Exklusiv: Interview mit einem Newbie am Autorenhimmel. Die Debütautorin Scarlett H Mirro erklärt

Ich hab es mir nicht nehmen lassen, wo ich schon mal so dicht an einer Autorin herankomme, mit Scarlett H Mirro ein Interview zu führen. Hier präsentiere ich es im klassischen Frage-Antwort-Format.

Hallo Scarlett H Mirro. Wir haben bereits berichtet, wie du zu deinem Künstlernamen gekommen bist. Wie siehst du das heute?

Viele machen mich darauf aufmerksam, dass hinter dem H doch wohl der Punkt fehle. Das Fehlen wird nicht als Besonderheit, sondern als Fehler wahrgenommen. Das hatte ich nicht bedacht.

Und hat das eine Konsequenz für dich?

Tatsächlich überlege ich, weil ich ja keinen „fehlerhaften“ Namen nutzen will, ob ich das ändere. Vielleicht.

Von deinem Künstlernamen abgesehen, ist ja auch der Titel eher ein Arbeitstitel, oder?

Eigentlich hatte ich den Titel für einen genialen Wurf gehalten. Kurz, eindeutig und vieldeutig, aber ich gebe heute zu, er geht doch wenig flüssig von den Lippen. Na, letztlich frag ich mich, ob man auch Grisham gefragt hat, wie er zu „Die Jury“ kam.

Ein Titel ist wie der Name eines Kindes. In vielen Augen eigenartig oder falsch oder deplatziert oder unpräzise, doch mit der Zeit gewöhnen sich auch die größten Kritikerinnen und Kritiker, bis es „normal“ ist, dass der Roman oder die Geschichte so heißt.

Dabei gibt es eine echte Erklärung für diesen Titel. Die Loge „Liliths Schwestern“ gibt fiktional betrachtet als Rahmenhandlung diese Teile als Hinterlassenschaft der letzten Männer heraus. Es sind alles Dokumente, die diese Loge archiviert und für die Nachwelt erhalten will, damit die Männer als Teil der Gesellschaft – wenn auch historisch geworden – nicht in Vergessenheit geraten. Diese ersten Dokumente oder Akten, hat die Gründerin Emma Seidensticker gesammelt, nämlich als Akte „Oben“ von der Impfstofffinderin Anna Kowalski und als Akte „Unten“ von ihrem Ehemann und ersten Überlebenden Jacek Kowalski. Sie hat die Akten nach dem Ort unterschieden, damit die Namen der Erzähler und der Erzählerin nicht öffentlich werden. Wenn man so will, sind „Oben“ und „Unten“ Codewörter.

Oh ja, das klingt auf jeden Fall nach Verschwörung und Geheimorganisation.

Ja, das ist ja verrückt. Mensch. Vielleicht klingt es so, weil das ja alles sogar drin ist! Verschwörungstheorien tauchen zahlreich auf. Eine hier und eine da. Es gibt einige ganz lustige Geschichten dazu, zum Beispiel …

Nicht spoilern. Stoppt. Davon lass uns später reden. Doch was uns außerdem brennend interessiert: Wie verlief die erste Lesung?

Die erste Lesung? Ja, schön, dass du mich darauf noch einmal ansprichst, aber das war nicht meine glanzvollste halbe Stunde. Ich war zwar vorbereitet, doch hab ich einen der Kardinalsfehler begangen. Wirklich niemals sollte man an einem Ort sprechen, ohne vorher eine Probe gemacht zu haben. Die Akustik war wirklich schlecht. Ganz selbstkritisch muss ich zugeben, dass ich selbst nicht deutlich genug in die Geschichte einführt habe. Ich wollte es richtig gut und richtig spannend machen und hab damit leider den Kern der Geschichte versäumt, darzulegen. Wirklich blöd gelaufen.

Anfängerfehler. Sowas kann doch passieren.

Vielleicht. Vielleicht einer Person, die sich nicht mit Bühnenauftritte auskennt, die kein Theater macht. Aber mir? Mir hätte das nicht passieren dürfen. Ich versuche mir das zu verzeihen, um es beim nächsten Mal besser zu machen!

Und wie geht es aktuell für dich weiter? Was ist der nächste Schritt?

Wie du weißt, habe ich mit einem Partner den Verlag Wortfuge gegründet, den gilt es nun auch zu füttern. Dafür braucht es wirklich meinen Einsatz, vor allem zeitlich. In den Weihnachtsferien werde ich Lese-Videos aufnehmen, die ich nach und nach in den Äther der sozialen Medien sende, damit ich meinen Roman vor allem an eine mir unbekannte Leserschaft bringe. Im Moment ist es noch so, dass jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin mir bekannt ist. Das ist schon wirklich spannend, zu wissen, dass mein Roman bei Freunden auf dem Nachttisch liegt. Doch was ist, wenn ich den Leser oder die Leserin nicht mehr kenne und sie eines Tages einen Leserbrief oder eine Nachricht in einer Cloud schreiben und meinen Roman erwähnen, mir oder anderen berichten, was sie denken, wegen dieser Geschichte? Das ist wirklich aufregend.

Hast du denn schon Kommentare zu deinem Roman gehört?

Bislang sind das natürlich die üblichen Floskeln: Spannend. Gefällt mir. Ist ganz gut. Interessant. Sowas eben. Ich höre auch: Ich komm nicht dazu, zu lesen. Ich lese ja nicht so viel oder erstmal lese ich was anderes.

Und das ist nicht, was du hören willst?

Es ist natürlich nett, wenn mir jemand sagt, dass ihm oder ihr mein Buch gefällt. Was mich wirklich interessiert, sind jedoch weiterführende Gedanken, die sich die Lesenden machen: Was ist deine Lieblingsfigur und warum? Was denkst du zu dieser Art Zukunft? Wozu regt dich die Geschichte an? Welche Fragen stellst du dir? Was findest/fandest du witzig? Wann hast du gelacht? Womit hast du nicht gerechnet?
Letztlich ist eine Geschichte auch Geschmacksache. Eine Spielfreundin erklärte mir, dass diese Art Geschichten nicht so ihre wäre. Nicht jeden Geschmack kann ich treffen. Auch wenn sich meine Eitelkeit angekratzt fühlt. Die eine findet vielleicht diese ganzen ausgeloteten Philosophien unerträglich zäh. Der nächste jedoch mag die Vielfalt der Perspektiven. Ein weiterer wünscht sich eine Liste mit einer Personenübersicht, weil es davon so zahlreiche gibt. Eine andere findet genau das überflüssig, weil man sich das doch merken kann und seine eigene Phantasie nutzen will.

Ja, es sind aber auch wirklich mächtig viele Figuren, die du da am Start hast.

Das stimmt. Ich hab selbst ne Liste gebraucht. Vielleicht sollte ich sie wirklich der Leserschaft bereitstellen. Wie genau ich das mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht wäre eine Ehrentafel auf der Seite der Schwesternschaft eine gute Idee. Darüber mache ich mir noch Gedanken.

Das Buch ist ja fertig, also damit ist doch die Bahn frei für den kreativen Ausschuss für den zweiten Teil. Wie steht es damit?

Mal langsam. Wir haben festgestellt, dass die Vermarktung und der Vertrieb dieses ersten Teils schon noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch wenn der zweite Teil schon seit drei Jahre unvollendet auf meinem Rechner hängt, nützt mir wenig, dass er bereits halb abgeschlossen ist. Ich habe bei diesem ersten gemerkt, dass es mehr Zeit abverlangt, als ich erwartet habe, die Korrektur zu machen. Allerdings hab ich das auch nicht so schlau angefasst und irgendwie versucht, wie eine Anfängerin irgendwie hinzubekommen, statt mir die Hilfe zu holen, die nahe liegt. Überhaupt, gerade in diesem ersten Teil liegt viel Lehrgeld. Aber das war zumindest schon einkalkuliert. Zu der Frage, was jetzt ansteht, lautet meine Antwort: Aktuell muss ich für mich prüfen, wie sehr ich schreiben und Verlagsarbeit machen will. Komme ich nicht raus aus meinem Schuldienst, muss ich diese Pille schlucken, dann geht das nur, wenn ich meine Stundenzahl reduzieren kann, denn sonst blute ich aus. Ich brauche einen alternativen Job, damit meine kreative Kraft nicht so abgesaugt wird. Wie aber alle Menschen um mich herum, setzt sich meine Lebenswelt aus vielen Aufgaben zusammen. Ich bin schon froh, dass gerade das Musical zu einem Ende kommt, so dass damit wieder Kräfte frei werden. Andererseits hat sich schon ein neues Theaterprojekt angekündigt. Und wenn ich das ernstnehme, bindet das natürlich auch wieder Ressourcen.

Stimmt, du bist nebenher auch als Lehrerin und als Theaterpädagogin tätig. Was heißt das denn genau?

