Mexiko — Teil 1. Wir wollen vielleicht doch gute Touristinnen sein.

Nach einigen Tagen findet man sich auch in der größten Großstadt zurecht. Mexiko ist eine Metropole, nicht nur eine Großstadt.  Und eine kleine Herausforderung war es schon, denn es gibt so viele Dinge, die hier anders sind – anders als in Deutschland, anders als in Europa.

Manos solidarias – cuidad de mexico

Gefahr Gefahr Gefahr

Als wir uns für die Reise vorbereiteten, erklärte uns jeder, wie gefährlich diese Stadt und dieses Land und diese Menschen seien. Wir wollen die Gefahr nicht gerade suchen, um zu bestätigen, was so viele behaupten, doch bislang haben wir nur Menschen getroffen, die unglaublich freundlich und hilfsbereit waren. Wir wollen nicht unvorsichtig werden. Uns beschleicht auch schon mal ein komisches Gefühl, wenn wir auf “untouristischen“ Wegen wandeln.

Dann passiert das: Vorhin (5.7.22) standen wir völlig orientierungslos am Gleis – direkt aus der U-Bahn hinausgequetscht -, als ein Mann mitbekam, was wir suchten und uns kurzerhand ganz ohne Aufforderung zu unserem Zwischenziel brachte und sich von uns freundlich verabschiedete. Kein Propina (Trinkgeld), kein lästiges Gequassel, einfach freundlich. 

Mexikaner und Schuhe 

Überhaupt zeigt sich diese Stadt anders, als erwartet: Erstens sehr viel touristischer (keine Ahnung, weshalb ich das nicht kommen sah); zweitens weniger heiß; drittens haben die Städter hier ein hohes Sauberkeitsbedürfnis (was bei dem Schmuddellock nicht ersichtlich war). Hier werden nicht nur die Straßen, Hauswände, Läden regelmäßig geschrubbt, sondern vor allem die Schuhe.

Erst ein neugieriger Blick ins Gesicht, gefolgt vom Blick zu den Schuhen, dann ein abschätziger Blick zurück ins Gesicht. Schuhe sind hier sauber und glänzen. Der Schuh verrät, wer du bist – so informierte uns Gabrielle, eine Reiseführerin. Das erklärt auch, wieso so viele Schuhputzer mit einer akribischen Ernsthaftigkeit dem Schuh zu Leibe rücken. Ein ehrbarer Beruf. Diondras Schuhe waren immer besonders dreckig, staubig und einfach pfui. Ergo hab ich sie auf den Thron gesetzt und den Meister Jonathan aus meiner Tochter wieder einen ansehnlichen Menschen machen lassen. Wie so viele andere Tätigkeiten, die hier auf der Straße stattfinden, so auch das tägliche Schuhputzen.

Und der Vollständigkeit halber: betritt man ein Lokal, ein Geschäft oder ein Museum, so sind immer so kleine Fußnäpfchen dort, die wir als Europäer natürlich nicht kaputt machen wollten und geschickt umschifften. Wer tritt schon freiwillig in ein Fettnäpfchen. Alles falsch, man tritt mit den Füssen in die Wasserpfütze, dann auf den ersten und schließlich auf den zweiten Lappen. Je mehr Schuhreinigungsoptionen, desto wertiger, aber mehr als drei Stellen habe ich noch nicht gesehen.

Schlange stehen – so britisch

Vielleicht auch deswegen stehen die Mexikanys gerne Schlange. Überall und auf besondere Weise. Für den Bus stellen sie sich sauber auf und warten, bis sie dran kommen. Plötzlich geht die Tür zu und der Bus fährt weiter, obwohl die Schlange nicht abgearbeitet ist. Das ärgert hier niemanden, denn schon 2 Minuten später steht ein neuer Bus dort, der auch nur eine für ihn angenehme Anzahl an Fahrgästen auflest.

1. Schleuse mit Sicherheitskräften an der U-Bahn

U-Bahn, noch so ein Ding: Erst wird man sehr lange Wege unterirdisch geschickt, so dass wir schon befürchteten, ausgetunnelt worden zu sein. Dann wird man an schleusenähnlichen Toren eingesammelt wie Fische im Netz. Damit nicht alle Passagiere ziellos am Gleis herumlungern, hat man auch hier zu tun, vermuten wir. Sicherheitskräfte öffnen die riesige Tore und lassen eine bestimmte Anzahl an Personen durch.

Diese werden vor dem nächsten großen Tor abgefangen. Zum Schluss am Gleis angekommen, folgt ein Einweiser, der alle Fahrgäste anhält, vor allen möglichen Zugängen zur Bahn stehen zu bleiben (wir könnten so viele sinnvolle Jobs generieren, für die man wirklich keine Ausbildung braucht). Die Bahn fährt ein. Oh, schon voll. Macht nichts, man wird noch mit hineingeschoben und klebt nun als Sardine zwischen all den freundlichen Mexikanys. Ob da nichts mehr geht? Wir probieren es. Vielleicht ist das für manche die Möglichkeit, Kuscheleinheiten zu bekommen, denke ich im Stillen. 

Aber das mit der Schlange ist wirklich so ein Lieblingsding, denn überall begegnet uns das Phänomen. Wir stehen ordentlich Schlange, um unser Gepäck zurück zu bekommen. Gewissenhaft – hier wird alles gewissenhaft gemacht – nimmt der Gepäckmann unser Zettelchen mit der Gepäcknummer entgegen, nachdem er vorher alle hat Schlange stehen lassen und alle Gepäckstücke in Reih und Glied sortiert hat. In Deutschland käme man vielleicht auf die Idee, auf sein Gepäck zu zustürmen, es dem Gepäckmann zu entreißen. Hier nicht. Er sucht es aus den Möglichkeiten aufgrund der Zahl heraus, wenn man an der Reihe ist. 

Bei jeder Gelegenheit stehen die Mexikanys vor jedem Museum, vor jeder Toilette gelassen in einer Reihe. Dazwischen werden wir Wartenden unterhalten mit hübschen fliegenden Plastikvögeln; mit zwei Metallkugeln an einer Schnur, die man ganz toll aneinander schlagen kann; mit lärmproduzierenden Mundpfeifen, die klingen, als ob kranke Adler kreischen. Wir freuen uns auf unsere nächste Schlange. 

Tourismus und sein Tand

Ausschnitt einer langen Straße in Oaxaca auf dem Marktplatz

Nicht nur für die Touristen gibt es an jeder Ecke Schund und Tand zu kaufen, sondern auch für die Mexikanerinnen und Mexikaner selbst wird das Zeug überall angeboten. Man könnte denken, sie ersticken in den Glitzertäschen, den Regenbogenfarbenen Äffchen für den Kopf oder dem ganzen Zuckerzeug für jede Gelegenheit. Aber nein, scheinbar gibt es gar nicht genug von all dem.

Für die Touristen regnet es an jeder Ecke zusätzlichen Schnickschnack wie Aztekenmasken, Marienbildchen, Hüte, Edelsteine, Mayaschmuck, Schale und Tücher mit Stickereien, Körbe und irgendwelche lärmmachenden Dinge, die man wirklich nicht braucht. Aber, wenn man nicht will, lassen sie einen direkt in Ruhe und nehmen es sehr selten übel, dass man nichts kaufen will. 

Wir sind manchmal willig. Ich zumindest war wirklich beeindruckt von der Obsidianerklärung. Man kann durch dieses Gestein in die Sonne sehen und das ist ein faszinierender Anblick, wo der Stein doch selbst so schwarz ist. Da hab ich mich hinreißen lassen und für Elias und für Martin was gekauft. Kleidung haben wir auch gekauft – aber nicht so ganz touristisch, nichts im Indianerstil (sagt man das noch?). Meist prallt dieser Kaufdrang an uns ab. Essen ja, aber dieser ganze Touri-Kitsch?

Banjos – Sanitäre Anlagen – für Mujertas

5 Pesos oder 10 Pesos muss man dafür schon mal lassen, dass wir Frauen Wasser lassen dürfen. Gut, Männer auch, aber nur Frauen sehe ich so regelmäßig auf die Toilette zusteuern. Zunächst mal bedeutet das, dass man irgendwie immer diese Münzen parat haben muss, also wirklich als Münze, denn die werden in den Apparat eingeworfen, damit man das Drehkreuz passieren kann. 

Durch das Kreuz durch muss man sofort nach Papel Ausschau halten, denn die gibt es selten in den Kabinen. Meist hängt ein Spender davor oder eine Frau oder ein Mann reichen dir eine Anzahl von Papier, welches du dann benutzen darfst. Wichtig: Wie in China wird auch hier das Papier nach dem Betupfen (Abtrocknen) der Vulva in einen Papierkorb entsorgt. Auf keinen Fall in die Schüssel werfen. 

Apropos Schüssel: Die ist sehr niedrig mit festem Sitz oder auch gar nicht, nur das blanke Porzellan. Darin steht tief das Wasser. Schlanke sind hier im Vorteil, denn dann spritzt das Wasser-Urin-Gemisch am Bauch vorbei. Ich halte inzwischen immer ein Stück meines heiligen Papiers vor die Öffnung, damit ich nicht alles andere nass mache. Vermutlich mach ich das einfach falsch. 

