Keine Zeit für irgendwas – für was?

Fast Ferien – fast geschafft. Fast auch wieder Platz auf dem Zeitkonto. Fast.

Unser „beinahe“ ist so dicht mit dem „schnell“ der Engländern verwandt, dass man spürt, dass es gemeinsame Wurzeln geben muss und ist es auch nur das Menschsein.

Die erste Hälfte des Jahres hat mich durch wichtige Erfahrungen, durch mein großes Fest und durch zahllose Kleinigkeiten abgehalten, regelmäßig zu schreiben. Aktuell muss ich mich daran gewöhnen, dass mein linker Mittelfinger noch immer nicht so belastbar ist, dass er als Mitglied des Zehnfingersystems gelten kann. Aber was sind schon alltägliche Banalitäten, wenn man sich über die großen Dinge Gedanken macht:

  • Was kann der nächste Job werden? Womit steige ich aus der Schule aus?
  • Wie viele Seiten hat mein erster Roman und komm ich um ein Lektorat herum oder nicht?
  • Wohnung? Wohnen? Wohin?
  • Wann genau will ich raus?
  • Schaffe ich das Schuljahr noch oder lass ich schon jetzt alles hinter mir? Was ist mit meinen Zusagen? Z. B. das Musical.
  • Y-Chroniken als HP fit machen: Wie kann ich starten?
  • Baukaustensystem, um Zeit zum Schreiben zu finden. Ein 450€-Job, Lektorat im Homeoffice und zwei Tage non-stopp schreiben, dazwischen Tango, Tango und Yoga?

Eine Umfrage zu meinem Buchrückentext hab ich soweit fertig, dass ich sie auf den Weg bringen kann. Wer mag mal mitmachen?

https://forms.gle/pcLseFsMEGS3jXMG6

Und doch, fast schon Ferien.

Ein Nicht-Auszug aus meinem Roman als Klappentext?

Würdest du das machen? Es ist interessanter als ein Auszug aus dem Roman zu präsentieren, weil in diesem Ausschnitt alle Probleme angerissen werden, doch kann man das so machen? Bricht es nicht die Erwartung, wenn der Leser oder die Leserin das Buch in der Hand hat und diesen Nicht-Auszug liest? Ja, er könnte in dem Roman stehen. Doch zeitlich liegt er vor der Geschichte des Romans und er ist nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben, wie Anna sonst in dem Roman berichtet. Also ein Nicht-Auszug. Auch kein Teil des Prologs, weil der Zeitpunkt weit vor dem Beginn des Prologs liegt. Damit ihr wisst, wovon ich spreche:

Anna stand an für Brot. Nicht wie damals beim Lockdown während der Corona-Infektion, weil man einen großen Abstand einhalten musste. Vor ihr noch elf Frauen, hinter ihr viele weitere. Die Maske schützte sie vor der Asche. Die Leichen wurden in Takt von zwei Stunden auch auf dem Parkplatz vor dem Rathaus verbrannt. Der beißende Geruch von verbranntem Fleisch drang durch den Filter in ihre Nase. Sie nahm es kaum mehr wahr.

In Gedanken war sie beim letzten von ihr obduzierten Leichnam und suchte eine Lösung gegen dieses Virus. Ob sie noch Brot bekommen würde? Viele Alternativen zu diesem Anstehen gab es nicht mehr. Die Regale in den Supermärkten waren leer. Keine Milch, kein Mehl, keine Hefe, Eier, Nudeln, kein Reis und keine Kartoffeln, auch keine Konserven mehr. Kriegsähnlicher Zustand auf der Straße, aufgerissene Müllbeutel breiteten sich aus, Abfall, streunende Hunde, zerbrochenes Glas, Möbel. Knirschen unter den Schuhen. Anna starrte in sich gekehrt auf Bruchstücke von Fensterscheiben zu ihren Füssen. Ein Trum, viele Trümmer dachte sie ganz unzusammenhängend. Trum, ihre Großmutter hatte davon erzählt.

