Was darf es werden? – Rätselhafte Zukunft bleibt es … fort und fort

Von irgendeinem fernen Moment in der Zukunft aus wird klar sein, wieso ich mich wann für welchen Weg entschieden habe, doch heute? Ein Rätsel, ein Kraftakt der Entscheidung, ein Widerstreit all der Möglichkeiten.
Ja, jeder Moment kann diese Spannung in sich halten, doch manche Lebensmomente scheinen mich innerlich zu zerbersten, kaum auszuhalten ist diese Unerträglichkeit des Nicht-Wissen, ja das Nicht-Wissen oft so segensreich, ist jetzt kaum zu ertragen. Ach ich glaube auch, ich könnte ersticken an dem Flimmern hinter meinen Augen, wo vermeintlich das Gehirn sitzt. Und das wiederum dürfte allen nicht-theatralen Menschen widerlich überstreckt erscheinen, geradezu klebrig.

Wochen befasste ich mich mit den ersten 50 Seiten, mit dem Exposé und wieder mit den ersten 50 Seiten und dann wieder mit dem Exposé. Noch einmal alles laut irgendwem vorlesen. Meine Auslassungspunkte, […] um die 50 MS-Seiten zu markieren, wanderten wie Krebse vor und zurück und vor und zurück im Arbeitspapier. Neue Auslassungszeichen als Marker. Inzwischen merke ich, wieso das Exposé so wichtig ist, was daran schwierig ist und wie man das in Griff bekommt. Mir schwirrte der Kopf; drehte sich um sich selbst unsichtbar von außen, er rotierte vornüber und seitlich. „Kettenbildende Handlung“, „Wendepunkte“, „Hauptcharaktere“, „Figurenlogik“, „Must, Don’t, Need & Want“ … Jedes Mal wenn ich dachte, jetzt kann man kaum noch was daran schrauben; weggelassen hab ich vieles – alles verschmerzbare Nebenhandlungen. Aber werde die Figuren deutlich genug? Ist die Handlung klar? Zeigt sich die Tonalität? Und schon wieder könnte ich mich im Kreis drehen.

Dieser Wettbewerb (Alfred-Döblin-Ausschreibung) kann meinen Wendepunkt markieren, meinen für das Schreiben. Möglich, vielleicht auch nicht. Was ist, wenn die Geschichte doch keinen Widerhall findet – diesmal? Ich sitze schon hier, beiß auf den Nägeln rum, wenngleich sicher noch keine Wahl getroffen ist – schließlich ist gerade erst Dezember, ein Monat liegt zwischen der Abgabe und dem heutigen Tage.

Aber der nächste Druck steht an der Tür: 7. Januar 2023: Abgabe für eine Drehbuchgeschichte. Und ich weiß gar nicht, welche ich da nehmen soll. Was ist gut genug? Was kann ich bis dahin schleifen? Ich muss endlich meinem Schreiben diesen Raum geben, egal, ob Klausuren mich bedrängen oder nicht. Wir müssen alle dadurch, dass ich mir diesen Raum erkämpfe.

Dann meine vertickenden zwei Jahre, eigentlich noch achtzehn Monate, vlt. einundzwanzig. Wie gabelt sich mein Weg auf? Aktuell sind die Optionen so reichhaltig wie das Menü zu Weihnachten; üppig, zum Anbeißen, Achtung: Völlegefühl. Inzwischen die einfachste Idee ist die, nach Italien zu gehen und einfach alles andere erstmal hinter mir zu lassen, vielleicht irgendwo an der Küste zu arbeiten, bisschen Taschengeld und dann in der Zeit drumherum zu schreiben. Die einfachste, aber vermutlich nicht die richtigste. Und richtig: Richtig kann man überhaupt nicht steigern. Die Frage ist doch: WIE will ich leben? Ich weiß genau, vom Schreiben leben werde ich nicht mehr können. Vermutlich nicht. Zumindest nicht den klassischen Weg vom Tellerwäscher … und so weiter. *haha

  • Ausbildung zur Yogalehrerin? Yoga intensiv? Bringt mich das voran? Ja, vermutlich mich, aber den Rest?! Haha. Zumindest hätte ich eine Jobperspektive – wenn auch nicht für den Lafri-Kurs.
  • Studium Drehbuch? Bringt mein Schreiben ganz sicher voran. Aber auch mich? Auch meine Beruflichkeit? Was ist mit der Lafri-Perspektive?
  • Rückzug und Konzentration auf das Schreiben? Bringt mein Schreiben sicher voran, meine Lebenslust auch, aber auch meine Beruflichkeit? Was ist mit der Lafri-Perspektive?
  • Statt mir Sorgen machen, einfach Reisen – einmal Welt und zurück. Irgendwie geht es ja weiter.