Sprache eins – Sprache zwei  und immer nur Übersetzen

Die Mexikanys sprechen schnell, stehen den Spanierys in nichts nach und dann ist Englisch nicht immer die sichere Verkehrssprache. Verwuschelt. Englisch sprechen hier nicht alle. Wir radebrechen uns was auf Englisch und Spanisch zusammen. Die Mexikanys sind ja schon dankbar – wie alle anderen auch – wenn man sich bemüht. Da sie ja sehr sehr freundlich sind (siehe oben), helfen sie, wo es geht. Und Google ist auch hier unser Freund, wir übersetzen uns das Nötige zusammen. Manchmal eben auch über die Bande, nämlich über den Umweg Englisch. Mir rauscht dann manchmal so der Kopf, weil ich mir das komische Spanisch ins merkwürdige Englisch übersetze und dann wieder ins Deutsche. Puh. Ich wünschte, ich könnte auch so beeindruckt sein wie David, eine Reisebekanntschaft, der meinte, dass die Deutschys ja in den Schulen drei Sprachen lernen. Er hat mir auch erklärt, dass in Amerika in einigen Schulen sogar sehr gerne Deutsch gelernt wird, weil die Amerikaner in dem kleinen Deutschland tatsächlich ein Land mit Zukunft sehen. Tja, was nützen mir die Sprachen, die ich gelernt habe, wenn ich doch zu wenig flüssig Vokabeln kann. 

Außerdem als lustiger Spaß nebenbei hab ich aktuell eher die italienische Vokabel parat. Was hab ich nach „caliente“ gesucht und nur „caldo“ gefunden! Bis mir ein freundlicher Mexikaner auf Englisch erklärte, dass Caldo doch im Spanischen was anderes sei (Cloud meine ich). Das war wirklich witzig. So langsam reaktiviere ich die spanischen Wörter und kann das ein oder andere flüssig bestellen, kann bezahlen ohne Peinlichkeiten, aber mir persönlich fehlt das Gefühl, sprechen zu können. Ich will mich doch ausdrücken und nicht nur fehlerfrei einen Satz sagen. Wie oft ich mitleidig angesehen werde, wenn ich sage „sin carne“ und ich einfach nicht verstanden werde. Ich meine, erst verstehen sie mich nicht, dann verstehen sie mich auch nicht, wenn die Bedeutung endlich klar geworden ist und das mitleidige Gesicht bleibt. Ebenso wie die Frage: Pollo? No Pollo? Als wäre Hühnchen kein Fleisch.

Essen – Ein Fest?

Für wen? Als wir uns in dieses Land aufmachten, da dachte ich, dass ich hier lecker Essen bekäme. Klar. Mais und Bohnen, aber sonst?

1. Frühstück in Mexiko auf der Straße

Mais ist mein Problem nicht, Bohnenmatsche schon, zugegeben. Aber so richtig problematisch ist, dass hier wirklich alles mit Fleisch ist. Garküchen überall, doch vegetarisch ist wirklich ein Fremdwort. Auf den Touristenfahrten dann für Büffet so viel zu zahlen wie die Fleischer, die drei Mal so viel Auswahl hatten, ist ärgerlich. Nein, hier bemüht man sich nicht, etwas für die Vegetarys zu tun. Wieso auch, die sind einfach nur zu bedauern. Also wenigstens Hühnchen oder Fisch müssten wir doch essen. Gar nicht? Naja, also der Salat und der Nachtisch sind auf jeden Fall vegetarisch, und die Suppe. Reis geht auch noch. Fertig. Hmm, lecker. Einmal gab es tatsächlich zwei Gemüsespieße mit Avocadodipp. Auch nett. Enschaladas werden hier in Soße ertränkt. Selbst, wenn die Pfannkuchen mit Käsefüllung und Pilzen geschmacklich durchgehen, die Soße vernichtet den Eindruck. Es gibt hier zwei typische Soßen: eine mit Schokolade, scharf und irgendwie Erdnuss oder so und die andere „richtig scharfe grüne“ Soße. 

Auf der Straße gibt es viele kleine Garküchen, in denen Tacos zubereitet werden. Aber auch sonst bekommt man ganz viel an kleinen Ständen zu kaufen. Obst, Maiskolben, kleine Küchlein, Nüsse in klebriger Substanz, bunter Zucker am Stil. Auf frisch geschnittenes Obst kommt noch einmal eine Ladung roter Zuckerschnee, dann noch eine klebrige süße Fruchtsoße, die die sehr süßen Mangos, Wassermelonestücke und Ananas noch süßer machen.

Und an allem wird Lemone gequetscht. Ich sag ja, richtig süß, richtig sauer oder richtig scharf. Die Mexikanys brauchen es eindeutig. 

Auf der zweiten Touristenfahrt erklärte mir dann ein Texaner, dass ich als Deutsche ja wirklich leiden müsste, wo wir so gutes Bier und so gutes Essen haben. Tue ich, tue ich. 

Heute waren wir indisch essen. Das war wirklich lecker. Nicht wie in Deutschland – natürlich nicht – aber es war gut. Der Inder war auch gleich ein reines vegetarisches Restaurant. Endlich mal keine mitleidigen Gesichter, weil wir kein Fleisch essen wollen. Was ich wirklich liebe, all die vielen frischen Säfte und das frische Obst – selbst, wenn es nicht überall gleichermaßen lecker ist. 

Die Geschichte – dafür müsste man die Sprache können

Hier ist alles so spanisch ausgerichtet, dass man eigentlich nur dann was von einem Besuch hat, wenn man die Sprache flüssig spricht und liest. Das ist ein kleines Problem. In Europa sind wir verwöhnt, wenn wir neben der englischen Übersetzung noch eine in deutsch oder französisch finden. Hier ist man nicht mal auf einen zweite Sprache eingestellt. Verständlich, weil doch Spanisch die am häufigsten gesprochene Sprache ist und alle Tourstys sie verstehen. Wir eben nicht so sehr.

Vor allem die Historie betrifft dies, oder der Besuch von archäologischen Ausgrabungsstätten oder Museen. Ja, das ist eigentlich interessant. Für mich sogar der Hauptgrund für die Wahl dieses Landes. Tatsächlich wäre eine gute Dokumentation darüber aufschlussreicher. Allerdings haben wir auch davon keine gefunden. Das ein oder andere verstehen wir durch die zwei Sprachen hindurch schon.

Wandmalerei im Schloss Chapultepec, heute ein historisches Museum, Ciudad de Mexico
Santa Maria Tonantzintla in Cholula steht nicht nur auf einem Hügel, sondern steht auf der Spitze einer 65 m hohen Pyramide (eine der größten Amerikas)

Die Indios waren brutal und die Christen waren brutal. Die Indios hielten die Christen für verrückt, weil sie die Wahrheit in Büchern suchten – bzw. Gott. Gesiegt haben die Christen, haben die Indios unterworfen und entweder abgeschlachtet oder zu Christen bekehrt. Und Christen sind die Mexikanys gute geworden. In Puebla soll es 365 Kirchen geben, eine pompöser als die andere. Frech auch auf die größte Tempelanlage einfach eine Kirche auf die Spitze zu bauen, statt die gesamte Pyramide aus 7 Etagen abzutragen.

Tiefer eindringen kann ich allerdings nicht. Ja, ich verstehe, dass die Christen – Männer, Soldaten – einsam waren und schon deswegen um die Frauen der Indios kämpfen mussten. Raub der Sabinerinnen … es muss sich zwischen Menschen alles wiederholen, bis zum Exidos. Und daraus lernen wir nicht. 

Aber mehr als vorher weiß ich nicht. Mein Mitleid ist gestiegen. Und wenn ich die Mexikanys so ansehe, dann ist daraus auch ein ganz eigener Menschenschlag geworden.  Bildsprache, das erkennen wir ziemlich früh, ist in dieser Kultur präsent, wenn die Busstationen bebildert sind, um sie leichter erkennbar zu machen. Nicht nur für die Touristys hilfreich, denn in einem Doppeldeckerbus ist ein auf einer Stange aufgesetztes Bild von Ferne leichter zu erkennen als ein Bushaltestellenname auf Augenhöhe.

Wer weiß, wofür es gut war.

Der erste Science Slam meiner Karriere ausgerichtet an der Gegart in Dortmund – mutige Slammys (das ist sicher)

GEGART – Poster

Am 15. Juni 2022 versammelte sich die Q1 der Gesamtschule Gartenstadt im Blue Notez Keller nicht, um der Hitze der Sonne zu entfliehen, sondern um durch die Darbietung der Slammys in Wallung zu kommen. Vier junge Männer und eine junge Frau aus der Q1-Stufe traten auf der Bühne gegeneinander an, ihr fachliches Wissen zu messen und ihren Unterhaltungswert durch den Applausometer zu testen. So weit, so gut. Die Themen waren vorbereitet – mehr oder weniger intensiv, die Texte waren gelernt – auch das in ganz unterschiedlicher Manier. Selbst das Pareto-Prinzip legen Jugendliche noch sehr großzügig aus.

Das Paretoprinzip, benannt nach Vilfredo Pareto (1848–1923), auch Pareto-Effekt oder 80-zu-20-Regel genannt, besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse erfordern mit 80 % des Gesamtaufwandes die quantitativ meiste Arbeit.

Wikipedia

Jugendliche, die auf die Bühne gehen und ihr Gesicht präsentieren, bemühen sich um einen Erfolg. Doch an einer Gesamtschule bedeutet der Erfolg, Mut für eine halbe Aufgabe erbracht zu haben. Nicht sechzig Prozent Einsatz für die erfolgreiche Darbietung wird erbracht, sondern ausschließlich zwanzig für ein grobes Zusammenbauen einzelner Aspekte. Wie ja auch schon die Kritik am Paretoprinzip vermuten lässt.

