Drehbuchwerkstatt München, die Zweite – Action.

Ich habe mir also noch einmal die Bewerbung für die Drehbuchwerkstatt München vom letzten Jahr vorgelegt und gesehen, dass ich meine Komödie von der Königin und ihrem Piraten sowie meine Ökoterroristin ins Rennen geschickt hatte. Bis Ende Dezember habe ich Zeit. Eigentlich sollte es einfach sein. Könnte man meinen. Da ich aber einen Serienstoff beifügen muss, um für den „Writers Room“ die Werkstatt zu machen, muss ich einen neuen Stoff erarbeiten.

Ja, diese kleine Ökoterroristin will ich noch einmal anheben, sie wachsen lassen. Ich dachte, eine bisschen die U. Meinhof einzubringen. Nachdem ich aber gerade mal ein wenig die Biografie bei Wiki gelesen habe, muss ich sagen, dass sie sich vielleicht weniger eignet als ich dachte. Ihre Biografie liest sich so, als habe sie schon immer politisch gehandelt und als habe man sie deswegen sehr menschenrechtsfeindlich in der Haftzeit behandelt. Meine Ökoterroristin soll wegen ihrer sozialen Isolation sich selbst zunehmend radikalisieren, weil sie sich zum ersten Mal gesehen fühlt. Wenn wir Bestätigung für irgendetwas bekommen, was wir gemacht haben, neigen wir zur Wiederholung, weil wir Bestätigung wollen, für unser Selbst. Wenn wir Glück haben, können wir uns davon befreien, wir können es durchschauen und erkennen, dass wir für etwas und nicht um unseretwillen geliebt werden. Da wir aber meistens gar nicht so objektiv von außen auf uns gucken können, bekommen wir diesen Moment oft gar nicht mit. So passiert es meiner Ökoterroristin, die sowieso sehr jugendlich ist und noch immer irgendwo nach Anschluss sucht, dass sie sich selbst für eine wichtige Person im Kampf gegen die Klimakrise hält.

Als Serienstoff will ich meine Serienidee Nummer eins nicht verwenden. Ich will diese Idee nicht für einen Probelauf verspielen. Wenn ich mit den Y-Chroniken bei einem Produzenten oder einer Produzentin starten will, dann mit einem guten Konzept und einem Papier in der Tasche, dass mich zumindest nicht mehr ganz so laienhaft aussehen lässt. Und da habe ich in den Tiefen meines Geistes die Idee ausgegraben, die als Komödie zumindest witzig ist: Das verschwundene Land. Die Zwergen als Bösewichter des Universums. Das ist doch mal was anderes. Ein Mix aus Fantasy, Märchen, Science Fiction und Komödie mit Drachen, Antihelden und vielen süßen Hinweisen quer durch die Kinderfilmklassiker: Alice im Wunderland, Peter Pan, Findet Nemo, Drachenzähmen leicht gemacht, Jim Knopf, Die unendliche Geschichte, Märchenbraut. Das sich auszudenken, ist wirklich lustig. Irgendwie ist es ein satanarchäolügenialkoholischer Mix. Wie ich das auf zwei Seiten darstellen soll, weiß ich allerdings nicht. Ich formuliere herum und experimentiere am offenen Körper.

Um das Experiment zumindest ein wenig erfolgreicher zu machen, sollte ich vielleicht einen Writer’s Circle einberufen, damit das Ganze ein bisschen mehr Konturen bekommt. Mal sehen, ob es dafür Interessentys gibt.

Als Dialog würde ich vermutlich eine Stelle aus der Ökoterroristin nehmen, denn daran habe ich ja schon technisch gefeilt und gearbeitet. Ja, den Text finde ich hier und da trocken, die Story auch, ist aber gut ausgereift. Mal sehen, ob ich dann bei diesem Durchlauf erfolgreich bin.