Aktuell arbeite ich noch an meiner Musicalproduktion. Ich habe die Textfassung dazu geschrieben und mit einem Musikkollegen zusammen die Stücke ausgewählt und die Gruppe gecoacht und Regie geführt. Die gesamte Organisation hing an uns, dafür haben wir einige Lehrkräfte aktiviert, die unser Projekt unterstützt haben. Jetzt sind noch zwei Wochen Zeit, bis es zur Premiere kommt. Wir zeigen das Stück zwei Mal. Ein wahnsinnig tolles Bühnenbild ist in der Kooperation mit einer Kunstlehrerin entstanden und ein Teil des Kollegiums singt auf der Bühne mit. Insgesamt ein großes Ding. Die Handlung ist entsprechend der Gestaltung von Musicals einfach, mit Gesang, Tanz und Musik. Ein Paar aus den 80ern, er Rocker und sie eine Weltverbesserin, sie kommen zusammen, sie will was bewegen, er will seine Ruhe. Ihr zum Gefallen sprayt er ein Graffiti an die Wand und wird erwischt. Doch es geht alles gut aus. Nach den Sommerferien haben wir das Stück noch einmal scharf eingedampft, damit wir es aufführen können. Jetzt wird es richtig gut. Außerdem hab ich von einem Kollegen den Literaturkurs übernommen: Der zerbrochene Krug. Ich mag das Stück vom Kleist, gleichzeitig wohnt in mir dieser kleine Schalk, der ja nichts einfach genauso aufführen kann, wie es geschrieben steht. Andererseits ist eine ernsthafte Aufführung zu machen, auch eine wirkliche Herausforderung für mich.

Moment, da würde ich doch gern mal nachhaken, was meinst du damit, dass du kein Stück so aufführst, wie es geschrieben steht? Du hast „Kabale und Liebe“, „Iphigenie auf Tauris“, den „Zauberlehrling“ doch schon mal auf deinem Plan gehabt. Hast du die nicht ernsthaft aufgeführt?

Fangen wir hinten an: Den Zauberlehrling hab ich verändert, damit er als Stück funktionierte. War eine Schwarzlichtinszenierung. Darunter hab ich die andere berühmte Ballade von Goethe gemischt: „Erlenkönig“. Schiller und Goethe hatte ich damals sehr verknappt zusammengesetzt, die Rahmenhandlung war dann ein kollegiales Miteinander zwischen Schiller und Goethe, die sich Auszüge aus ihren aktuellen Theaterproduktionen zeigen, um darüber fachmännisch zu diskutieren. Ich fand zum Beispiel die „Iphigenie“ immer sehr langweilig, zu redelastig und habe eine Kampfszene eingebaut, die es in Goethes Textfassung nicht gibt. Schiller gefällt die Szene so nicht, er kritisiert also den ehrwürdigen Goethe und bietet ihm mehrere Alternativen an. Goethe ist so verärgert, dass er erklärt, die Szene aus seinem Stück einfach ganz zu streichen. Das genau mein ich mit Schalk. Ich kann es nicht lassen, etwas Vorgefundenes neu zu gestalten, neu anzuordnen. Bei Stücken wie „Woyzeck“ ist das natürlich gar kein Problem. Da ist ein experimentelles Herangehen nahezu vorgeschrieben. Aber sonst gelingt mir das einfach nicht.

Wie du das so beschreibst, brennst du jedoch für die Theaterarbeit und es scheint so, als würde dir etwas fehlen, wenn du kein Theater mehr machen darfst.

Das hast du richtig erkannt. Ja, mir würde etwas fehlen. Ich mache sehr gerne Theater. Schon das der Grund, weshalb ich nun die Ausbildung zum BUT bei Sandra Anklam abschließe. Vielleicht kann ich mir doch einen der wenigen Jobs angeln, bei denen man fest angestellt ist, dann würde ich dafür den Schuldienst sofort quittieren. Naja, im Grunde mach ich zu wenig Theaterprojekte, um trotz all der Jahre so viel Erfahrung damit zu haben, wie zum Beispiel Sandra Anklam, die in einer Woche einen Kurs leitet, eine andere Woche ein neues Theaterprojekt anfängt und so mehrere Spielbälle in der Luft hält. So ein Job wäre ideal.

Vorhin hast du aber gesagt, dass das deine Kreativität dann abzieht.

Richtig. Die Schule tut das mit ihren Stressoren, dem Termindruck, den Klausuren, den Korrekturen. Ich weiß nicht, ob das bei einem Beruf, wie ihn Sandra Anklam ausübt, auch der Fall wäre.

Das kannst du ja nicht ausprobieren. Doch wenn du irgendwo angestellt bist, wo du bleiben magst, wirst du dich nicht lösen und durch die Welt fahren, damit du schreiben kannst. Richtig?

Richtig. Vielleicht fehlt mir doch der Mut und ich bin nur eine dieser Maulheldinnen.

Am Ende machst du es wie Karl May und schreibst nur über deine Sehnsüchte.

Vielleicht. Am Ende.

Fertig, fertig, fertig … Vom Träumen zum Planen und ab in die Realität

Häkchen. Häkchen. Das hab ich schon fertig.

Tagträumereien, wie ich mir meine Zukunft denke oder – Schrägstrich – wünsche, das kennt jede und jeder. Doch in diesem Jahr wird sich erweisen, ob dieses Träume Konturen bekommen, die sich in die Realität heben lassen. Mein erster Schritt „Lösen von Materie“ har ja schon mal geklappt, hat Schmerzen verursacht und ich habe das überlebt. Mein zweiter Schritt „Zähne in Ordnung bringen“ ist ebenfalls sehr sehr schmerzhaft, konfrontiert mich auch mit meinen Urängsten, aber in einer ganz anderen Weise. Jeder diese Schritte schafft das Relief einer neuen Zukunft. Doch wie wird es sein?

Damals, als ich das erste Mal schwanger war, als ich erlebte, wie sich das Unbekannte meiner Zukunft im Bauch bewegte und anfühlte, da dachte ich so vieles, was sich nicht ereignete und ich dachte an so wenig, was sich ereignete. Was lustige Vorstellungen hatte ich bis zur Realität davon, wie das Zusammenleben mit eigenen kleinen Kindern sein könnte und wie Erziehung funktionierte. Dies war meine einschneidenste Erfahrung und hat eine lange Lebensphase umfasst.

Jetzt stehe ich vor den Toren einer neuen Lebensphase; ich bin erfahrener, toleranter und sogar geduldiger geworden, wobei schon ein Anteil meiner großen Ungeduld dazu führte, dass ich besser nicht weiter an dieser Schule Lehrerin sein sollte. Diese Phase geht jetzt zu Ende.

Im August kommt er – meine erste Veröffentlichung

Was ich mir vornehme, plane und woran ich arbeite, scheint sich doch umzusetzen. Ich benötige dafür eine Deadline, etwas Zeit und meine Träumerei, die mir ausmalt, wie ein Plan entstehen kann. Nachdem ich nun meinen Roman zum x-ten Mal selbst zur Korrektur gelesen habe (einmal rückwärst), kann ich sagen, dass ich die meisten kleinen Fehlerchen mit der Löschtaste erwischt und aufgespießt habe. Aktuell will ich ihn noch einmal durchlesen, zwei oder drei kleine sehr flüchtige Biester ausmerzen und dann ist es getan. Im August kommt er dann raus, offiziell.

Ganz offiziell ist das nicht meine erste Veröffentlichung. Ich hatte schon das Vergnügen der ein oder anderen Kursgeschichte, siehe meine Vita. Anders ist es allerdings dennoch. über 650 Seiten (normal beschriebene, nicht in MS-Format) sind so umfangreich in den Details, dass ich erstaunt bin, welche interessanten Symbole ich gefunden habe, welche eigenartigen Metaphern sich wiederholen und wie dicht insgesamt der Text geworden ist. Das ein oder andere vergesse ich tatsächlich immer mal wieder, habe es zwei Mal gesagt und muss mich dann entscheiden, wo ich es wegstreiche. Ich stelle fest, dass ich nach sechs oder acht Mal Lesen trotzdem nicht genau weiß, wo ich das hingeschrieben habe. Und immer wieder stelle ich mir die Frage, ob 60 Tage tatsächlich genügen, eine solche Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken. Ist das glaubwürdig? Dann beruhige ich mich und denke, dass Corona uns genau das gezeigt hat. 60 Tage für einen gesellschaftlichen Totalschock würden genügen.

Wenn ich es verfilmen würde, würde ich die Dauer der Gefangenschaft allerdings offen lassen. Ich würde nicht darüber nachdenken, ob es nun 50 oder 60 Tage sind. Hier diente es meiner Einteilung.