Heutzutage wird das Paretoprinzip häufig für Projekt- und Zeitmanagement zur Hilfe gezogen, um wichtige Arbeitspakete zu erkennen und schnelle Fortschritte bei relativ guten Ergebnissen zu erzielen (um hundertprozentige Ergebnisse zu erzielen, benötigt man 100 % der Bemühungen). Es hilft zudem, Arbeiten zu identifizieren, die aufgrund fehlender Effizienz aufgeschoben oder weggelassen werden können. Kritiker bemängeln an der Übertragung auf das Projektmanagement, dass das Prinzip dazu verführe, Aufgaben nicht mehr komplett abzuschließen, dass es aber gleichzeitig Aufgaben oder Projekte gebe, für die eine 80-%-Erledigung nicht ausreichend sei. Werden im Projektmanagement lineare Modelle wie das Wasserfallmodell verwendet, sind „Pareto-Ketten“ über mehrere Projektphasen ein Risiko. Die „unnötigen 20 %“ potenzieren sich bei solchen Ketten zu einem erhöhten Aufwand in den letzten Projektphasen, möglicherweise ergibt sich auch ein unbrauchbares Endergebnis.

Ebenfalls Wikipedia

Einer der Schüler ging auf die Bühne mit nichts als Geschwafel im Gepäck. Er ließ nicht erkennen, dass er die Veranstaltung damit persiflieren wollte, sondern im Gegenteil, dass er tatsächlich glaubte, seine Arbeit sei wertvoll. Vermutlich dachte er noch, dass die anderen viel zu viel Bohei aus dem Auftritt gemacht haben, wenn auch noch eine ordentliche Power-Point-Präsentation erstellt wurde. Ja, da bleibt auch nicht mehr, als den Mut zu bewundern, oder man wundert sich über die Borniertheit. Ist das aber ein Einzelfall? Sicherlich waren wir an dem Tag Zeuge von der gesamten Bandbreite an Einsatzbereitschaft, denn vor allem einer meiner Schüler hat sich wirklich sehr bemüht, den Text flüssig auswendig zu erlernen, Wirkung beim Publikum zu erzielen, die Zeit einzuhalten und eine Leitfrage mit einer eindeutigen Antwort herauszuarbeiten. Ich bedaure, dass er letztlich nicht gesiegt hatte, wenngleich auch sehr knapp gegen seine Darbietung zum Ottomotor entschieden worden war.

Filmplakat „idiocracy“ (2006)

Das jedoch ist gar nicht das Ende der Kette. Auf der anderen Seite steht, dass es der Jury unglaublich gut gefallen hat – die zumindest aus einer sehr gestandenen Kollegin bestand. Auch alle anderen Lehrkräfte waren angetan von diesem unendlichen Mut. Mein Hinweis, dass der „Science“-Aspekt doch sehr waghalsig gedeutet wurde, wurde weggewischt, denn das käme dann eben noch später. Ja, kommt das denn später noch? Oder befinden wir uns nicht schon längst in der Wirklichkeit des SiFi „Idiokratie“? Oder ist das nicht etwas, was schon unsere Altvorderen behauptet haben und ich selbst bin jetzt einer diese Altvorderen, die glauben, die Welt gehe mehr vor die Hunde als damals und eigentlich ist alles gut?

Ganz sicher ist allerdings, dass ich inzwischen nicht mehr richtig platziert bin an der Schule unter Jugendlichen, wenn mir die Sprache von Referendar:innen bereits zu „jugendlich“ erscheint. Mega. *schüttel

Was mir auf jeden Fall für eine gute Darbietung auf inhaltlichem Niveau gefehlt hat: Zeit. Ich hätte gern noch ein bis zwei Wochen mit diesen Jugendlichen gearbeitet und aus deren Wissenssteinbruch einen runden Vortrag entwickelt. Die Zeit war zu knapp von der ersten Hörprobe am Dienstag zu einer super Aufführung am Mittwoch zu kommen und das bei einem Einsatz von maximal zwei Zeitstunden.
Vielleicht sind an der Gegart neue Bühnenshowtalente geschmiedet worden, weil sie tatsächlich etwas mitnehmen, wie eine Kollegin am Schluss meinte, denn den Mut, die Welt zu erobern, haben diese Kids. Vielleicht finden sie auch noch den Rest auf ihrem Weg. An der Gegart waren sie jedoch die ersten, die mutig ein neues witziges, spannendes Terrain eröffneten. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Zeit, um etwas mehr als 20 Prozent zu erarbeiten.

Endspurt vor den Ferien – Der Anfang von Irgendwas

Mittwoch – ein Tangoabend-Mittwoch. Ich weiß, ich werde heute nicht gehen. Lust habe ich, aber morgen klingelt der Wecker vor normaler Wachwerdzeit (also vor sieben Uhr). Vor sieben Uhr ist es Nacht. Es sei denn, ich bin noch wach. Insgesamt ist dies das vorletzte Mal, dass ich so früh aufstehen muss. Dann stehen die Ferien vor der Tür. Endspurt in der Schule und Aufbruch hier in meiner Wohnung – in zweierlei Hinsicht.

  1. Schon eine Woche später geht es Richtung „neuer Kontinent“: Mexiko – San Franzisko – Los Angeles – Las Vegas – New York. Freiheit in Mexiko, durchgetaktet in Amerika.
  2. Vorbereitung des Videotagebuchs bzw. des Making off zu meinem Roman bzw. zu meinem Lebenswendepunkt.

Gerade das zweite „Irgendwas“ möchte ich unter die Lupe nehmen. (Den Urlaub – das hole ich nach, doch vorher mehr zu meinem Making off.) YouTube bietet sich als bekannte Plattform an, drängt sich sozusagen auf. Also YouTube – einen Kanal einrichten. Und dann beginnt die Achterbahn der neuen Begriffe:

Vieles davon sagt mir überhaupt noch nichts, doch ich merke, ich werde langsam heiß darauf, in die Produktionsphase zu gehen und ein wenig zu experimentieren mit dem Dashboard.

Angefangen habe ich mit dem ELEVATOR PITCH (mir Hilfe auf der Seite geholt, die ich euch verlinkt habe). In diese 60 Sekunden das Interesse für mein Angebot so zu wecken, dass mein Zuschauy seinen Nutzen davon erkennt, mir zu zuhören, wenn ich ihm zudem meine Motivation erkläre und einen Appell an ihn richte? Wow. 60 Sekunden ist mager, schmerzhaft mager. Ich habe einige Anläufe gebraucht, meine Keywords in sechzig Sekunden unterzubringen und gebe zu, ich brauchte im günstigsten Fall aktuell achtzig: Jugendversprechen, Astrid Lindgreen, zweite Lebenshälfte, Theaterstück Genkorrektur, Was wäre, wenn …, Corona-Roman 1, Einlösen des Versprechen, Lehrerberuf, Pension und Sicherheit an den Nagel hängen. Was? Wie? Wohin? Wir reden drüber. Daraus also den Elevatorpitch drehen, kurz und knackig, mit allem, was es schon für eine Wiedererkennung braucht: Kanalbanner, Musik im Hintergrund, Phrasen, Begrüßungsritual, Abschlussformel.

Aber wen interessiert das? Puhdale. Dann mal los?
Ich bin auf jeden Fall neugierig, es zumindest auszuprobieren. Und man wächst mit seinen Anforderungen. Aktuell bin ich auch wieder bereiter, mir ein Lektorat zu kaufen. Meine Betaleseratten lesen nicht. Zwingen kann ich sie schließlich nicht. Einen Lektor schon. Er hat zumindest eine Motivation.

Warten wir, was der nächste Tag bringt.

Gute Nacht

Ein Nicht-Auszug aus meinem Roman als Klappentext?

Würdest du das machen? Es ist interessanter als ein Auszug aus dem Roman zu präsentieren, weil in diesem Ausschnitt alle Probleme angerissen werden, doch kann man das so machen? Bricht es nicht die Erwartung, wenn der Leser oder die Leserin das Buch in der Hand hat und diesen Nicht-Auszug liest? Ja, er könnte in dem Roman stehen. Doch zeitlich liegt er vor der Geschichte des Romans und er ist nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben, wie Anna sonst in dem Roman berichtet. Also ein Nicht-Auszug. Auch kein Teil des Prologs, weil der Zeitpunkt weit vor dem Beginn des Prologs liegt. Damit ihr wisst, wovon ich spreche:

Anna stand an für Brot. Nicht wie damals beim Lockdown während der Corona-Infektion, weil man einen großen Abstand einhalten musste. Vor ihr noch elf Frauen, hinter ihr viele weitere. Die Maske schützte sie vor der Asche. Die Leichen wurden in Takt von zwei Stunden auch auf dem Parkplatz vor dem Rathaus verbrannt. Der beißende Geruch von verbranntem Fleisch drang durch den Filter in ihre Nase. Sie nahm es kaum mehr wahr.