Was darf es werden? – Rätselhafte Zukunft bleibt es … fort und fort

Von irgendeinem fernen Moment in der Zukunft aus wird klar sein, wieso ich mich wann für welchen Weg entschieden habe, doch heute? Ein Rätsel, ein Kraftakt der Entscheidung, ein Widerstreit all der Möglichkeiten.
Ja, jeder Moment kann diese Spannung in sich halten, doch manche Lebensmomente scheinen mich innerlich zu zerbersten, kaum auszuhalten ist diese Unerträglichkeit des Nicht-Wissen, ja das Nicht-Wissen oft so segensreich, ist jetzt kaum zu ertragen. Ach ich glaube auch, ich könnte ersticken an dem Flimmern hinter meinen Augen, wo vermeintlich das Gehirn sitzt. Und das wiederum dürfte allen nicht-theatralen Menschen widerlich überstreckt erscheinen, geradezu klebrig.

Wochen befasste ich mich mit den ersten 50 Seiten, mit dem Exposé und wieder mit den ersten 50 Seiten und dann wieder mit dem Exposé. Noch einmal alles laut irgendwem vorlesen. Meine Auslassungspunkte, […] um die 50 MS-Seiten zu markieren, wanderten wie Krebse vor und zurück und vor und zurück im Arbeitspapier. Neue Auslassungszeichen als Marker. Inzwischen merke ich, wieso das Exposé so wichtig ist, was daran schwierig ist und wie man das in Griff bekommt. Mir schwirrte der Kopf; drehte sich um sich selbst unsichtbar von außen, er rotierte vornüber und seitlich. „Kettenbildende Handlung“, „Wendepunkte“, „Hauptcharaktere“, „Figurenlogik“, „Must, Don’t, Need & Want“ … Jedes Mal wenn ich dachte, jetzt kann man kaum noch was daran schrauben; weggelassen hab ich vieles – alles verschmerzbare Nebenhandlungen. Aber werde die Figuren deutlich genug? Ist die Handlung klar? Zeigt sich die Tonalität? Und schon wieder könnte ich mich im Kreis drehen.

Dieser Wettbewerb (Alfred-Döblin-Ausschreibung) kann meinen Wendepunkt markieren, meinen für das Schreiben. Möglich, vielleicht auch nicht. Was ist, wenn die Geschichte doch keinen Widerhall findet – diesmal? Ich sitze schon hier, beiß auf den Nägeln rum, wenngleich sicher noch keine Wahl getroffen ist – schließlich ist gerade erst Dezember, ein Monat liegt zwischen der Abgabe und dem heutigen Tage.

Aber der nächste Druck steht an der Tür: 7. Januar 2023: Abgabe für eine Drehbuchgeschichte. Und ich weiß gar nicht, welche ich da nehmen soll. Was ist gut genug? Was kann ich bis dahin schleifen? Ich muss endlich meinem Schreiben diesen Raum geben, egal, ob Klausuren mich bedrängen oder nicht. Wir müssen alle dadurch, dass ich mir diesen Raum erkämpfe.

Dann meine vertickenden zwei Jahre, eigentlich noch achtzehn Monate, vlt. einundzwanzig. Wie gabelt sich mein Weg auf? Aktuell sind die Optionen so reichhaltig wie das Menü zu Weihnachten; üppig, zum Anbeißen, Achtung: Völlegefühl. Inzwischen die einfachste Idee ist die, nach Italien zu gehen und einfach alles andere erstmal hinter mir zu lassen, vielleicht irgendwo an der Küste zu arbeiten, bisschen Taschengeld und dann in der Zeit drumherum zu schreiben. Die einfachste, aber vermutlich nicht die richtigste. Und richtig: Richtig kann man überhaupt nicht steigern. Die Frage ist doch: WIE will ich leben? Ich weiß genau, vom Schreiben leben werde ich nicht mehr können. Vermutlich nicht. Zumindest nicht den klassischen Weg vom Tellerwäscher … und so weiter. *haha

  • Ausbildung zur Yogalehrerin? Yoga intensiv? Bringt mich das voran? Ja, vermutlich mich, aber den Rest?! Haha. Zumindest hätte ich eine Jobperspektive – wenn auch nicht für den Lafri-Kurs.
  • Studium Drehbuch? Bringt mein Schreiben ganz sicher voran. Aber auch mich? Auch meine Beruflichkeit? Was ist mit der Lafri-Perspektive?
  • Rückzug und Konzentration auf das Schreiben? Bringt mein Schreiben sicher voran, meine Lebenslust auch, aber auch meine Beruflichkeit? Was ist mit der Lafri-Perspektive?
  • Statt mir Sorgen machen, einfach Reisen – einmal Welt und zurück. Irgendwie geht es ja weiter.