Und wozu ich eine Menge Phantasie und einen langen Atem brauchen: WERBUNG. Ich muss meinen Roman selbst bewerben, über sämtliche Kanäle, die mir zur Verfügung stehen. Ich muss die Y-Chroniken beatmen, mit Leben füllen. Hier kleine Zusatzgeschichten, dort ein kleines Hörspiel und alles, was es für eine schöne Fanseite benötigt. Lesungen wollen organisiert, Texte rangeschafft und der zweite Teil nachgelegt werden. Ja, der hat schon einiges an Volumen, doch muss ich mich bezähmen, denn im zweiten Teil wird nicht alles auf einmal gesagt.

Werbung und Vermarktung, da braucht es mehr als nur ein paar Träumereien von Radiobeiträgen, Auftritten in TV-Talkrunden oder ähnliches mehr. Ja, das wäre schon sehr nett, wenn es jedoch zu Auftritten in Talkrunden kommt, dann bin ich bereits erfolgreich. Soweit darf man das nicht vergessen.

Wie isst man einen Elefanten?

Ich weiß, was ich schreiben will, ich weiß, worauf die Geschichte hinausläuft und ich weiß, dass mein Endziel eine Serie ist, an der ich zumindest mitschreibe. Hielt ich meinen Gedanken für besonders, dass es sich um einen Welt-Plot handelt, bei dem in jedem einzelnen Teil eine andere Figur im Fokus steht? Ja, dachte ich. Ich habe mich im langen Prozess damit auseinandergesetzt, ob Paul und Bianca bleiben, als zentrales Antagonisten-Gestirn. Ja, die anderen Figuren sollten am Rande schon weiter mitlaufen, sozusagen mitwachsen, ihre Beweggründe, ihre Entscheidungen, ihre Wünsche und Ängste sollten jedoch kein zentrales Thema umranken. Ich wollte – und werde es so auch machen – die Welt durch verschiedene Blickwinkel betrachten. Vor allem finde ich spannend, unterschiedliche Genres zu kreuzen und durch diese Wechsel hindurch einen ganz leisen, klaren Faden einer Tonalität wirken zu lassen. Der Stoff erhält so einen Schimmer, den nicht alle erkennen können. Soweit das Ideal.

Und ich dachte, das sei eines meiner Alleinstellungsmerkmale, denn alle anderen Serien drehen sich in der Regel um eine Hauptfigur. Im Prinzip arbeitet Julia Quinn mit ihren Schmachtschinken Bridgerton in ähnlicher Weise. Sie widmet jeden Band ihrer Saga einem anderen Familienmitglied und arbeitet sich durch, so dass die anderen Familienmitglieder zwar auftreten, auch mal was zu sagen haben, sich auch weiterentwickeln, aber ihre Geschichte ist erzählt und nun folgt eine andere leidenschaftliche Liebesgeschichte. Der Rote Faden bei den Bridgertons ist Lady Whistledown bzw. Penelope Featherington und wie sie sich langsam von einer Raupe zum Falter hin entwickelt. Andererseits bleibt die Autorin Collins in einem Genre und das will ich selbst überwinden.

Eine weitere Parallelität ist die Anzahl der Figuren. Auch in meinen Geschichten (eigentlich schon immer) treten viele viele Figuren in Erscheinung. Der einzige Roman, der das nicht hat, ist die Nietzsche-Frau, das sind drei Figuren. Sollte ich zu Lebzeiten gefragt genug werden, würde ich diese Geschichte final korrigieren und publizieren. Doch das ist eine andere Geschichte. Das Zeitmedaillon bräuchte ebenfalls nicht mehr viel Schliff – andererseits, heute schreibe ich anders. Man wird sehen. Die Chaotologie wäre ein Liebhaberstück. 🙂

Der schwierigste Teil, der vermutlich wenig begeisterte Fans finden wird, ist der erste. Ich weiß das. Dafür gibt es zahllose Gründe: sehr langatmig erzählt, sehr komplexe Sprache, anspruchsvolle Wechsel mit zahllosen Lücken, die sich der oder die Lesende selbst füllen muss, viele Figuren, als Genre ist eine Liebesgeschichte in einem Science Fiction sehr anspruchsvoll (entweder lesen Männer SiFi oder Frauen Liebesgeschichten, der Mix gelingt dann selten). Und da es noch sehr lang ist – für ein Debüt viel zu lang, würde mich wundern, wenn ich in den ersten Jahren mehr als 150 Exemplare verkauft bekäme. Sollte ich es deswegen nicht so aufwendig und (für mich) teuer veröffentlichen? Nein, ich denke genau das Gegenteil. Inzwischen liebe ich diese Geschichte besonders: diese bunte Männermischung im Stollen, die vielen Dinge, die nebenher passieren und wie sich daraus eine neue Welt erschaffen hat. Ich darf nur nicht vergessen, dass die Gummipuppen in Teil II noch ein Comeback brauchen. Auf jeden Fall werden die Sektkorken knallen, wenn ich die Marke von 150 verkauften Exemplaren erreicht habe. Und eine Chance habe ich, wenn es im ersten Jahr der Veröffentlichung passiert.

Was bei all meiner Planung wichtig ist:

  • einen Arbeitstag pro Woche für das Schreiben
  • einen für all die Korrespondenz und Werbung
  • drei Tage, um richtiges Geld zu verdienen;
  • einen für Theaterseminare, Tangolektionen oder ähnliche Projekte
  • einen Tag für mich und die Küche oder den Garten.

Mehr als sieben Tage hat die Woche nicht. Das will also genau überlegt und entschieden werden. Drei Tageswoche, da wird wenig für meine Rente hängen bleiben. Ich brauche also für die Rente einen Plan B: Erbschaft, reiche Heirat, Mäzen, Ruhm. Ich weiß, der Ruhm ist mir ja gewiss, aber macht der satt? Vor allem brauche ich eine Lösung, falls ich so alt werde, dass ich gepflegt werden muss. Was, wenn ich das alte Altsein nicht verhindern kann oder verhindern will? Will ich auch in diese Falle tappen zu glauben, dass ich nur älter werde, nicht gebrechlich, unbeweglich, krank, vergessend, hilfsbedürftig? Das alles will ich nicht werden, aber schützt mich der Wille davor?

Bevor wir dahin schauen, schauen wir auf die nächste Lebensphase, meine totale Freiheit. Womit ich mir beweise, dass der Mensch doch mehr Freiheit hat, als die meisten sich zugestehen, wenn ich das wirklich realisiert bekomme. Die kleinen Schritte hin in eine andere Wirklichkeit:

  1. Jetzt zu Ende bringen, was ich begonnen habe: Musical, Finanzamt, Autoumbau, Jobsuche
  2. Kündigen meiner Lehrtätigkeit und einen neuen Vertrag für sechs bis acht Monate unterschreiben
  3. Filmfestivals, BUT-Seminare belegen bis zum Abschluss, Tangolehrerausbildung, Universität besuchen
  4. Umherreisen, dazwischen online Geld verdienen oder auf dem Weg (Housesitting, Oma-Nanny, Gelegenheitsjobs, auf der Straße Theater oder Singen)
  5. Die Romanteile 3, 4, 5, evtl. 6 schreiben, mich weiter an Drehbucharbeiten begeben und die verkaufen
  6. Beenden der Lebensphase mit 57 oder 58 Jahren, indem ich sesshaft in einer schönen Stadt (Potsdam, Freiburg, o woanders) werde.

Eine schöne Liste. Das Hausprojekt schließt diese Lebensphase des Reisens und Treibens. Das ist dann meine Abschlussphase und da möchte ich dann ankommen und all das machen, was noch in mir ist, wie auch Oma-sein, bevor dann mein Körper den Rückzug anstrebt. Am liebsten möchte ich so eine alte Lady werden, wie es M.’s Mutter ist, doch wer weiß, was der Lebensweg bereithält.

Proben, Ideen und weitere Proben

Fast hatte ich vergessen, wie viel Spaß Theatermachen wirklich bedeutet. Ja, als Schauspiely ist es schon fein, doch als Regisseury1 ist es deutlich spannender. Was kann ich für Ideen entwickeln!

Erste Festigungen des Ensembles

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Am Anfang hatten wir viele Schülys, die mal kamen, mal nicht, die mal dabei waren und dann wieder nicht. Spaß hatten alle immer, würde ich zumindest behaupten. Etliche Schülys haben nach kurzer Zeit aufgehört, weil ihnen das eine zu hohe Belastung neben der Schule sei. Einige haben die Proben dafür verantwortlich gemacht, dass sie Noteneinbrüche hatten, obwohl sie maximal ein Mal im zwei Mal im Monat in derselben Doppelstunde gefehlt haben – wenn überhaupt. Andere wurden durch die lange Arbeitsphase abgeschreckt. Andere glaubten, nie eingesetzt zu werden oder wollten eine wichtigere Rolle haben. Was genau die Motive für und gegen das Mitmachen letztlich bestimmte, können wir gar nicht genau sagen. Jetzt haben wir eine relativ stabile Gruppe, die sich aufeinander freuen und miteinander Spaß haben. Ca. 25 Schülys sind es, darunter sogar fünf Jungen – freiwillig.