In Gedanken war sie beim letzten von ihr obduzierten Leichnam und suchte eine Lösung gegen dieses Virus. Ob sie noch Brot bekommen würde? Viele Alternativen zu diesem Anstehen gab es nicht mehr. Die Regale in den Supermärkten waren leer. Keine Milch, kein Mehl, keine Hefe, Eier, Nudeln, kein Reis und keine Kartoffeln, auch keine Konserven mehr. Kriegsähnlicher Zustand auf der Straße, aufgerissene Müllbeutel breiteten sich aus, Abfall, streunende Hunde, zerbrochenes Glas, Möbel. Knirschen unter den Schuhen. Anna starrte in sich gekehrt auf Bruchstücke von Fensterscheiben zu ihren Füssen. Ein Trum, viele Trümmer dachte sie ganz unzusammenhängend. Trum, ihre Großmutter hatte davon erzählt.

Wie würde sie ihrem Mann helfen, wenn ihr keine Lösung einfallen wollte? Ihr Mann kämpfte in ihrem Elternhaus um sein Leben, bereits seit zwei Wochen. Zwei Wochen schon, ein kleiner Hoffnungsschimmer lugte durch ihre Gedanken. Sie klammerte sich an ihn. Er könnte zu den fünf Prozent der Überlebenden gehören. Als Ärztin wusste sie, dass die Wahrscheinlichkeit gering war, sehr gering. Sie fragte sich, wie sie hier so ruhig stehen konnte? Innerlich lachte sie scharf, als sie ihre aktuelle Situation mit der Coronazeit verglich. Den Schläfervirus hatte niemand erwartet. Wenn Viren eine biologische Lebensform waren, dann war dieser Virus eine sehr zynische und grausame. Ihr Magen biss an ihre dünnen Magenwände. Sie ignorierte den Schmerz wie gewöhnlich.

Als sie an der Reihe war, nahm sie das erste Mal ein Gesicht vor sich wahr. Tief in den Höhlen liegende Augen mit schwarzen Rändern blickten sie an, der Arm hielt ihr ein Brot entgegen, der andere ausgestreckt mit flacher Hand verlangte nach ihrer Essensmarke. Als sie nicht schnell genug reagierte, riss die Frau sie ihr ungeduldig aus den Fingern. Worte wechselte keine mehr. Anna ergriff das Brot und machte sich auf den Rückweg zu ihrem sterbenden Mann...

Klappentext zu „Oben – Unten“ von Scarlett H Mirro

Kann man das machen? Würde das den Leser oder die Leserin irritieren, dass dieser Text nie Teil des Romans ist? Wird er sich betrogen fühlen, wenn er bemerkt, dass der Klappentext eine auserzählte Episode ist, die so nicht aufgegriffen wird? Nicht in der Form. Anders natürlich schon.

Ich wäre für Hinweise dankbar. Gerne hinterlasst mir einen Kommentar.

Den Roman selbst herausgeben – die Entscheidung ist gefallen (mehr oder weniger)

Kennt ihr das? Man weiß genau, was zu tun ist, doch hofft man, dass es dazu nicht kommt! SO geht es mir jetzt. Ich weiß, es ist vernünftig diesen Schritt zu gehen, es ist sinnvoll, die Veröffentlichung selbst in die Hand zu nehmen, nicht auf einen Verlag oder eine Agentur zu setzen und doch – ich hab Hemmungen, diesen konventionellen Weg zu verlassen. Aber wäre ich ICH, wenn ich mich davon abhalten ließe, wenn nicht gerade die Erkenntnis, dass ich Hemmungen, Sorgen und Ängste habe, dazu führt, dass ich es mache?

Was macht mir Sorgen?

Ich habe Angst davor, dass das, was auch immer es ist, plötzlich so groß wird und ich den Prozess nicht mehr händeln kann, bevor ich „mitgewachsen“ bin. Gleichzeitig denke ich: Was, wenn es niemanden interessiert? Wenn ich kein Feedback bekomme? Was, wenn ich für Peanuts investiere? Wäre ja nicht schlimm, wenn ich selbst nur Peanuts investiere für den Erfolg, aber umgekehrt? Andere finanzieren in ihr Hobby mehr als ich bislang in meine Ideen. Ist das aber vergleichbar? Klar braucht ein knackiger, duftender, roter Apfel keine Werbung, aber auch er braucht eine Begegnung. In dem großen ganzen Gewimmel von roten, knackigen Äpfel, wie den duftigsten ermitteln? Ich verstehe das Konzept der Offenbarung – kognitiv verstehe ich das … und Hemmungen sind dennoch da.

Mein persönlich dritter Knackpunkt: Manchmal denke ich, ich bin zu grob geschnitzt, zu wenig professionell, zu wenig genau, spare vielleicht an der falschen Stelle den Einsatz von Geld, Zeit und Kraft.

Vertrauen und Atmen. Letztlich kann man nur einen Schritt vor den anderen setzen.

Was sind meine nächsten Schritte?

Wenn ich den Roman selbst publizieren will, sind es bestimmt Schritte, die ich sozusagen vor der Publikation erledigen muss.

  1. Cover des ersten Romans gestalten lassen, damit es eine gewisse Professionalität ausstrahlt.
  2. Mich über die Möglichkeiten, Richtlinien und Fallstricke als Selfpublisher informieren.
  3. Nach der Beta-Lese-Runde die korrigierte Endfassung mit dem Cover als Selfpublisher veröffentlichen. Dafür einen gut gewählten Zeitpunkt aussuchen.
  4. Konzept, Verlaufsplan zu dem Videoblog (oder so ähnlich) „Making of dysTOPOI“- womit ich schon begonnen habe.
  5. Werbestrategien planen und anlaufen lassen.
  6. Community Betreuungskonzept entwickeln.
  7. Startschuss für Video-Logbuch und für den Roman festlegen.
  8. Und dann die Betreuung, das Nachfassen, das Nachsorgen. Da beginnt die Arbeit.

Es ist ein Prickeln in meinen Blutbahnen, verheißungsvoll und voller Bewegung. Eine bewegte Aufbruchstimmung, die sich immer wieder mit den Sorgen und der Angst vermischt. Mit den Zweifeln, die wie Schatten an der Angst kleben. Angst – kenn ich gar nicht, dachte ich. Angst, selbst hier muss es schon ein besonderes Format bekommen, damit sie mir den Hals abschnürt. Und doch, die Euphorie, das Gefühl, etwas Besonderes gefunden zu haben …

Bleib doch, bleib bei der Euphorie!

Die sechsstündige Vorstellungsrunde von acht Persönlichkeiten mit innovativen Projekten – Treffen der Drehbuchwerkstatt Berlin im Literaturhaus

Worüber spricht man, wenn man sich aus einem Onlineseminar – genauer aus einem von Aleksandra Kumoreks Drehbuchwerkstattseminaren – kennt und sich zum Netzwerken trifft? Natürlich über das Verbindende. Wie naheliegend. Wenn man die Vorstellungsrunde jedoch zelebriert, bei der alle zuhören und nachfragen, dann wird aus einer sonst meist langweiligen, trägen Vorstellung ein Ereignis bunter Vielfalt; dann entsteht eine synergetische Mischung von Erfahrung, Tipps und Spannung.

  • Nummer eins der Teilnehmenden erzählte von seinem Betreuungsprojekt von Iranern in Berlin.
  • Nummer zwei erzählte von einem Filmprojekt zu den trojanischen Geräten einer Firma in der Schweiz und über sein Projekt zum Thema „Dialekt“.
  • Ich als Nummer 3 berichtete von meinem Roman und der Idee, in drei Jahren auszusteigen, um weiterzuschreiben.
  • Nummer vier erzählte von seinem PC-Spiel, an dem er arbeitet, obwohl er gar kein Gamer ist.
  • Nummer fünf erzählte von einem Filmprojekt in der Antarktis, das sie begleitet hat und nun ein Film zum Thema „Schnee“ plant.
  • Nummer sechs berichtete von einem Filmprojekt in Ecuador, wohin sie möglichst bald wieder möchte, weil sie das Dreh- und Schauspielteam zusammenstellen möchte und internationale Fördergelder aufgebraucht werden müssen.
  • Sieben pries eine neu entdeckte Online-Marketing-Strategie an; durch eine gut gefütterte und gewachsene Community ließen sich mehr Interessierte erreichen als durch konventionelle Möglichkeiten – also statt analog.
  • Acht führte ihren Plan aus, einen besonderen Tag ihres Leben als Drehbuch zu verwirklichen.

Ein Projekt spannender als das andere, ein Thema informativer als das andere. Wie eine duftende bunte Blumenwiese mit Schmetterlingen. Zwischendurch haben wir gegessen. Und ich hatte mir eine kleine Pinkelpause genehmigt. Eine. Es war so spannend.

Making of (m)eines Traums – erste Anzeichen von Bewegung

Aleksandra ermunterte mich, doch weniger auf die konventionelle Vermarktungsstrategien meines Romans zu setzen, sondern mir eine Community zu zulegen und diese stärker für mein Projekt „Roman“ zu begeistern, als ich gerade ausgeführt hatte, dass ich erste positive Reaktionen auf meinen Roman erhalten hätte. Sie berichtete von einem Vertag für ein Lehrwerk, den sie letztlich nicht unterschrieben hat, weil sie nicht nur sehr wenig daran verdient hätte, sondern weil sie zudem alle Recht an ihrem Text und an die Verbreitung sowie Nutzung des Inhalts verloren hätte und weil der Verlag letztlich damit hätte machen können, was er gewollt hätte.

Ich halte mich hier zurück, Auszüge meines Romans zu veröffentlichen, um nicht das Risiko einzugehen, dass deswegen kein konventioneller Verlag den Roman übernimmt. Doch ist das nicht eigentlich idiotisch? Aleksandra rät zu Selbstermächtigung – lieber Selbstverlag oder Selfpublishing als mit diesem Knebel in die Öffentlichkeit.