Wie würde sie ihrem Mann helfen, wenn ihr keine Lösung einfallen wollte? Ihr Mann kämpfte in ihrem Elternhaus um sein Leben, bereits seit zwei Wochen. Zwei Wochen schon, ein kleiner Hoffnungsschimmer lugte durch ihre Gedanken. Sie klammerte sich an ihn. Er könnte zu den fünf Prozent der Überlebenden gehören. Als Ärztin wusste sie, dass die Wahrscheinlichkeit gering war, sehr gering. Sie fragte sich, wie sie hier so ruhig stehen konnte? Innerlich lachte sie scharf, als sie ihre aktuelle Situation mit der Coronazeit verglich. Den Schläfervirus hatte niemand erwartet. Wenn Viren eine biologische Lebensform waren, dann war dieser Virus eine sehr zynische und grausame. Ihr Magen biss an ihre dünnen Magenwände. Sie ignorierte den Schmerz wie gewöhnlich.

Als sie an der Reihe war, nahm sie das erste Mal ein Gesicht vor sich wahr. Tief in den Höhlen liegende Augen mit schwarzen Rändern blickten sie an, der Arm hielt ihr ein Brot entgegen, der andere ausgestreckt mit flacher Hand verlangte nach ihrer Essensmarke. Als sie nicht schnell genug reagierte, riss die Frau sie ihr ungeduldig aus den Fingern. Worte wechselte keine mehr. Anna ergriff das Brot und machte sich auf den Rückweg zu ihrem sterbenden Mann...

Klappentext zu „Oben – Unten“ von Scarlett H Mirro

Kann man das machen? Würde das den Leser oder die Leserin irritieren, dass dieser Text nie Teil des Romans ist? Wird er sich betrogen fühlen, wenn er bemerkt, dass der Klappentext eine auserzählte Episode ist, die so nicht aufgegriffen wird? Nicht in der Form. Anders natürlich schon.

Ich wäre für Hinweise dankbar. Gerne hinterlasst mir einen Kommentar.

Den Roman selbst herausgeben – die Entscheidung ist gefallen (mehr oder weniger)

Kennt ihr das? Man weiß genau, was zu tun ist, doch hofft man, dass es dazu nicht kommt! SO geht es mir jetzt. Ich weiß, es ist vernünftig diesen Schritt zu gehen, es ist sinnvoll, die Veröffentlichung selbst in die Hand zu nehmen, nicht auf einen Verlag oder eine Agentur zu setzen und doch – ich hab Hemmungen, diesen konventionellen Weg zu verlassen. Aber wäre ich ICH, wenn ich mich davon abhalten ließe, wenn nicht gerade die Erkenntnis, dass ich Hemmungen, Sorgen und Ängste habe, dazu führt, dass ich es mache?

Was macht mir Sorgen?

Ich habe Angst davor, dass das, was auch immer es ist, plötzlich so groß wird und ich den Prozess nicht mehr händeln kann, bevor ich „mitgewachsen“ bin. Gleichzeitig denke ich: Was, wenn es niemanden interessiert? Wenn ich kein Feedback bekomme? Was, wenn ich für Peanuts investiere? Wäre ja nicht schlimm, wenn ich selbst nur Peanuts investiere für den Erfolg, aber umgekehrt? Andere finanzieren in ihr Hobby mehr als ich bislang in meine Ideen. Ist das aber vergleichbar? Klar braucht ein knackiger, duftender, roter Apfel keine Werbung, aber auch er braucht eine Begegnung. In dem großen ganzen Gewimmel von roten, knackigen Äpfel, wie den duftigsten ermitteln? Ich verstehe das Konzept der Offenbarung – kognitiv verstehe ich das … und Hemmungen sind dennoch da.

Mein persönlich dritter Knackpunkt: Manchmal denke ich, ich bin zu grob geschnitzt, zu wenig professionell, zu wenig genau, spare vielleicht an der falschen Stelle den Einsatz von Geld, Zeit und Kraft.

Vertrauen und Atmen. Letztlich kann man nur einen Schritt vor den anderen setzen.

Was sind meine nächsten Schritte?

Wenn ich den Roman selbst publizieren will, sind es bestimmt Schritte, die ich sozusagen vor der Publikation erledigen muss.

  1. Cover des ersten Romans gestalten lassen, damit es eine gewisse Professionalität ausstrahlt.
  2. Mich über die Möglichkeiten, Richtlinien und Fallstricke als Selfpublisher informieren.
  3. Nach der Beta-Lese-Runde die korrigierte Endfassung mit dem Cover als Selfpublisher veröffentlichen. Dafür einen gut gewählten Zeitpunkt aussuchen.
  4. Konzept, Verlaufsplan zu dem Videoblog (oder so ähnlich) „Making of dysTOPOI“- womit ich schon begonnen habe.
  5. Werbestrategien planen und anlaufen lassen.
  6. Community Betreuungskonzept entwickeln.
  7. Startschuss für Video-Logbuch und für den Roman festlegen.
  8. Und dann die Betreuung, das Nachfassen, das Nachsorgen. Da beginnt die Arbeit.

Es ist ein Prickeln in meinen Blutbahnen, verheißungsvoll und voller Bewegung. Eine bewegte Aufbruchstimmung, die sich immer wieder mit den Sorgen und der Angst vermischt. Mit den Zweifeln, die wie Schatten an der Angst kleben. Angst – kenn ich gar nicht, dachte ich. Angst, selbst hier muss es schon ein besonderes Format bekommen, damit sie mir den Hals abschnürt. Und doch, die Euphorie, das Gefühl, etwas Besonderes gefunden zu haben …

Bleib doch, bleib bei der Euphorie!

„Du bist mir schon eine Marke!“ – Als Autory, oder was?

Vor dem ersten Schritt nachdenken über das, was man sein will? Bevor ich meine erste Lesung halte, mache ich mir Gedanken, wie ich die Lesungen halten will? Bevor ich meinen Roman veröffentliche, mache ich mir Gedanken, was für eine Autorin ich sein will? Und hier komme ich an die Gendergrenze – ehrlich, ich will doch nicht nur mit den Autorinnen als Autorin verglichen werden, wenn ich einen Satz wie diesen schreibe. „Was will ich für ein Autor sein?“ schließt ein, dass ich mit männlichen Autoren verglichen werde statt mit Frauen, gendere ich den Satz, dann sinkt der Vergleichsparameter um die Anzahl der männlichen Vergleichmöglichkeiten. Aber ich bin eine Frau. Diese neue Genderei führt dazu, dass ich mein Frausein in den Fokus rücke, nein in den Fokus ramme. Aber was hat nun mein Geschlecht mit meiner Schreibe zu tun?

Also von Vorne: Was für ein Autory will ich sein?! Klingt komisch, weil ich doch eindeutig weiblich bin. Puh … was ist die Sprache komplex. Versuche ich es ohne Etikette nach Rosenberg, dann fragt sich, was ist das Autorseiende an der Autorenschaft. Es geht doch um die Aspekte von dem, was einen Schreiberling ausmacht! Was aber ist das denn?

Was ist diese Autorenmarke? Und – weiter gefragt – was wäre meine Autorymarke? Das Unverwechselbare? Eine Marketingstrategie? Die Zeiten für diesen Blog in der alten Fassung sind gezählt, wenn meine Marke steht? Steht …
Oha, eine Leiche.

Meine schriftstellerische Besonderheit ist sicherlich die, dass ich gerne viele Figuren bespiele und gerne ungewöhnliche Handlungen meiner Figuren anstrebe. Inhaltlich neige ich dazu, in dem Gewöhnlichen das Tiefsinnige zu suchen – ich kann eben Smalltalk nicht. Gilt auch privat. Und ich hab vielleicht was zu sagen? Vielleicht. Ich mag flach nicht. Und doch, viele Autorys sind gerade deswegen auch sehr erfolgreich, weil flach. Oh du mein Kafka, solch eine bizarre Tiefe. Mag ich diese Tiefe je erklimmen? Was aber ist das unverwechselbare von Proust, von Kafka, von Musil? Ich spüre, dass ich nicht in diese Reihe gehöre, zumindest werde ich das am Ende nie entscheiden können und auch müssen.

Genügte es damals zu schreiben, heute muss man sich zeigen. Zeigen wie diese Autorinnen im Gespräch: FBM18 // Gesprächsrunde: Aufbau einer Autorenmarke. Rasierklinge war Rainald Goetz 1983 und da noch etwas, das Schlagzeilen machen konnte. Heute muss ich das Übermorgen mitdenken, zumindest, wenn ich gehört werden will. Ist mir das egal, bedeutet: dann ist es auch egal, wie ich etwas sage. Und da ist sie wieder, diese eine Frage, die mich seit Jahren umtreibt:

Habe ich etwas zu sagen, dass gehört werden muss/sollte?

Sind meine Worte mehr als das, was meine Kochkunst vermag? Oder gerade so viel? Ein leckeres Essen? Ein amüsanter Abend? Würde es nicht genügen, wenn es mein Vergnügen mehrt – worin ich äußerst erfolgreich bin? Muss ich mich denn um ein großes Ohr bemühen?

Gestern hatte ich Besuch, den ich mit einem komplett selbstgemachten italienischen Menü beglückte: zweierlei Nudeln (Spinat-Ricotta-Ravioli und Basilikum-Tagliatelle) sowie zweierlei Soßen (Linsenbolognese und Spargel-Sahne-Soße) sowie Fladenbrot mit Kräuterbutter vorab und einem Amarenakirsch-Parfait als Dessert. Fünf Stunden Arbeit, eine Stunde Essvergnügen und Huldigung des Essvergnügens durch angenehme Gespräche, verplätscherte Zeit.

Das Verhältnis von Roman Schreiben zu Roman Lesen ist ähnlich. Nur die Ernte für die Mühe fahre ich doch selten ein. Ehrlich gesagt, hätte mir der Prozess der Menüentwicklung keinen Spaß bereitet, wieso hätte ich das machen sollen? Beides ist bereits ein großes Vergnügen. Doch koche ich keine fünf Stunden für mich allein, wenn ich nicht Menschen habe, die das wertschätzen und sich wohlfühlen, eben weil ich ihnen so ein leckeres Diner bereitet habe. Wieso sollte ich den Roman schreiben, wenn ihn außer mir keiner liest?

Meine Autorenmarke? Ich bin die, die Vergnügen bereitet und den Finger in die Wunde legt, die unangenehme Frage stellt und gut zuhören kann, der man sich öffnet wider Willen. Ich bin die, die zweifelt, sich ehrlich in den Spiegel anschaut und der es schaudert, ob des Menschseins – so ungeheuerlich in jeder Hinsicht. Ich bin die, die keine Diplomatie kann, weil ich sie für eine Lüge halte. Ich bin die, die echte Toleranz durch Verstehen erreichen will. Ich bin die, die trotzdem lästert und trotzdem Vorurteile hat. Nur weiß ich, dass ich Vorurteile habe. Und ich mache mich über uns Menschen lustig, weil wir so lustige Vorstellungen von der Welt haben, ganz so, als sei sie für uns gemacht, nicht, als würden wir nur ein Teil davon sein.
Tja, und wie forme ich daraus eine Marke? Einen gebrochenen Spiegel hab ich ja schon als Künstlynamen, sogar ein Hörspiel hab ich dazu gemacht … vor Jahrhunderten scheint es mir. Vielleicht wäre das dann zumindest das Symbol. Eine Unheilige.

Und wie genau stelle ich das dar?