mein Studium zu meinem Beruf keinen Bezug. Mit meinem Studium hätte ich ebenso in einer Redaktion oder in einem Museum tätig werden können und genauso sehr oder genauso wenig wäre ich für diese Berufsfelder vorbereitet gewesen.

Aus dieser Ratlosigkeit vieler Gesellschaftsstudiengänge wie Romanistik, Geschichte, Germanistik, Philosophie, Sozialwissenschaften, etc. münden die Studierten und Examinierten in der Schule. Mein Weg war automatisiert, eine Einladung zum 2. Staatsexamen, mit Gehalt und Job. Meinen ersten Fuß in die Schule als Referendarin hab ich nur gesetzt, weil ich nicht genau wusste, wohin ich mit meiner Ausbildung sonst hinsollte. Geblieben bin ich, weil ich gedacht habe, ich könnte – wie arrogant und egozentrisch – was verändern für die Schülerschaft.

Lässt sich nicht Frust und Zeit sparen, wenn man tatsächlich zu diesem BERUF ausbildet? Also los: Was braucht es?

Lernen, was man hinterher im Unterricht braucht

Vorbereitend auf das Fach lerne ich allgemeine Inhalte der Curricula. Bleiben wir im Fach Deutsch, dann würde sich daraus ergeben, dass ich grundsätzlich überlege, wie man Lyrik vom Beginn bis zum Abitur gestaffelt vermittelt, wie binnendifferenziert der Aufbau von Gedichten erarbeitet werden kann. Dann Sachtexte, Theaterstücke, Filme, lange Prosatexte. Das könnte man jeweils vorbereitend für den Unterricht vorwegnehmen.

Wozu wird eine Klassenarbeit geschrieben? Wie sieht der Erwartungshorizont aus? Wie viel Zeit brauche ich für die Korrektur? Wie sieht ein vernünftiges Zeitmanagement aus? Okay, hier hätten wir die Problematik, dass dann seitens des Staates mal gesehen werden müsste, wie viel Arbeitszeit tatsächlich anfällt. Es müsste Zeit eingeräumt werden, für nicht-inhaltliche Unterrichtsaspekte: Anwesenheitsliste prüfen, Entschuldigungen eintragen, abhaken und nachverfolgen, Einsammeln von Geldern sowie der Nachverfolgung der unpünktlichen Zahlenden, Prüfung von Hausaufgaben, von Unterschriften der Eltern, des Schreibens von Notizen für die Eltern oder den anderen Lehrkräften, Eintragungen im Klassenbuch, etc. Das für jedes Fach, wäre ein wertvoller Schritt. Man hat ja zwei Fächer, das ließe sich dann vielleicht auch für drei Fächer verwirklichen.

Und provokant könnte man die fachgerichtete Ausbildung im Grundstudium mit der Frage schließen, wieso zu Kuckuck die jungen Köpfe mit Balladen, Novellen, Romanen, Zeitungsartikeln und ähnlichem vollgestopft werden müssen, wieso sie daran gehindert werden, ihre Finger in Dreck zu wühlen und Fundsachen hervorzubringen, die wie ein Wunder vor ihnen liegen. Wofür nur, wofür braucht es dieses Zeug?

Lernen, was man für den Berufsalltag braucht

Neben den Unterrichtsfächern bestimmt aber vieles andere mein Schulleben und mein Arbeitsleben. Zu glauben, der Unterricht ist der Löwenanteil meines beruflichen Arbeitens, der wird hoffentlich nicht enttäuscht sein, wenn ich ihm jetzt die Wirklichkeit vorführe: Organisieren von Klassenarbeiten, von zusätzlichen Diensten, vom Erstellen von Kopien, von Sich-Informieren über das, was sonst noch wichtig ist, Planen einer Infoveranstaltung zum Thema Facharbeiten-Schreiben, Vertretungsmaterial von einer Lehrkraft besorgen, Aufsichten übernehmen, Vertretungspläne und Mails lesen, Anträge für Unterrichtsgänge stellen, Verkehrswege heraussuchen, Elternbriefe als Information schreiben, sich über Theaterstücke informieren, Arbeitsblätter und Klassenarbeiten und Erwartungshorizonte selbst erstellen, Absprachen mit Kollegys treffen, Curricula implementieren, Listen für irgendwas erstellen, Noten in Listen eintragen und aus Listen übertragen in den Rechner, Klassenarbeitsnoten in einen Ordner der jeweiligen Abteilung eintragen, Minitexte für eine Fächerbeschreibung verfassen, Bücher bestellen, Bücher in Listen eintragen, Bücher mit Schülys holen oder wegbringen, Artikel für die Homepage, Mitteilung über Schülys schreiben oder Kollegys machen, Zuständigkeiten klären, Ausflug organisieren, Projektwochen und Klassenfahrten planen, etc.

Für das Studium könnte das bedeuten, dass Gruppendynamik, Organisation und Struktur, langfristige Planungen, Bewertungsmerkmale, Problematik von Inklusionsklassen, weitere Ämter an der Schule, etc. zu Bestandteilen des Studiums-Curriculums werden. DAS, was gebraucht wird: Deeskalationstraining, Theaterübungen für das Auftreten in der Klasse, Selbstmanagement, Schulrecht, Selbstmanagement Schule, Jugendpsychologie, Grundlagen von Psychosomatik, Medizin und erste Hilfe. Ganz nebenbei könnte man die jungen dynamischen Studierende mit der Frage der Optimierung beschäftigen, so dass sie frischen Wind in die Schulen tragen, wenn sie völlig benetzt von neuen Ideen die alteingesessenen Lehrys überzeugen wollen, von einer Schule ohne Noten, ohne Schulglocke, ohne Fächervorgabe, ohne Raumzwang, ohne irgendwas …

Der Vorteil eines solchen Studiums skizziert gleich auch den Nachteil: Mit dieser Ausbildung wird man tatsächlich und ausschließlich auf die Lehrtätigkeit vorbereitet und die zukünftige Lehrkraft muss schon während der Ausbildung wissen, dass sie das tun will und tun wird, weil sonst das gesamte Studium unbrauchbar für irgendwas anderes ist. Böse wäre jetzt zu unterstellen, dass das vielleicht viele Lehrys abhalten würde, überhaupt Lehrkraft zu werden. Zurzeit scheinen sich in den Beruf nur jene zu verirren, die vielleicht irgendwann falsch abgebogen sind oder die nicht das Rüstzeug für mehr als diesen Weg hatten. Außerdem: Sicher ist sicher. Dieser Job packt die Ängstlichen bei der Lebensangst.

Aber nehmen wir den klassischen Typus, der gerne Lehrkraft wird: kinderlieb, Helfersyndrom, überzeugt davon, die Gesellschaft verbessern zu können, familienorientiert, Wunsch nach Autonomie und Sicherheit, rechtschaffen, leidensfähig, hohes Allgemeinwissen, regelorientiert, sozial, mag keine Veränderungen. Dieser Typus will gar nicht lange studieren und schon gar nicht großartig Karriere machen, möchte aber einen gewissen Status erreichen. Das Studium wäre also maßgeschneidert als Mix zwischen autonomer Selbstfindungskreativität und Rechtsbildung. Bieten wir einen nine-to-five-Job an, bei dem die Lehrys in den Ferien im Büro abarbeiten, was sie noch nicht abgeschlossen haben (Klausurkorrektur und CO), werden Lehrkraftwillige den Universitäten bzw. den Schulen die Türen einrennen.

Utopia Schule

Wo wir uns schon im Land UTOPIA befinden: Es wäre ein Traum, wenn eine jede Lehrkraft einen eigenen echten Arbeitsplatz hätte sowie EINE bezahlte Stunde für Beratungsgespräche, die von Schülys wahrgenommen werden kann. Und wieso nicht auch Lehrkräfte, die keine Lust mehr auf Pubertiere oder Kinder haben (also nach einem ersten vollen Durchgang), an die Universitäten zurücklassen, die dann die nächste Rutsche Lehrys ausbilden – so richtig mit Echtheitszertifikat?

Ach, dann würd ich mir ja den Wechsel überlegen … ehrlich, aber so …

Studio Babelsberg – nicht Hollywood, doch aber Europas größtes Filmstudio mit einer Geschichte. Und der Filmpark ist noch was andere?

Filmophil? Filminteressiert? Lust, zu wissen, wie es geht? Wie funktioniert der Stunt? Welche Filmtricks benutzt der Film? Wo wurden die Deutschen Filme gedreht?

Seit 1912 haben zahlreiche namhafte Filmemacher des Studios und seiner Vorgänger Decla Bioscop, UFA und DEFA unweit des Villenviertels Neubabelsberg sowie in und um Potsdam und Berlin mehr als 4000 Filme produziert, darunter so bedeutende Filme wie Metropolis und Der blaue Engel. Zu den bekanntesten Produktionen gehören unter anderem SonnenalleeV wie VendettaOperation WalküreDer GhostwriterCloud AtlasMonuments MenDie Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1 und 2Isle of Dogs – Ataris ReiseBabylon Berlin und Matrix Resurrections. In den letzten 20 Jahren wurden Studio Babelsberg Produktionen mit insgesamt 15 Oscars in verschiedenen Kategorien ausgezeichnet: Der PianistDie FälscherDas Bourne UltimatumDer VorleserInglourious BasterdsGrand Budapest Hotel und Bridge of Spies.