Unbekannter Künstly – gesehen auf Spiekeroog 2024

Nach einer Samstagprobe in der Schule zeigte sich schnell, wer wirklich interessiert an dem Musical und der Gruppe war und wer nicht. Vier Stunden waren wir in der Aula und haben eine Probe gehabt, die tatsächlich unseren Prozess vorangeführt hatte. Unser aktuelles Hauptproblem ist nämlich, dass die 1 1/2 Stunden Unterricht eigentlich für intensive Proben zu kurz sind, um auch noch an den Szenen zu arbeiten, denn nie sind alle für eine Szene da. Was bleibt, ist die Klarheit des Ziels und gegebenenfalls die Modifikation der Hinführung vor Augen zu behalten – auch im Nebel.

Zu spüren ist jedoch eine große Lust bei jenen, die jetzt mitmachen. Das arbeiten ist ein Vergnügen und geht ganz leicht von der Hand.

Wir wollen diesem Problem durch mehrere Intensivproben am Wochenende begegnen und so sehen, dass wir bis zu den Sommerferien ein bisschen von dem Theaterprogramm aktiv entwickelt haben. Die Gruppe will als Kostüme die 80er Jahre feiern und aufleben lassen. Das wird ein Spaß.

Zusammenspiel mit anderen Gewerken

Eine Kunstkollegin arbeitet mit ihren Schülys zum Thema Müll für das Musical und baut einen Leuchtturm aus Müll. Ausgestellt wird dieser Turm dann bereits zum Sommerfest und bekommt eine Leuchte. Wenn das Objekt für die Bühne nicht mehr gebraucht wird, wird es dennoch als Ausstellungsobjekt weiter für das Musical einen Ehrenplatz in der Eingangshalle erhalten.

Ein Technikkollege bildet eine Schülygruppe aus, die dann für die Licht- und Ton-Technik bereitstehen, gleichzeitig hoffe ich auch die Videoeinspieler an diese Gruppe abgeben zu können. Mein Musical-Co selbst will eine Fortbildung in dem Bereich machen, schon damit er sich auch auskennt.

Mein Musical-Co orchestriert das Musical natürlich, leitet die Schulband und ist insgesamt sehr daran interessiert, dass musikalisch das Stück auf der Höhe ist. Außerdem erstellen wir zusammen das Video für die Werbung, damit wir beim Fest schon ein paar Spendengelder dafür eintreiben können.

Ein paar Ideen für das Stück

Meine erste Idee: Videoeinspieler Vandalismus durch Graffitis wird mit Live-Musik begleitet, dann Wechsel auf die Bühne, Breakdance-Einlage als Überleitung und in Pantomime die Verfolgung und Stellung des Sprayers – unsere Hauptperson; dabei läuft die Musik von Band. Die Verschränkung von Illusion und Realität. Das Video wird in Comicstil überblendet, so dass es zu der Pantomime – als Cartoonstil – passt.

Meine zweite Idee – die davon lebt, wie sie umgesetzt wird: Der 2. Akt beginnt mit einer Bonbon-Leuchtreklame-Las-Vegas-Straße, die so schrill und schreiend ist, dass jede Ecke vor Konsumlust nur so strotzt, dass jeder einkaufen will. Am liebsten mit einem realen Kaffeebike, das Kaffeeduft verbreitet und einem Popcornstand, weil der verbreitete Duft die Illusion verstärkt. Diese Illusion soll natürlich durch Pappaufsteller erzeugt werden. Die sind beweglich und sollen in dem Akt zunehmend mehr und mehr Raum wegnehmen, also die Rückseite der Straßenfront dient der Raumverkleinerung bis zur letzten Szene, die dann den Raum aufbricht. Der Gedanke dahinter: Wir sind nicht wirklich frei in unserem Handeln, gesellschaftlich nehmen uns der Andere, die Werbung, die Regeln den Raum so zu sein, wie wir wollen. Doch es gibt Hoffnung – eventuell.

Die 3. Idee für das Abschlussbild: Damit auch a) alles noch einmal verbunden ist und b) das Edikt des MUSICALS voll erfüllt ist, gibt es ein bonbonreifes Abschlussbild. Den vorletzten Auftritt hat mein Nazi, der dann wie ein freier Radikaler von der Gruppe eingefangen und integriert wird. Nach der Gerichtsverhandlung gehen die Hauptpersonen ab und die Bühne wird schwarz (wir haben keinen Vorhang); Sascha kommt von der Seite, gekleidet wie ein Nazi. Während dessen ziehen alle im Dunkeln ihre Oberbekleidung aus und sind darunter einfarbig bunt (rot, blau, gelb, lila, rosa, grün), Licht geht an. Einer aus der Gruppe geht zu Sascha – Fokus setzen – und zieht ihm die Lederjacke aus, das einfarbig bunte T-Shirt (grün für die Hoffnung) an und nimmt ihn mit an die Position des Regenbogens, wo die Farbe hingehört. Zu sehen ist dann inzwischen ein Regenbogen aus Menschen und wir singen das letzte Lied: An irgendeinem Tag geht die Welt unter.

Idee 4: Die Gerichtsverhandlung ist mit umgedrehten Rollen, die kleinen Kinder machen auf Erwachsene und alle, die Erwachsen aussehen, spielen die Kinderrollen – die wir zwar nicht in der Menge brauchen, aber ich will ganz viele Schaulustige auf der Bühne sehen. Am liebsten würde ich die Kindererwachsenen in Kleidung aus dem Siedler-Amerika kleiden oder mit Zylinder und Gehstock, das wäre nur zu den 80er ein harter Stilbruch.

Ich bin gespannt, was sich davon umsetzen lässt. Im ersten Akt sind viel häufiger unterstützende Tanz- oder Performance-Einlagen geplant, dafür wird das Bühnenbild im zweite Akt üppiger und präsenter. Auch mit dem Make-up will ich was machen, so soll der Maiseltanz wirklich mit schöngemalten Gesichtern getanzt werden, doch ansonsten hätte ich gern die Gesichter mehr Schwarz-weiß … Auch braucht es noch ein paar Dinge für das Video und dafür müssen wir Zeiten haben, damit wir das machen können. Also nach der Schule – weil er natürlich nachts gestellt wird.

  1. Bereits in einem anderen Artikel („Du bist mir schon eine Marke!“ – Als Autory, oder was?) habe ich erklärt, wieso das Gendern nicht immer brauchbar ist, weil das geschlechtsbezogene Unterscheiden oft irreführend ist und nicht in jedem Kontext hilft. Ich habe mich für das neutrale „y“ entschieden, dass nicht ein versteckter Hinweis auf XY-Chromosomen ist. Ich möchte nicht darüber nachdenken, ob es mehr weibliche oder mehr männliche Schauspieler gibt, es gibt Menschen, die schauspielen und die singen und die schreiben. Das tun sie sehr sehr selten mit ihren Geschlechtsorganen. ↩︎

Mein Musical – es geht los. Step one ist bekanntlich der schwerste

Wie ein langer Hürdenlauf erscheint mir der Weg bis zur Aufführung meines Musicals zu sein. (Mein Cursor ist weg, das irritiert.) Erst brauchten wir, mein Kollege für die musikalische Leitung und ich grünes Licht von oben. Endlich konnten wir genug Überzeugungsarbeit und Übernahme aller Verantwortung und Arbeit leisten, dass wir überhaupt nach einem Ensemble Ausschau halten durften. Dann mussten wir nach Schülerscharen suchen, die überhaupt willig sind, mitzumachen. Von 1300 Schülerinnen und Schülern haben wir jetzt 40 abgeschöpft, die jedoch von den Lehrkräften direkt als erstes mitgeteilt bekommen, dass sie auch ja immer gucken, dass sie alles nacharbeiten. Also haben einige meiner 40 Findlinge bereits wieder tapfer die Schulkarte gezogen und sind ausgestiegen …

Und dennoch, es sind so viele Schülys, dass wir die Rollen doppelt besetzen können, dass wir eine eigene Performancegruppe habe und dass wir einen Chor aus der Schülerschar stellen können. Alle Rollen doppelt vergeben, zwei mal zwei Inszenierungen und trotzdem die Sicherheit, dass nichts schief gehen kann. Wie cool.