Dann die entscheidende Ergänzung: Ich fragte, ob nicht jemand der Anwesenden als Filmemacher Lust hätte, meine Geschichte von jetzt bis zum Aufbruch, um Schreiben zu können, zu verarbeiten und zu publizieren. Vivien erklärte, dass ich doch besser ein Videotagebuch führen sollte, in dem ich selbst das Making of nach und nach einem Publikum erzähle, dass sich dafür interessiert. Ich solle erzählen:

  • wie es dazu kam, dass ich die Geschichte geschrieben habe,
  • wieso ich die Schule verlassen will und was das mit dem Text zu tun hat,
  • was an dem Thema so reizvoll ist,
  • wie ich zu den einzelnen Themen recherchiert habe,
  • welche Fragen mich noch beschäftigen,
  • wie verschiedene Reaktionen sind, etc.

Dialogisch, die Zuschauenden mitnehmen, Rahmenhandlungen dazu erzählen, Up and Down`s ergänzen. Keine künstliche Autorenmarke, keine aufgespritzte Story, statt dessen das, wofür ich brenne. Am besten auf zwei Kanälen: YouTube und Instagram. Selbstermächtigung statt Bittstellerhaltung. Bettina meinte, ich hätte was zu erzählen, ich wüsste, wovon ich spreche. Das Polarisierende als Element des dialogischen verwandeln und Kampf vermeiden. Handwerk, Technik, Persönliches, Philosophie, Story. Das lässt sich verknüpfen.
Aleksandra erklärte, dass das Ganze eine Dramaturgie benötigt und diese Dramaturgie sei planbar.

Frauen – Frauenthemen – Feminismus

Natürlich ein Roman für Frauen – hab ich auch immer gedacht. Ist er aber nicht eher ein Roman für Männer? Schon mein erstes Thema für einen Videoblog? Vielleicht nicht der günstigste Einstieg. Aleksandra Kumorek berichtete von ihrer bald an den Start gehenden Idee der #Medienmacherinnen über Instagram. Ultrabegeistert. Begründete, wieso sie ein kleines „i“ in ihrem Wort hat, wieso sie sich ausgerechnet an Frauen wendet und nicht an Männer und Frauen. Weiter folgte, was sie plant, wie sie vorgehen wird, weil sie schon vor vielen Jahren die Diskrepanz zwischen Frauenfähigkeiten und Frauenumsetzung gesehen hat. Wie war es zu erklären, weshalb Frauen trotz ihrer Kompetenzen deutlich weniger daraus Gewinn schöpfen können, als Männer? Dann erzählte Aleksandra ausführlich, dass sie ganz sicher auch auf diesen Knebelvertrag des großen Verlags hereingefallen wäre, wenn bestimmte Parameter anders gewesen wären: Angewiesenheit auf die Publikation, mangelnde Sachkenntnis und Sachverstand, keinen anderen Erfolg, Selbstwertschöpfung, Akzeptanz von Gegebenheiten. Die Betreuerin des Verlags hatte ihr versichert, es handelte sich um einen gewöhnlichen Standardvertag. Mindsetting als neues Zauberwort. Den Frauen fehlt es nicht an Kompetenz, sondern an der richtigen Mischung der Selbstdarstellung, dem passenden Selbstbewusstsein und der Lust, nicht passend, lieb und gefällig zu sein, wenn es darauf ankommt.

Statt Manspreading anzuprangern, sich als Frau selbst im Raum behaupten. Statt die Männer Krähen lassen wie Gockel, einmischen und selbst Krähen und zwar selbst dann, wenn man glaubt, es sei nicht wichtig. Dann erst recht.

Und statt Kampf und Konfrontation besser Selbstermächtigung, Vernetzung und neue Territorien. In diesem Sinne – auf in die Gleichberechtigung des Internets?  

Empfehlungsschreiben – Wenn der Text den Texter ungewollt entlarvt.

Als Lehrkraft kommt es vor, dass mich ein junger Mensch um ein Empfehlungsschreiben für seine weitere Laufbahn bittet. Meistens sind es Jugendliche, die sich nach dem erfolgreichen Abschluss des Abiturs für ein Studium um ein Stipendium bewerben. Häufig handelt es sich bei diesen Jugendlichen auch um engagierte Schülys, die sich tatsächlich im Schulleben hervortun, soziale Ämter übernehmen und insgesamt zielstrebig wirken.

In letzter Zeit allerdings häufen sich jedoch Anfragen nach Empfehlungsschreiben an mich, bei denen ich nicht mehr weiß, wie ich darauf angemessen reagieren soll. Dass ich als Lehrkraft gemeinhin als Dienstleistungsfigur betrachtet werde, dass Schülys oft ein klarer Respektbezugsrahmen fehlt und dass es diesen jungen Menschen vor allem an Selbstüberschätzung nicht mangelt, ist mir durchaus bekannt, aber manchmal frage ich mich, ob es dazu Grenzen gibt?

Ein Beispiel von einer Jugendlichen, welche die Klasse 10 besucht:

„Meinen Durchschnitt kennen sie ja… Außerdem bin ich bei den Schulsanis und habe an der TU Dortmund an verschiedene Kurse in verschiedenen Fachgebieten teilgenommen. Ich denke das ich eine führende Rolle in Gruppen arbeiten übernehmen und oft erwachsen und Verantwortungsvoll Handel in der Schule. Sonst keine Ahnung was sie reinschreiben können…. Wir hatten ja auch mal vor zieh Jahren zusammen unterricht…“

Anonym

Der Absenderin ist es völlig egal, was beim anderen ankommt, weil sie davon ausgeht, dass ich sie schon irgendwie verstehe. Natürlich verstehe ich sie irgendwie. Ich kann daraus auch sinnvolle und rechtschreibfehlerfreie Sätze bilden. Doch was ist mit der inneren Haltung der Absenderin? Dudu macht das schon? Es hat so eine rotzige Art. Dieser Art Schreiben sind mehrere zu nennen, Oberstufe sowie Abgangsjahrgang.

Ich erklärte, dass das Stipendiumsgutachten irgendetwas enthalten sollte, was das Besondere des Probandys hervorhebt, zusätzliche Leistungen. Ich erhielt darauf hin folgenden Text, der auf zwei Seiten durch ein übergroßes Format (Schriftgröße) gestreckt war:

anonymisiertes Schreiben

Anerkennend muss ich sagen, die Lobeshymnenfloskeln hat sie gut in Anwendung gebracht. Ohne jeden Inhalt und gleich direkt beweisend, dass es sich ausschließlich um Floskeln handelt. Doch gleichzeitig entlarvt die Schreiberin die Floskeln als das, was sie doch so oft nur sind: Worthülsen.

Beispielhaft zeigt sich, wie wenig von dem umgesetzt worden war, was ich vorher erbeten hatte, denn welche Anforderungen nun die Stiftung oder die Förderer stellen, wird nicht deutlich, ebenso wenig ihr soziales Engagement, ihre Tätigkeiten an der Schule, etc. . Als PDF-Datei ließ sich das nicht ohne Umstände bearbeiten, so dass ich um a) eine erste Fehlerkorrektur á la Rechtschreibprogramm und b) um eine Formatveränderung bat. Im Grunde hätte die Jugendliche lediglich ihre erste Datei zusenden brauchen. Ich bat in einer weiteren Mail also um entsprechende Korrektur, ein anderes Dateiformat und weitere Informationen. (Natürlich hätte ich es in der Zeit drei Mal selbst geschrieben, aber mir geht es hier um die Ernsthaftigkeit der jungen Frau, die doch eigentlich etwas von mir will, nicht ich von ihr. )

Folgende Antwort erhielt ich daraufhin:

„Toll ich habe die Mail abgeschickt ausversehen. Also ich habe keine Ahnung von sowas und das Layout und alles.. Ich habe es auf dem Tablet geschrieben und auch meine Rechtschreibung.. Ich dachte das ist da nicht so das Problem weil sie dsd ja noch „schön machen“ wollen… Woher sollte ich vorher wissen das sie da nur die Unterschrift drunter setzen wollten… Ich habe mein bestes gegeben und von anderen Empfehlungsschreiben abgeschrieben, wenn es eine totale Katastrophe ist, dann habe ich halt Pech und ein Empfehlungsschreiben weniger für das Stipendium.“

anonym

Und mir drängt sich der Gedanke auf, wenn dieses Schreiben das Beste war, was eine ca. 16 Jährige verfassen kann, der zu sich und ihrem sozialen Engagement wenig einfällt, wenn der Tonfall für eine Gefälligkeit (denn zu meinen Aufgaben gehört dieses Service nicht) so geringeschätzend ist, dann kann die Ernsthaftigkeit zwar unbestritten, das Vermögen für ein Stipendium aber wohl kaum gegeben sein.

Auffällig und besonders ist neben all der jugendlichen Selbstüberschätzung, die sicherlich reifebedingt ist, dass die verbale oder schriftliche Äußerung einer Bitte kaum als Bitte gedeutet werden kann, viel mehr als Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Wenn das Ergebnis der vom anderen erbrachten Leistung – in dem Fall von mir -, ungehalten und abfällig kommentiert wird, wenn Verärgerung auf der Seite des Absenders folgt, weil der andere nicht genau so funktionierte, wie man sich das gewünscht hat, statt sich selbst zu fragen, was der andere – als ich – denn mitteilen will, dann gibt es keinen Lernfortschritt.