Studio Babelsberg – Wikipedia

Die deutsche Antwort auf das, was ich in L.A. gesehen habe, ist wirklich typisch deutsch – es ist nur scheinbar der Zugang zum Studio. Es ist ein Filmpark. Zunächst einmal fällt auf: alles ist preiswerter und „kleiner“ (Eintritt, Größe der Anlage, Getränke und Futter, Häufigkeit der Futterstände), alles wirkt etwas handmade und weniger auf big Show gemacht, obwohl die Shows (dazu komme ich noch) natürlich einen großen Teil des Parks ausmachen. Die Shows sind wenig amerikanisch in Szene gesetzt, eher solide und realistisch in der Darstellung und eben bodenständig, so wie wir Deutschen sind.
Ein Vergleich sei erlaubt, handelt es sich doch auch bei diesem Filmstudio um ein bedeutendes in der Geschichte der Filmindustrie. Und seine Bedeutung ist noch nicht vorüber. In diesem Kontext steht es den Studios von L.A. also in nichts nach, da sollte ein Vergleich dem Studio keinen Abbruch tun. Los geht es:

Adressatys des Vergnügungsparks

Brunnen mit u.a. Nosferatu

Zunächst orientiert sich das Angebot vor allem an ein sehr junges Publikum, nämlich Eltern mit ihren kleinen Kindern bis zu zehn Jahren. Danach wird es etwas knifflig, denn die Jugendlichen dürften sowohl die Shows als auch das Angebot an Aktionen ziemlich langweilig finden, ebenso wie die Menschen ohne Kinder, denen es dann zu wenig Tiefe hat.
Die Filme, deren Originalrequisite ausgestellt sind, entsprechen diesen Adressatys: Sandmännchen, Jim Knopf, Märchen, Janosh und die Tigerente sind omnipräsent, während Filme wie Transformers abseitig dargestellt werden, wenig präsent aber wirklich um einiges jugendlichenadressierter wären Filme wie „Tribute von Panem“ beispielsweise oder der letzte der Matrix-Serie Ressurections.
Außerdem machen unsere amerikanischen Vorbilder uns vor, wie die Vermarktung richtig funktioniert. Obwohl ein Parkschwerpunkt „Panama“ heißt und natürlich an die Janosh-Reihe anknüpft, eine süße kleine Wasserbahn für die Familie mit passender Dekoration und Tonabspielungen hat, ist es doch wenig spektakulär. Man bekommt nicht an jeder Ecke eine eigene kleine Tigerente auf Rollen und auch die Shops sind klein und diskret. Ich persönlich als Mutter, als Pädagogin, als Konsumentin, als Parkbesucherin bin dafür sehr dankbar, aber ehrlich gesagt, hatte ich beinahe Bauchschmerzen, Universal-Studios und HOGWARTS ohne Zauberstab zu verlassen. Mich hielt nur der Gedanke, 40 Dollar für nichts als eine Idee auszugeben, davon ab, einen Olivander-Stab zu erstehen. Davon abgesehen, sind aber auch die Fressbuden passender abgestimmt und teurer. In den Studios von Hollywood ist alles auf den Konsum so stark ausgerichtet, dass das gesamte Konzept zusammenspielt: angefangen damit, dass die Mitarbeiter beste Laune verbreiten bis hin zu den Toiletten, die supersauber und auf das Thema der Parkeinheit abgestimmt sind. Die deutsche Variante gefällt mir mit seinen Preisen gut, doch mir fehlt es an der ein oder anderen Stelle an thematischer Tiefe.

Natürlich ist es schwierig, den Park je nach Filmerfolg umzugestalten, so dass auch etwas für die Jugendlichen oder die Kinderlosen von Interesse ist, was in den Filmpark lockt. Andererseits ist das nicht die besondere Herausforderung?! In Amerika wird es durch Wachstum gelöst; in den U-Studios eröffnet beispielsweise nächstes Jahr eine Mario-Kart-Bahn. Der zeitlose Touch erfolgt durch die Fahrgeschäfte. Die Antwort wäre nicht eine Wiederholung dessen, sondern das gute Lernen: Mehr Tiefe, größere Flexibilität in der Gestaltung.

Geführte Tour

Bodenständig, Schlange stehen, alles zu Fuß – auch die Technik. Wir nahmen Teil an der Führung, die ca. 30 Minuten dauerte. Erst ein Video mit Kopfhörern. Das kannte ich aus den L.A.-Studios auch schon. Lecker machen auf den Rest. Klappte auch diesmal. Wenig Text, Bildersprache, Werbung für das Studio. Schauspieler und Regisseure, die in Babelsberg gedreht haben, durften ein paar Sätze ihres Wohlgefallens ausdrücken.

Dann werden wir von einer jungen Frau durch das Studio geführt, zumindest durch diese Halle. Wir erfahren, welche tollen Filme hier schon gedreht wurden, natürlich den Wechsel in der Historie: die Anfänge in den 1920er mit Metropolis, dann die Nazizeit mit den Propagandafilmen und den Ablenkungen wie Feuerzangenbowle, danach die Ära der DDR-Filme und schließlich die Ankunft des Studio in der Neuzeit. Dazu große Ausstellungsmaterialien.

Keine Filmausschnitte, keine Machart der Filme, dafür Politik. Ja, es werden noch immer Filme in den Studios in Babelsberg produziert, doch einen Blick hinter die Kulissen gab es nicht. Den meisten Einblick in die Vorgehensweise der Filmproduktion zeigt das Sandmann-Haus, in welchem der Stopptrick erklärt wird und die Produktion zum Beispiel der Mimik vom Sandmann – der ja inzwischen sogar spricht – dargestellt wird. Um es zu verraten: Es gibt eine große Anzahl an Gesichtern mit unterschiedlichen Grimassen, die dann einzeln Bild für Bild auf die Grundfläche des Gesichts aufgezogen werden können – ähnlich wie eine Maske. Damit ist jedes einzelne Geschichtchen ein Kunstwerk der Akribie und Geduld.

Bleiben wir bei der geführten Tour, so muss man sagen, dass sie sehr oberflächlich blieb. Die amerikanischen Schwestern hatten bezüglich Tiefe natürlich auch Unterschiedliches zu bieten (zur Nachlese), vor allem waren beide sehr fix durch, doch man hatte mehr zu sehen. In den U-Studios ging es sehr actionslastig zur Sache und das übertüncht so manchen Makel, die WB-Studios allerdings haben einige Dinge wirklich gezeigt. Wir sind durch die Produktion gefahren und gelaufen, wir haben hinter die Fassade geblickt, wenn auch nur ein bisschen. Gerade so viel, dass man hungrig nach mehr wird. Diesen Hunger befriedigt das Babelsberg Studio auf jeden Fall nicht. Wenn ich in Amerika nicht in den Studios gewesen wäre, hätte ich kaum einen Bezug zum Film hergestellt – außer den offensichtlichen, dass der Park „Filmpark“ heißt. Ganz klar: zu wenig Hintergrund, zu wenig Infos, zu wenig Einblick.

Highlight Bühnenshows – Show must go on

Aufnahme während der Stuntshow – in 3 Teile gegliedert

Nicht die Dramaturgie möchte ich hier ansprechen, denn die Show zielt ja darauf ab, die unterschiedlichen Aspekte von Stunts zu zeigen: Pyrotechnik, Verfolgung und Maschinen, Kampfszenen mit Fallen, Springen und Prügeleien. Die Dramaturgie ist manchmal eine Beleidigung für unser hollywood-verwöhntes Sehen, aber darüber sehen wir gern hinweg, wenn die Stunts passen, wenn die Pyrotechnik spektakulär ist und wenn die Kampfszenen sich sehen lassen können. Alles stimmig und witzig gemacht. Auch die Unterbrechungen der Moderatorin waren flüssig und angenehm.
Ja, diese deutsche Variante hat mir gut gefallen, auch wenn in Amerika ein Mensch nicht nur einen brennenden Teppich auf dem Rücken trug, sondern selbst brannte. Auch hier wenig Hang zum Drama. Ein paar warnende Worte, dass auch immer ein Restrisiko für den Stuntman und die Stuntlady bleibt, aber damit war das Dramatische auch erfüllt.

Die erste Show war so klamaukig, mich rettete der Publikumsjoker – ein echtes Highlight an Spontaneität und Ausdruckskraft. Durchsichtig und auch für das junge Publikum gemacht. Die konnten gut darüber lachen, es war jugendfrei und gendergerecht. Ein bisschen Clown für Dumme rundete das Spektakel ab. Nett ist es gewesen.
Die dritte Show war informativ und enthielt sogar eine versteckte Botschaft. Wie dressiere ich meine Tiere – vor allem, wie muss Wauwau an der Leine gehen? Ja, das war interessant. Mit mehr Hintergrund als erwartet, denn das Publikum war noch immer sehr jung und vor allem an Unterhaltung interessiert.