Was also darf es werden?

Die Agentur und das Exposé

Meine Logline: Als die letzten Männer nur noch in Frauenkleidern versteckt auf die Straße gehen können, entscheidet eine Ärztin, ob die Männer noch zu retten sind.

Ich habe 13 Agenturen und Verlage angeschrieben und jede Mail fühlte sich wie das Ausbrüten eines Eis an. Für die Henne sicher aufregend, ein Ei zu bebrüten, Tag für Tag, während ich aktuell mit 3 verschiedenen Exposés jongliere und mir einen Spaß daraus zu machen versuche, dass es ein Experiment sei, welches wohl Erfolg bringen könnte. Bringt denn eines Erfolg? Ich habe in den letzten Tagen NUR 13 Agenturen angeschrieben, nicht mehr und nicht weniger. Wenn man aber eine Agentur anschreibt mit dem Wissen, nie wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen, wenn man den Empfänger der Mail nicht direkt erreicht, dann …

Jede Mail ausgebrütet. Während dessen bestimmt auch acht Mal die Leseprobe gelesen und korrigiert. Hier ein Wort, da ein anderer Satz und noch einen Rechtschreibfehler gefunden und da versteckte sich noch ein winziges Detail.

Und jede Agentur will was anderes: Hier mal ein Fragebogen, dort 30, hier 10 Manuskriptseiten (ca. 1800 Zeichen pro Seite), eine Kurzzusammenfassung und ein Exposé und einen Klappentext, dann wieder nur 1 Seite zum Inhalt. Da kann man brüten und brüten.
Ein Hauch Tarantino-Genie hätt ich gern – ein winzigen Hauch. Meine Ausfahrt „Film“ liegt noch etwas in der Zukunft, aber „träumen wird man ja wohl noch dürfen, junges Fräulein.“

Die feministische Near-by-Dystopie erzählt – nach einer großen Katastrophe – aus zwei Ich-Erzähler-Perspektiven von der Umbruchphase der Gesellschaft, die sich in eine mono-geschlechtliche Gesellschaft verwandelt.
Jacek erzählt „Unten“ in passageweisem, philosophisch-essayistischem Präteritum in Form eines Prosatagebuch, während Anna „Oben“ in kurzen, verknappten in Präsenz verfassten Berichten das aktuelle Geschehen sowie ihre Forschung kommentiert und dokumentiert.

(Auszug aus meinem Exposé III)

Klingt das danach, dass man weiterlesen will? Ich meine, es klingt wie eine technische Erklärung, wenig interessant. Wie aber fängt man seinen Leser ein, wenn man ihn nicht kennt, wenn man nicht weiß, welche Interessen er oder sie hat, wenn man keine Infos hat, aber ihn dringend mit den ersten zwei Sätzen für sich gewinnen muss? Ich hab’s versucht, die Homepage gedeutet, die Tonalität, den kritischen oder fröhlichen Ton, mit dem sich Agenturen über unverlangte Manuskripte äußern. Ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge, den Agenten oder Verleger, wie er am Strand Stein für Stein lüpft und zur Seite wirft, weil er darauf hofft, einen Bernstein zu finden. Wie er schon Stunde um Stunde und Tag um Tag Steine umdreht, hochhebt und manchmal sogar denkt, dass doch bitte da irgendwo auch etwas Bernstein drin sein könnte. Natürlich weiß er, dass da kein Bernstein im Stein sein kann, nur daran. Ist ja Harz. Aber er wünscht sich so sehr und ist es gleichzeitig müde.

Einfach nur eine Mail schicken, alle Agenturen mit Leseproben und Exposés beregnen… Ich bin kein geduldiger Mensch.

Plötzlich hat sich die Welt verändert, als ein Virus, der als Schläfervirus in die Geschichte eingehen wird, nahezu alle Männer innerhalb weniger Wochen und Monate weltweit auslöscht. Frauen kämpfen um ihre Männer, die Versorgung und die Vermeidung von Seuchen. Börse, Banken schließen, das weltweite Wirtschaftssystem bricht zusammen. In Deutschland wird der Notstand ausgerufen, jedes Bundesland erhält Länderhoheit, nachkriegsähnliche Zustände wie fehlende Nahrungsmittel, fehlende Arbeitskräfte und zahlreiche Tote überall bestimmen den Alltag. Ängste, Hunger sowie Ausweglosigkeit führen zu vielen kollektiv organisierten Selbstmorden.