Dieser Mangel an Sorgfalt jenseits von Leistungsbereitschaft und sozialem Engagement ist es, denn ich zunehmend beklagen ja sogar beweinen möchte. Wird an allen Stellen und Ecken mehr Sensibilität für die Schwächen, für Eigenschaften und Merkmale eingefordert, darf man immer weniger kritisch sagen, was man denkt, weil alles empfindlich persönlich und politisch zugleich wird, so möchte ich eine neue Rücksicht durch Höflichkeit. Bitte einmal den Satz bedenken, den ich gesagt habe. Äußerungen von Lehrkräften nicht sofort als Quatsch, als unangemessen oder als persönlich gewollte Kränkung abtun, sondern die Sachinformation suchen, die Beziehungsebene als „ungleich“ anerkennen, den Appell wirken lassen, und sei es einfach nur, weil wir studiert haben und schon ein paar Jahre mehr Lebenserfahrungen sammeln durften. Mir erscheinen die Jugendlichen mehr und mehr als „Ich will – sofort“-s denn als ernstzunehmende Persönlichkeiten, die etwas zu sagen haben.

Ende der patriarchalen Strukturen? – Wenn sich Liebe vom Rest trennen ließe

Das Glück ist perfekt, der Himmel voller Geigen. Das Gegenüber eine spannende, vielseitige, interessante Person mit einem unentdeckten Universum. Alles ist schön, alles ist gut. So soll es bleiben. Nach einiger Zeit kennt man den anderen, jede Geste ist durchstudiert, die Stimme verrät schon die Stimmung, während dies für andere Ohren unhörbar scheint. Es fühlt sich irgendwie richtig an, trotz Unstimmigkeiten.

Es folgt der Beschluss, zusammenzuziehen. Die Kollision zweier Universen: zwei Kulturen, zwei verschiedene Ritualsysteme, zwei moralische Konzepte, zwei verschiedene System, Probleme zu bearbeiten. Als Experiment sicher spannend: zwei Arten, mit Geld umzugehen, zwei Versionen, Kinder zu erziehen, zwei Formen, mit Freizeit, Sauberkeit, Ressourcen, Raum, etc. umzugehen. Die Scheidungsrate berichtet, wie oft dieses Experiment der Fusion missglückt. Eigentlich ist alles gut, solange es keine Kinder gibt. Ja, aber die sind geradezu der Motor des Karussells des Unglück. Ohne Kinder kann man das noch händeln, dann jedoch kommen Kinder und werden zur Zerreißprobe der Liebe selbst, während sie doch nichts weiter als Liebe bräuchten.

Können wir uns kein anderes Konzept denken?

Es gibt natürlich Modelle, gelebte Modelle, doch die machen uns Angst. Die fühlen sich falsch an. Sie lassen sich denken, wenn man jenseits der Kinderbekommenszeit steht, aber es muss richtig sein, dass Mama und Papa die Kinder aufziehen, allein und wie sie es für richtig halten. Das muss stimmen. Unser morphologisches Gesetz.

Nur: Das Unglück scheint ein individuelles ist aber doch ein gesellschaftliches Problem: Siehe Schule, siehe Jugendhilfe, siehe Selbstmordrate und Jugendlichen, siehe Scheidungsrate … Wenn es uns so gut mit diesem aus meiner Sicht patriarchalen Konzept ginge, dann dürfte das nicht schlimmer und schlimmer werden, seit die Frau aufgestanden ist, eine gleichwertige Person neben dem Mann zu sein!

#Selbstbestimmtheit; # Selbstverwirklichung; # Gleichberechtigung; # Feminismus

Was ist das Modell, dass vielleicht Heilung verspricht?

Tatsächlich kennen wir es als matriarchales System. Aber leitet das die Frau? Nein, sie ist nur der Fokus, weil sie diejenige ist, die die Kinder bekommt, weil sie die Hauptpflege mit den Kindern hat. Es ist eine egalitäre Gesellschaft. Die Verschiedenheit oder Komplementarität von Geschlecht und Alter wird ohne Hierarchie hat gemeinsame Geltungskraft. Es geht also nicht darum, dass Frauen diesmal die Männer beherrschen. Wirklich interessant erklärt das die Autorin Heide Göttner Abendroth in einem Vortrag über Matriarchate.

Das Matriarchat zeigt uns eine ausgeglichene, gleichberechtigte und friedliche Gesellschaft, ohne Krieg und das Gesetz der Herrschaft. Ich bin überzeugt, dass das Matriarchat für eine humane Welt gebraucht wird.

Frauennetzwerk für Frieden – Heide Göttner-Abendroth (frauennetzwerk-fuer-frieden.de)

Nun, sicher ist, dass es nicht die Lösung gibt, die uns alle rettet, die das Paradies auf Erden schafft, denn wir sind Menschen und Menschen sind Tiere. Ich will auch keine Lanze für Matriarchale Systeme brechen und das als neue Heilslösung propagieren. Mir geht es nicht um eine vollständige Umstrukturierung der Gesellschaft, sondern um die Frage, ob wir nicht auch eine andere, friedlichere Form des Zusammenlebens denken können, als die Version „Mama+Papa+Kind(er)“. Das Konzept dazu möchte ich euch hier vorstellen: Großfamilien als organisierte Einheit mit genug Raum für alle, Verbleib in der eigenen Familie (der Ursprungsfamilie), statt zu wandern und was Neues zu mischen. Vor der Sesshaftigkeit könnte eine Zeit des Ausprobierens stehen, eine Zeit der Wanderschaft, des Weltenbummelns. Wenn man jedoch plant, Kinder zu bekommen, dann sollte man in seinen KLAN zurückkehren und dort im Team oder vernetzt leben können, um Kindern Halt zu geben. Diese Ursprungsfamilie stabilisiert das Miteinander für die Kinder, weil eben nicht verschiedene Kulturen, Moralvorstellungen und Lebensweisen kollidieren. Das Familienleben ist nicht anfällig und davon abhängig, ob die Eltern streiten, ob sie sich lieb haben, ob sie ihre Probleme nicht in den Griff bekommen, ob sie die Karriere an erste Stelle stellen, ob sie infantil sind oder die Kinder nur einen Status symbolisieren oder ob sie die Kinder bekommen haben, um von anderen Probleme abzulenken. All das wird es vermutlich trotzdem geben (denken wir nur, wie explosiv Beziehungen zwischen Mann und Frau sind), aber sie werden nicht mehr die Welt der Kinder aus den Angeln heben. Wenn ein lieber Menschen stirbt, ist das immer noch schlimm, aber das Netz ist da, welches die Kinder hält. Stirbt Vater oder Mutter, endet die Ehe wegen Alkohol, Beruf oder ähnliches, dann ist die Welt des Kinds in Gefahr, dann erlebt das Kind ein Trauma. Das zieht sich durch das Erwachsenwerden und bis zu den eigenen Kindern, bei denen sich die Dramen der Kindheit gern wiederholen.

Die Onkel (also die Brüder der leiblichen Mutter) übernehmen die Vaterrolle oder anders gesagt, sie übernehmen in der Erziehung den männlichen Part. Ganz wichtig, denn das nicht der leibliche Vater der sein muss, der diesen Part im Leben der Kinder verwirklicht, ist nicht ungewöhnlich. Also auch meine Kinder haben andere Männer als nur ihren leiblichen Vater in der Verantwortung erlebt. Daran kann erstmal nichts falsch sein. Es ist nicht so, dass der Vater in einem Matriarchat zu seinen Kindern keine Beziehung haben darf, aber er hat seinen Klan, in dem er lebt, mit den Kindern, die er als Onkel/Vater betreut. Und wenn er mit einer Frau zusammen ist, kann er auch mit ihr Leben, bei ihr sein, wird aber in ihrem Klan immer Gast sein. Das kann auch lebenslang funktionieren. Das entscheidende Kriterium ist hier nicht die Beziehung zwischen Mann und Frau, die das Familiendasein trägt, sondern die Familie in mehreren Generation, die einheitlich bleibt.

Ja, das macht Angst. Die Vorstellung, man ist aus seinem Gott-Status gehoben oder man hat keinen Einfluss, wie das eigene Blut erzogen wird oder dass man die Frau weiter mit Treueschwüre knebelt, weil man selbst so eifersüchtig ist oder was auch immer. Was wir aktuell haben, ist jedoch seit Generationen unschön. Die kulturellen Mischungen sind explosive Ladungen – gerade wenn toxische Männlichkeit gefärbt durch eine Religion unsere „Errungenschaften“ von Gleichberechtigungen und unsere Versuche von Selbstermächtigung unterwandern, weil es auf dem Bett der Liebe Einzug in das Leben der Frauen hat, die sich offensichtlich noch nicht lange genug gegen dieses Gift wehren können.

Was aber, wenn die Ursprungsfamilie nicht der Boden ist, auf dem man gedeihen kann?

Dann kann man immer noch so gehen, wie in dieser Welt auch. Was soll daran anders sein? Auch, wenn ich als einsamer Wolf leben will, denke ich, dass man das in einer matriarchalen Struktur durchaus kann.

Wenn man einen neuen Weg beschreiten will, dann sollte es nie diktatorisch sein. Vorbehaltlos sich anschauen, wie erfolgreich die Mutigen sind und dann sehen, ob das Konzept als eigene Idee denkbar ist, mehr kann man doch nicht wollen? Ich würde mir wünschen, wenn meine eigenen Kinder das hinbekommen würden – für sie selbst. Mein Denken ist zu spät, um es anders gemacht zu haben. Rückblickend würde ich das gern, aber so kann ich nur noch theoretisieren und eine neue Idee in den Wind schreiben.