Und dann ist da die Organisation: Klausurpläne im Blick behalten, säuerlichen Kollegen noch zwei mal mündlich erklären, wozu es schon Info-Mails gab, aus allen Listen die Kollegen zusammensuchen, bei denen die Schauspieler und die Sänger Unterricht haben, die Regeln kommunizieren, mehrfach auf verschiedenen Kanälen, Listen herumschicken, abgleichen, Probenpläne erstellen, alle Bedürfnisse der Künstler berücksichtigen, da dazwischen? Dazwischen wieder eine Mail von irgendwelchen Kolleginnen und Kollegen, die ja das Projekt an sich ganz toll finden, aber muss es denn wirklich so sein, dass man dafür probt – also generell? Dann fällt wirklich ständig Unterricht aus. Ich erkläre also das zehnte Mal, dass es einen Probenplan geben wird, dass die Schülys nur dann fehlen und dass jetzt etwas geballt ist, weil wir erst festlegen müssen, wer welche Rolle spielen kann und ein bisschen entnervt erkläre ich, dass bislang alle Schülys maximal zwei Mal bei uns waren, wir sie in kleineren Gruppen eingeladen haben und viele überhaupt nur einmal bei uns waren. Ist aber schon viel, was die jetzt fehlen werden. Ich bitte um eine Versuchszeit bis zu den Weihnachtsferien, danach könne man nochmals ins Gespräch gehen und schauen, wie viel der Schüler oder die Schülerin (unsere meisten Ensemblemitglieder sind natürlich weiblich) tatsächlich fehlt.

Jetzt kann es los gehen.

Mail: Hauptfigur Tom 1 verlässt die Schule.

Äh, woher nehme ich den Ersatz? Mist.

Wenn ich mich allerdings in die Beobachterposition begebe, fällt mir auf, wie reizvoll dennoch das Planen und Organisieren ist. Noch ist alles möglich. Jungfäulich offen und unversehrt. Die Rollen sind verteilt, der Text steht und in meiner Phantasie gibt es eine wundervolle Inszenierung mit Videoeinspielern, mit einem anpassungsfähigen Bühnenbild, bunten Showelementen, mit einer musical-würdigen Abschlussszene, mit einem passenden Rahmen, einer super Anmoderation und einer punktgenauen Technik, mit Händeschütteln, Verträge für ein großes Opernhaus, mit den Ärzten als Gäste, die dieses Musical kaufen wollen, mit dem Bundesverdienstorden und einer Schulleiterin, die mich anfleht, nicht zu kündigen, damit alle zwei Jahre an ihrer Schule ein so großartiges Musical stattfinden kann. Ich bekomme das Angebot, dass ich nur noch Theater mache, junge Referendare mit Theaterpädagogischen Elementen auf das Leben im Unterricht vorbereite, dass ich an diversen Schulen dafür gerufen werde, Theaterprojekte bis zum Erfolg zu führen und dafür muss ich keine Noten geben, nicht mehr an Notenkonferenzen teilnehmen, nicht mehr an Schulkonferenzen teilnehmen und überhaupt …

… dann kann ich aus einer Toilette trinken ohne Ausschlag zu bekommen.

Schritttempo – Denkprozesse – Ausstieg und ein Einstieg

Der große Ausstieg. Vielleicht ist es am Ende ganz lautlos, klein und im Rückblick simpel und einfach. Mir scheint es so gewaltig – lange Schatten im Voraus, weil ich weg will.

Ich will reisen und das tun, was ich will.

Gott, ich Privilegierte.

Zerbrechlichkeit der Pläne in dieser Zeit … und doch, ändern muss ich unbedingt etwas. Ich brauche den Raum für das Schreiben. Ich habe es mir versprochen.

Wenn mich der Mut verlässt? Der Mut? Mich verlassen? Wie soll das gehen? Ängste haben doch noch nie mein Leben bestimmt – oder doch? Hoffe ich doch gar darauf, dass eines meiner Kinder Kinder bekommt und mich abhält, eine der waghalsigen Ideen in Taten einzulösen: Mit der Transsibirische Eisenbahn nach Asien; in Italien (vielleicht Sizilien) leben und schreiben; durch Deutschland zu touren – Theaterkurse, Schreibkurse und Housesitting für die Freiheit des Schreibens.

Die Zeit bis zum Ausstieg läuft an, zählbar in Tagen: Das Schuljahr bis zu den Sommerferien (133 Tage), dann noch drei Schuljahre. Überschaubarkeit der verbleibenden Zeit: ein Leistungskurs, drei Literaturkurse, eine halbe Klassenleitung, sogar die Konferenzen sind zählbar. Das allein klingt, als hätte ich Haftlockerungen. Wie oft soll ich sagen, dass nicht der Unterricht das Problem ist, sondern der ganze Rest: morgen zur anderen Schule, weil meine Schüler kleinen Grundschulkindern Angst gemacht haben (vielleicht); ein anderer meiner Schule löste letzte Woche Feueralarm aus; ein Schüler schubst mich (aus versehen), weil ihm nicht gefallen hat, dass ich ihm den Ball abgenommen habe, mit dem er auf dem Flur spielte. Ach, das sind nur so ein paar Schlaglichter, falsch „Schlaglöcher“. Diese Ereignisse erschweren den schleppenden Gang im Unterricht unermesslich. Diskussionen in jeder Stunde, ob man denn überhaupt was lerne! Seitens der Schüler und Schülerinnen wenig Einsatz für irgendwas. Meiner letzten Rettung beraubt, kann ich nicht einmal mehr aus Theaterkursen die nützliche Erkenntnis ziehen, dass sie gar nicht unwillig nur verhindert sind, diese Jugendlichen, diese SchülerInnen. Korrekturen, Frechheiten, Maßlosigkeiten … Natürlich müssen Jugendliche frech, ausfallend, maßlos und anspruchsvoll sein – aber ich habe genug davon gehabt. Mir reicht das jetzt. Ich habe nicht die Größe wie andere Lehrkräfte, darüber zu stehen. Wofür auch? Das ist mein Leben und ich will es zurück, ich will mich nicht permanent für dämliche Richtlinien verbiegen; Dinge lehren, deren Sinn ich nicht erkennen kann; Menschen etwas antun, was sie ein Leben lang beschäftigt, nur weil mein Arbeitgeber keine bessere Idee hat, als als Leistungsüberprüfung Noten zu verlangen; weil die Gesellschaft keine bessere Idee hat, als Noten als Vergleichswert anzuerkennen – trotz aller gegenteiliger Erkenntnis, wie unfruchtbar das ist.

Ich will mein Leben zurück. Ja, das, als ich noch selbst Inhalte meines Denkens bestimmen konnte. Als ich noch meine moralischen Werte vertreten durfte und konnte.

Wenn ich was bewegen könnte – hätte ich was gesagt? Würde ich klagen, wenn ich wirklich was bewegen könnte, was verändern könnte? Kann ich? Lächerlich! Ich kritisiere die Form der Schule: Noten, Unterrichtszeiten, Unterrichtsfächer, Raum, in dem das, was wir Schule kennen, stattfindet, die Regeln, die für das gelten, was wir „Schule“ nennen (Essenszeiten, Arbeitszeiten, Pausezeiten, Klozeiten … alles so unmenschlich festgelegt). Schon das Wort „Schule“ vergiftet jeden Kontext, in dem Lernen stattfinden soll oder kann oder darf.

Aber zurück zum Ausstieg – ich entschuldige mich für diese Emotionalität — ich wollte nur mal klarstellen, dass ich keine Flusen oder Fussel oder Flausen im Kopf habe, weswegen ich meinen Beamtenstatus aufgeben will.

Lucy wird in zwei Jahren und drei Monaten fertig sein. Dann plane ich den Auszug aus dieser Wohnung. Zwar will Diondra bis dahin noch hier wohnen, doch auch sie muss dann weichen. Wohin ist noch unklar. Falls sie hier bleiben will, müsste sie eine WG gründen und das kann sie sich in dieser Wohnung nicht gut leisten – die Schlafräume sind schlichtweg zu klein. Ich möchte zu meiner Freundin ziehen, um unser beider Ressourcen (einmal Strom, einmal Gas, einmal Telefon) zu schonen und um für den Aufbruch eine Reserve zu haben. Lucy will reisen (woher hat sie das bloss?) und ihre Sachen beim Vater unterstellen – der davon noch nicht weiß. Tja, da gibt es Dinge in dieser Wohnung, die ich selbst unterstellen müsste, die ich verkaufen oder loswerden müsste: Möbel, Bilder, Bücher, Akten. Und ich weiß nicht, für welchen Zeitraum. Das ist noch so offen.

Meine Pläne sind vielfältig, was die Zeit nach dem Ausstieg sowie die Vorbereitung darauf betrifft:

„Denken lernen in einer fremden Sprache“ – ein langfristiges Projekt, dass eine Mischung aus populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher empirischer Untersuchung des Erwerbs einer zweiten Sprache sein soll. Ich verfasse während des Lernens der italienischen Sprache Erfahrungsberichte zum Lernprozess. Ziel ist das Denken in der fremden Sprache. Dafür muss ich in Italien leben, wenn ich meinen Job aufgegeben habe. Es gibt Ideen und Optionen: Evtl. gibt es Finanzierungsmöglichkeiten über das Goethe-Institut — mal fahnden. Könnte sein, dass ich dafür ein Exposé bräuchte.