Politisch setzt sich eine Fraktion durch, die bei den letzten Bundestagswahlen als feminstisch-faschistische Partei gerade in die 5%-Hürde genommen hatte, die belächelt worden war, weil sie nur aus Frauen bestand. Eine scheinbar kleine Gruppe organisierter junger Frauen sucht gezielt nach Überlebenden, um sie zu töten, während andere Gruppierungen nicht aufhören, Trauergesang anzustimmen. Wieder andere sehen darin ein Zeichen Gottes, füllen sich erlöst, während weltweit die Ärztinnen immer weniger Hoffnung haben, rechtzeitig ein Heilmittel zu finden.

Auch aus diesem Exposé III

Ich muss übrigens sagen, dass meine ganze Ironie, die ich in der Corona-Krise immer wieder aus Pietätsgründen höchstens privat äußern durfte, hier hab einfließen lassen. Mir hat es so viel Spaß gemacht, dass humoristisch zu überzeichnen, auch im Roman kommt das immer wieder durch. Bist du interessiert an der Geschichte? Würde dir das reichen, um meinem Manuskript Raum zu geben? Der ganze Rest meines Exposés … hier ist er:

Als der Mann, JACEK KOWALSKI (55), Ehemann der Gynäkologin ANNA KOWALSKI (53) einer der wenigen Überlebenden ist, glaubt die Ärztin, ein Impfstoff oder Heilmittel finden zu können und sucht gezielt nach weiteren Überlebenden, die sie gemeinsam sechzig Tage mit ihrem Mann im stillgelegten Bergwerkstollen versteckt. Die Männer willigen ein, weil sie hoffen, dass Anna auch ein Mittel gegen die Unfruchtbarkeit findet und ihr Versprechen auf Versorgung einlöst. Jacek soll die Verwaltung und Logistik übernehmen.

Untersuchungen, Gespräche, Tests bestimmen den Alltag. Kleine Dinge wie Lebensmittelbeschaffung, Schlachtung von Zuchtvieh, Müllentsorgung werden zu großen. Abendgespräche, Nachrichten vom Tage füllen den Abend. Warten und die Zeit des Wartens Überbrücken werden somit zum Hauptthema im Stollen. Den Höhepunkt erreicht das Warten mit der Inszenierung von Beckets „Warten auf Godot“ durch zwei ältere Herren der Männergruppe.

Anna lebt fortan ein Leben zwischen Stollen, Krankenhaus und weiteren Verpflichtungen, dass ihr jede Zeit zum Nachdenken oder zur Ruhe nimmt. Die Zeit rennt währenddessen den Männern davon, denn wie lange kann ein Impfstoff noch von Nutzen sein, wenn immer weniger Männer in der Bevölkerung sind? Und was passiert mit den Männern im Stollen, wenn das Warten und der Ausgang des Wartens ungewiss sind? Nicht zuletzt, was wird aus der Beziehung zwischen Mann und Frau in diesem allumfassenden Umbruch?

Was ist, wenn die Frauen so überzählig werden, dass sie alles, was an den Mann erinnerte, ausradieren, umgestalten und umwerten? Wohin wird sich die Gesellschaft entwickeln, wenn der Impfstoff nur noch die Jungen retten kann, die noch nicht in der Pubertät sind und damit fünfzehn oder zwanzig Jahre lang keine erwachsenen und reifen Männer unter den Frauen leben? Wie sähe eine weibliche Welt aus? Wäre sie gerechter? Hätten die wenigen verbliebenen Männer eine Chance zu überleben? Würde sich die Dualität in eine Diversität auflösen? Können wir Menschen die Polarität zwischen Dominanz und Unterwerfung überwinden?

Am Ende des Romans ist der Impfstoff zwar gefunden, aber das bietet nun keine Lösung mehr, denn die Welt, wie sie vor dem Ausbruch des Virus existiert hatte, ist verloren. Die Männer ziehen sich in den Norden Deutschlands zurück, während Anna in dem neu gegründeten Frauenstaat Oya bleibt.