4D Kino erleben

Zwei Mal gab es die Möglichkeit, mehr als 3D-Kino zu erleben. Das erste war ein Laser-Attack-Spiel, wo wir in Stühlen saßen, die sich passend zur Leinwand bewegten und wir auf Piratengeister schießen sollten. Das zweite Mal waren wir ebenfalls sehr gesichert in Stühlen befestigt, die sich dem „Ritt“ durch die Drachenwelt anpassten. Mit viel Wind wurden wir bewegt und flohen vor gefräßigen Drachen. Beeindruckend war es auf jeden Fall, doch auch gewöhnlich. Schon immer ist die Fahrt mit einem Rundum-Cinema und einer Achterbahnfahrt in solch einem Vergnügungspark. Wenn ich jetzt noch einmal den Vergleich ziehe, – und mir drängte er sich auf – dann fehlte das Wasserspritzen an den passenden Stellen, ebenso wie das passende Rucken und umlenken des Wagons, wenn wir durch einen Schwanz erfasst wurden. Ich erinnere mich an den Kampf zwischen King Kong und T-Rex, der so beeindruckend war, dass ich fast vom Sitz auf den Boden gerutscht wäre. Ich musste mir mehrfach sagen, dass das nicht real ist, dass ich in der Show sitze. Diese Studiofahrt – wir erinnern uns – haben wir zwei Mal gemacht, weil sie so gut war. In keines der Kinos in Babelsberg (oder im Zoom in Gelsenkirchen, oder oder) wäre ich ein zweite Mal hineingegangen.

Fazit

Es ist die deutsche Antwort oder die deutsche Version – vermutlich auch keine Antwort. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist stimmig, man bekommt, was man für das Geld erwarten kann und sogar etwas darüber hinaus. Die Qualität ist auf jeden Fall gut. Bedauerlich, dass es sich nur an junge Familien als Zielgruppe richtet, denn sicher gäbe es auch andere Themenschwerpunkte, die andere Zielgruppen interessant fänden.

Ganz persönlich hätte ich gerne mehr zu den Filmen selbst erfahren und natürlich zu Spezialeffekten, zu bestimmten Techniken und mehr zu den Sets als Hintergründe. Einen Blick in die Studios während einer Produktion oder eine nachgestellte Produktionsphase wäre sicher sehr reizvoll.
Wessen Blick durch die große weite Welt nicht anspruchsvoll angewachsen ist, findet hier bestimmt einige Aspekte, die von Interesse sind.

Filmmuseum Potsdam

30 Jahre Bestehen feiert es und hat ein Kinosaal, in dem Filme gezeigt werden. Die Ausstellung zeigt die Geschichte des Films in Babelsberg, die Geschichte des Filmstudios in seinen drei oder vier verschiedenen Episoden (die UFA-Phase von 1902 – 1945, die DEFA-Phase zur Zeit der DDR und die aktuelle Filmstudiophase nach dem Mauerfall) sowie die Produktionsschritte, die ein Film durchläuft (von der Idee, dem Drehbuch über die Kostüme, das Casting, die Setstruktur bis hin zur Endproduktion und Vermarktung).

samsing rong! Oder, wenn das Jugendschutzgesetz zum Bumerang wird

Eigentlich gut, dass ein Gesetz regelt, wie die Jugendlichen arbeiten dürfen, welche Zeiten eingehalten werden müssen und welche Pausenregelung nötig sind. Blöd nur, wenn das an den Möglichkeiten und Bedürfnissen der auszubildenden Betriebe wie zum Beispiel den Dienstleistern in Gastronomie und Einzelhandel vorbeiläuft. Dann ist es natürlich viel leichter, man stellt erst volljährige Jugendliche ein. Tja, das sind dann doch auch nur zwei Jährchen mehr als die vorgeschriebenen 10 Jahre Schulpflicht. Kein Problem, die hängt der junge Mensch einfach an die zehn Jahre dran, dann kann er jeden Job machen. Und wenn dann noch einige Betriebe auch lieber Volljährige einstellen, weil diese über einen Führerschein fügen könnten, weil sie reifer und entwickelter und ruhiger sind, dann bleiben am Ende der 10. Klasse wenig attraktive Ausbildungsplätze übrig.

Blöder wird’s, wenn den jungen Menschen als Propaganda für die verlängerte Schulhaft versprochen wird, dass sie alle Karriere machen können, alle bekommen ein Abitur und können dann die Universitäten bestürmen und reich werden.

Natürlich rechnet sich ein junger Mensch selbst mit diesen rudimentären Vorstellungen von Zahlen aus, dass die Haftverlängerung um zwei Jahre schon fast ein Abitur wert ist. Ich möchte nicht aus der Praxis erzählen, dass manch pubertierendes Subjekt glaubt, dass man durch Absitzen der Zeit schon erfolgreich aus der Schule gehen muss. Und ich will auch gar nicht darauf hinaus, dass diese sitzgesteuerten Menschen unreif, unerfahren und maßlos anspruchsvoll sind. Unerwähnt lass ich an der Stelle auch, dass eine Note „gut“ je nach Schule Unterschiedliches bedeuten kann, selten aber die inhaltliche Kompetenz wie zum Beispiel ein „gutes“ Englischsprachvermögen ausdrückt.

Ich verstehe inzwischen, dass Jugendliche eine ORIENTIERUNG brauchen und glauben, diese in einer Beurteilung wie in einer Note zu finden. Sie glauben das nicht allein, auch die Eltern und die Arbeitgeber sind diesem Wahn verfallen. Ich verstehe, dass sich alle eine Orientierung wünschen. Doch worin soll sie bestehen? Wenn Noten frei interpretierbar sind und jeder sich in einen Haufen Zahlen hineindenkt, was ihm vorschwebt, findet sich darin keine. Wieso sind wir nicht ehrlich genug, endlich mit all den Beschönigungsversuchen von Noten und Zeugnissen aufzuhören? Könnten wir einen Moment den Menschenverstand benutzen, würden wir erkennen, dass es nur noch eine Schule für alle Kinder geben sollte. Dort würde nicht nach Zahlen, sondern nach individuellem Entwicklungsstand (wie für die Förderkinder) geguckt; es gäbe standardisierte Prüfungen, die in bestimmte Kategorien weisen können (akademisch, handwerklich, kaufmännisch, pädagogisch, künstlerisch, technisch); es würde in diesen ein Mindestmaß an Fertigkeiten, Kompetenzen und Leistungen abgebildet und sie würden nicht von Lehrkräften ausgedacht und ausgewertet, sondern von einem unvoreingenommenen Prüfungskomitee. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen, da man „aus einer Toilette trinken kann, ohne Ausschlag zu bekommen.“ Zitat aus „Nackte Kanone 2 1/2„.

Junge Menschen langweilen sich über alle Maßen in Schulen, in denen alles zu kurz kommt, in denen wir Lehrkräfte die Erziehungsarbeit von abwesenden oder desinteressierten oder überforderten Eltern übernehmen müssen, in denen wir mit überholtem Material, überholten Inhalten überfrachtete Curricula in der Zeit frontal vorbeiunterrichten, in denen wir sie nicht auf das Leben und nicht auf die Gesellschaft vorbereiten, außer, dass sie in Haftanstalten sind. Ein Gefängnis kann von seinen Strukturen nicht viel anders sein: Frage nach Essen, Frage nach Pippipausen, Frage nach Hofgang, Frage nach Redezeiten … Ist das nicht auch alles extern für Gefangene geregelt?
Intelligente und angepasste Jugendliche begreifen, dass sie das Spiel mitspielen müssen, sich an die Regeln halten müssen, damit sie irgendwann mit einem guten Zeugnis abgehen können und vielleicht irgendwann Freiheiten haben, wobei diese Freiheiten auch Hamsterräder bereitstellen. Die intelligenten Unangepassten durchschauen es genauso, doch lehnen sie das Spiel ab. Und dann ist der ganze Rest da, der vielleicht an die Lügen glaubt, aber es nicht hinbekommt oder der sich irgendwie verweigert.
Wir wissen, dass die Lernzeit erst in der Praxis erfolgt. Wieso behindern wir den Weg junger Menschen durch unsinnige Noten, die nichts mit dem zu tun haben, was die Jugendlichen wirklich können oder auch wirklich nicht können? Wieso verhindern wir Potenziale mit diesem kasernenartigen soldatenhaften Denken?

Wenn ich einem Unternehmer erzähle, wie Noten „passieren“, was sie wirklich aussagen und was sie auf keinen Fall rückmelden; wenn ich ihm erkläre, wie Unterricht aussieht, was ich inhaltlich im Unterricht in der Sekundarstufe I wirklich machen kann, dann kann er die Noten hinterfragen und erkennt, dass die Form der Auswahl nach Notenbildern unsinnig ist. Jedem einzeln zu erklären, was an unserem Schulsystem kaputt ist, vermag weder ich noch Herr R. D. Precht. Wenn nicht endlich mal jemand der Regierenden den MUT findet, dieses desolate System wirklich grundlegend zu verändern, ist es nicht mal mehr für 30 % eine kleine Lernoption, sondern für alle nur noch eine teure oder billige (je nach Betrachtung) Betreuung mit nachgeholtem Erziehungsauftrag ohne große Erfolgsaussichten.