Was also darf es werden?

Schritttempo – Denkprozesse – Ausstieg und ein Einstieg

Der große Ausstieg. Vielleicht ist es am Ende ganz lautlos, klein und im Rückblick simpel und einfach. Mir scheint es so gewaltig – lange Schatten im Voraus, weil ich weg will.

Ich will reisen und das tun, was ich will.

Gott, ich Privilegierte.

Zerbrechlichkeit der Pläne in dieser Zeit … und doch, ändern muss ich unbedingt etwas. Ich brauche den Raum für das Schreiben. Ich habe es mir versprochen.

Wenn mich der Mut verlässt? Der Mut? Mich verlassen? Wie soll das gehen? Ängste haben doch noch nie mein Leben bestimmt – oder doch? Hoffe ich doch gar darauf, dass eines meiner Kinder Kinder bekommt und mich abhält, eine der waghalsigen Ideen in Taten einzulösen: Mit der Transsibirische Eisenbahn nach Asien; in Italien (vielleicht Sizilien) leben und schreiben; durch Deutschland zu touren – Theaterkurse, Schreibkurse und Housesitting für die Freiheit des Schreibens.

Die Zeit bis zum Ausstieg läuft an, zählbar in Tagen: Das Schuljahr bis zu den Sommerferien (133 Tage), dann noch drei Schuljahre. Überschaubarkeit der verbleibenden Zeit: ein Leistungskurs, drei Literaturkurse, eine halbe Klassenleitung, sogar die Konferenzen sind zählbar. Das allein klingt, als hätte ich Haftlockerungen. Wie oft soll ich sagen, dass nicht der Unterricht das Problem ist, sondern der ganze Rest: morgen zur anderen Schule, weil meine Schüler kleinen Grundschulkindern Angst gemacht haben (vielleicht); ein anderer meiner Schule löste letzte Woche Feueralarm aus; ein Schüler schubst mich (aus versehen), weil ihm nicht gefallen hat, dass ich ihm den Ball abgenommen habe, mit dem er auf dem Flur spielte. Ach, das sind nur so ein paar Schlaglichter, falsch „Schlaglöcher“. Diese Ereignisse erschweren den schleppenden Gang im Unterricht unermesslich. Diskussionen in jeder Stunde, ob man denn überhaupt was lerne! Seitens der Schüler und Schülerinnen wenig Einsatz für irgendwas. Meiner letzten Rettung beraubt, kann ich nicht einmal mehr aus Theaterkursen die nützliche Erkenntnis ziehen, dass sie gar nicht unwillig nur verhindert sind, diese Jugendlichen, diese SchülerInnen. Korrekturen, Frechheiten, Maßlosigkeiten … Natürlich müssen Jugendliche frech, ausfallend, maßlos und anspruchsvoll sein – aber ich habe genug davon gehabt. Mir reicht das jetzt. Ich habe nicht die Größe wie andere Lehrkräfte, darüber zu stehen. Wofür auch? Das ist mein Leben und ich will es zurück, ich will mich nicht permanent für dämliche Richtlinien verbiegen; Dinge lehren, deren Sinn ich nicht erkennen kann; Menschen etwas antun, was sie ein Leben lang beschäftigt, nur weil mein Arbeitgeber keine bessere Idee hat, als als Leistungsüberprüfung Noten zu verlangen; weil die Gesellschaft keine bessere Idee hat, als Noten als Vergleichswert anzuerkennen – trotz aller gegenteiliger Erkenntnis, wie unfruchtbar das ist.

Ich will mein Leben zurück. Ja, das, als ich noch selbst Inhalte meines Denkens bestimmen konnte. Als ich noch meine moralischen Werte vertreten durfte und konnte.

Wenn ich was bewegen könnte – hätte ich was gesagt? Würde ich klagen, wenn ich wirklich was bewegen könnte, was verändern könnte? Kann ich? Lächerlich! Ich kritisiere die Form der Schule: Noten, Unterrichtszeiten, Unterrichtsfächer, Raum, in dem das, was wir Schule kennen, stattfindet, die Regeln, die für das gelten, was wir „Schule“ nennen (Essenszeiten, Arbeitszeiten, Pausezeiten, Klozeiten … alles so unmenschlich festgelegt). Schon das Wort „Schule“ vergiftet jeden Kontext, in dem Lernen stattfinden soll oder kann oder darf.