Dies ist der erste Teil einer fünfteiligen Handlung, die die Entwicklung der Welt nach dieser Katastrophe erzählt,  bis sie in der vierten oder fünften Generation überwunden werden kann.

Sag, würdest du das lesen wollen oder ist dir das zu viel oder zu schwierig?

Schritttempo – Denkprozesse – Ausstieg und ein Einstieg

Der große Ausstieg. Vielleicht ist es am Ende ganz lautlos, klein und im Rückblick simpel und einfach. Mir scheint es so gewaltig – lange Schatten im Voraus, weil ich weg will.

Ich will reisen und das tun, was ich will.

Gott, ich Privilegierte.

Zerbrechlichkeit der Pläne in dieser Zeit … und doch, ändern muss ich unbedingt etwas. Ich brauche den Raum für das Schreiben. Ich habe es mir versprochen.

Wenn mich der Mut verlässt? Der Mut? Mich verlassen? Wie soll das gehen? Ängste haben doch noch nie mein Leben bestimmt – oder doch? Hoffe ich doch gar darauf, dass eines meiner Kinder Kinder bekommt und mich abhält, eine der waghalsigen Ideen in Taten einzulösen: Mit der Transsibirische Eisenbahn nach Asien; in Italien (vielleicht Sizilien) leben und schreiben; durch Deutschland zu touren – Theaterkurse, Schreibkurse und Housesitting für die Freiheit des Schreibens.

Die Zeit bis zum Ausstieg läuft an, zählbar in Tagen: Das Schuljahr bis zu den Sommerferien (133 Tage), dann noch drei Schuljahre. Überschaubarkeit der verbleibenden Zeit: ein Leistungskurs, drei Literaturkurse, eine halbe Klassenleitung, sogar die Konferenzen sind zählbar. Das allein klingt, als hätte ich Haftlockerungen. Wie oft soll ich sagen, dass nicht der Unterricht das Problem ist, sondern der ganze Rest: morgen zur anderen Schule, weil meine Schüler kleinen Grundschulkindern Angst gemacht haben (vielleicht); ein anderer meiner Schule löste letzte Woche Feueralarm aus; ein Schüler schubst mich (aus versehen), weil ihm nicht gefallen hat, dass ich ihm den Ball abgenommen habe, mit dem er auf dem Flur spielte. Ach, das sind nur so ein paar Schlaglichter, falsch „Schlaglöcher“. Diese Ereignisse erschweren den schleppenden Gang im Unterricht unermesslich. Diskussionen in jeder Stunde, ob man denn überhaupt was lerne! Seitens der Schüler und Schülerinnen wenig Einsatz für irgendwas. Meiner letzten Rettung beraubt, kann ich nicht einmal mehr aus Theaterkursen die nützliche Erkenntnis ziehen, dass sie gar nicht unwillig nur verhindert sind, diese Jugendlichen, diese SchülerInnen. Korrekturen, Frechheiten, Maßlosigkeiten … Natürlich müssen Jugendliche frech, ausfallend, maßlos und anspruchsvoll sein – aber ich habe genug davon gehabt. Mir reicht das jetzt. Ich habe nicht die Größe wie andere Lehrkräfte, darüber zu stehen. Wofür auch? Das ist mein Leben und ich will es zurück, ich will mich nicht permanent für dämliche Richtlinien verbiegen; Dinge lehren, deren Sinn ich nicht erkennen kann; Menschen etwas antun, was sie ein Leben lang beschäftigt, nur weil mein Arbeitgeber keine bessere Idee hat, als als Leistungsüberprüfung Noten zu verlangen; weil die Gesellschaft keine bessere Idee hat, als Noten als Vergleichswert anzuerkennen – trotz aller gegenteiliger Erkenntnis, wie unfruchtbar das ist.

Ich will mein Leben zurück. Ja, das, als ich noch selbst Inhalte meines Denkens bestimmen konnte. Als ich noch meine moralischen Werte vertreten durfte und konnte.