Jugendliche warten oft nur auf den Moment, an dem sie aus dieser Anstalt heraus sind, um sich dann mit dem zu beschäftigen, was sie interessiert. Vielleicht stellen sie fest, dass sie das ein oder andere auch aus der Schule hätten mitnehmen können, wenn es denn etwas praxisnäher gewesen wäre.
Unsere Schulen sind alle so aufgebaut, dass jedes U-Fach SCHULBÜCHER hat, jedes. Auch ein Fach wie Haushaltsführung, wie Theater, wie Philosophie, wie Sport. Verrückt: alles muss gelesen, beschrieben und dokumentiert werden. Ich glaube zwar, dass man Feilen, Stricken und Spielen nur durch feilen, stricken und spielen lernt, aber vermutlich irre ich mich nach all der Schulpraxis. Ich unterrichte Philosophie, ich unterrichte Theater — äh falscher Satz. Ich habe diese Fächer und ich erarbeite mir Theaterstücke und ich diskutiere Fragen des Lebens mit den Jugendlichen, tatsächlich auch im Spaziergang; Bücher benutze ich sehr sehr ungern dafür. Im Deutschunterricht schreibe ich, weil man interessanter Weise Schreiben nur durch Schreiben erlernt. Wozu braucht es ein Buch, in dem mir bebildert erzählt wird, wie ich eine Möhre schäle? Wir lernen doch alle durch Zugucken und Nachmachen. Zugucken. Nachmachen. Augen auf und Praxis. Üben und üben und üben.

Wann können wir dieses desolate, überholte System ablösen?

Wann nur, wann?

Ich — ich erlebe das ganz sicher nicht mehr (als aktive Lehrkraft).

Welttheater – Straßentheater – Bühnen ohne

Programmheft im Retro-Look

Nach Corona, endlich auch wieder in Schwerte mit dem 29. Festival der Straße. So herrlich bunt, so berührt die Altstadt. Wer noch nicht in Schwerte war, hier im Umkreis lebt, hat sowieso eine sehr schöne Altstadt in der Nähe der Ruhr verpasst. Doch in Szene gesetzt wird die Altstadt bis zur Rohrmeisterei einmal pro Jahr am letzten Augustwochenende durch das Welttheater der Straße.

Der Auftakt mit vielleicht 15 Attraktionen ein wenig schüchtern dieses Jahr, wenig kleine Zusatzprogrammpunkte. Sehen kann man dennoch nicht alles. Schon gar nicht, wenn man so dumm ist wie ich zu glauben, dass Samstag und Sonntag haargenau gleich in Anzahl und Durchführung verlaufen. Das Programm verrät wenig. Doch obwohl ich so wenig gesehen habe, scheinen aktuell die Akteure Bühne neu zu definieren, den Raum des Spiels neu zu erfinden.

Compagnie Dyptik“ haben kleine Inseln für Gäste auf die Bühne aufgebaut und die oft jungen Zuschauys integriert, indem sie diese auf Teppichen installiert haben.

Außerdem war die Bühne wie ein typisch griechisches Theater in der Mitte erniedrigt aufgebaut (was durch die Wahl der Lage optisch begünstigt wurde). Wie eine Manege hatte sie mehrere Ebenen und Stangen dazwischen. Gesang und Tanz würde kombiniert. Worum es eigentlich genau ging, war unklar für mich, aber es war sehr eindrucksvoll, gut aufeinander abgestimmt und dynamisch. Laute stark rhythmisierte Musik begleitete das Spektakel.

Paspartout war der zweite Akt, den ich mir vollständig angesehen hatte. Schon auch, weil ich Clownerie selbst machen möchte und so die Möglichkeit habe, davon Ausschnitte im Unterricht zu zeigen. Clownerie ist nicht meins, doch das war gut gemacht. Kein blöder Klamauk, sondern gut umgesetzte Situationskomik – wenn auch gestellt. Der Elefant (mit drei Menschen im Innern) wirkte unglaublich echt mit klappernden Wimpern und wackelnden Ohren.

Der Clown hat es so gut verstanden, die Kinder zu integrieren und ihren Übermut ohne viel Aufhebens zu bremsen, denn sie wollten ständig den Elefanten streicheln. Dass er französisch gesprochen hat, war völlig egal, wenn er auch einige Worte wie „Sitz“ auf deutsch parlierte. Witzig war, als er eine Dame aus dem Publikum anwies, dem Elefanten gut zuzureden, damit er sich auf den Hocker setzte. Er bat sie, es ihm vorzumachen und sagte „sitz“ zu der Frau. Sie setzte sich auch prompt. Ich bin mir nicht sicher, ob ihr aufgegangen ist, was er damit zeigen wollte. Lustig, denn Verweigerung wäre blockieren gewesen. Selbst die Kinder reagierten auf „sitz“, wenn sie zu übermütig den Clown herausforderten.

Die Story drehte sich darum, dass der Elefant nicht machte, was er wollte, doch gleichzeitig wurde immer wieder damit gespielt, dass es kein echter Elefant war. Dennoch konnte er Bananen und Zuckerstückchen essen, Elefantenäpfel fallen lassen, Wasser verlangen und trinken und natürlich auch Wasser lassen. Auch widerwillig und listig zeigte sich der „Kleine“. Dazwischen kleine musikalische Einheiten auf der Trompete oder der Ukulele mit Tanz.

Das Ein-Personen-Stück von „Crianças“ war nicht meins, wenn ich auch die Botschaft eindeutig fand: Die Künstlys brauchen mehr Geld. Mich überzeugte die Darbietung von Anfang an nicht. Allerdings die Puppe an den Schuhen und an den Leib gebunden zum Leben zu erwecken, war wiederum ein Highlight.

Wer häufiger Gast des Welttheaters ist, weiß, dass mit dem Sonnenuntergang der Höhepunkt auf den Wiesen hinter der Rohrmeisterei wartet. Dieses Jahr war es für mich zum zweiten Mal ein ganz besonderes Vergnügen. Der krönende Abschluss war die Verwandlung des Publikums in Odysseus Meere von Theater Gajes aus den Niederlanden mit Odyssee. Zum Inhalt steht auf der Ankündigung:

Theater Gajes verwandelt die klassische Erzählung „Die Odyssee“ in eine aufwändige Platzinszenierung, ein Theatererlebnis, das alle Sinne anspricht. Das Publikum selbst wird zum Meer, durch das Odysseus auf seinem Schiff zwischen Verführungen und Gefahren navigiert, getrieben von den Intrigen der Götter.

Bevor es losging, hab ich noch einige Fuhrwerke fotografiert:

Die Helfys, die dafür sorgten, dass die Fuhrwerke passieren konnten, waren in grünen Overalls gekleidet – hier noch ein wenig Entspannung vor der Show.

Theater Gajes (welttheater-der-strasse.de)

Auf Stelzen und in höhergelegenen Fuhrwerken trieben sie durch das Publikum. Im Publikum ein aufmerkendes Raunen, sobald es losging. Unsicherheit im Gemurmel, ob die das wirklich ernst meinen mit dem „durch das Publikum“ Laufen. Und wie Ernst!

Eine Stimme aus dem Off beginnt mit tiefem Klang zu berichten, dass nach dem großen Sieg über Troja, er, Odysseus als Mann der 1000 Listen zurück zu seiner Frau Penelope will. Er betet zu Athene und bittet sie inbrünstig um ihre Unterstützung, denn Poseidon will ihn nicht über das Meer fahren lassen, ihm sei er zu listig. Poseidon, protzig als Lebemann dargestellt, braust auf einem motorisierten Fahrzeug zwischen das Publikum, er wird von lauten, rockigen Metalriffs begleitet. Ihm ist die holländische Sprache zu eigen, während zum Beispiel Athene nur englisch oder Hades italienisch spricht. Durch die Wiederholung von Odysseus wird jedoch schnell deutlich, worum es geht, so dass die Sprache keine Barriere darstellt.

Als Teil der Inszenierung musste jeder Zuschauy schnell reagieren und überall seine Augen haben, denn ganz plötzlich kam etwas von links oder von hinter einem. Die Musik war durch Podeste ebenfalls schön in Szene gesetzt und bewegte sich ebenfalls durch das Menschenmeer, allerdings bei Leibe nicht so dynamisch. Die Akteure schlüpfen immer wieder in verschiedene Rollen, nutzen dabei, dass sie vom Schiff in das Publikum abtauchen können. Manchmal sterben sie beim Kampf, weil der Zyklop sie vernichtet oder weil sie dem Gesang Zirzes verfallen. Durch entsprechende Kostüme gelingen die Wechsel für das Publikum unbemerkt, so dass man manchmal denkt, dass es sich um eine Hundertschaft an Darstellerys handeln müsse.

Die Stationen der Reise waren durchaus die klassischen wie Troja, der Zyklop, die Sirenen, Zirze, die lange Flaute, allerdings sehr modern interpretiert, knapp erzählt, so als habe man keine Zeit, weit auszuholen. Am Schluss wird das Schiff durch einen Sturm zum Kentern gebracht. Mit Hilfe einer Windmaschine, Wasser und Eis tanzen Schneeflocken in der Luft. Letztlich überlebt Odysseus auf dem Meer auf einem Stück Treibgut. Das Schlussbild ist dann, wie er sich an Land und zur wartenden Penelope schleppt, zu ihren Füssen liegt und sie beschwört, bis sie sich umarmen.

Ein wundervolles bildreiches Spektakel, musikalisch sehr ästhetisch in Bild und Ton unterstützt. Wirklich beeindruckend gut gemacht.

Wertschätzen des Berufs. Oder wohin mit dem Rest in Würde?