Aber zurück zum Ausstieg – ich entschuldige mich für diese Emotionalität — ich wollte nur mal klarstellen, dass ich keine Flusen oder Fussel oder Flausen im Kopf habe, weswegen ich meinen Beamtenstatus aufgeben will.

Lucy wird in zwei Jahren und drei Monaten fertig sein. Dann plane ich den Auszug aus dieser Wohnung. Zwar will Diondra bis dahin noch hier wohnen, doch auch sie muss dann weichen. Wohin ist noch unklar. Falls sie hier bleiben will, müsste sie eine WG gründen und das kann sie sich in dieser Wohnung nicht gut leisten – die Schlafräume sind schlichtweg zu klein. Ich möchte zu meiner Freundin ziehen, um unser beider Ressourcen (einmal Strom, einmal Gas, einmal Telefon) zu schonen und um für den Aufbruch eine Reserve zu haben. Lucy will reisen (woher hat sie das bloss?) und ihre Sachen beim Vater unterstellen – der davon noch nicht weiß. Tja, da gibt es Dinge in dieser Wohnung, die ich selbst unterstellen müsste, die ich verkaufen oder loswerden müsste: Möbel, Bilder, Bücher, Akten. Und ich weiß nicht, für welchen Zeitraum. Das ist noch so offen.

Meine Pläne sind vielfältig, was die Zeit nach dem Ausstieg sowie die Vorbereitung darauf betrifft:

„Denken lernen in einer fremden Sprache“ – ein langfristiges Projekt, dass eine Mischung aus populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher empirischer Untersuchung des Erwerbs einer zweiten Sprache sein soll. Ich verfasse während des Lernens der italienischen Sprache Erfahrungsberichte zum Lernprozess. Ziel ist das Denken in der fremden Sprache. Dafür muss ich in Italien leben, wenn ich meinen Job aufgegeben habe. Es gibt Ideen und Optionen: Evtl. gibt es Finanzierungsmöglichkeiten über das Goethe-Institut — mal fahnden. Könnte sein, dass ich dafür ein Exposé bräuchte.

„Wie wollen wir leben? – Kleinfamilie als gesellschaftlicher Tod“ – etwas, worüber ich schon lange schreiben möchte – nicht aber ohne Recherche und Zeit. Aus meiner Sicht ist unsere Gesellschaft zu linear angelegt, die Familie, die Sippe, die Gemeinschaft hat zu wenig eingeräumten Platz darin, sondern muss so irgendwie daneben funktionieren und das macht krank (die Bildung, die Psyche, die Gesellschaft), weswegen wir auch gern die Placebos von Konsum wie Pillen inhalieren, in der Hoffnung, dass das Abhilfe schafft. Ein bisschen hilft es, für den Rest brauchen wir die Psycholog:innen und weitere Ablenkungen. Es gibt aber eine Sehnsucht. Also das würde ich gern schreiben. Das kann ich überall schreiben, auch im Zug der Transsibirischen Eisenbahn.

„Dreh dich, Schwänzchen“ läuft fast von allein. Der zweite Teil meiner Virus-Serie. Drei Jahre nach dem Großen Sterben. Andere Hauptfiguren, andere Nebenrollen. Sklaverei und die Suche nach der Lust. Umgang mit dem Verlust. Ein Krimi mit Mord und Intrigen, die Vorbereitung auf einen Krieg und der Suche nach einem neuen Glauben. Alles drin, was man braucht. Das hab ich schon begonnen und stocke gerade. Stocke, Stocke … ich muss weiter dran.

Außerdem ein paar Kurse, ein paar weitere Projekte, die irgendwie untergebracht werden wollen: Drehbuch-Kurs, DaZ-Zertifikat-Kurs, Cello, Tango, Yoga … am liebsten alles parallel. Einiges davon benötige ich vorbereitend für meinen Ausstieg, auch wenn das gar nicht so offensichtlich ist. Wirklich wichtig von all dem ist der DaZ-Kurs, weil der mir in der Fremde einen Job sichern könnte.

Es gibt auch ein paar Ideen für das sichere Netz, falls ich doch stürzen sollte … ein paar. Schöne Optionen. Mal sehen, was davon am Ende hält.