Wenn ich was bewegen könnte – hätte ich was gesagt? Würde ich klagen, wenn ich wirklich was bewegen könnte, was verändern könnte? Kann ich? Lächerlich! Ich kritisiere die Form der Schule: Noten, Unterrichtszeiten, Unterrichtsfächer, Raum, in dem das, was wir Schule kennen, stattfindet, die Regeln, die für das gelten, was wir „Schule“ nennen (Essenszeiten, Arbeitszeiten, Pausezeiten, Klozeiten … alles so unmenschlich festgelegt). Schon das Wort „Schule“ vergiftet jeden Kontext, in dem Lernen stattfinden soll oder kann oder darf.

Aber zurück zum Ausstieg – ich entschuldige mich für diese Emotionalität — ich wollte nur mal klarstellen, dass ich keine Flusen oder Fussel oder Flausen im Kopf habe, weswegen ich meinen Beamtenstatus aufgeben will.

Lucy wird in zwei Jahren und drei Monaten fertig sein. Dann plane ich den Auszug aus dieser Wohnung. Zwar will Diondra bis dahin noch hier wohnen, doch auch sie muss dann weichen. Wohin ist noch unklar. Falls sie hier bleiben will, müsste sie eine WG gründen und das kann sie sich in dieser Wohnung nicht gut leisten – die Schlafräume sind schlichtweg zu klein. Ich möchte zu meiner Freundin ziehen, um unser beider Ressourcen (einmal Strom, einmal Gas, einmal Telefon) zu schonen und um für den Aufbruch eine Reserve zu haben. Lucy will reisen (woher hat sie das bloss?) und ihre Sachen beim Vater unterstellen – der davon noch nicht weiß. Tja, da gibt es Dinge in dieser Wohnung, die ich selbst unterstellen müsste, die ich verkaufen oder loswerden müsste: Möbel, Bilder, Bücher, Akten. Und ich weiß nicht, für welchen Zeitraum. Das ist noch so offen.

Meine Pläne sind vielfältig, was die Zeit nach dem Ausstieg sowie die Vorbereitung darauf betrifft:

„Denken lernen in einer fremden Sprache“ – ein langfristiges Projekt, dass eine Mischung aus populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher empirischer Untersuchung des Erwerbs einer zweiten Sprache sein soll. Ich verfasse während des Lernens der italienischen Sprache Erfahrungsberichte zum Lernprozess. Ziel ist das Denken in der fremden Sprache. Dafür muss ich in Italien leben, wenn ich meinen Job aufgegeben habe. Es gibt Ideen und Optionen: Evtl. gibt es Finanzierungsmöglichkeiten über das Goethe-Institut — mal fahnden. Könnte sein, dass ich dafür ein Exposé bräuchte.

„Wie wollen wir leben? – Kleinfamilie als gesellschaftlicher Tod“ – etwas, worüber ich schon lange schreiben möchte – nicht aber ohne Recherche und Zeit. Aus meiner Sicht ist unsere Gesellschaft zu linear angelegt, die Familie, die Sippe, die Gemeinschaft hat zu wenig eingeräumten Platz darin, sondern muss so irgendwie daneben funktionieren und das macht krank (die Bildung, die Psyche, die Gesellschaft), weswegen wir auch gern die Placebos von Konsum wie Pillen inhalieren, in der Hoffnung, dass das Abhilfe schafft. Ein bisschen hilft es, für den Rest brauchen wir die Psycholog:innen und weitere Ablenkungen. Es gibt aber eine Sehnsucht. Also das würde ich gern schreiben. Das kann ich überall schreiben, auch im Zug der Transsibirischen Eisenbahn.

„Dreh dich, Schwänzchen“ läuft fast von allein. Der zweite Teil meiner Virus-Serie. Drei Jahre nach dem Großen Sterben. Andere Hauptfiguren, andere Nebenrollen. Sklaverei und die Suche nach der Lust. Umgang mit dem Verlust. Ein Krimi mit Mord und Intrigen, die Vorbereitung auf einen Krieg und der Suche nach einem neuen Glauben. Alles drin, was man braucht. Das hab ich schon begonnen und stocke gerade. Stocke, Stocke … ich muss weiter dran.

Außerdem ein paar Kurse, ein paar weitere Projekte, die irgendwie untergebracht werden wollen: Drehbuch-Kurs, DaZ-Zertifikat-Kurs, Cello, Tango, Yoga … am liebsten alles parallel. Einiges davon benötige ich vorbereitend für meinen Ausstieg, auch wenn das gar nicht so offensichtlich ist. Wirklich wichtig von all dem ist der DaZ-Kurs, weil der mir in der Fremde einen Job sichern könnte.