Wenn dem Menschen nichts mehr bleibt, so sucht er einen Sinn in Würde. Ein alter Freund erzählte mir, dass Menschen in den ausweglosesten und absurdesten Situationen für sich ihre Würde bewahren wollen. Das will ich gar nicht vertiefen und auch diesem Artikel nicht mehr Tiefe geben, als er verdient, denn es geht doch eigentlich um das Einfachste der Welt: Toiletten.

Mexikanische Toilette pour vous

Hier die erste Toilette, die ich in Mexico am Flughafen besuchte. Nein, die ist nicht ungewöhnlich spartanisch, sie ist üblich spartanisch. So sehen nahezu alle öffentlichen Toiletten aus. Mann äh also Frau bügbeugt sich über die mit Wasser gefüllte Schüssel, was zu „Rückspritzen“ und zu starken Oberschenkeln führt. Sitzen ist nahezu unmöglich, denn sie sind viel zu tief – Sauberkeit ist natürlich auch der Grund. Einziger Vorteil: Die Spülung lässt sich mit dem Fuß auslösen, so dass man nicht überflüssig viel Berührung mit dem Hebel hat; im Bild rechts zu erkennen. Schwierig sind diese Toiletten, wenn man mehr als Wasser lassen muss. Tja, schwierig.

Selten schöner Anblick einer Toilette für Gäste in einem Restaurant in USA

In Amerika werden sie „restroom“ genannt. Dass wir als Deutsche amüsiert sind, weil wir natürlich unsere menschlichen Reste der Verdauung an diesem Ort hinterlassen, muss der Amerikany nicht verstehen, aber für ihn ist es ebenso selten ein Raum zum Ausruhen und Rasten wie unsere Toiletten für uns. Je öfter ich darüber nachdenke, um so mehr spiegelt sich Wertschätzung und Respekt darin, wie die Toiletten gestaltet sind. Lasst uns beginnen, das mal näher zu untersuchen. Für mich die angenehmste Toilette auf meiner Reise in der USA fand ich bei unserem Gastgeber in Las Vegas, denn sie verfügte über eine regulierbare Popodusche, die optisch ansprechendste war diese Toilette in Brooklyn in einem kleinen veganen Café.

Straßburg – A-Hotel

Nicht jedes Bad ist so schön eingerichtet wie dieses hier aus dem A-Hotel in Straßburg, dürfte es aber, damit ich mich als Gast wohlfühle. Es zaubert sogleich ein Lächeln auf meine Lippen. Wie auch damals bei meiner Nilkreuzfahrt, als aus meiner Kleidung Schnecken gelegt wurden oder die Handtücher einen Schwan bildeten. Ich verlange ähnliches sicher nicht für meine Lehrertoiletten, aber ein bisschen davon wäre schön; 10 Prozent vielleicht.

Toilette im Chelsea Market in New York

Wenn ich allerdings an öffentliche Toiletten denke, dann denke ich bei größeren Veranstaltungen und größeren Gebäudekomplexen immer an Schlangen von Frauen vor dem Tor der Erleichterung, obwohl Kabine an Kabine zum Entlasten angeboten werden. Frauen, die ihre kurze Pause vor und in den WCs verbringen und nicht immer, um sich noch einmal schnell nach zu schminken. Kommt man in den Raum der Begierde, dann steht Kabine an Kabine, manchmal mit zu niedrigen Schüsseln, manchmal mit zu schmalen Kammern. Papier am Boden, beschmutzte Schüssel, vielleicht mit Blut verschmiert. Häufig in Amerika gab es kleine Überzieher für die Sitzfläche, die anschließend natürlich entsorgt werden muss. Müll produzieren sie mindestens doppelt so viel wie hier in Deutschland. Mir würde eine funktionierende Sprühdose mit Desinfektionsmittel genügen. Manchmal gibt es das. Corona sei dank, hängen diese Desinfektionsmittel nun häufiger bei den Spülbecken, so dass man sich das zu seinem Kloschüsselchen mitnehmen kann (auf einem Blatt Toilettenpapier). Diese kasernenartige Anordnung der Kammern sorgt wenig für eine angenehme Situation, praktikabel ist sie allemal. Die schöneren Toilettenanlagen bieten einen breiten Spülbeckenbereich, der hübsch dekoriert ist, warmes Wasser zur Wahl stellt und wo Hygieneartikel für die Frauen angeboten werden. Dafür würde ich auch gern dann mal einen Euro Trinkgeld zurücklassen.

Für die Männer: als Hygieneartikel bezeichne ich hier nicht Puder oder Deo, sondern Tampons, Slipeinlagen, Binden, Taschentücher. Das ist sehr hilfreich, weil wir Frauen manchmal von unserer Blutung überrascht werden und nichts dabei haben, um uns zu versorgen. Nichts ist so peinlich wie eine Durchblutung von Unterwäsche und Wäsche.

Die teilöffentlichen Toiletten – mein Arbeitgeber und die Klos

Viele öffentliche Toiletten allerdings sind zum Fürchten, es gehört häufig eine Nasenklammer sowie die Überwindung des Ekelgefühls zu einem Besuch dazu. Da wir Frauen nicht in der Lage sind, uns irgendwo hinzustellen und die Welt wie mit einem Gartenschlauch zu befeuchten, suchte ich mir manchmal lieber ein Stückchen Wald oder ein Gebüsch, um mich zu erleichtern. Ich lass hier mal freundlich außer acht, dass es für die Männer diese lecker Stehpissuare in der Stadt gern in der Nähe der Bahnhöfe existieren. Frauen, die wirklich aufgrund der anatomischen Gegebenheiten häufiger pinkeln müssen, einen angemessenen Platz für ihren Rest selten finden können. Dem Problem hat Rebekka Endler ein eigenes Kapitel in „Patriarchart der Dinge“ gewidmet, sehr lesenswert.

Toilette der Schule

Ist die Toilette meines Arbeitgebers öffentlich? Publikumsverkehr macht sie zumindest öffentlicher, doch wie eine öffentliche Toilette in der Stadt kann sie nicht betrachtet werden. Mein Arbeitgeber ist der geizigste überhaupt, denn er setzt die hochqualifizierten Lehrkräfte für jede Tätigkeit ein, statt ausgebildete Fachkräfte zusätzlich einzustellen, so dass sich Lehrkräfte kaum noch auf das konzentrieren können, was ihr eigentlicher Job ist. Betrachten wir die Toiletten, dann zeigen sie wenig Einsatzbereitschaft, für die Notdurft gut zu sorgen. Die Toiletten der Schülerschaft sind abstoßend: es fehlt an Toilettenpapier und es stinkt fürchterlich.

Waschbecken des Lehrerklos

Die Toiletten der Lehrerschaft sind kaum besser: aus einem Abfluss im Boden stinkt es modrig, faulig nach schlechten Eiern und anderem Unrat. Immer liegt ein widerlicher Geruch in der Luft. Die Toiletten sind schlecht mit Licht ausgestattet, auf jeden Fall ohne Hygieneartikel, vielleicht mal mit Papiertüchern, das Toilettenpapier hart, Seife ist ein Hop-on-Hop-off-Artikel. Die Schüsseln haben mal einen Sprung, sind fleckig und Wasser läuft bei einer unaufhörlich. Insgesamt bekommt diese Toilette eine schlechte Wertung. Unabhängig davon laufe ich für die Toilette durch das ganze Gebäude. Unsere Schule ist in A, B, C, G-Gebäude eingeteilt und schon ganz zu Beginn meiner Tätigkeit dachte ich, dass man besser Rollschuhe trägt, um die Wege in fünf Minuten zu schaffen. Allein im Verwaltungsgebäude (zwischen A und C) findet sich eine Gemeinschaftsdamentoilette von 5 Kabinen für ca. 60 Kolleginnen, im G-Gebäude gibt es dann ein weiteres Damenklo für eine Person nutzbar. Diese wird von Kolleginnen genutzt, die im G-Trakt unterrichten, da dieser etwas weiter weg ist. Sporthallen sind auch bestückt. Gut also, wenn man Sport unterrichtet. Ein älterer Kollege beschwerte sich bei mir, dass für die Männer noch weniger Kloschüsseln eingeplant worden waren und er manchmal ganz schön laufen muss, damit er noch rechtzeitig zur Toilette kommt.

Aber ist es nicht übertrieben, an der Schüssel der Notdurft die Wertschätzung für einen Beruf auszumachen? Ich zumindest mache die Wertschätzung meines Geldes als Gast daran fest, denn ob ich ein Restaurant wieder besuchen werde, hängt auch mit dem stillen Örtchen zusammen. Wenn ich an diesem Ort für einen Moment Frieden finden kann, nicht zehn Zentimeter über der Schüssel meine Muskeln anspannen muss, weil mein Berührungsekel zu groß ist, nicht nach Toilettenpapier umsonst Ausschau halte, die Luft nicht anhalten muss oder keine Platzangst bekomme, dann bin ich viel viel entspannter, wenn ich die Toilette verlasse.

In dem Rahmen: Wie oft verkneife ich mir lange den Besuch des WCs, weil ich Aufsicht habe, weil ich schnell in die andere Klasse muss, weil ich in einer Klasse stehe und weil ich dann irgendwie immer gebraucht werde. Gerade wegen der Regelblutungszeit ist das manchmal eine starke Herausforderung, denn mit dem Gefühl des Durchblutens vor der Klasse zu stehen, ist äußerst unangenehm.