Vielleicht …

„Du bist mir schon eine Marke!“ – Als Autory, oder was?

Vor dem ersten Schritt nachdenken über das, was man sein will? Bevor ich meine erste Lesung halte, mache ich mir Gedanken, wie ich die Lesungen halten will? Bevor ich meinen Roman veröffentliche, mache ich mir Gedanken, was für eine Autorin ich sein will? Und hier komme ich an die Gendergrenze – ehrlich, ich will doch nicht nur mit den Autorinnen als Autorin verglichen werden, wenn ich einen Satz wie diesen schreibe. „Was will ich für ein Autor sein?“ schließt ein, dass ich mit männlichen Autoren verglichen werde statt mit Frauen, gendere ich den Satz, dann sinkt der Vergleichsparameter um die Anzahl der männlichen Vergleichmöglichkeiten. Aber ich bin eine Frau. Diese neue Genderei führt dazu, dass ich mein Frausein in den Fokus rücke, nein in den Fokus ramme. Aber was hat nun mein Geschlecht mit meiner Schreibe zu tun?

Also von Vorne: Was für ein Autory will ich sein?! Klingt komisch, weil ich doch eindeutig weiblich bin. Puh … was ist die Sprache komplex. Versuche ich es ohne Etikette nach Rosenberg, dann fragt sich, was ist das Autorseiende an der Autorenschaft. Es geht doch um die Aspekte von dem, was einen Schreiberling ausmacht! Was aber ist das denn?

Was ist diese Autorenmarke? Und – weiter gefragt – was wäre meine Autorymarke? Das Unverwechselbare? Eine Marketingstrategie? Die Zeiten für diesen Blog in der alten Fassung sind gezählt, wenn meine Marke steht? Steht …
Oha, eine Leiche.

Meine schriftstellerische Besonderheit ist sicherlich die, dass ich gerne viele Figuren bespiele und gerne ungewöhnliche Handlungen meiner Figuren anstrebe. Inhaltlich neige ich dazu, in dem Gewöhnlichen das Tiefsinnige zu suchen – ich kann eben Smalltalk nicht. Gilt auch privat. Und ich hab vielleicht was zu sagen? Vielleicht. Ich mag flach nicht. Und doch, viele Autorys sind gerade deswegen auch sehr erfolgreich, weil flach. Oh du mein Kafka, solch eine bizarre Tiefe. Mag ich diese Tiefe je erklimmen? Was aber ist das unverwechselbare von Proust, von Kafka, von Musil? Ich spüre, dass ich nicht in diese Reihe gehöre, zumindest werde ich das am Ende nie entscheiden können und auch müssen.

Genügte es damals zu schreiben, heute muss man sich zeigen. Zeigen wie diese Autorinnen im Gespräch: FBM18 // Gesprächsrunde: Aufbau einer Autorenmarke. Rasierklinge war Rainald Goetz 1983 und da noch etwas, das Schlagzeilen machen konnte. Heute muss ich das Übermorgen mitdenken, zumindest, wenn ich gehört werden will. Ist mir das egal, bedeutet: dann ist es auch egal, wie ich etwas sage. Und da ist sie wieder, diese eine Frage, die mich seit Jahren umtreibt:

Habe ich etwas zu sagen, dass gehört werden muss/sollte?

Sind meine Worte mehr als das, was meine Kochkunst vermag? Oder gerade so viel? Ein leckeres Essen? Ein amüsanter Abend? Würde es nicht genügen, wenn es mein Vergnügen mehrt – worin ich äußerst erfolgreich bin? Muss ich mich denn um ein großes Ohr bemühen?

Gestern hatte ich Besuch, den ich mit einem komplett selbstgemachten italienischen Menü beglückte: zweierlei Nudeln (Spinat-Ricotta-Ravioli und Basilikum-Tagliatelle) sowie zweierlei Soßen (Linsenbolognese und Spargel-Sahne-Soße) sowie Fladenbrot mit Kräuterbutter vorab und einem Amarenakirsch-Parfait als Dessert. Fünf Stunden Arbeit, eine Stunde Essvergnügen und Huldigung des Essvergnügens durch angenehme Gespräche, verplätscherte Zeit.

Das Verhältnis von Roman Schreiben zu Roman Lesen ist ähnlich. Nur die Ernte für die Mühe fahre ich doch selten ein. Ehrlich gesagt, hätte mir der Prozess der Menüentwicklung keinen Spaß bereitet, wieso hätte ich das machen sollen? Beides ist bereits ein großes Vergnügen. Doch koche ich keine fünf Stunden für mich allein, wenn ich nicht Menschen habe, die das wertschätzen und sich wohlfühlen, eben weil ich ihnen so ein leckeres Diner bereitet habe. Wieso sollte ich den Roman schreiben, wenn ihn außer mir keiner liest?

Meine Autorenmarke? Ich bin die, die Vergnügen bereitet und den Finger in die Wunde legt, die unangenehme Frage stellt und gut zuhören kann, der man sich öffnet wider Willen. Ich bin die, die zweifelt, sich ehrlich in den Spiegel anschaut und der es schaudert, ob des Menschseins – so ungeheuerlich in jeder Hinsicht. Ich bin die, die keine Diplomatie kann, weil ich sie für eine Lüge halte. Ich bin die, die echte Toleranz durch Verstehen erreichen will. Ich bin die, die trotzdem lästert und trotzdem Vorurteile hat. Nur weiß ich, dass ich Vorurteile habe. Und ich mache mich über uns Menschen lustig, weil wir so lustige Vorstellungen von der Welt haben, ganz so, als sei sie für uns gemacht, nicht, als würden wir nur ein Teil davon sein.
Tja, und wie forme ich daraus eine Marke? Einen gebrochenen Spiegel hab ich ja schon als Künstlynamen, sogar ein Hörspiel hab ich dazu gemacht … vor Jahrhunderten scheint es mir. Vielleicht wäre das dann zumindest das Symbol. Eine Unheilige.

Und wie genau stelle ich das dar?

Fundstück der Woche – auf der Suche nach einem Verlag

Besonders schön der Satz: „Den Duden gibt es auch als Buch.“ Hier hätte ich mir ein „jetzt“ dazwischen gewünscht. Ich bin sicher, meine Schüler und Schülerinnen aus der jüngsten Zeit schicken ihre Texte dorthin – alle. Ich könnte niederknien vor diesen Sätzen. [Ähm, ich mach das mit dem Gendern übrigens jetzt mal etwas einfacher und damit lesbarer. Für Infos bitte diese 10 Min opfern: (13) Genderneutrale Sprache? So einfach geht’s (Thomas Kronschläger – Science Slam) – YouTube]

Denke ich doch gerade an meine zwei 10er Schülys (beiderlei Geschlechts), die ein Gutachten für ein Stipendium von mir wollen, weil sie so herausragende Noten haben. Das Wort „herausragend“ ist hier auffällig, liebe Freundys. Ein Notenschnitt von 1,5 (also einsen und zweien) sei herausragend zu nennen? An einer Gesamtschule? An dieser Gesamtschule wohl gemerkt. Puh. Ich fragte die zwei, ob sie noch irgendwas außer dem Notenschnitt vorweisen können, irgendeinen sozialen Einsatz, irgendwas Tolles, irgendein Projekt. Nö. Ich musste mich bemühen, ernst zu bleiben. Ich habe ihnen erklärt, dass sie mir das mal vorformulieren sollen. Dabei flatterte Folgendes in mein Schulmailfach:

„Ich denke das ich eine führende Rolle in Gruppen arbeiten übernehmen und oft erwachsen und Verantwortungsvoll Handel in der Schule. Sonst keine Ahnung was sie reinschreiben können….“

(Mail an mich – genau so)

Wow. Herausragende Leistungen und einen Satz fehlerfrei Formulieren scheitert. Diskutieren wir an dieser Stelle nicht das Verhalten des Schreibys. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Selbsteinschätzung nicht annähernd an die Wirklichkeit heranreicht, diese Heiligen.

Meine Tochter hatte ein Vorstellungsgespräch und Praktikumsplatz nur deswegen bekommen, weil der Professor den genialen Menschen kennenlernen wollte, der heutzutage noch eine fehlerfreie Bewerbung schreiben konnte. Das war vor acht Jahren! Und was mein Partner an Bewerbungstexten zugesendet bekommt, daraus könnte man eine Bühnenshow machen. Ich befürchte aber, bald gibt es niemanden mehr, der diese Sprachwitze verstehen würde, denn es setzt sich immer mehr durch, dass für Bewerbungen genauso wenig gute Noten nötig sind wie eine fehlerfrei Ansprache.

Sucht man jemandy für eine Ausbildungsstelle, der/die vielleicht doch noch ein bisschen was kann, muss man inzwischen im Verhalten, im korrekten Sprachgebrauch und in Grundwissen nachschulen, damit es für die Ausbildung reicht. Liegt das an den unfähigen Lehrys? Liegt es an den bösen Medien? Liegt es an diesem Schulsystem?