Es gibt auch ein paar Ideen für das sichere Netz, falls ich doch stürzen sollte … ein paar. Schöne Optionen. Mal sehen, was davon am Ende hält.

„Unten – Oben“ – abgeschlossen. AUF AUF zum Exposé

Fühlt sich sehr gut an, wenn man sagen kann: Ich hab’s fertig!

Nicht getippt und ausgedruckt liegt er vor mir, aber als E-Book lesbar. Ein Buch, das dieses Format liebt, denn eigentlich sind es zwei Bücher, die ineinander verwoben sind. Perspektivisches Erzählen. Nun folgt der nächste Schritt ein Exposé. Über alles kann ich schreiben, doch über meine Texte eine klare Aussage zu treffen ist schwierig.

Das Workbook „Deine perfekte Drehbuch-Idee“ von Aleksandra Kumorek im anderen Reiter offen verlangt von mir bereits nach dem ersten Aufschreiben meiner Idee, dass ich überlege, was diese Idee mit mir persönlich zu tun hat.

Was hat die Idee persönlich mit mir zu tun?

Persönlicher Zugang

Persönlich?

Vielleicht, dass Thema Männlein vs. Weiblein? Zum einen mag ich Männer, finde sie interessant, witzig und reizvoll, weil sie anders sind als Frauen, zum anderen sind Männer – nicht alle – aggressiv, dominant und feindselig. Ich kenne solche Männer nicht – möchte ich sagen, aber das ist nicht wahr. Ich bin eine Frau und habe Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht, die ersten mit elf. Toxische Männlichkeit wird das inzwischen genannt, weil wir endlich darüber reden. Andererseits: So sind Männer gar nicht. Seit meiner Ermächtigung habe ich nur einen Grenzfall erlebt, meistens sind sie wirklich vor allem anders als wir Frauen. Ich schätze diese Sachlichkeitsbezüge, diese eigenwillige Blickweise und diese andere Form des Seins. Rollenbilder, Idealisierungen, Stereotype – alles nur Konstrukte. Unsere Gesellschaft entwirft diese Gedankengebäude, in denen wir dann gefangen sind. Insofern stimme ich Adorno zu, dass wir nicht über diesen Tellerrand hinaus erkennen, dass wir in diesen unsichtbaren Gefängnissen leben, weil wir es nicht können. Die Morphologie lässt das nicht zu.

Aber ist das mein persönlicher Zugang?

Vielleicht der: Ich hab 2009 wegen einer Theatergruppe, die zu einem sehr hohen Anteil aus Frauen bestand, ein Frauentheaterstück entwickelt. Ein männlicher Kollege leitete den Musikpart und unterstützte die Theaterarbeit. Aus einem Spaß heraus entwickelte ich die Frage: Was wäre, wenn plötzlich alle Männer weg wären und wenn schon lange keine Männer mehr auf der Erde leben, weil sie ausgestorben waren? Wie würde sich die Gesellschaft verändern? Und was, wenn dann ein paar Jugendliche, aus Trotz und Neugier, Männer klonen, weil das Klonen verboten werden soll, weil das Sprechen über die Männer verboten ist, weil sie Männer überhaupt nicht kennen, außer als Testosteron-Monster? Was würde dann passieren, wenn die Frauen mit dem Mann nach 50 Jahren konfrontiert würden? Würden Männer dann nicht andere Rollen aufgedrückt bekommen? Welche wären das? Was für Rollenbilder und idealisierte Stereotype bleiben dann? Zumindest mein Kollege und ich hatten Spaß an dem Thema. Und mich hat es nicht losgelassen – hab das Stück drei mal inszeniert und bin drei Mal gescheitert.

Persönlicher?

Ich dachte, aus dem Scheitern heraus gäbe es eine Chance, nämlich das Transfermedium zu wechseln – oder mir erneut andere Probanden zu suchen 🙂 Also Drehbuch. Schreib ich das selbst, dann hab ich beim Film auch die Möglichkeit der Schauplatzinszenierung, also Bild statt Worte. Die reifen Figuren könnten durch Spieler:innen dargestellt werden, die auch reifer sind. Dann sind da diese vielen denkbaren Nebenhandlungen: Familie, Architektur und Kunst, Beziehung und Liebe, ein totalitäres Regime, all das kam bislang zu kurz.