Positive Beispiele

Ja, es gibt auch die WCs, die mir ein gutes Gefühl machen. Im La Boca zum Beispiel, wo zwar die Kabinen nicht so hübsch sind, aber das durch all den Rest wett gemacht wird: Wasserhahn von der Decke, Lichtspiel, Hygieneartikel, alter Sessel.

Damenklo der Hausbrauerei Feierling

Oder dieses Fundstück: das entdeckte ich auf dem Damenklo der Hausbrauerei Feierling in Freiburg; diese Kneipe an sich ist schon ein Kundenmagnet, aber ein Sofa auf der Toilette war für mich neu.

Ich denke auch an Toiletten mit dem Schick einer alten Fabrikhalle. Im Widance in Herne beispielsweise findet sich ein kleiner Puppenwagen aus alten Tagen auf dem Damenklo, in dem die Toilettenpapierrollen gelagert sind, ein Bild von lachenden Kindern an der Wand, eine Zeichnung eines Tangotanzpaares im Regal. Natürlich Hygieneartikel vorhanden und Handtücher, echte Handtücher, und für alle Ängstlinge auch noch Papiertücher.

Ich bilde mir zwar ein, dass ein Handtuch wenig schmutzig werden kann, durch das ABTROCKNEN von Nicht-Schwerarbeiter-Händen, die gerade mit Seife gewaschen worden waren, aber sicher irre ich mich da fürchterlich. Die „German Angst“ macht vermutlich Bakterien resistenter gegen Seife und Desinfektionsmittel. Zwar hab ich mal irgendwo gehört, dass in geringer Dosis Bakterienkontakt sinnvoll ist, damit die Immunabwehr auch Arbeit hat und sich nicht durch Allergien ihre Macht nicht gegen den eigenen Organismus richtet, aber das war schließlich vor Corona. Was mir wirklich richtig dolle Angst macht: Es gibt einen Ausdruck für „Überängstlichkeit“, die sich auf eine Volksgruppe bezieht, deren Teil ich bin, ebenso wie von der arrogantesten Tierart auf diesem Planeten, die für das größte Pflanzen- und Tiersterben verantwortlich ist, seit Meteoriten auf die Erde fallen. Ach Mist. Und dann bin ich auch noch Teil von einem Beruf, der ebenfalls für den größten Schaden in der Entwicklung des Lebens eines Menschen sorgen kann. Und nur das letzte kann ich ändern. Sicher aber nicht, dass die Toiletten angenehme Ort des Ausruhens werden.

Aber eine Frage habe ich nach alledem noch: Hochgeklappt oder geschlossen? Gibt es für den Klodeckel ein Gesetz, ein Knigge, eine einheitliche Verhaltensregel?

Reisen in der USA – Fortwährende Orientierung

Las Vegas – Kopie

“Im Alltag brauche ich nützliche Informationen für die Orientierung in der Welt.“ Richard D. Precht in seinem Vortrag “Wissen schaffen durch Wissenschaft“ an der Universität Luzern

Nicht nur im Alltag, sondern besonders auf Reisen muss ich mich wie anderen auch an einem neuen, fremden Ort orientieren. Das klingt so banal, dass ich an dieser Stelle den Reisebericht damit beenden könnte, dass diese Orientierung eine Selbsterfahrung ist, die ein jedes Traveltier für sich erleben muss und wird.

Im Gespräch mit den zwei deutschen Pärchen

Ein deutsches Pärchen in Mexiko erzählte mir, dass sie an jedem Ort nur drei bis fünf Tage blieben, bis sie dann weiterziehen, damit sie Südamerika in einem halben Jahr zu bereisen schafften. 3 – 5 Tage! Was für ein Stress in Dauerschleife: 1 – 2 Tage braucht es für eine grobe Orientierung, einen Tag, um zu wissen, was man dadurch alles verpasst oder was man nur anreißen kann und dann einen Tag (wenn man den noch hat), um sich auf das nächste Ziel vorzubereiten: Koffer packen, Tickets für die Weiterreise besorgen, Anschlüsse und Unterkunft organisieren, Essen. Allein, was es Zeit in Anspruch nimmt, diese Dinge vorzubereiten. Manchmal ist nur das Besorgen und Zubereiten von Essen immens aufwendig. Dann kommen die Sehenswürdigkeiten, die Must-Sees dazu. Das habe ich bei der Europatour schon abgelehnt, dass wir nur und nur in Bewegung sind, weil man eben nirgends wirklich ankommt. Aus dem Grunde habe ich Prag diese vielen Wochen wirklich genossen. Vermutlich ist das die Motivation von einigen Menschen, wiederholt an dieselben Orte zu fahren.

Die Frage hab ich mir natürlich nicht zum ersten Mal gestellt, also die Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Berichts und die der Orientierung. Doch hier in Amerika merke ich, drängt sich mir die Orientierungsfrage überdeutlich auf, ebenso wie die Nützlichkeitsfrage dieses Berichts.

Öffentliche Verkehrsmittel und erste Wege

Kein Memory oder die Vorbereitung eines Kartentricks: Das sind von allen Städten die Karten für den Nahverkehr: die Bunte = Mexico City; Metrokarte = New York, Clipper = San Franzisco; tap = Los Angeles; Transit Pass = Las Vegas

Auch, wenn es böse Zungen nicht glauben könnten, ich lese Reiseführer oder besser Reisebegleiter, doch stehe ich dann am Flughafen ratlos und suche den Weg in die Stadt, weil ich mich trotz Informationen nicht wirklich auskenne.

Der San-Franzisco-Reiseführer meinte: eine Clipper-Karte besorgen. Weiter hieß es, dass es in SanFran zwei Verkehrssysteme gäbe: MUNI (Stadtverkehr) und BART (Fernverkehr); BART kann man nicht als 3-Tages-Ticket mitgebucht werden, muss aber für die Fahrt in die Stadt genutzt werden (stimmt nicht, der Bus braucht nur ewig länger). MUNI fährt hier nicht. Wo aber geht es zu den Zügen? Wo kaufe ich diese Clipperkarte (in USA muss alles gekauft und drei Mal gezahlt werden)? Ja, ich habe das gefunden, nach zwei Fehlversuchen trotz vorheriger Erklärung. Das Verstehen eines Reiseberichts ist auch sehr davon abhängig, mit welchen eigenen Erfahrungen man so zu tun hatte. Manchmal klappt das nur im Nachhinein.

Hat man einen Weg bereits zwei oder drei Mal gemacht, dann kennt man sich aus und denkt sich, dass es doch sehr einfach war. Aber diese Hürde und dieses Gefühl von Verlorenheit, bis es denn klappt!

Orientierung nach Zeitplan

Auf der Kayaktour bin ich von den New Yorkerinnen gefragt worden, was wir denn in New York machen wollen. Ich erklärte, dass ich einen Reiseführer hätte, aber noch keinen Schimmer, was drin stünde, denn damit beschäftige ich mich erst im Flieger, sonst bin ich nicht mehr hier, sondern schon in New York. Durch all die Termine und Vorbuchungen (hatte ich sonst nicht auf Reisen) bin ich sowieso schon oft an mehreren Orten zugleich.

Als Beispiel sei erwähnt, dass ich mehrere Menschen vor der Reise in Deutschland befragte, was sie in Kalifornien machen würden. Tatsächlich erklärten mir mehrere Menschen, dass San Franzisco um so vieles interessanter sei als Los Angeles und dass ich mich langweilen würde, wenn ich zwei Wochen in L.A. und Umgebung bliebe. Weil mir die Orientierung fehlte, habe ich gedacht, dass ich dann splitte, eine Zeitlang hier, eine Zeitlang da, denn nach L.A. wollte ich auf jeden Fall. Heute kann ich sagen, dass ich mir San Franzisko hätte schenken können. Interessant ja, aber eine Reise unter diesen Umständen eigentlich nicht wert. L.A. hingegen kam zu kurz, obwohl ich dort sechs Tage am Stück war. Für ein zweites Mal (egal wohin in Amerika) hätte ich eine Orientierung.

Easy Peacy – WLAN, Internet und alles mobil

Könnte man so sagen. Ja. Mexico funktionierte relativ gut, weil wir eine mobile Datenkarte eingesetzt hatte. Das haben wir in Amerika auch versucht. Lucy hatte es mit zwei SIM-Karten, beide funktionierten auch nicht bei mir.

Alte Fähigkeiten musste ich erst wieder aktivieren, mich auf sein Gedächtnis, auf Straßenschilder, und Ortsangaben verlassen. Und dann zwischendurch der Datenhunger, keine Worte nachschlagen können, nicht mal eben googlen, wo man noch hingehen könnte, kein Ticket mal fix online buchen. Gleichzeitig verlängerte sich der WLAN-Aufenthalt in Cafés und Zuhause, wenn man gerade im Chat war.

Aber nach einigen Wochen kann ich sagen, vertraute ich wieder auf räumliche Zusammenhänge, hatte ihm Kopf ein grobes Orientierungsnetz von New York, nutze eine Karte und näherte mich wieder wie früher durch optische Besonderheiten der Umgebung. Verschüttete Fähigkeiten, nicht verlernte. Welch ein Glück.

Erste Impressionen drücken sich ins Gedächtnis

Auf meine Nase als Mittel der Orientierung ist Verlaß, denn ein Ort stellt sich auch olfaktorisch vor, nicht nur optisch. San Franzisko stinkt an jeder Ecke widerlich nach Urin, nach Fäkalien, Abfällen. L.A. ist nicht überall besser, aber es gibt Ecken, da zeigen die Menschen nicht gegen alles ihre Abneigung durch Dreck und Fäkalien.