„Wie wollen wir leben? – Kleinfamilie als gesellschaftlicher Tod“ – etwas, worüber ich schon lange schreiben möchte – nicht aber ohne Recherche und Zeit. Aus meiner Sicht ist unsere Gesellschaft zu linear angelegt, die Familie, die Sippe, die Gemeinschaft hat zu wenig eingeräumten Platz darin, sondern muss so irgendwie daneben funktionieren und das macht krank (die Bildung, die Psyche, die Gesellschaft), weswegen wir auch gern die Placebos von Konsum wie Pillen inhalieren, in der Hoffnung, dass das Abhilfe schafft. Ein bisschen hilft es, für den Rest brauchen wir die Psycholog:innen und weitere Ablenkungen. Es gibt aber eine Sehnsucht. Also das würde ich gern schreiben. Das kann ich überall schreiben, auch im Zug der Transsibirischen Eisenbahn.

„Dreh dich, Schwänzchen“ läuft fast von allein. Der zweite Teil meiner Virus-Serie. Drei Jahre nach dem Großen Sterben. Andere Hauptfiguren, andere Nebenrollen. Sklaverei und die Suche nach der Lust. Umgang mit dem Verlust. Ein Krimi mit Mord und Intrigen, die Vorbereitung auf einen Krieg und der Suche nach einem neuen Glauben. Alles drin, was man braucht. Das hab ich schon begonnen und stocke gerade. Stocke, Stocke … ich muss weiter dran.

Außerdem ein paar Kurse, ein paar weitere Projekte, die irgendwie untergebracht werden wollen: Drehbuch-Kurs, DaZ-Zertifikat-Kurs, Cello, Tango, Yoga … am liebsten alles parallel. Einiges davon benötige ich vorbereitend für meinen Ausstieg, auch wenn das gar nicht so offensichtlich ist. Wirklich wichtig von all dem ist der DaZ-Kurs, weil der mir in der Fremde einen Job sichern könnte.

Es gibt auch ein paar Ideen für das sichere Netz, falls ich doch stürzen sollte … ein paar. Schöne Optionen. Mal sehen, was davon am Ende hält.

KAST-Forum – eine Woche „KAST“ für alle

Das Programm ist raus und nun geht’s los. Das Programm … das Programm … Jeeppiiieee.

 

KAST?

Was ist das denn?

Also die KAST ist vor allem zunächst ein VEREIN von Theaterverrückten Menschen aus ganz Deutschland. Der Verein besteht seit mehr als 60 Jahren und organisiert ein Mal im Jahr ein Forumstreffen an verschiedenen Standorten in Deutschland, bei dem sich die Teilnehmer*innen zu unterschiedlichen Themenfeldern und Theaterbereichen weiterbilden können:

Bühnenkampf … Theater mit Jugendlichen … Improvisationstheater … Kabarett … Clownerie … Erzählen … Theatermachen … Regie … Sprechtechnik … Theater mit Kindern … Frauentheater … Bewegungstheater … Figurentheater … Pantomime … Tanztheater … Schminken … Zirkus … Straßentheater … Spiel mit Masken … Schwarzlichttheater … Percussion … und noch mehr

Dieses Forum ist dann für alle Interessierten offen, das heißt, man kann sich für die Workshopwoche mit Vollpension anmelden. Da es jedoch viel mehr ist als nur so eine Fortbildungswoche, hole ich hier ein bisschen aus.

FORUM – kreative Arbeitskreise für Spiel und Theater

  • für Menschen von 7 bis 97 Jahren
  • für Menschen unter 7 Jahren: qualifiziertes Angebot der Kinderbetreuung
  • einmal im Jahr, in der Woche nach Ostern

Das FORUM – intensiv und kreativ!
Für alle, die im Bereich der Kultur, Jugend-, Bildungs- und Sozialarbeit tätig sind oder allgemein Interesse an Theaterarbeit haben und neue Impulse suchen, veranstaltet die KAST jährlich die Theater-Werkwoche „FORUM“.

FORUM 2018
vom 3. – 8. April 2018 in Wiesbaden – Wilhelm-Kempf-Haus

Das Programm Ostern 2018

Dieses Jahr werden (wieder) acht Arbeitskreise angeboten, wobei zwei für Kinder und Jugendliche sind. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre noch ein Jugendlicher, denn die Angebote sind oft sehr reizvoll. Im einzelnen bietet das Forum von KAST dieses Jahr:

  1. Chanson und Stimme (Etwas für die Stimme gibt es immer, denn das ist auch was für die ältesten Seminarteilnehmer.)
  2. Commedia dell’Arte (Richtige Theaterarbeit an der Maske: Wie entwerfe/entwickle ich einen Charakter ohne Worte und doch mit Handlung?)
  3. Pantomime (Körpersprache, Körperarbeit. Mit Bewegung gibt es immer was, für alle, die sonst auf dem Stuhl gefesselt sind.)
  4. Kostüme (Der Handwerkskurs, auch solch einen gibt es in jedem Jahr)
  5. Bühnenpräsenz (Arbeit auf der Bühne, Grundlagentraining. Das kann doch eigentlich jeder, oder?)
  6. Stand-up-Comedy (Etwas ganz Kurzweiliges für den Spaßfaktor gibt es eigentlich auch jedes Jahr. Witzig ist ja nicht unbedingt einfach oder flach. Selber Schreiben – das gibt’s auch einmal pro Jahr.)

Das war es für die Erwachsenen – natürlich können auch die Jugendlichen schon mal an dem einen oder anderen Kurs teilnehmen, hängt aber von der Kursleitung ab. Und wenn ihr jetzt denkt, dass ihr doch lieber alle Kurse besuchen wollt, dann geht es euch so wie mir. Bedauerlich ist allein, dass es nur eine Woche dauert.

Die letzten zwei AK’s:

  • AK7 Impro für Jugendliche (ab so ca. 12/13 Jahren)
  • AK8 Für Kinder – Ton ab! Bühne frei. (ab 7 Jahren)

Sechs Tage im Kreativen Feuer

Immer findet das FORUM direkt nach Ostermontag für sechs Tage statt, damit möglichst viele Bundesländer zur gleichen Zeit frei haben. Natürlich wohnen wir im Bildungshaus. Das Interesse ist es, dort die Bildungsstätte unter Alleinherrschaft zu führen, äh … eben allein zu sein. Wir beziehen Zimmer, manche mit und manche ohne Luxus/ Dusche. Es gibt Vollpension: Frühstück, Mittagsbuffet, Kaffee und Kuchen, Abendbuffet. Die Qualtität variiert je nach Gasthaus:

  • Rastatt war von der Essensqualität sehr gut, dafür die Räume nicht ganz so passend für die Seminare, eine gute Bühne und die Umgebung ist stadtnah und natürlich zugleich, also sehr abwechslungsreich
  • Wiesbaden hat gutes Essen, interessante Raumgestaltung, eine schöne Bühne und eine Umgebung im Grünen
  • Altenberg hat billiges Essen, zu spartanische Schlafräume und leider keine wirkliche Bühne, dafür eine herrliche landschaftliche Umgebung.

Wenn es darum ginge, welcher Standort am besten ist, dann würden wir vermutlich Jahr für Jahr nach Wiesbaden oder Rastatt fahren. Das Interesse ist es jedoch, möglichst unterschiedliche Bereiche Deutschlands anzusteuern, damit es mal die einen und mal die anderen nah oder fern haben. Die Bezahlbarkeit muss gewährleistet sein, denn die Preise für die Woche sind seit einigen Jahren konstant (ich kenne nur den aktuellen Preis). Günstig vom Ort her ist Altenberg für uns, doch ich bin bereit, lieber nach Wiesbaden zu fahren. Hattingen wäre auch so ein schöner Ort, lecker Essen und so, doch bislang konnte ich dafür niemanden wirklich begeistern – tatsächlich fehlt eine gute Bühne. Welcher Ort auch immer, wir nehmen Unannehmlichkeiten beim Essen oder bei den Räumen in Kauf, denn letztlich sind wir in erster Linie für das Arbeiten und Spielen und uns Begegnen da.