Dafür wollte ich nur die Vorgeschichte kurz niederschreiben … 800 MS-Seiten weiter ist das Ergebnis. War das genug, um den Punkt „Authentizität“ zu erfüllen?

Dein größter Schatz ist deine Lebenserfahrung. Deine Erlebnisse, deine Begegnungen, dein individuelles Denken und Fühlen. Das ist es, was deinen Stoff einzigartig macht. Was ihn von den anderen Stoffen abhebt. Was ProduzentInnen interessiert.
Überlege: Wo kannst du aus deiner Erfahrung schöpfen? Worin bist du ExpertIn? Deine Erlebnisse, deine Begegnungen, deine Einsichten sind dein persönlicher Schatz, den es zu bergen gilt. Natürlich darfst du deine Geschichte auch als Science-Fiction-Thriller, als historischen Stoff oder als Fantasy-Romanze erzählen. Aber das ist nicht die Basis deiner
Geschichte. Die Basis ist deine Lebenserfahrung, dein individueller Blick auf die Welt.“ (Aleksandra Kumorek)

Ich zähle auf den Workshop bei ihr und hoffe, dass ich am Schluss ein schickes erstes Exposéchen habe.

Welche Schritte haben nun zu folgen?

  1. Betaleseratten ab Februar Texte verteilen
  2. Parallel Exposés an Agenturen senden
  3. Ostern abarbeiten der Rückmeldungen der Betaleseratten
  4. Bis zum Sommer abwarten, was für Rückmeldungen von den Agenturen kommen
  5. Abhängig von Rückmeldung die Vermarktung planen.
    1. Vermarktung?
    2. Vermarktung?
    3. Vermarktung?

Meine Figuren — alle neune

Neune – das wäre ja schön …

Schritt 4 verlangt von mir, dass ich über mein Figurenensemble nachdenke. Über alle? Irgendwie wohl. Ein Schnelldurchlauf will mir da nicht gelingen. Es gibt schauplatzabhängige Figuren, manche wichtiger als andere, manche nur phasenweise wichtig.

Unten sind anfänglich 29 Männer sowie die fünf Frauen aus Annas Team. Von den 29 Männern sterben einige (Jannick, Alex, Nils Dimitri, Niklas, Dennis), andere kommen dazu. Zunächst sammelt Paul Pierre in der Stadt auf, der Angst vor Frauen hat und eunuchisiert wurde, dann folgen fünf, die die Impfung überlebt haben, unter anderem der drogenabhängige Doktor und der frauenhassende Feuerwehrmann. Am Schluss sind es wohl 30 Männer, die den Stollen gemeinsam verlassen und in den Norden Deutschlands aufbrechen. Wozu brauch ich die alle? Damit es glaubwürdig eine Männerenklave wird, ein anderes Konzept wäre, die Figurenzahl einzudampfen und Emmas Liliths Schwestern viel aktiver Überlebende einzusammeln. Führte dennoch zu einer großen Zahl Männer, man müsste aber nicht so ständig mit ihnen hantieren.

Soweit zu den Männern, da gibt es aber auch noch etliche Frauen vor allem OBEN: Die Clique von Anna (Bianca, Fran, Nadel (die tot ist), Miri, Nicole), das Team von Anna (Salma, Nanja, Emma, Katharina), die direkt bedeutenden Kolleginnen im Krankenhaus Tina und Francis und die Leiterin der Notstand II (Martina) sowie die Bürgermeisterin Andrea … Daneben noch einige Randfiguren, wie eine Uturistin und sich als Liliths Schwester ausgebende Frau, sie tauchen auf und ab. Viele viele Figuren. So viele kleine Geschichten und Episoden ergeben sich daraus, die teilweise nur angedeutet werden, wie zum Beispiel die Liebesgeschichte zwischen Jannick und Nanja, die sich im Stollen entwickelt und kurz vor Ende der 60 Tage durch Hinrichtung beider Liebenden zerstört wird. Wie soll ich das alles in ein kurzes fünfseitiges Exposé bringen?