Woran liegt es? Die Lehrys – meine Kollegys – sind sicher alles, aber nicht schuld. Mitbeteiligt bestimmt, aber weder die Ursache, noch der Motor. Sicher, sicher: Mangel an Konsequenzen, Angst vor Widerrufen, Desinteresse an endlosen Diskussionen. Bestimmt trifft auch zu, was eine Kollegin neulich zu mir sagte, dass vom Schnitt der Klasse die Cleveren von den weniger Beschenkten auch trotz mangelnden Einsatz und mangelnder Leistungsbereitschaft profitieren und so zur Möglichkeit eines Abiturs getragen werden, wenngleich es an Fähigkeiten dazu mangelt. Dadurch verwässert das gesamte Leistungsbild erheblich. Andererseits wird das Lehry durch die Form des Unterrichtsalltags mürbe wie Teig.

Beschreibe ich also mal eine sehr typische Situation aus meinem Alltag, die pars pro toto die allgemeine Situation an Schulen erklären mag. Vorab: Meine Schülys sind natürlich nicht respektlos und natürlich beleidigen sie mich als Lehrkraft nie, Tonfall ist höflich und zurückhaltend; sie sind Schafe, die zu Unrecht für Wölfe oder irgend sowas gehalten werden. Engel allesamt. Zumindest denken sie es von sich – und zwar mit Überzeugung.

Praktische Philosophie, Stufe 10, Freitag 4. und 5. Stunde in Dortmund: Ich greife mir eine leere durchsichtige Kiste und lasse alle Handys ausschalten und dort hineinlegen. Protest. „Warum?“, „Was soll das jetzt?“, „Das dürfen Sie nicht!“, „Das ist mein Handy!“, „Schreiben wir einen Test?“, „Was hab ich gemacht?“, „Sind Sie dumm, oder was?“, „Dazu haben Sie kein Recht!“ (Erstmal: JA, das des Hausrechts, alle Schülys müssen die Hausordnung lesen und unterschreiben. Darunter auch der Passus, dass die Lehrkraft das Recht hat, die Handys einzusammeln, wenn sie es für erforderlich hält.) Es dauerte 10 Minuten, die Handys am Anfang der Doppelstunde von allen einzusammeln. Von allen. Meines lag auch drin. Danach erklärte ich, dass wir mal ohne diese Dinger in der Tasche schauen können, ob wir uns besser konzentrieren. Danach erklärte ich, dass ich eigentlich nicht erklären muss, wieso ich sie einsammle und danach erklärte ich, dass dieser Protest und die Angriffe gegen mich als Aggressorin (in ihren Augen) nur zeigt, wie abhängig wir alle von diesen Dingern sind. Wieso erklärte ich das denn bloß erst danach? Ganz einfach, vorher war der allgemeine Lärmpegel so hoch, dass ich mich kaum mit meiner Stimme hätte durchsetzen können (und wollen – ich habe schließlich nur die eine). Als ich ihnen das sagte, meinten sie, sie hätten sich völlig normal verhalten und sie haben ja auch das Recht, was zu sagen, sich zu wehren. Der Unterschied von WAS und WIE ist ihnen nicht klar. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sie nach der Schulzeit, also nach 13 Jahren , für ihr respektive unser Durchhaltevermögen ein Abitur erhalten.

Aber was zeigt das? Wir Lehrys kämpfen an einer Front, an der es um Basiseinheiten des Verhaltens und des Miteinanders geht. Dass für den Rest oft zu wenig Zeit bleibt, wenn man auch noch irgendwie bemüht ist, Inhalte zu vermitteln, ist selbsterklärend. Ich befasse mich seit 6 Unterrichtsstunden in der Stufe 8 im Deutschunterricht mit sechs Stilmitteln. Sechs! Unterrichtsziel: sie sollen diese sechs Stilmittel in einem Text finden, erklären und ihre Wirkung bestimmen können. Eigentlich mache ich nur mit fünf Schülys Unterricht, die anderen malen die Buchstaben an. Oh, es geht um Basiselemente: Personifikation (nicht ganz leicht), Metapher (wirklich schwer), Vergleich (geht), Ironie (hohe Schule), rhetorische Frage (sehr schwierig) und Klimax (jaja, das ist wirklich nicht so einfach). Fünf Schülys höchstens versuchen zu verstehen, der Rest interessiert sich für die Inhalte meist sowieso nicht. Keine Frage, das müssen auch Gymnasiastys erst mal verdauen, doch dafür verschwende ich nicht so viele Stunden und ich muss mich nicht zwischendurch aufhalten mit: „Hol mal endlich dein Heft raus und schreib das ab!“ oder „Lass XY in Ruhe, du sollst das abschreiben!“, „Wirklich alles!“ auch nicht mit „Einfach, weil ich es sage! DU musst das in der Klassenarbeit können!“ oder „In jedem Text kommen Stilmittel vor, du solltest die wichtigsten erkennen und auch interpretieren können.“

Ich höre schon, du denkst, vielleicht sollte der Unterricht kreativer sein? Wer mag so trockenen Unterricht? Der Stoff ist langweilig und niemand interessiert das? Ja, sehe ich genauso. Ich habe im gleichen Kurs ein Langzeitprojekt zur Produktion eines Krimis am Laufen, sie sollen einen Krimi verfassen oder als Fotostory entwickeln. Sie haben unterschiedlich spannende Plots entwickelt und nun geht es in die Schreibphase. Die Stilmittel dienen (abgesehen von der nächsten Klassenarbeit) dazu, diese als Spannungssteigerung einzusetzen – gezielt.

Stilmittel erwähnt der Verlag pmaschinery nicht. Dafür das aber:

Anforderungen an Manuskripte – p.machinery – (pmachinery.de)

Süß wirklich, ich sehe im Geiste meine Schülys dort ihre kreativen und innovativen Texte hinschicken. Im PC-Raum, wenn sie mal einen Text abtippen sollen und eine möglichst große Schrift nutzen, verschnörkelt und unlesbar, damit es nach „mehr“ und nach „schön“ aussieht und wenn sie diese Formatierungen nicht rückgängig machen können, meine Digit-Natives, weil sie keine Ahnung haben, was im Hintergrund passiert. Jahrgangsstufe 12 (ca. 18 Jahre alt) völlig überfordert von den Möglichkeiten eines Programms wie Word. Die Generation, die Videofilme auf YouTube rauf und runter guckt, Serien streamt, die aber kein Tutorial passend für ihre PC-Fragen aufrufen kann, um sich dann Schritt für Schritt erklären zu lassen, wie man selbständig (ich weiß, es heißt jetzt selbstständig, aber ich finde das alte selbständig schöner) Veränderungen vornehmen kann. Meine Kinder? Sie sind Königys in ihrer Generation. Kann ja keiner mehr was.

Und dann denke ich, ich müsste bei einem solchen Verlag oder bei jedem sofort punkten:

  • Rechtschreibung = check
  • Satzbau = check
  • Storyaufbau = check
  • Dateiformate = check
  • Gezieltes Anschreiben = check
  • Ansprechende Geschichte = check.

Ironisch gedacht, könnte es natürlich sein, dass die Erfahrung alle Verlage lehrte, dass das Land der ehemals Dichter und Denker inzwischen ausgebrannt ist und man sich nur fremdländische Literatur in die Läden holen sollte, dann ist die Ausbeute besser. Natürlich, da kann ich auch als deutsche Pflanze nicht so viel reißen. Vielleicht dauert es nicht mehr lange, und Verlage lassen eine KI dran, die die Texte produziert: Was ist GPT-3 und spricht das Modell Deutsch? – Lernen Wie Maschinen (lernen-wie-maschinen.ai)

Gut, da ist einiges dran: der Verlag verdient nicht so viel an einem Buch, wie man glauben möchte, der größte Batzen geht wohl an den Buchhandel. Ein fremdländisches Buch respektive ein Roman bedeutet zwar noch Vermarktung und Übersetzung, aber die Kosten und das Risiko sind überschaubar, denn das Buch ist zumindest lektoriert und schon auf dem ausländischen Markt erprobt. Ich habe noch keine nennenswerte Veröffentlichung und auf mich und meine von mir fabrizierten Wortketten wartet keiner.

Sowieso steigt das Risiko, mit meinem aktuellen Roman bei einem konventionellen Verlag zu landen: zu lang (mindestens dreimal so viel, wie ein Erstling lang sein sollte), falsches Genre (Science Fiktion hat in konventionellen Verlagen wenig Lobby), mit der falschen Zielgruppe (Frauen lesen keine SF-Literatur) , dann auch noch so was Experimentelles (zwei Erzähler parallel) und zuletzt das Thema (Pandemie – wirklich jetzt?).

Tja, wie bewege ich einen Verleger dazu, trotzdem durch dieses Fernrohr zu schauen, um die Wahrheit zu erkennen? Die eine Wahrheit, so war mit Gotty helfe!

Ich hoffe, dass Steven King recht behält: Gute Literatur setzt sich durch. Ich meine, aus seiner Sicht hat er damit auf jeden Fall Recht: Entweder wird etwas (wie seine Texte) veröffentlicht und sie sind damit gut oder sie werden nicht veröffentlicht (wie nicht-seine Texte), dann sind sie es nicht wert. Aus meiner Perspektive aber betrachtet: Meine Texte sind gut, nicht aber veröffentlicht. Kein Verlag, keine Agentur hat bislang „HIER“ geschrien. Und ehrlich gesagt, vor allem nach dieser oben genannten Darbietung, hätte ich damit gerechnet. Zumindest ein kleiner Verlag, so ein winziger.

Nichts.

Statt dessen schon vier Absagen.

Sonst Stille.

Und das bei meiner Ungeduld.

Und meiner Eitelkeit.