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Eingangshalle im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden – Drehort unseres Märchens

 

Die sechs Tage verlaufen nach dem gleichen Rhythmus:

  1. Dienstag bis 14 Uhr gemeinsam Kaffee-Kuchen-Zeit. Ab 14 Uhr sitzen wir im großen Stuhlkreis für wichtige Neuigkeiten, erste Instruktionen, Danksagungen und Hinweise. Um 15 Uhr pünktlich starten die AKs. Abends gibt es einen buntes Kennenlernspiel, das eine Theaterspielaufgabe enthält und dazu einlädt, schnell spontan kreativ zu sein. Organisiert wird es durch den Vorstand und durchgeführt wird es jährlich von anderen Leuten. Danach sitzt man gesellig bei Wein und Bier und Chips zusammen, wobei man mit den alten Bekannten und den neuen Gesichtern ins Gespräch kommt. Die Jugendlichen verabschieden sich und spielen Spiele wie Werwölfe.
  2. Mittwoch: Tagsüber finden die obligatorischen Kurszeiten statt. Abends wird eine Theateraufführung oder Performance oder Musikstück von aktuellen oder ehemaligen Forums-Teilnehmern präsentiert. Ein Infoboard berichtet darüber.  Die Jugendlichen sind weiterhin die Jugendlichen.
  3. Donnerstag haben alle ihre Kurse, und entwerfen in der Regel ihr 10-minütiges Bühnenprogramm. Am Abend findet die offene Bühne statt, zu der sich jeder mit eigenen Programmpunkten melden kann. Es werden Auszüge aus eigenen Theaterproduktionen, Sketche, Witze, Gesang, etc. gezeigt. Alles ist möglich. Die Jugendlichen spielen vermutlich wieder Werwölfe.
  4. Freitag  sind alle zu beschäftigt für die Bühne, denn es wird hier noch geprobt, dort noch was einstudiert, zum Schluss noch was getackert oder geklebt. Alle AK’s schleichen sich für Generalproben auf die Bühne, wo zwei Fachmänner für Licht, Ton und Kamera bereitstehen und Feedback geben. Man trifft sich in der Bar und schnackt zusammen – irgendwann gegen 22 Uhr, falls man Ruhe bekommt. Also die Jugendlichen …
  5. Samstag ist der Aufführungstag. Es gibt natürlich noch eine Probenzeit vorher. Es beginnt mit den Kleinen um 16 Uhr. Außenstehende Menschen dürfen eingeladen und verköstigt werden. Das Programm wird vom Abendbuffet unterbrochen. Es läuft bist 22 Uhr. Anschließend verabschieden sich i.d.R. die Gäste, wenn auch sie bleiben dürften. Partyzeit. Es wird gefeiert bis morgens in die Frühe. Übrigens, die Jugendlichen feiern mit.
  6. Sonntag ist der Abschiedstag. Spätes Frühstück, letzte Abschiedsrunde in den Gruppen, kleine Präsente für die Leiter und schließlich der große tränenreiche Abschied um 14 Uhr in der Aula. Und da sind alle pünktlich.

Meine Kinder sehe ich kaum, vielleicht für ein Gelegenheitsküsschen. Ich schreibe ihnen auch nicht vor, wann sie ins Bett müssen. Bleimüde schleichen sie irgendwann gegen 3 Uhr oder so in die Betten. Morgens hüpfen sie raus und sind nachts wieder bis in die Puppen auf. Ich auch. Die Gespräche am Abend, die Arbeit am Tag und alles dazwischen ist einfach dieser Raubbau wert.

Ein Rückblick persönlich

Inzwischen war ich vier Mal mit meinen Kindern beim FORUM und ich habe bislang ausschließlich Gutes zu berichten, sieht man von Unterkunft und Essen im Vergleich ab. Einziger Nachteil: es findet nur einmal im Jahr für 6 Tage statt.

  • AK Stimme und Gesang – das erste Mal dabei 2014 bei Andrea Haupt

Mit der Stimme einen Krimi produzieren, ein Hörspiel. Alle Geräusche wurden mit Stimme oder Körper erzählt: die Kuckucksuhr, dat Mofa, die Waldgeräusche … Hinter einem Vorhang haben wir unser Hörspiel am Samstag abgehalten.

 

 

  • AK Film und Regie – bei Sabine Willmann 2015

Wie viel Film kann man schaffen? Wir haben zwei Filme produziert: einen Lehrfilm über gutes Sprechen und Zuhören; einen Märchenfilm von 8 Minuten Spielzeit, all in mit Storyboard, Drehbuch und Skript. Das war eine sehr stramme Leistung – im Sinne des Wortes. Kurz vor der Vorführung, war der erste Cut überhaupt fertig. Mein Lieblingsmoment: der Stop-Trick.

 

 

  • AK Zeitgenössischer Tanz – bei Bettina Forkel 2016

Ein Mann verloren in einem Frauenspiel. Bettina hat ein umfangreiches Choreografieset im Gepäck und zieht es durch: was Improvisiertes, was Durchgetaktetes, was Erzählerisches. Wir sind richtig beschäftigt und haben Donnerstag einen traumhaften Muskelkater.

 

 

  • AK Bühnenbild – bei Siegfried Albrecht 2017

Klein aber fein: Bühnenmodelle mit Figuren im Maßstab 1:20. Ein Mensch ist acht Köpfe hoch und zwei Köpfe breit – im Idealfall. Das Spiel mit den Farben und dem Licht in der kleinen Modellbühne. Dreidimensionaler Raum, zweidimensionales Bild: ein bisschen Architektur, ein bisschen Kunstgeschichte und dazwischen Patex. Bilder von Treppen, Türen und drehbaren Bühnen entstehen im dreidimensionalen Raum. Mir eröffnete sich eine neue Welt.

 

 

So grundsätzlich verschiedene Sachen habe ich dort gemacht und gelernt, dass jedes Seminar für mich ein Lernzuwachs war – trotz meiner theaterpädagogischen Ausbildung. Selbst das Sprechseminar bei Andrea Haupt, bei dem ich anfangs dachte, dass ich in dem Bereich schon sehr gut ausgebildet sei. Dabei begegne ich jährlich denselben Menschen, Sabine zum Beispiel, oder Birgit und Ulla und Claudia, und ganz neuen fremden Gesichtern. Ein tolles Konzept. Und ich bin wieder dabei!

Begegnungen mit sehr freundlichen Menschen, bereichernde Seminare, kurzweiliges Programm und dazwischen Essen und wenig Schlaf. Ich freue mich schon …

Und was mach ich dieses Jahr? Vermutlich Pantomime oder Commedia dell’Arte oder Kostüme … also eines von den Dreien.

Beginenhof, Balou e.V., Claudius Höfe, Kommune Kaufungen – gelebte Konzepte gibt es schon

Der Beginenhof

Gestern sitze ich zusammen mit einer Freundin im Café „Zeitlos“ und rede wie immer und wie gern über Ideen der Zukunft. Sie erinnerte mich an das Projekt ihrer Tante: der Beginenhof in Essen. Aus dem alten Finanzamt haben sie ein Kultur-Frauen-Zentrum gemacht. Beginen ist abgeleitet von der mittelalterlichen Beginenbewegung, wonach Frauen nach religiöser und wirtschaftlicher Unabhängigkeit strebten, ohne eine Ehe eingehen zu müssen.

Sie übten handwerkliche und pflegerische Berufe aus und kümmerten sich um die Ausbildung und Unterrichtung von Mädchen und jungen Frauen. In einigen Handwerksbetrieben, wie der Tuchmacher- oder der Wappenstickerei, erwarben sich die Beginen mit der Qualität ihrer Arbeit hohes Ansehen und erzielten beträchtliche finanzielle Erfolge.

Die Erlöse flossen in die Gemeinschaft, in die Armenversorgung und Krankenpflege oder wurden in neue Wohn- und Werkstätten investiert. Die vermögenden Konvente verliehen sogar Geld an die Stadträte, und sicherten sich damit die Unterstützung der Kommunen. Mittelalterliche Beginenkultur – Brigitte

Das Zusammenleben der Frauen sollte demokratisch sein; sie organisierten sich durch Versammlungen und niedrige Hierarchiestrukturen. Soweit klingt das ja sehr passend für ein gemeinsame Wohnkultur. In Essen ging es den Frauen, die das gegründet haben und dort leben vor allem um die gegenseitige Unterstützung bei gleichzeitig bestehender Autarkie für Frauen und durch Frauen. Altenversorgung, Kindererziehung, Lebensgemeinschaften. Reizvoll. Doch der Einwand meiner Freundin ist auch direkt schon meiner – ohne Männer? Ohne Männer, weil Männer Frauen mit Kindern allein zurückließen. Ohne Männer, weil sie im Alter wegstarben, ohne Männer, weil manche Frau lieber mit Frauen lebt, sprich Verpartnerung – wie ich gelernt habe.

Ich erkenne – wie viele andere inzwischen auch -, dass in unserem Kleinfamiliendasein, in der Seperierung der Alten und Andersartigen und der Versingelung Probleme erwachsen, die nun schon einige Generationen lang sich auftürmen und Lösungen wollen. Keine kann es sein, den Mann als Bestandteil davon auszugrenzen. Ich glaube durchaus, dass der Mann an sich anders funktioniert/läuft/ist als die Frau. Männer meinen, sie seien bescheidenere und leichter zurfriedenzustellen; Frauen meinen, sie seien aktiver, lebendiger und deutlich mehr an Selbstentwicklung interessiert. Dadurch ist ein Zusammenleben in einer Paarbeziehung häufig das Aufgeben von etwas, was dem Wesen des Geschlechts entspricht. Wie viele Frauen leben jetzt auf, wenn ihre Männer sterben, können endlich tun, was sie wollen und müssen sich nicht mehr so quälen mit dem Schweigen – so geht es meiner Ex-Schwiegermutter gerade sehr. Wie viele Männer leben auf, wenn die Frau vor ihnen stirbt, endlich zehrt und zieht niemand mehr an ihnen, nörgelt herum und will etwas, was sie nicht geben wollen. Endlich können sie in Ruhe vor dem Fernsehgerät dahindämmern oder ein Mal die Woche mit den zwei Kumpels Skat spielen. Das ist nicht sarkastisch gemeint. In dem Punkt sind andere Kulturen nur ehrlicher als wir. Wir wollen in einer Liebesbeziehung das Glück finden und übersehen, dass es mehrere Splitter dafür gibt.