Zugegeben, auch L.A.‘s erste Duftmarke war von Urin geschwängert. Auf unserem Fussmarsch durch den Flowerdistrikt änderte sich das.

Nach sechs Tagen wussten wir, dass wir hier hätten länger bleiben wollen, dass wir von hier aus mehr von der Natur hätten sehen wollen. Insgesamt waren wir nicht fertig mit dieser Stadt. In dem Punkt waren wir uns einig. Und Lucy teilte diese Meinung, obwohl San Franzisco mehr ihrem Klima entspricht – nicht so heiß.

Las Vegas: Lobby des Bellagio
Anti-Hitze Sprühflasche

Las Vegas; wir treten aus dem schön klimatisierten Flughafengebäude und werden heiß angefönt. Es fühlte sich an, wie in der Sauna. Und ich bin aus San Francisco viel zu warm angezogen für diese Begegnung. Öffentliche Verkehrsmittel geben wir dann an der Busstation auf und nehmen unser erstes Taxi Vegas. Die Hitze ist unerträglich. Ich bin stets mit meiner Sprühflasche bewaffnet.

New York hingegen überrascht besonders. Die erste Geruchsprobe war ein angenehmer Duft aus der Mischung von warmen Speisen und Blumen. Untergebracht in Manhatten Uptown brauchen wir mal wieder für jede Strecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ca. eine Stunde.

Kleine Wege werden zu groß

Lombardstreet von oben – so gibt zumindest der Ausblick eine schöne Perspektive

Was Amerika insgesamt schwierig macht – insgesamt ist gut, kenn ja nichts davon: Es fehlen schöne Innenstädte oder Stadtkerne, die das Flanieren und Verweilen ermöglichen. Ja, es gibt Spots, die von Interesse sind, aber eben dann auch gleich völlig überlaufen und touristisch. In diesem Land sind die Menschen noch autofixierter als ein Baby auf das Saugen. Ohne Auto ist man hier auch verloren. Als Beispiel: Als wir in SanFran in der so gerühmten Lombardstreet waren, dachten Lucy und ich: Was? Das war es jetzt? Bei uns würde sowas nicht mal in einem Reiseführer Erwähnung finden, geschweige denn als “legendäre Schnörkelstraße“ beschrieben, die “kaum“ steiler geht, “und schöner auch nicht“ (Zitat Marco Polo). Sie ist wirklich uninteressant, langweilig und unbesonders (anders als das Wort “unbesonders“). Ich denke an die Kanäle von Colmar, wenn da jeder Blumenkorb, jeder Kanal, jede Straße so besungen worden wäre, dann müsste man Wälzer füllen, oder Straßburg oder Prag oder Krakau oder London oder Bangkok. Was gibt es für herrliche Städte überall auf der Welt!

Und wieder den Fehler gemacht, zu glauben, dass da mehr sein muss. Der verwöhnte deutsche Geist, denn bei uns ist immer mehr drin, als draufsteht. Die Highlights werden beworben, nicht das “Überhaupt“. Hier ist das Bisschen aufgehübscht im Designerkleid. Aber Bilder machen es so gut:

Wenn ich aber – zurück zum Beispiel – nur mal kurz mit dem Auto rüberdüse (brauche vielleicht vom Hotel knapp 20 Minuten, was hier sehr kurz ist, gemessen an den üblichen Dimensionen), dann kann ich lächeln, Fotos machen und bin raus aus der Nummer. Gut, vielleicht noch ein Giftshop suchen, um ein Erinnerungsstück mitzunehmen und irgendwo Tip hinzulegen. In diesem Fall gab es das mal nicht, muss ich der Ehre halber erwähnen. Vielleicht fehlt es an schönen größeren Versammlungsorten, weswegen dann diese Touristenspots stattdessen überbordend mit Menschen angehäuft sind. Hoffentlich gelingt uns das Innenstadtsterben zu erlösen, indem wir endlich den Kern des Stadtlebens verstehen lernen und uns in Europa nicht weiter dezentrieren.

Verkehrsmittel Nummer EINS in der USA

Apropos Auto: Mein erstes und eigens gemietete Mietauto hatte ich in L.A., nachdem wir einige Tage mit Bus und Bahn zugebracht hatten. Das hatte auch ganz gut geklappt, aber natürlich macht ein Auto unabhängiger. Schon, da es uns all unsere Belongings trägt. Die Zeiten für die meisten Strecken waren jedoch genauso lang wegen des hohen Verkehrsaufkommens. Wir hatten ein kleines Auto gebucht, weil ich meinem Geld nicht so böse bin. Und als ich das am Flughafen abholen wollte (ich dachte an sowas: rein, abholen, raus), hatte ich nicht mit einer Wartezeit von einer Stunde für die Papiere gerechnet. Der Mensch am Schalter fragte mich, ob ich vielleicht das Auto nicht doch upgraden wollte. Weil ich nicht verstand und dachte, er habe diese Größe nicht, sagte ich – meinen Geld wirklich nicht böse -, dass ich auch ein kleineres Auto nähme. Er guckte mich mit tellergroßen Augen an (die besser zu seinem gesamten Umfang passten) und fragte wirklich entsetzt: “Noch kleiner? Wie kann man ein so kleines Auto wollen!“ Wir erklärten was von Benzin und Parklücken, aber er zeigte sein Unverständnis. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich für mein Ego nichts brauche, um es aufzupolieren, schon gar kein dickes Auto, aber ich ließ es.

Autos? Und nur Opas gehen mit kleinen Mädchen spazieren

Als ich hinter dem Steuer saß, Automatic, da war mir mulmig. Ich wusste nicht, wie das geht. Da all die Amerikanys wirklich freundliche Menschen sind, frug ich den erst Besten, der am Auto stand, ob er mir die Schaltung nochmals schnell erklären könne. Dann die Straßenführung, alles ein wenig anders als in Europa. Ich hatte gedacht, dass ich durch die Europatour einen Vorteil hätte. Nein, funktioniert alles ein bisschen anders. Aber wirklich ENTSPANNTER. Ich entspannte mich mit und merkte, es ging ganz gut. Keinen Schaden verursacht, lange Strecken auf dem Freeway gemeistert und sogar einen Nationalpark gefunden. Auch hier allerdings eine gute Zeit der Orientierung habe ich gebraucht. Nicht vielleicht so viel, aber immerhin hat mich das sehr unruhig gemacht. Die letzte Hürde hieß tanken, das klappte dann aber auch ganz gut, weil uns wieder ein junger Amerikaner zeigte, was wir nehmen und wie wir den Zapfhahn fixieren können.

Darstellung der Preise und das Tip

Zum Lifestyle gehört es hier auch, viel Geld auszugeben für Luft. Heute habe ich eine Pizza (normale Größe) für 31 Dollar gekauft. Lucy und ich habe sie geteilt. Hätten wir in Deutschland auch, aber hätten nicht einmal die Hälfte dafür bezahlt – außer in einem sehr sehr noblen italienischen Imbiss. Ausgewiesen war die Pizza mit 25,99 $. Mein Tip fällt hier eher spärlich aus und ist doch viel zu üppig. Nein, alle Preise sind ohne Tax und Service und da kommt dann noch bitte der Tip drauf. Ob die Rechnung stimmt? Ich kann darauf nur vertrauen. Und Tip muss ich ständig korrigieren, denn hier wird nach Prozenten gerechnet. Lustig ist, dass man bei jedem Kauf ein Gerät hingehalten bekommt, auf dem man antippen kann, ob man 25, 20, 15 oder 12% Tip geben möchte, dann gibt es noch eine Taste, wo ich den Geldwert selbst bestimmen darf – nicht in Prozent. Ich denke mir, wenn ich hier schon die normalen Preise als ungerechtfertigt ansehe, dazu dann die Tax kommt, mit der ich jedes Mal noch höher im Preis strudele, dann mag ich an Tip gar nicht mehr denken. Das kommt mir aufgesetzt und lächerlich vor. Aber das sich auch noch ein Taxifahrer beschwert, dass er so wenig Tip bekommt, ist mir noch nie passiert in Deutschland. In Deutschland kommt vom Gast der Tip als Danke, hier verlangt die Servicekraft das Trinkgeld. Wieso ist das so normal? Ich weiß, dass die Gastro davon lebt. Aber ist das fair? In Deutschland hab ich nie darüber nachgedacht, weil ich da das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht so unverhältnismäßig finde, um unwillig Trinkgeld zu geben, aber auch dort habe ich noch nie 15 % aus der Tasche gelassen. Was ich für mich mitnehme: Eine größere Wertschätzung unserer Qualität und unserer Gründlichkeit in den kleinen Dingen. Ich werde eher darüber nachdenken, in meinem Land großzügiger auch im Lob zu sein.

Das wichtigste Kulturgut – Essen

Oh, das Essen. Die erste Orientierung ist oft, was man in der Fremde essen kann. Was kann man hier essen? Manchmal denke ich, ich verhungere lieber, als das zu essen, was mir angeboten wird. Fast Food ist es all zu oft. Mir vergeht selbst dann die Freude an den möglichen Nahrungsmitteln, wenn ich mich den Preisen zuwende. Meine Erwartungen springen dann in die Höhe und das Ergebnis kann diese kaum erfüllen. Ich liebe es, hier und da kleine Fingerfoods zu probieren. In Mexiko die Waffeln oder das Obst. Hier hingegen verbrenne ich mir eher die Finger, bevor ich irgendeinen Cake ausprobiere. Wir essen zwei Mal am Tag maximal und dann möglichst sättigend für lange Zeit. Wir sehen zu, dass wir irgendwoher Wasser mitnehmen können, wenn es denn mal kostenlos ist und sparen uns jedes Abweichen von der Wasserregel. Ein Bier habe ich hier getrunken, bei Alex ein Eistee, ein Smoothie in Chinatown, dafür hab ich dann eine Mahlzeit ausgelassen. Kuchen, Süßigkeiten, etwas Abseitiges? Nö. Ich träume vom Backen und vom Kochen, von schönen großen Küchen. Ich frage mich, wann ich endlich wieder einkaufen darf, ohne in Tränen auszubrechen, weil ich für eine Banane 1,50 € zahlen soll (ja, richtig gesehen, eine einzelne Banane). Aber immerhin, eine Banane stillt den Zuckerbedarf und macht satt. Schokolade? Für fünf oder sechs Dollar kaufe ich doch keine Tafel Schokolade. Ja, was Essen anbelangt, bin ich oder sind wir auf Entzug. Für den Kick haben wir ein Glas Schokiaufstrich und Erdnüsse gekauft, die uns über den Tag helfen können. So hätte ich das trotz allem auch nicht erwartet. Aber Verzicht erhöht ja den späteren Genuss.

Der letzte Ort für die Reste – Toiletten

Qualität misst sich in der Gastro nicht zuletzt auch an den angebotenen Toiletten. Hier werden sie passend Restraum genannt – natürlich verballhorne ich das, aber so ist es fast überall (außer bei den Studios und der wirklich gehobenen Gastronomie oder vieler Orts in Vegas) eher eine Katastrophe, die stille Örtlichkeit aufzusuchen. Dass in kleineren Restaurants oder im Schnellimbiss sich Männer und Frauen ein WC teilen, ist in Thailand auch kein Problem gewesen. Nein, oft wirkt alles alt, abgegriffen, kaputt und dreckig. Qualität gibt es hier, durchaus, aber sie ist sehr sehr teuer und auf jeden Fall keine Selbstverständlichkeit.

Im Kontrast – die Amerikanys

Alldem stehen die Menschen in diesem Land gegenüber. Wenige natürlich, die wir etwas näher kennenlernen durften. Die Menschen sind begeisterte Smalltalker. Auf dem ersten Blick offen und interessiert. Doch das ist nur flüchtig. Alles kann, nichts muss. Mit meinem Akzent falle ich sofort mit dem ersten Laut so stark auf, dass ich als erstes immer nach meiner Herkunft gefragt werde – ich verstehe, dass das irgendwann nervt, auch wenn es hier ein Qualitätssiegel ist, aus Deutschland zu kommen. Dann gibt es einige routinierte Fragen und schon geht man wieder auseinander. Eine davon ist, was ich von dem Land halte, eine Standardfrage wie die, wie es mir geht. Ich frage dann oft, ob die Antwort ehrlich ausfallen soll. Dann spreche ich von meinen Beobachtungen, wie zum Beispiel, dass ich (mit grauen Haaren und Falten im Gesicht) meinen Personalausweis zeigen muss, um eine Flasche Wein zu kaufen, dass es keine Innenstädte gibt, dass alles so überteuert ist, dass zu viele Menschen offensichtlich eigentlich hier nicht leben können, dass es zu offensichtlich zweite und dritte Klasse in dem Land gibt – sogar auf der Autobahn, dass ich die Fastfoodkultur nicht teile, etc. Und sie sagen, dass sie sich genauso eine andere Politik und eine andere Sozialstruktur wünschen, aber eben Geld die Politik bestimmt. Das Gespräch endet und ich glaube, dann denken sie auch nicht weiter darüber nach. Doch die Amerikanys sind unendlich hilfsbereit. Die amüsanteste Geschichte erlebten wir in Las Vegas, als wir vom Schauer durchweicht wurden und ein kalter Wind uns frieren ließ. Wir suchten im Windschatten Schutz bei einem kleinen Mäuerchen. Ein Mann fand das sehr amüsant, rettete uns und brachte uns die zwei Blocks um die Ecke zu unserer Gastwohnung. Fünf Minuten für ihn, 15 Minuten für uns zu Fuss. Anders aber ebenfalls unendlich hilfsbereit und nett war eine Frau, die mich in SanFran an der Bahnstation aufgelesen und zu meinem Hotel begleitet hatte, weil sie sich sorgen machte, dass ich nicht gut untergekommen sein könnte. Dazwischen all die freundlichen Nachfragen, ob man Hilfe bräuche oder ob es einem wirklich gut ginge. Nein, freundlich sind die Amerikanys sehr. Nicht zu vergessen die zwei Männer, die uns zum Essen bei sich eingeladen haben, nur, weil ich sie bei einer Tour in Mexiko kennengelernt hatte.

Trotzdem diese menschenfeindliche Politik – Obdachlosigkeit

Auf den Straßen von San Franzisco, von Los Angeles leben ganz viele Menschen ohne Obdach. Umständlich erklärte ich Alex und Joan (unseren Gastgebern), dass ich sie in vier Gruppen einteilen würde – zumindest in drei:

  1. Jene, die vagabundieren. Sie haben Reisegebäck dabei, sehen verwahrlost aus, aber sind gut gelaunt. Ein Hund begleitet sie oft.
  2. Jene, die sich aufgegeben haben, überall schlafen, sich einnässen, gefährlich verwahrlost sind und im Müll leben.
  3. Jene, die ein Zelt als Behausung haben und sich damit irgendwie absichern können.
  4. Jene, die gemeinsam in einer Zeltsiedlung leben, mit Planen ganze Siedlungen gebaut haben und wie kleine Gemeinschaften zusammenleben, sogar zumindest über Strom verfügen.

Die letzten zwei Gruppen sind nicht so sehr verschieden, doch gleichzeitig wirkt die dritte Gruppe wie Einzelkämpfer. Die letzte Gruppe erinnert ich an die Menschen in Casablanca, die auf der Müllhalde lebten und sogar Satellitenfernseh hatten. Die erste Gruppe sind jene Menschen, die überall nur liegen, sich nicht bewegen, Fußnägel von 15 cm aufweisen und insgesamt sehr krank und mitgenommen aussehen, der verkrustete Dreck hängt an ihnen. Wenn ich sie sehe, denke ich oft, dass ich wohl nicht genug Mitleid habe, dass wir alle über zu wenig Mitgefühl verfügen. Wie können Menschen so leben müssen? Und das in einem der reichsten Länder, dessen Bewohnys so stolz darauf sind, hier sein zu dürfen? Mich selbst macht all das Elend ratlos und ich frage mich, was für ein Mensch ich bin, wenn ich an all dem möglichst weitläufig vorbeigehe. Nebenher ist meine aktuelle Reiselektüre – es sollte eine andere sein – Harari “Homo Deus“, so dass sich diese Frage, was der Mensch eigentlich für ein Tier ist, der sich erhebt über all das andere Leben, hiermit neu bewertet werden muss. Zugegeben: ich müsste eigentlich den Trafikanten lesen und bekomm mich nicht dazu, diese furchtbar langweilige Lektüre zu lesen – meine armen Schülys.

Nach der ersten Orientierung

Einige Dinge würde ich anders machen, wenn ich ein zweites Mal nach Amerika flöge. Wenn! Es ist nicht so, dass alles furchtbar ist, manches sogar reizvoll, doch wenn ich die Wahl hätte, ein neues Areal zu betreten, würde ich das eher tun. Mir ist Amerika insgesamt zu teuer. Die Preis-Leistungs-Schere zu weit aufgerissen und das mit einer Arroganz, die sich kaum in Worte fassen lässt. Lustig daran ist, dass mir die Menschen hier selbst nicht arrogant vorkommen. Aber wie sollen die meisten von ihnen auch wissen, dass das, was sie für gut oder wertig halten, längst nicht dem Möglichen entspricht?

Von Gewalt hab ich hier bislang sehr wenig erlebt – wie schon in Mexiko nicht. Ich suche den Konflikt aber auch nicht gerade. Was wir hier allerdings haben – exotische Menschen. Viele mit wirklichen Problemen, die psychische Betreuung bräuchten. Verrückte, Sonderlinge, welche, die mit sich selbst sprechen. Jeder kann hier nicht nur so sein, wie er will, er muss es vielleicht auch. Das führt natürlich nicht zu echter Toleranz – was ein Traum wäre – sondern eher zu großer Ignoranz, zu einer Selbstverständlichkeit, nach dem Befinden zu fragen, ohne ein Interesse daran zu haben. Smalltalk eben.

Was nehme ich mit: hilfsbereiter zu sein, mich weniger gleichgültig zu zeigen (was nicht heißt, dass ich gleichgültig war), weniger gestresst reagieren – falls ich das kann. Was ich hierlasse: Vielleicht das Vorurteil, dass die Amerikanys diese Politik verdienen. Obwohl – sie könnten sich auch beginnen zu organisieren. 🙂