Ich hätte gerne einen Partner an der Seite, der alles mit mir teilen kann und will, aber vielleicht gibt es nur ein paar Sonderexemplare von Männern und die anderen können das einfach nicht. Mein Ex fand mich besonders anstrengend. Klar – wenn ich zusätzlich zu dem So-sein das auch noch hinterfrage.

Der Grundgedange des Beginenhofs ist gut. Wenn ich allerdings nur alleinerziehende Frauen aufnehme, kann ich gesellschaftlich das Problem nicht lösen. So richtig lösen werde ich es vermutlich auch nicht, doch ich kann mich an der Lösung beteiligen. Selbst eine Ehe im Lebenslauf würde ich sagen, dass dieses Konstrukt zu viel leisten muss nebst Beruf, Kinder und Selbstverwirklichung. Bei moslimischen Familien sind Frauen und Männer getrennt – sogar beim Essen – wodurch Frauen so sein können, wie sie wollen, wenn sie unter sich sind und die Männer umgekehrt. Das ist ein anderes Extrem. Kann man so voneinander lernen? Vorurteile abbauen? Vielleicht sich näherkommen – so ganz geschlechtlich gesehen?

Mehrgenerationenprojekte

Ich würde sagen, dass weder A noch B die perfekte Lösung ist. Die Idee des Mehrgenerationenhauses ist schon mal eine gute Idee, die auch immer mehr Nachahmung findet, so wie auch die Claudius-Höfe in Bochum zeigen. Diese Projekte werden sogar gefördert, weil sie doch letztlich das Gesundheitswesen entlasten könnten. Der Mensch ist auch kein Einzelgänger, er braucht die Herde.

Meine Herde ist allerdings ganz schön verstreut: Elke in Duisburg, Valeria in Oberhausen, meine Mutter in Varel, 2 Schwestern in Iserlohn samt Lieblingsschwiegermutter und eine Schwester in Wiesbaden, mein Sohn, meine große Tochter und mein Ex in Bochum sowie Stefanie, Sean in Hagen und so weiter. Das fühlt sich sehr falsch für mich an. Ich hätte das gern anders.

Grundsätzlich müssten Frauen und Männer in der Herde mit ihren Bedürfnissen Platz haben. Für mich bedeutet das, dass ein Mann in eine gesellige Runde dazukommen darf, aber nicht muss, dass aber eine gesellige Runde keine Ausnahme sein muss, weil dafür extra eingeladen wird. Mehrere kleine Einheiten unter einem gemeinsamen Dach mit gemeinsamen Nutzräumen – weil ich eine große Küche und einen schönen großen Ess-Wohnraum einfach lebenswert finde – wäre Ideal: ein oder zwei kleine Familien, Single, Paare, Wohngemeinschaften, alles aus verschiedenen Generationen. Religion darf sein, muss aber nicht – was mich neben der Einschränkung des Geschlechts zusätzlich im Beginenhof behinern würde. Meine Freundin Stefanie ist sehr gläubig, die christliche Spiritualität gibt ihr etwas. Ich finde das in Ordnung. Ich persönlich komme an der Geschichte weder links noch rechts vorbei, um mich als Christin irgendwie anzunehmen. Auch die Geschichte mit dem GOTT, der einen SOHN hatte usw. Diese ganze extrem männliche Sicht der Spiritualität lässt mich schaudern und verbaut mir jeden Weg zum Christentum. Das es etwas gibt, das größer und mächtiger ist als das Dasein des Menschen, davon bin ich überzeugt. Ich denke allerdings nicht in Bildern. Für mich ist es ein Muster, das alles verbindet. Es ist Liebe. Wenn ich liebe, bin ich im Göttlichen … vielleicht so. Nun denn, auch die Claudius-Höfe haben den christlichen Gedanken innewohnend. Sonst wäre das doch schon eine vorhandene Lösung. Muss man denn alles selber machen?

Wohnen und Leben

Dieser Absatz hatte mich auf der Homepage des Beginenhofs in Essen besonders berührt:

… lebendig, verbunden und eigenständig zu wohnen und zu arbeiten, fanden wir in der historischen Beginenkultur ein Modell, das uns in seiner Aktualität bis heute begeistert. Beginenhof Essen

Soweit bin ich dabei. Ich möchte eine Lebens- und Wohngemeinschaft mit gemeinsamen Räumen und gemeinsamen Interessen, mit dem Ziel, gemeinsam Kultur zu schaffen und dabei dem jeweils anderen Raum zu geben. So wie das Balou im Stadteil Brackel in Dortmund ein Begegnungsort ist, der für Kultur Raum hat. Das Programm ist mir schon fast zu umfangreich, um dem noch im Kalender recht zu geben, doch vielleicht bekommen sie das monströse Programm ja gestemmt.

WO-LI-BA

Die gemeinsame Nutzfläche, die Gewerbefläche. Die gilt es in einem solchen Unternehmen u bespielen, am besten so, dass jede(r) zum eigenen Recht gelangt. Ich zum Beispiel möchte Kurse anbieten und zwar jene, die mir Spaß machen: Bühnenkampf mit Degen, Stock und Faust – dazu Choreografien ausarbeiten, diese in Perfektion einstudieren und gelegentlich vorführen, vielleicht auch mit Preisen bestücken; langfristige Theaterprojekte mit Menschen allen Alters; Workshops rund ums Schreiben, Theatermachen und Tanzen; Tangosalon mit Ambiente und Stil. Das ist, womit ich die Gewerbefläche füllen will. Ein Plus, Krimidinner in unserem Lokal statt bei anderen Zuhause … langfristig gesehen. Ich weiß, dass ich sie nicht allein so gut ausnutzen kann, das sie ausgelastet ist, dazu brauche ich die anderen. Und wir arbeiten zusammen – wirtschaftlich auch?

Eine erste Überlegung war, dass wir einen Teil aller Einnahmen für die Gemeinschaft  für sogenannte Gemeinschaftsprojekte aufwenden: gemeinsame Feste, Übernachtungsraum für Gäste, Restauration der gemeinsamen Räume, der Verkehrsflächen, der Reinigung der gemeinsamen Nutzflächen vor allem der Sanitären Einrichtungen, Werbung für das Haus und die Projekte, Unterstützung im Alter durch äußere Stellen (Pflegedienste), etc. Mir fallen spontan viele Quellen ein, wofür man gemeinsam viel Geld ausgeben kann.

Dann braucht man gute Kommunikationsregeln, so wie in Kaufungen … die tägliche Rolle, damit man auch ohne aktuelle Sitzung auf dem Laufenden bleibt.

Kaum steht es hier, fällt mir mein Besuch in Kaufungen ein, vor Jahren mit Sean zusammen: Kommune Niederkaufungen Da besuchte ich Raymond, der mich eingeladen hatte, zu verstehen, was die Kommune so macht. Ich war für diesen Blick hinter die Kulissen sehr dankbar und wäre am liebsten sofort mit meinen Kindern dorthin gegangen. Ohne meine Kinder wäre das sicher kein Problem gewesen, mit ihnen hätte ich die Prozentzahl der erlaubten Kinder gesprengt.

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Ich habe gerade auch mal auf der Seite so rumgeschaut, ich könnte mich sicher sofort in der Küche einbringen. Kochen und Essen – eine Leidenschaft. Aber dazu hab ich ja auch eigene Ideen –> siehe Krimidinner. Die Kommune zu erleben – ein Jahr Ostern für fünf Tage – war damals ein besonderes Erlebnis, denn dort war Alltag, wovon ich träumte: gesunde Lebensmittel für alle, gesunde Gesprächskultur durch Schulung  und Praxis von Gewaltfreier Kommunikation (nach Marshall Rosenberg). ein passendes soziales Miteinander für jede Altersphase, ein kulturelles Miteinander und das ohne den zentralen Gedanken an Geld. Damals fühlte ich dieses Prickeln, dass es so eigentlich richtig ist.

Ich möchte gern anfangen mit meinem WOLIBA, anfangen in einem Stadtteil und dann wachsen. Raymond sagte, dass 50 Personen für die Überschaubarkeit der Beziehungen genug sei. Heute leben in der Kommune 80 Menschen. Dort ein Wochenende zu verbringen und sich Anregungen für das eigenen Projekt zu holen, darauf hätte ich Lust. Du auch, meine liebe Freundin? Hier gäbe es die Termine: