Exklusiv: Interview mit einem Newbie am Autorenhimmel. Die Debütautorin Scarlett H Mirro erklärt

Ich hab es mir nicht nehmen lassen, wo ich schon mal so dicht an einer Autorin herankomme, mit Scarlett H Mirro ein Interview zu führen. Hier präsentiere ich es im klassischen Frage-Antwort-Format.

Hallo Scarlett H Mirro. Wir haben bereits berichtet, wie du zu deinem Künstlernamen gekommen bist. Wie siehst du das heute?

Viele machen mich darauf aufmerksam, dass hinter dem H doch wohl der Punkt fehle. Das Fehlen wird nicht als Besonderheit, sondern als Fehler wahrgenommen. Das hatte ich nicht bedacht.

Und hat das eine Konsequenz für dich?

Tatsächlich überlege ich, weil ich ja keinen „fehlerhaften“ Namen nutzen will, ob ich das ändere. Vielleicht.

Von deinem Künstlernamen abgesehen, ist ja auch der Titel eher ein Arbeitstitel, oder?

Eigentlich hatte ich den Titel für einen genialen Wurf gehalten. Kurz, eindeutig und vieldeutig, aber ich gebe heute zu, er geht doch wenig flüssig von den Lippen. Na, letztlich frag ich mich, ob man auch Grisham gefragt hat, wie er zu „Die Jury“ kam.

Ein Titel ist wie der Name eines Kindes. In vielen Augen eigenartig oder falsch oder deplatziert oder unpräzise, doch mit der Zeit gewöhnen sich auch die größten Kritikerinnen und Kritiker, bis es „normal“ ist, dass der Roman oder die Geschichte so heißt.

Dabei gibt es eine echte Erklärung für diesen Titel. Die Loge „Liliths Schwestern“ gibt fiktional betrachtet als Rahmenhandlung diese Teile als Hinterlassenschaft der letzten Männer heraus. Es sind alles Dokumente, die diese Loge archiviert und für die Nachwelt erhalten will, damit die Männer als Teil der Gesellschaft – wenn auch historisch geworden – nicht in Vergessenheit geraten. Diese ersten Dokumente oder Akten, hat die Gründerin Emma Seidensticker gesammelt, nämlich als Akte „Oben“ von der Impfstofffinderin Anna Kowalski und als Akte „Unten“ von ihrem Ehemann und ersten Überlebenden Jacek Kowalski. Sie hat die Akten nach dem Ort unterschieden, damit die Namen der Erzähler und der Erzählerin nicht öffentlich werden. Wenn man so will, sind „Oben“ und „Unten“ Codewörter.

Oh ja, das klingt auf jeden Fall nach Verschwörung und Geheimorganisation.

Ja, das ist ja verrückt. Mensch. Vielleicht klingt es so, weil das ja alles sogar drin ist! Verschwörungstheorien tauchen zahlreich auf. Eine hier und eine da. Es gibt einige ganz lustige Geschichten dazu, zum Beispiel …

Nicht spoilern. Stoppt. Davon lass uns später reden. Doch was uns außerdem brennend interessiert: Wie verlief die erste Lesung?

Die erste Lesung? Ja, schön, dass du mich darauf noch einmal ansprichst, aber das war nicht meine glanzvollste halbe Stunde. Ich war zwar vorbereitet, doch hab ich einen der Kardinalsfehler begangen. Wirklich niemals sollte man an einem Ort sprechen, ohne vorher eine Probe gemacht zu haben. Die Akustik war wirklich schlecht. Ganz selbstkritisch muss ich zugeben, dass ich selbst nicht deutlich genug in die Geschichte einführt habe. Ich wollte es richtig gut und richtig spannend machen und hab damit leider den Kern der Geschichte versäumt, darzulegen. Wirklich blöd gelaufen.

Anfängerfehler. Sowas kann doch passieren.

Vielleicht. Vielleicht einer Person, die sich nicht mit Bühnenauftritte auskennt, die kein Theater macht. Aber mir? Mir hätte das nicht passieren dürfen. Ich versuche mir das zu verzeihen, um es beim nächsten Mal besser zu machen!

Und wie geht es aktuell für dich weiter? Was ist der nächste Schritt?

Wie du weißt, habe ich mit einem Partner den Verlag Wortfuge gegründet, den gilt es nun auch zu füttern. Dafür braucht es wirklich meinen Einsatz, vor allem zeitlich. In den Weihnachtsferien werde ich Lese-Videos aufnehmen, die ich nach und nach in den Äther der sozialen Medien sende, damit ich meinen Roman vor allem an eine mir unbekannte Leserschaft bringe. Im Moment ist es noch so, dass jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin mir bekannt ist. Das ist schon wirklich spannend, zu wissen, dass mein Roman bei Freunden auf dem Nachttisch liegt. Doch was ist, wenn ich den Leser oder die Leserin nicht mehr kenne und sie eines Tages einen Leserbrief oder eine Nachricht in einer Cloud schreiben und meinen Roman erwähnen, mir oder anderen berichten, was sie denken, wegen dieser Geschichte? Das ist wirklich aufregend.

Hast du denn schon Kommentare zu deinem Roman gehört?

Bislang sind das natürlich die üblichen Floskeln: Spannend. Gefällt mir. Ist ganz gut. Interessant. Sowas eben. Ich höre auch: Ich komm nicht dazu, zu lesen. Ich lese ja nicht so viel oder erstmal lese ich was anderes.

Und das ist nicht, was du hören willst?

Es ist natürlich nett, wenn mir jemand sagt, dass ihm oder ihr mein Buch gefällt. Was mich wirklich interessiert, sind jedoch weiterführende Gedanken, die sich die Lesenden machen: Was ist deine Lieblingsfigur und warum? Was denkst du zu dieser Art Zukunft? Wozu regt dich die Geschichte an? Welche Fragen stellst du dir? Was findest/fandest du witzig? Wann hast du gelacht? Womit hast du nicht gerechnet?
Letztlich ist eine Geschichte auch Geschmacksache. Eine Spielfreundin erklärte mir, dass diese Art Geschichten nicht so ihre wäre. Nicht jeden Geschmack kann ich treffen. Auch wenn sich meine Eitelkeit angekratzt fühlt. Die eine findet vielleicht diese ganzen ausgeloteten Philosophien unerträglich zäh. Der nächste jedoch mag die Vielfalt der Perspektiven. Ein weiterer wünscht sich eine Liste mit einer Personenübersicht, weil es davon so zahlreiche gibt. Eine andere findet genau das überflüssig, weil man sich das doch merken kann und seine eigene Phantasie nutzen will.

Ja, es sind aber auch wirklich mächtig viele Figuren, die du da am Start hast.

Das stimmt. Ich hab selbst ne Liste gebraucht. Vielleicht sollte ich sie wirklich der Leserschaft bereitstellen. Wie genau ich das mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht wäre eine Ehrentafel auf der Seite der Schwesternschaft eine gute Idee. Darüber mache ich mir noch Gedanken.

Das Buch ist ja fertig, also damit ist doch die Bahn frei für den kreativen Ausschuss für den zweiten Teil. Wie steht es damit?

Mal langsam. Wir haben festgestellt, dass die Vermarktung und der Vertrieb dieses ersten Teils schon noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch wenn der zweite Teil schon seit drei Jahre unvollendet auf meinem Rechner hängt, nützt mir wenig, dass er bereits halb abgeschlossen ist. Ich habe bei diesem ersten gemerkt, dass es mehr Zeit abverlangt, als ich erwartet habe, die Korrektur zu machen. Allerdings hab ich das auch nicht so schlau angefasst und irgendwie versucht, wie eine Anfängerin irgendwie hinzubekommen, statt mir die Hilfe zu holen, die nahe liegt. Überhaupt, gerade in diesem ersten Teil liegt viel Lehrgeld. Aber das war zumindest schon einkalkuliert. Zu der Frage, was jetzt ansteht, lautet meine Antwort: Aktuell muss ich für mich prüfen, wie sehr ich schreiben und Verlagsarbeit machen will. Komme ich nicht raus aus meinem Schuldienst, muss ich diese Pille schlucken, dann geht das nur, wenn ich meine Stundenzahl reduzieren kann, denn sonst blute ich aus. Ich brauche einen alternativen Job, damit meine kreative Kraft nicht so abgesaugt wird. Wie aber alle Menschen um mich herum, setzt sich meine Lebenswelt aus vielen Aufgaben zusammen. Ich bin schon froh, dass gerade das Musical zu einem Ende kommt, so dass damit wieder Kräfte frei werden. Andererseits hat sich schon ein neues Theaterprojekt angekündigt. Und wenn ich das ernstnehme, bindet das natürlich auch wieder Ressourcen.

Stimmt, du bist nebenher auch als Lehrerin und als Theaterpädagogin tätig. Was heißt das denn genau?

Aktuell arbeite ich noch an meiner Musicalproduktion. Ich habe die Textfassung dazu geschrieben und mit einem Musikkollegen zusammen die Stücke ausgewählt und die Gruppe gecoacht und Regie geführt. Die gesamte Organisation hing an uns, dafür haben wir einige Lehrkräfte aktiviert, die unser Projekt unterstützt haben. Jetzt sind noch zwei Wochen Zeit, bis es zur Premiere kommt. Wir zeigen das Stück zwei Mal. Ein wahnsinnig tolles Bühnenbild ist in der Kooperation mit einer Kunstlehrerin entstanden und ein Teil des Kollegiums singt auf der Bühne mit. Insgesamt ein großes Ding. Die Handlung ist entsprechend der Gestaltung von Musicals einfach, mit Gesang, Tanz und Musik. Ein Paar aus den 80ern, er Rocker und sie eine Weltverbesserin, sie kommen zusammen, sie will was bewegen, er will seine Ruhe. Ihr zum Gefallen sprayt er ein Graffiti an die Wand und wird erwischt. Doch es geht alles gut aus. Nach den Sommerferien haben wir das Stück noch einmal scharf eingedampft, damit wir es aufführen können. Jetzt wird es richtig gut. Außerdem hab ich von einem Kollegen den Literaturkurs übernommen: Der zerbrochene Krug. Ich mag das Stück vom Kleist, gleichzeitig wohnt in mir dieser kleine Schalk, der ja nichts einfach genauso aufführen kann, wie es geschrieben steht. Andererseits ist eine ernsthafte Aufführung zu machen, auch eine wirkliche Herausforderung für mich.

Moment, da würde ich doch gern mal nachhaken, was meinst du damit, dass du kein Stück so aufführst, wie es geschrieben steht? Du hast „Kabale und Liebe“, „Iphigenie auf Tauris“, den „Zauberlehrling“ doch schon mal auf deinem Plan gehabt. Hast du die nicht ernsthaft aufgeführt?

Fangen wir hinten an: Den Zauberlehrling hab ich verändert, damit er als Stück funktionierte. War eine Schwarzlichtinszenierung. Darunter hab ich die andere berühmte Ballade von Goethe gemischt: „Erlenkönig“. Schiller und Goethe hatte ich damals sehr verknappt zusammengesetzt, die Rahmenhandlung war dann ein kollegiales Miteinander zwischen Schiller und Goethe, die sich Auszüge aus ihren aktuellen Theaterproduktionen zeigen, um darüber fachmännisch zu diskutieren. Ich fand zum Beispiel die „Iphigenie“ immer sehr langweilig, zu redelastig und habe eine Kampfszene eingebaut, die es in Goethes Textfassung nicht gibt. Schiller gefällt die Szene so nicht, er kritisiert also den ehrwürdigen Goethe und bietet ihm mehrere Alternativen an. Goethe ist so verärgert, dass er erklärt, die Szene aus seinem Stück einfach ganz zu streichen. Das genau mein ich mit Schalk. Ich kann es nicht lassen, etwas Vorgefundenes neu zu gestalten, neu anzuordnen. Bei Stücken wie „Woyzeck“ ist das natürlich gar kein Problem. Da ist ein experimentelles Herangehen nahezu vorgeschrieben. Aber sonst gelingt mir das einfach nicht.

Wie du das so beschreibst, brennst du jedoch für die Theaterarbeit und es scheint so, als würde dir etwas fehlen, wenn du kein Theater mehr machen darfst.

Das hast du richtig erkannt. Ja, mir würde etwas fehlen. Ich mache sehr gerne Theater. Schon das der Grund, weshalb ich nun die Ausbildung zum BUT bei Sandra Anklam abschließe. Vielleicht kann ich mir doch einen der wenigen Jobs angeln, bei denen man fest angestellt ist, dann würde ich dafür den Schuldienst sofort quittieren. Naja, im Grunde mach ich zu wenig Theaterprojekte, um trotz all der Jahre so viel Erfahrung damit zu haben, wie zum Beispiel Sandra Anklam, die in einer Woche einen Kurs leitet, eine andere Woche ein neues Theaterprojekt anfängt und so mehrere Spielbälle in der Luft hält. So ein Job wäre ideal.

Vorhin hast du aber gesagt, dass das deine Kreativität dann abzieht.

Richtig. Die Schule tut das mit ihren Stressoren, dem Termindruck, den Klausuren, den Korrekturen. Ich weiß nicht, ob das bei einem Beruf, wie ihn Sandra Anklam ausübt, auch der Fall wäre.

Das kannst du ja nicht ausprobieren. Doch wenn du irgendwo angestellt bist, wo du bleiben magst, wirst du dich nicht lösen und durch die Welt fahren, damit du schreiben kannst. Richtig?

Richtig. Vielleicht fehlt mir doch der Mut und ich bin nur eine dieser Maulheldinnen.

Am Ende machst du es wie Karl May und schreibst nur über deine Sehnsüchte.

Vielleicht. Am Ende.

Im Dazwischen – Schlüsselerfahrungen

Yoga ist die Lehre vom Hier und vom Jetzt – eine sehr praktische bzw. praxisnahe Lehre. Ich übe mich darin mit minder oder mehr Erfolg. Doch kaum mehr kann man im Dazwischen sein, als ich es aktuell bin.

Mein Umzug steht symptomatisch für diesen Zustand. Irgendwie stimmen beide Adressen und keine richtig. Meist will man an dem einen Punkt nicht mehr sein und kann sich doch nicht richtig lösen, der neue Punkt zieht bereits hartnäckig. Klebrig und zäh muss man immer wieder hin und noch und noch ein paar Sachen einpacken, sortieren oder wegwerfen. Jedes Blatt, jede Heftzwecke und jedes Buch verlangt eine Entscheidung. Nicht nur für oder gegen es, sondern in meinem speziellen Falle auch: welche Kategorie? Kategorie „Langfristig“, „Mittelfristig“ oder „Kurzfristig“ oder vielleicht langfristig. Zu meiner Schwester, zu meiner Tochter, zu meinem Ex-Mann, zu meinem neuen Zuhause?

Mein spezieller Fall

Was ist mein spezieller Fall? Ich will aussteigen aus meinem Beruf, was für die meisten Menschen reinster Irrsinn ist, denn ich hab doch den besten, nein den sichersten Beruf überhaupt: gute Bezahlung, unkündbar, traumhafte Pension. Wieso sollte ich den denn kündigen? Die Gründe sind wirklich erdrückend und mich rausschleichen durch eine Krankheit (vorgetäuscht oder wahrhaftig) will ich nicht. Die wichtigsten drei Gründe sind vermutlich die: Das Schulsystem ist falsch und macht die Menschen (Kinder voran, aber auch die Erwachsenen) darin kaputt; meine Gesundheit ist mir mehr Wert als Geld; ich brauche meine Zeit für viele andere Dinge, die ich noch auf meiner Bucketliste habe und die Zeit nach der Schule ist mir nicht gewiss genug.

Cover des ersten Teils meiner Romanserie: Oben – Unten

Allerdings muss das gut vorbereitet sein und ich halte auch meine Versprechen mir selbst gegenüber gerne ein: Ich möchte erst noch das Musical auf die Bühne bringen. Ich möchte noch in dem Jazzkeller aus meiner ersten Veröffentlichung des Romans lesen. Ich möchte finanziell ein bisschen Vorsorge treffen, bevor ich in das Nichts von Phantasien trete. Ich möchte meine Zähne, meine Steuern, meine Finanzen, meine Gesundheit soweit auf dem Weg haben, dass ich ohne Bedauern aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden kann. Ich möchte meine Kinder noch ein wenig begleiten, zumindest ein bisschen beobachten. Ich möchte die ersten Schritte in Freiheit planen können.

Ein Grund – meine Gesundheit

Ambivalent und wie ein Dazwischen erscheint mir, dass ich die beste Versorgung meiner Gesundheit als Beamte finanziert bekomme. Natürlich nicht wirklich, denn mein Arbeitgeber bezahlt lange nicht alles, um mich wirklich gesund zu machen. Doch durch die private Versorgung bin ich schneller und intensiver versorgt. Gleichzeitig macht mich dieses System marode, es zersplintert mich regelrecht (Danke für diesen Ausdruck, J.K. Rowling).

Wenn ich auf meinen Job gucke, was ich zu tun habe, welche Aufgaben und Pflichten, dann erscheint alles ganz einfach und geordnet: Noten geben, Zeugnisse ausstellen, dazwischen ein bisschen Stoff vermitteln. Vermische ich das Ganze mit den gut durchgeschüttelten Vorurteilen von faulen Schülys, von unverschämten Erwartungen, von verwahrlosten, sich selbst überlassenen und misshandelten Kindern, dann habe ich vor allem immer Recht. Hinterfrage ich dieses Bildungssystem, schaue ich mir real an, wie wir Kinder von all dem abhalten, was sie selbst wollen, wie wir sie entmündigen, ihnen absprechen, dass sie selbst wissen, was sie lernen wollen, dass wir ihnen nur immerzu vorschreiben, was sie zu welcher Zeit zu tun und zu lassen haben, sehe ich mir und meinen Kollegys dabei zu, wie wir diese Gefangenschaft minutiös aufrecht erhalten, Regeln dazu konzipieren und uns selbst wie auch die Kinder und Jugendlichen beschneiden, dann kann ich diesen Job nicht erledigen. Zwischen diesen beiden Sichtweisen hänge ich gefangen und kämpfe mit meinem Pflichtbewusstsein gegenüber meinem Auftraggeber ebenso wie mit meinem Wunsch nach Rebellion für die Kinder und Jugendlichen. Der Preis ist die Gesundheit.

Sicher, ich bekomme auch bei der Frauenärztin noch einen Termin, obwohl sie keine neuen Patienten annimmt. Der Augenarzt lässt mich nicht erst drei Monate stehen und ich brauche keine Zuzahlung für Medikamente leisten. Ist es nicht wünschenswerter, keinen Arzt zu brauchen, für den ich meist nur eine Melkkuh bin?

Ein anderer: All die Dinge, die mich erwarten – in Freiheit

Die Verbeamtung ermöglicht, dass ich rein hypothetisch aus Krankheitsgründen ausfallen kann. Damit will ich nicht sagen, dass viele nur eingebildet krank sind (siehe oben)? Aber will ich denn selbst so krank werden? Wenn unser Schulsystem anders werden würde, mehr Personal einstellen würde, die Verbeamtung auflösen würde (ja, was spricht bloß dagegen), wenn das System an sich überholt werden würde, wenn man ehrlich Geld anfassen würde … Ich träume. Ich bitte um Verzeihung.

Was ich will, ist Freiheit (obwohl ich gar nicht an selbstbestimmte Freiheit glaube). Jedem Menschen wohnt inne, dass er sich im Laufe seines Lebens auch noch einmal umentscheiden kann. Nur, weil ich in jungen Jahren entschieden habe, diesen Weg als Lehrer zu gehen, heißt das nicht, dass das für immer sein muss. Im Gegenteil, meine Entscheidung für diesen Beruf hatte zwei Motivationen: Veränderung des Systems von Innen zu bewirken; meinen Mann zu entlasten und Geld verdienen, bis meine Kinder erwachsen sind. Letzteres ist geschehen, ersteres funktioniert nicht. Spätestens seit Corona – eine unendlich verpatzte Chance, das System neu zu booten – wissen wir, dass die Gesellschaft genau dieses kaputte System will; Eltern wollen es, weil sie damit entlastet werden, weil Familienleben dann eine Struktur hat, weil sie glauben, dass die Kinder nur so etwas lernen. Arbeitgeber wollen es, weil sie glauben, dass nur so Jugendliche sozialisiert werden können, um sie überhaupt für den Arbeitsmarkt tauglich zu machen. Dieses System ist faszinierend stabil mit all seinen Paradoxien von Noten, von Stundentafeln, von Ausfallzeiten, von Abschlüssen. Bevor ich aber ausufere, kehren wir zurück zum Thema.

Ich bin Lehrerin geworden – nicht wider Willen -, weil das ein Beruf ist, der Spaß macht; der mich bereichert; der dazu führte, dass mein Ex-Mann ein Gefühl von Sicherheit bekam; der immer wieder anders und damit durchaus spannend ist. Mit dem Ticket der Sicherheit in der Hand versprach ich mir 2007 selbst, dass ich jeder Zeit aussteigen kann, spätestens aber, wenn meine Kinder aus der Schule sind. 2024 ist es soweit.

Was sind die Sachen, die wie Kinder in mir rütteln und mich um Aufmerksamkeit ersuchen?

  • Die Welt in meinem Tempo bereisen.
  • Schreiben.
  • Theater machen, am liebsten sogar Film; beim Theater pocht jedoch die Pädagogin in mir laut an die Scheibe der Aufmerksamkeit. Film wäre mehr zu meinem Vergnügen, zu meiner Lust.
  • Und dann möchte ich so reisen, dass es meinem Lernvergnügen dient.
  • Eine Sprache erwerben. Arbeiten. Gelegenheitsjobs.

Ich will etwas bewegen. Schreiben, was andere bewegt. Ich möchte Theater machen, um zu sehen, wenn sich in den anderen was bewegt. Meine Möglichkeit, zur Heilung der Menschheit beizutragen. Für unsere Kinder, für unsere Umwelt, für unser Miteinander. Ja, ich bin nicht falsch in meinem Beruf gewesen. Ich bin sogar eine ganz gute Lehrerin, falls ich das überhaupt selbst beurteilen darf. Und doch macht mich das System krank, weil ich mehr Schaden anrichten muss, als ich Gutes bewirken kann. Alles andere ist Selbstleugnung, Beschönigung, Lüge.

Ich stecke im Dazwischen

Ich stecke im Dazwischen, noch bin ich in der Schule, bin aber bereits vor dem Absprung. Wie ein Sportler gehe ich im Geiste durch, was ich beachten muss, wie welcher Schritt sein wird, bevor ich den letzten Schritt auf dem Brett mache und abhebe.

Ich habe keine Ahnung, was danach sein wird, welches Danach es sein wird, wo dieses Danach beginnt. Im Moment weiß ich nur, ich habe jede Heftzwecke in den Fingern gehabt, mir den Staub von jedem Stück Papier, Buch und Regal abgewaschen und ich habe Kratzer auf der Seele, weil ich viele meiner Sachen hergegeben habe, weil ich 25 Jahre alte Schubladen verkauft, verschenkt, weggegeben habe. Ich habe Muskelkater von diesen vielen kleinen Schritten quer durch mein Leben, um alles zu sortieren, was war und alles zu sortieren, was kommt. Ich habe mich aufgehalten in diesen Erinnerungen, alles bis zur Unkenntlichkeit getragen und ausgehalten und zum Schluss habe ich Tango getanzt, weil das Leben muss man tanzen, sonst reitet es einen.

Tangoabschluss in meiner leeren Wohnung am Donnerstag, März 2024

Das Tangotanzen mit Freunden in der leeren Wohnung war vermutlich eine meiner genialeren Ideen. In der leeren Wohnung, die ich so sehr geliebt habe, blutete ich langsam innerlich aus. Was, zum Henker, hatte mich nur dazu gebraucht, alles herzugeben und alles auf ein Zimmer zu reduzieren? Ich weiß, warum ich es tue. Ich weiß, dass ich es will und dennoch tut es weh. Ich spüre mich Angst umwehen, Unsicherheit mich zersetzen und Zweifel sich auftürmen. Mein Schreiben, mein Reisen, mein zweites Leben erscheinen mir während all dem einer Fatamorgana zu gleichen. Dem setzte ich Tango entgegen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, doch liegt in diesem improvisierten Tanz so viel Lebendigkeit, dass dagegen das Gefühl der Angst nicht bestehen kann. Ich weiß, viele werden von ihrer Angst umklammert, eingesperrt und beherrscht. Aus diesem Klammergriff kann man sich nur schwer herauswinden. Ich will mich aber nicht beherrschen lassen von dieser Angst.

Das Dazwischen hält viele Gefühle bereit, mit denen man sich auseinandersetzen sollte. Die gesammelte Materie ist nicht bloß eine Anhäufung zufälliger Dinge, die wir in unserem Leben hinter uns herziehen. Diese Materie ist mit Bedeutung aufgeladen. Das sollten wir als Verursacher dieser Materie, die wir hinter uns her ziehen quer durchs ganze Leben, nicht vergessen.

In meinem aktuellen Dazwischen wird mir bewusst, wie viele Gefühle Raum brauchen, gefühlt und ausagiert zu werden. Mein Dazwischen ist unfertig. Da liegt noch vieles, was bearbeitet werden will. So viel Unsicherheit, so viel Angst, so viel Wunsch nach Anerkennung, Verständnis und so viel Wartezeit.

Proben, Ideen und weitere Proben

Fast hatte ich vergessen, wie viel Spaß Theatermachen wirklich bedeutet. Ja, als Schauspiely ist es schon fein, doch als Regisseury1 ist es deutlich spannender. Was kann ich für Ideen entwickeln!

Erste Festigungen des Ensembles

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Am Anfang hatten wir viele Schülys, die mal kamen, mal nicht, die mal dabei waren und dann wieder nicht. Spaß hatten alle immer, würde ich zumindest behaupten. Etliche Schülys haben nach kurzer Zeit aufgehört, weil ihnen das eine zu hohe Belastung neben der Schule sei. Einige haben die Proben dafür verantwortlich gemacht, dass sie Noteneinbrüche hatten, obwohl sie maximal ein Mal im zwei Mal im Monat in derselben Doppelstunde gefehlt haben – wenn überhaupt. Andere wurden durch die lange Arbeitsphase abgeschreckt. Andere glaubten, nie eingesetzt zu werden oder wollten eine wichtigere Rolle haben. Was genau die Motive für und gegen das Mitmachen letztlich bestimmte, können wir gar nicht genau sagen. Jetzt haben wir eine relativ stabile Gruppe, die sich aufeinander freuen und miteinander Spaß haben. Ca. 25 Schülys sind es, darunter sogar fünf Jungen – freiwillig.

Unbekannter Künstly – gesehen auf Spiekeroog 2024

Nach einer Samstagprobe in der Schule zeigte sich schnell, wer wirklich interessiert an dem Musical und der Gruppe war und wer nicht. Vier Stunden waren wir in der Aula und haben eine Probe gehabt, die tatsächlich unseren Prozess vorangeführt hatte. Unser aktuelles Hauptproblem ist nämlich, dass die 1 1/2 Stunden Unterricht eigentlich für intensive Proben zu kurz sind, um auch noch an den Szenen zu arbeiten, denn nie sind alle für eine Szene da. Was bleibt, ist die Klarheit des Ziels und gegebenenfalls die Modifikation der Hinführung vor Augen zu behalten – auch im Nebel.

Zu spüren ist jedoch eine große Lust bei jenen, die jetzt mitmachen. Das arbeiten ist ein Vergnügen und geht ganz leicht von der Hand.

Wir wollen diesem Problem durch mehrere Intensivproben am Wochenende begegnen und so sehen, dass wir bis zu den Sommerferien ein bisschen von dem Theaterprogramm aktiv entwickelt haben. Die Gruppe will als Kostüme die 80er Jahre feiern und aufleben lassen. Das wird ein Spaß.

Zusammenspiel mit anderen Gewerken

Eine Kunstkollegin arbeitet mit ihren Schülys zum Thema Müll für das Musical und baut einen Leuchtturm aus Müll. Ausgestellt wird dieser Turm dann bereits zum Sommerfest und bekommt eine Leuchte. Wenn das Objekt für die Bühne nicht mehr gebraucht wird, wird es dennoch als Ausstellungsobjekt weiter für das Musical einen Ehrenplatz in der Eingangshalle erhalten.

Ein Technikkollege bildet eine Schülygruppe aus, die dann für die Licht- und Ton-Technik bereitstehen, gleichzeitig hoffe ich auch die Videoeinspieler an diese Gruppe abgeben zu können. Mein Musical-Co selbst will eine Fortbildung in dem Bereich machen, schon damit er sich auch auskennt.

Mein Musical-Co orchestriert das Musical natürlich, leitet die Schulband und ist insgesamt sehr daran interessiert, dass musikalisch das Stück auf der Höhe ist. Außerdem erstellen wir zusammen das Video für die Werbung, damit wir beim Fest schon ein paar Spendengelder dafür eintreiben können.

Ein paar Ideen für das Stück

Meine erste Idee: Videoeinspieler Vandalismus durch Graffitis wird mit Live-Musik begleitet, dann Wechsel auf die Bühne, Breakdance-Einlage als Überleitung und in Pantomime die Verfolgung und Stellung des Sprayers – unsere Hauptperson; dabei läuft die Musik von Band. Die Verschränkung von Illusion und Realität. Das Video wird in Comicstil überblendet, so dass es zu der Pantomime – als Cartoonstil – passt.

Meine zweite Idee – die davon lebt, wie sie umgesetzt wird: Der 2. Akt beginnt mit einer Bonbon-Leuchtreklame-Las-Vegas-Straße, die so schrill und schreiend ist, dass jede Ecke vor Konsumlust nur so strotzt, dass jeder einkaufen will. Am liebsten mit einem realen Kaffeebike, das Kaffeeduft verbreitet und einem Popcornstand, weil der verbreitete Duft die Illusion verstärkt. Diese Illusion soll natürlich durch Pappaufsteller erzeugt werden. Die sind beweglich und sollen in dem Akt zunehmend mehr und mehr Raum wegnehmen, also die Rückseite der Straßenfront dient der Raumverkleinerung bis zur letzten Szene, die dann den Raum aufbricht. Der Gedanke dahinter: Wir sind nicht wirklich frei in unserem Handeln, gesellschaftlich nehmen uns der Andere, die Werbung, die Regeln den Raum so zu sein, wie wir wollen. Doch es gibt Hoffnung – eventuell.

Die 3. Idee für das Abschlussbild: Damit auch a) alles noch einmal verbunden ist und b) das Edikt des MUSICALS voll erfüllt ist, gibt es ein bonbonreifes Abschlussbild. Den vorletzten Auftritt hat mein Nazi, der dann wie ein freier Radikaler von der Gruppe eingefangen und integriert wird. Nach der Gerichtsverhandlung gehen die Hauptpersonen ab und die Bühne wird schwarz (wir haben keinen Vorhang); Sascha kommt von der Seite, gekleidet wie ein Nazi. Während dessen ziehen alle im Dunkeln ihre Oberbekleidung aus und sind darunter einfarbig bunt (rot, blau, gelb, lila, rosa, grün), Licht geht an. Einer aus der Gruppe geht zu Sascha – Fokus setzen – und zieht ihm die Lederjacke aus, das einfarbig bunte T-Shirt (grün für die Hoffnung) an und nimmt ihn mit an die Position des Regenbogens, wo die Farbe hingehört. Zu sehen ist dann inzwischen ein Regenbogen aus Menschen und wir singen das letzte Lied: An irgendeinem Tag geht die Welt unter.

Idee 4: Die Gerichtsverhandlung ist mit umgedrehten Rollen, die kleinen Kinder machen auf Erwachsene und alle, die Erwachsen aussehen, spielen die Kinderrollen – die wir zwar nicht in der Menge brauchen, aber ich will ganz viele Schaulustige auf der Bühne sehen. Am liebsten würde ich die Kindererwachsenen in Kleidung aus dem Siedler-Amerika kleiden oder mit Zylinder und Gehstock, das wäre nur zu den 80er ein harter Stilbruch.

Ich bin gespannt, was sich davon umsetzen lässt. Im ersten Akt sind viel häufiger unterstützende Tanz- oder Performance-Einlagen geplant, dafür wird das Bühnenbild im zweite Akt üppiger und präsenter. Auch mit dem Make-up will ich was machen, so soll der Maiseltanz wirklich mit schöngemalten Gesichtern getanzt werden, doch ansonsten hätte ich gern die Gesichter mehr Schwarz-weiß … Auch braucht es noch ein paar Dinge für das Video und dafür müssen wir Zeiten haben, damit wir das machen können. Also nach der Schule – weil er natürlich nachts gestellt wird.

  1. Bereits in einem anderen Artikel („Du bist mir schon eine Marke!“ – Als Autory, oder was?) habe ich erklärt, wieso das Gendern nicht immer brauchbar ist, weil das geschlechtsbezogene Unterscheiden oft irreführend ist und nicht in jedem Kontext hilft. Ich habe mich für das neutrale „y“ entschieden, dass nicht ein versteckter Hinweis auf XY-Chromosomen ist. Ich möchte nicht darüber nachdenken, ob es mehr weibliche oder mehr männliche Schauspieler gibt, es gibt Menschen, die schauspielen und die singen und die schreiben. Das tun sie sehr sehr selten mit ihren Geschlechtsorganen. ↩︎

Lehrkräfte in Anwärterschaft – Ausbildung oder Ablenkung?

Was würden Sie erwarten, wenn Sie für den Lehrerberuf ausgebildet werden würden?

Wie standardgemäß bewertet und korrigiert wird? Welche Aufgaben zu Ihrem Arbeitsfeld gehören? Würden Sie erwarten, dass man Ihnen erklärt und es Ihnen unter Umständen beibringt, wie man mit großen Gruppen und kleinen Gruppen, wie man mit heterogenen Gruppen umgeht? Vielleicht auch, was Sie beachten müssen, wenn Sie im Besonderen mit Jugendlichen und damit mit Pubertierenden umgehen? Vielleicht geht Ihr Gedankengang soweit, sogar zu denken, dass eine Rechtsgrundlage im Umgang mit Schülern und Schülerinnen, mit Erziehungsberechtigte zu den notwendigen Werkzeugen gehört, die Sie kennen sollten? Oder denken Sie, dass eine Lehrkraft wissen sollte, wie man im Falle eines Schülers mit plötzlichen Zuckerschock (Diabetes) umgehen müsste? Grundkenntnisse in psychologischer Hinsicht wie zum Beispiel Panikattacken und ihre Verläufe, Auswirkungen von Schlafstörungen, Erkennen von jugendgefährdenden Symptomen zum Beispiel häusliche oder schulische Misshandlungen? Sollte man als Lehrkraft wissen, wie man bei Mobbing gezielt vorgehen kann? Wie man gegebenenfalls Opfer schützt? All diese Dinge sind mir in meinen Berufsjahren begegnet, zu nichts von dem wurde ich geschult.

Das alles hat mit einer Ausbildung zu einer Lehrkraft in Deutschland nichts zu tun. Als Referendar oder Lehrkraft in Anwärterschaft haben Sie schließlich ein sehr interessantes breitaufgestelltes Fachstudium mit einem Ergänzungsstudiengang (Klein „e“ genannt) erfolgreich abgeschlossen. Alles, wirklich alles, was Sie dort gelernt haben, können Sie getrost ablegen, denn jeder Wissensinhalt ist für die Köpfe Ihres Klientels zu mächtig und jedes wissenschaftliche Arbeiten unbrauchbar für Schulzwecke. Sie haben einen großen Überblick, erkennen Zusammenhänge und vielleicht Notwendigkeiten, davon lässt sich jedoch vielleicht eine Messerspitze vermitteln, an Gymnasien eventuell auch ein Fingerhut. Ihr Kopf ist vielleicht randvoll mit allen möglichen Theorien zur guten Erziehung, zu Schulsystemen, doch Sie werden noch erfahren, dass Theorien eben sind, was sie sind: Theorien. Theorien verhalten sich zur Realität wie Mythen zur Wahrheit; irgendwas ist dran, aber was genau, bleibt nebulös und erfahrungsabhängig. Sie haben Hintergrundwissen, wie Lernen funktioniert? Schön und unbrauchbar, weil das System Schule, in dem Sie förderhin Mitglied sind, diese Strategien nicht nur unbrauchbar macht, sondern ihnen entgegenwirken. Die Schule als System tötet nach und nach jede Lernlust ab.

Die Ausbildung zu einem Lehrer beginnt nackt und oft mit Frostbeulen. Sie bekommen gesagt, dass Sie sich bei Fragen an Ihre Seminarleiter wenden können, doch da diese „brutal“ das Spiel „der Richter und sein Henker“ spielen, sind Sie gut beraten, besser nicht zu zeigen, dass Sie kein/e geborene/r Montessouri sind. Wagt man Fragen wie „Was mache ich denn, wenn …?“, bekommt man eine diffuse Antwort, die auf alles passt: „Sie werden merken, dass jeder Lehrer und jede Lehrerin eine eigene Strategie entwickelt und Sie im Laufe der Zeit, Techniken erwerben, mit denen Sie damit umgehen können!“

Beispielfall Egon

Ja, wenn der kleine Egon eben bockt oder zickt, dann rufen Sie die Eltern an, weinen sich bei denen aus und verlangen, dass sie ihren Egon mal wieder in die Spur setzen. Egon, das ist ein Name auf einer Notenliste und auf jeden Fall ein Problem anderer Leute. Die Klassenlehrkräfte zum Beispiel, die wissen alles über Egon. Wieso er einnässt, dass er nur noch bei Papa wohnt und dass ein Psychologe eingeschaltet ist. Ein ganz schlimmer Fall, Egon kann man verstehen. Tja, aber in Ihrem Unterricht muss er dennoch das Spiel „braver Schüler“ mitspielen. Schließlich können Sie sich wirklich nicht um die privaten Probleme von Egon kümmern (denn da sind schon all die anderen schulischen sozialen Themen), haben einen Stoff durchzubringen und neben Egon noch wenigstens 25 andere Kinder, die alle ein Recht haben, dass man sich um sie kümmert. Natürlich geht das nicht, denn dann werden Sie einfach nicht fertig und mehr als ein paar Einheiten 45 Minuten haben Sie nicht, da müssen Sie knausern mit der Zeit.

Egon ist ein Individuum in der Entwicklung und der hat Schwierigkeiten sich in seinem Umfeld zu orientieren, er hat Schwierigkeiten mit sich selbst, weil seine Welt zusammengebrochen ist und weil er sich selbst auch gerade nicht versteht. Er soll aber verstehen, dass hat man ihm gesagt. Daneben ist Egon ein ganz normaler Junge, der ebenfalls dafür sorgt, dass andere Kinder Respekt vor ihm haben, seine Gefühlslage nicht durchschauen und er Tom und Mohammed zeigen will, dass er sich nicht unterkriegen lässt; dann sind da die Mädchen, die er nicht versteht und dann kann er auch Lehrer X und Lehrerin Y nicht leiden. Egon kommt schlecht aus dem Bett, träumt gerne lange und will sich morgens nicht hetzen lassen. Hunger hat er morgens nicht und all diese Unruhe führen oft zu Übelkeit. Merkt Egon kaum, weil er sich schon daran gewöhnt hat.

Egon muss in der Klasse seine Position herausfinden. Als Junge bedeutet das auch, sein Verhältnis zu den anderen Jungen zu ermitteln, stark sein und dafür Sorgen, dass über die anderen gelacht wird.

Für Sie ist Egon jemand, der hinten in der Klasse neben Tom und Mohammed sitzt, der wie ein Echo für Unruhe sorgt, sobald Tom als erster einen blöden Witz macht. Egon ist der, dem Sie drei Mal sagen müssen, er solle endlich sein Heft aufschlagen und die Tafel abschreiben. Er verweigert, er ist langsam und er holt sich bei Mohammed und Tom die Bestätigung dafür. Für Sie ist Egon ein Problemfall, weil er zusätzliche Aufmerksamkeit braucht und sein Vater nicht erreichbar ist.

Wenn Sie Egon ansehen, losgelöst von Ihrem Job, für die nächste Klassenarbeit den Stoff durchzubringen, losgelöst von den Aufgaben, alle Fehlenden und Störenden ins Klassenbuch einzutragen und noch die Hausaufgaben zu kontrollieren, losgelöst von all Ihren Zielen, so könnten Sie doch nichts für Egon tun, außer zu sagen, dass dieses Schulsystem ihm nicht gerecht wird. Natürlich kann man auch den Lehrkräften generalisiert die Schuld an etwas geben, was systemisch bedingt ist, wie es zum Beispiel Sigrid Wagner tut, wenn sie den Unterricht diagnostisch beurteilt und über die Kolleginnen und Kollegen ihr Urteil fällt, wenngleich meist der Unterricht hinter verschlossenen Türen verläuft. Letztlich ließe sich Egons Problem und natürlich auch das von Sigrid Wagner nur lösen, wenn wir anfingen, Schulen als Bildungszentren neu zu denken.

Die Schulenge der Zeit – das ORGA-MONSTER

Was Sie als Referendar bislang noch am Rande tangiert, ist die Enge im Kalender. Als Frischling wollen Sie die nächste Stunde bestehen, müssen Ihre Stunden vorbereiten, die Sie als perfekter Vorführung zeigen. Und das lernen Sie auch sehr schnell: Es gilt wie früher in der Schule jenen zu gefallen, die Sie Stunde um Stunde bewerten werden: dem Kurslehrer, dem Fachleiter, der Hauptseminarleitung, der Schulleitung … einmal alle durch. Hier brauchen Sie Gutachten, dort brauchen Sie eine Note, da ein gutes Feedback. Und wie Sie selbst später als Lehrkraft ausweichen, wenn ein Kind vor Ihnen steht und eine Note haben will, weil ja eine Note gar nicht alles und weil eine Note überhaupt keine wirkliche Aussage trifft, so geschieht es Ihnen, wenn Sie den Fachleiter fragen. Sie bekommen eine Tendenz genannt, vielleicht, eine mit Luft zur Entwicklung. Und später wissen Sie auch, wie Ihre Note zustande gekommen ist: Nadine, die andere Referendarin an Ihrer Schule oder in Ihrem Seminar, hat schon in Jugendcamps gearbeitet und ist pädagogisch vorgeschult, jede Stunde sitzt und wird besser als Ihre bewertet und Sie werden natürlich an ihr gemessen. Vom Haloeffekt will ich gar nicht erst reden (googeln Sie mal, ist spannend), auch nicht von dem unbewussten Sexismus, der natürlich vorkommt wie Mineralwasser im Gebirge. Menschen mit Macht haben Macht und benutzen sie zumeist auch, so wie Sie später als Lehrkraft. Also die Luft zur Entwicklung Ihrer Note ist oft sehr luftig.

Aber zurück zum Kalender: Der Jahresplan ist nicht nur für Ihre Prüfungen wichtig, nein, dieser Jahresplan jagt die Lehrkräfte über die Korridore, hetzt sie über den Schulhof und lässt sie zusammengekauert in irgendwelchen Lehrerzimmernischen hinter Rotstiftbarrikaden zurück. Alle Kreativität, alle Selbständigkeit des Lernens (was Zeit braucht, wie Sie theoretisch wissen), alle Lust an der Arbeit ist dem Edikt des Jahresplans unterworfen: Quartalsnoten, Notenkonferenzen, Klassenarbeiten, Parallelarbeiten, mündliche Prüfungen, Elterngespräche, Zeugnisnoten, Halbjahresabschluss, Schulabschluss, Vorbereitung des Elternabends, Konferenzen, Abiturprüfungen, Verschriftlichung des Schulcurriculums, Lehrplanänderung, Schulbuchinspektion, Fortbildungstage und zwischendurch Fehlstunden zählen, Klausuren erstellen mit Erwartungshorizont sowie mindestens zwei Ersatzarbeiten für Nachschreiblinge, Elternbriefe aufsetzen und den Tag der offenen Tür planen. Mal wieder einen Ausflug planen? Ja, das ist eine Idee, aber wohin nur damit, wohin? Wann kann sowas möglich sein? Alles wird zu einem organisatorischen Monster, dem man besser aus dem Weg geht. Wird eine Klassenarbeit geschrieben, ist es vielleicht die letzte Stunde vor einer geplanten Arbeit? Wie viele Kolleginnen und Kollegen müssen dafür abgestellt werden? Welche Stunden fallen aus? Wie können die vertreten werden? Ist Vertretungsmaterial an die entsprechende Lehrkraft gereicht? Der Referendar oder die Referendarin erfahren davon wenig bis kaum etwas, aber dieses Monster, das Orgamonster, ist gefräßig und es ernährt sich vom Stress, den es selbst auslöst.

Natürlich müssen Sie Rücksicht auf das Abitur oder einen Jahrgangsausflug nehmen, doch im Prinzip sind Sie im Schonraum. Wie in einer Blase tanzen Sie einen ganz wundersam anzuschauenden anderen Tanz nebenan, der mit Seminararbeit, Referate, Stundenausarbeitung und Stoffreduzierung zu tun hat. Gleichzeitig haben Sie natürlich auch schon „richtigen“, weil eigenständigen Unterricht, doch irgendwie ist das anders.

Wäre es nicht schön, Sie würden die Zusammenhänge erklärt bekommen und einen Einblick während Ihre Ausbildung erhalten, woher dieser Wahnsinn kommt und wie zum Beispiel Stundenpläne und Stundenraster entstehen? Und dann noch Spielräume? Schon das Wort ist eine Melodie in Dur, Hoffnung.

Erfahrungen aus meiner Referendarszeit – vielleicht überholt?

Wie sieht Ihre Ausbildung zur Fachlehrkraft aus? An einem theoretischen Seminartag, erhalten Sie durch sich und Ihre Mitreferendare Input, wie eine Reihe bis zur Klassenarbeit geplant und aufgebaut wird. Sie erfahren, woher Sie passendes Stundenmaterial bekommen, wie Sie das vorhandene Unterrichtsbegleitwerk plus den Lehrerband dazu sinnvoll nutzen können und Sie fragen sich, wie Sie wohl den Stoff in die Schüler und Schülerinnen reinbekommen können, so dass es der Seminarleitung gefällt. Und natürlich mit Rezepten guter Unterrichtsführung. Die wichtigste Frage für Sie und all Ihre Lehrerkollegen lautet: Gibt es dazu ein Buch? Ein Deutschbuch, ein Spanischbuch, ein Übungsbuch, ein Lehrerbuch? Das Buch ist der Tod des lebendigen Unterrichts. Als in der Fachkonferenz für Darstellen und Gestalten die Anschaffung eines Lehrwerks diskutiert wurde, habe ich innerlich geweint. Als nächstes folgten Klassenarbeiten und theoretisches Lernen von praktischem Wissen.

Simulationsunterricht? Nein, den haben Sie doch schon all die Jahre ausführlich genossen, daran muss man nichts verbessern. Simulationsgespräche führen? So tun, als hätte man wirkliche Probleme im Schulalltag zu lösen und nicht bloß die Frage zu stellen, welche Novelle eignet sich für Jahrgang acht als Gemeinschaftslektüre? Müssen wir die anschaffen oder kauft sich jedes Schüly selbst sein/ihr Buch

Ideen einer anderen Lehrerausbildung

Stellen wir uns vor, ich müsste 15 neue Kollegys auf ihren Unterricht vorbereiten und sie ausbilden: Fangen wir damit an, was ich meinen Referendaren sagen würde: Ich kann dir inhaltlich nichts beibringen, weil ich mein inhaltliches Material fast ausschließlich kurzfristig nach Bedarf auswähle, was grob zum Thema passt. Ich weiß sowieso viel mehr als meine Schützlinge und wenn die Lerngruppe stärker ist, bereite ich mehr Material vor. Was ich dir beibringen kann: Wie bestehe ich vor der Gruppe? Was sind gruppendynamische Prozesse? Woran erkenne ich, welche Rolle wer in der Gruppe spielt? Wie kann ich die Teamfähigkeit (Teambuilding: 27 Übungen für besseren Teamgeist (lecturio.de) Nicht alle diese Übungen sind hilfreich, es muss eine Auswahl nach Belastbarkeit der Gruppe getroffen werden) trotz Konkurrenzdruck fördern? Was braucht die Gruppe, um sich zusammengehörig zu fühlen? Was braucht die Gruppe, damit sie mich als Leader akzeptiert? Alles Inhalte, die ich im Rahmen meiner Theaterpädagogischen Ausbildung gelernt habe, denn im Theater kann ich einem Regisseur schlecht sagen, dass er mal ausprobieren soll, wie er mit der Gruppe klar kommt. Das war übrigens mein erster AHA-Moment in der Ausbildung als Theaterpädagoge.

Ich beruhige meine Referendare, weil die Schüler und Schülerinnen bei einer verkackten Stunde nicht in ein Dummheitskoma versinken, es richtet wirklich kein Schaden an, inhaltlich wird der meiste Lernstoff vergessen, dient nur als Material, formale und soziale Aspekte zu erlernen. Ich erkläre meinen Referendaren, dass ich sie zunächst beobachte und ihnen dann zu ihrer Körpersprache, zu ihrer Aussprache und zu ihrer Wortwahl ein Feedback gebe, nicht im Sinne von Wertung, sondern im Sinne einer Achtsamkeitsübung. Kinder und Jugendliche sind wie junge Hunde oder Pferde, sie sind sehr sensibel für Schwächen.

Dann stellt sich endlich die Frage, was Jugendliche eigentlich in der Schule sollen. Sind sie da, um Wissen aus dem Angebot zu schöpfen? Sind sie da, um bestimmte Softskills zu lernen? Sollen sie überhaupt etwas lernen?

Ich behaupte, vielleicht! Die Inhalte sind Stellvertreter für die Softskills, die sie mitnehmen können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, doch ist eher die Absicht, dass die Schüler und Schülerinnen im geschützten Rahmen aufbewahrt werden und das möglichst preiswert. Wenn außerdem etwas dabei rauskommt, gut. Wenn nicht, nicht schlimm, muss dann die Wirtschaft auffangen. Dahinter steckt keine Verschwörung von dunklen Mächten, sondern eher das Ziel, möglichst wenig zu investieren und es so lange so laufen zu lassen, wie es geht. (Lesen Sie hierzu über das unsichtbare Handphänomen von Rudi Kellers „Sprachwandel“ und den Roman von Peter Hoeg „der Plan von der Abschaffung des Dunkels“. ) Wird an dem Konzept gerührt, dann kostet es viel Geld. Solange alle glauben (Lehrkräfte, Eltern, Kinder und Jugendliche) es seien alles individuelle Probleme, individuelle Systemschwierigkeiten, Standortphänomene, fehlende Ressourcen (was dem Hauptproblem grundsätzlich nahe kommt) oder ein Werteproblem (meine Lieblingslüge), so lange wird diese kaputte, nicht-zielführende Maschine Schule weiterbetrieben.  Wir wissen aus unserem Klein-e-Studium, dass Kinder und Jugendliche mit ihren STÖRUNGEN immer auf die Probleme aufmerksam machen. Wir wissen aus der Psychologie, dass Störungen Hinweise sind, denen man nachgehen muss, wenn man das zugrundeliegende Problem beheben will. Und es wird schlimmer, wenn man es ignoriert. Wir wissen auch, dass sich die Schule nicht wirklich verändert hat, seit wir in der Schule waren, seit unsere Eltern in der Schule waren und seit deren Eltern in der Schule waren. Medien haben sich geändert, die Stundentafel nicht, sie ist lediglich länger geworden, nur besser ist es nicht.

Wie geht es dann weiter? Ich würde meine Referendare zunächst einmal in Körpersprache schulen, sie zu Leitfiguren für die Schülys heranbilden. Anschließend stellt sich die Frage, was für Lehrkräfte sie sein wollen und wie die Zukunft unserer Schulen aussehen kann.

Also, lieber Referendar, liebe Referendarin: Was für Lehrkräfte wollen Sie werden?

Drum bedenke: Dein Weg ist weit und dein Erbe schwer.

Mein Musical – es geht los. Step one ist bekanntlich der schwerste

Wie ein langer Hürdenlauf erscheint mir der Weg bis zur Aufführung meines Musicals zu sein. (Mein Cursor ist weg, das irritiert.) Erst brauchten wir, mein Kollege für die musikalische Leitung und ich grünes Licht von oben. Endlich konnten wir genug Überzeugungsarbeit und Übernahme aller Verantwortung und Arbeit leisten, dass wir überhaupt nach einem Ensemble Ausschau halten durften. Dann mussten wir nach Schülerscharen suchen, die überhaupt willig sind, mitzumachen. Von 1300 Schülerinnen und Schülern haben wir jetzt 40 abgeschöpft, die jedoch von den Lehrkräften direkt als erstes mitgeteilt bekommen, dass sie auch ja immer gucken, dass sie alles nacharbeiten. Also haben einige meiner 40 Findlinge bereits wieder tapfer die Schulkarte gezogen und sind ausgestiegen …

Und dennoch, es sind so viele Schülys, dass wir die Rollen doppelt besetzen können, dass wir eine eigene Performancegruppe habe und dass wir einen Chor aus der Schülerschar stellen können. Alle Rollen doppelt vergeben, zwei mal zwei Inszenierungen und trotzdem die Sicherheit, dass nichts schief gehen kann. Wie cool.

Und dann ist da die Organisation: Klausurpläne im Blick behalten, säuerlichen Kollegen noch zwei mal mündlich erklären, wozu es schon Info-Mails gab, aus allen Listen die Kollegen zusammensuchen, bei denen die Schauspieler und die Sänger Unterricht haben, die Regeln kommunizieren, mehrfach auf verschiedenen Kanälen, Listen herumschicken, abgleichen, Probenpläne erstellen, alle Bedürfnisse der Künstler berücksichtigen, da dazwischen? Dazwischen wieder eine Mail von irgendwelchen Kolleginnen und Kollegen, die ja das Projekt an sich ganz toll finden, aber muss es denn wirklich so sein, dass man dafür probt – also generell? Dann fällt wirklich ständig Unterricht aus. Ich erkläre also das zehnte Mal, dass es einen Probenplan geben wird, dass die Schülys nur dann fehlen und dass jetzt etwas geballt ist, weil wir erst festlegen müssen, wer welche Rolle spielen kann und ein bisschen entnervt erkläre ich, dass bislang alle Schülys maximal zwei Mal bei uns waren, wir sie in kleineren Gruppen eingeladen haben und viele überhaupt nur einmal bei uns waren. Ist aber schon viel, was die jetzt fehlen werden. Ich bitte um eine Versuchszeit bis zu den Weihnachtsferien, danach könne man nochmals ins Gespräch gehen und schauen, wie viel der Schüler oder die Schülerin (unsere meisten Ensemblemitglieder sind natürlich weiblich) tatsächlich fehlt.

Jetzt kann es los gehen.

Mail: Hauptfigur Tom 1 verlässt die Schule.

Äh, woher nehme ich den Ersatz? Mist.

Wenn ich mich allerdings in die Beobachterposition begebe, fällt mir auf, wie reizvoll dennoch das Planen und Organisieren ist. Noch ist alles möglich. Jungfäulich offen und unversehrt. Die Rollen sind verteilt, der Text steht und in meiner Phantasie gibt es eine wundervolle Inszenierung mit Videoeinspielern, mit einem anpassungsfähigen Bühnenbild, bunten Showelementen, mit einer musical-würdigen Abschlussszene, mit einem passenden Rahmen, einer super Anmoderation und einer punktgenauen Technik, mit Händeschütteln, Verträge für ein großes Opernhaus, mit den Ärzten als Gäste, die dieses Musical kaufen wollen, mit dem Bundesverdienstorden und einer Schulleiterin, die mich anfleht, nicht zu kündigen, damit alle zwei Jahre an ihrer Schule ein so großartiges Musical stattfinden kann. Ich bekomme das Angebot, dass ich nur noch Theater mache, junge Referendare mit Theaterpädagogischen Elementen auf das Leben im Unterricht vorbereite, dass ich an diversen Schulen dafür gerufen werde, Theaterprojekte bis zum Erfolg zu führen und dafür muss ich keine Noten geben, nicht mehr an Notenkonferenzen teilnehmen, nicht mehr an Schulkonferenzen teilnehmen und überhaupt …

… dann kann ich aus einer Toilette trinken ohne Ausschlag zu bekommen.

Schule – warum brennt sie denn nicht endlich? Lehrerausbildung

Im Prinzip wissen wir es alle, zumindest diejenigen von uns, die in dem Betrieb tätig sind:

  1. ist die Ausbildung zu Lehrkraft gelinde gesagt „am Thema vorbei“;
  2. bereitet weder das Studium noch das Referendariat darauf vor, was dann kommt und
  3. ist es absolut unwichtig für die Einstellung als Lehrkraft, ob man mit Kindern und Jugendlichen umgehen mag oder nicht.

Wieso ist das so? Die Ausbildung – falls man das so nennen will – ist völlig verknöchert und alt. Wie eben auch niemand wirklich die Schule reformieren will, so traut sich auch niemand ernstlich an diese fragwürdige Lehrerausbildung.

Referendariat – der Ist-Zustand

Wenn ich jemanden haben möchte, der mir einen Tisch schreinern kann, wieso sag ich ihm dann nicht: „Probier mal dein Glück – und ich sag dir dann, wie dicht du dran warst! Du hast ja schon so Tische gesehen in deinem Leben, weißt ja, dass die vier Beine haben.“ So aber ist die Lehrerausbildung.

Der Referendar bereitet 45 Minuten phasierten Unterricht vor, der davon losgelöst ist, dass er ein ganzes Jahr durchhalten muss, dass es ein aufbauendes Curriculum gibt und dass es immer wieder aktuelle Themen gibt, die den Unterricht vom Lerngegenstand abhalten. Materialvorbereitung, Sätze vorbereitet, Tafelbild vorgeplant. Und in den Seminaren behandelt man Lerntheorien von Piaget und Co.

Nach meinem Referendariat wusste ich nicht, wie ich Gruppen steuere, wie Gruppendynamik zu bremsen ist. „Da hat ja jeder Lehrer sein eigenes Rezept!“ Und das steht sogar in den Standardtheorien von Guru Hilbert Meyer. So ein Quatsch. Natürlich gibt es Regeln. Keine Hundeschule würde sagen, dass da so jeder Halter so sein eigenes Konzept fahren müsste. Ich wusste nicht mal, wie ich einzelne Teile der Gruppe benenne. Wie ich mit Gruppen umgehe, wie ich einzelne Bestandteile der Gruppe identifiziere und was ich dann tun kann, habe ich durch meine theaterpädagogische Ausbildung gelernt. Verrückt. Und das ist das, was ich vermitteln möchte.

Wieso gibt es Nachwuchsmangel?

Meine Kollegin – sehr engagiert, sehr motiviert – erklärte mir, dass sie doch für diesen Stress, für diese Art Arbeit, für diesen Mangel an Erfolg, an Wertschätzung und an Voraussetzungen für gute Arbeit nicht studiert habe. Richtig. Dafür studiert man nicht. Auch nicht für die Ferienzeit, um das mal gesagt zu haben.

Wer also in der Lage ist, mit seinem Studium etwas Sinnvolles zu tun, der tut das auch. Gerade die NW-Fächer – Mangel an der Schule – bieten Spielraum für Großes. Während man nicht so genau weiß, was eigentlich Germanistik sinnvoll machen kann, kann ich mir sofort Spitzenjobs im Bereich Chemie, Mathematik und Physik vorstellen. Also nur um es gesagt zu haben: NICHTS von dem, was ich in meinem Studium gemacht bzw. gelernt habe, wende ich im Unterricht oder meinem schulischen Alltag an. NICHTS. Als Zahl? 0,0. ZERO. Der Inhalt meines Studiums hat mich definitiv nicht zum Lehrer ausgebildet. Er hat mir eine Grundlage für selbständiges Arbeiten vermittelt, was ich immer noch anwende. Doch ehrlich gesagt, hätte es Inhalte gegeben, die ich wirklich nutzen hätte können. Mein Studium hat meine Art zu denken, meine Art Probleme zu lösen, beeinflusst. Hinzukommt eine gute Allgemeinbildung, die ich im Alltag nutze, doch inhaltlich hat mein Studium zu meinem Beruf keinen Bezug. Mit meinem Studium hätte ich ebenso in einer Redaktion oder in einem Museum tätig werden können und genauso sehr oder genauso wenig wäre ich für diese Berufsfelder vorbereitet gewesen.

Aus dieser Ratlosigkeit vieler Gesellschaftsstudiengänge wie Romanistik, Geschichte, Germanistik, Philosophie, Sozialwissenschaften, etc. münden die Studierten und Examinierten in der Schule. Mein Weg war automatisiert, eine Einladung zum 2. Staatsexamen, mit Gehalt und Job. Meinen ersten Fuß in die Schule als Referendarin hab ich nur gesetzt, weil ich nicht genau wusste, wohin ich mit meiner Ausbildung sonst hinsollte. Geblieben bin ich, weil ich gedacht habe, ich könnte – wie arrogant und egozentrisch – was verändern für die Schülerschaft.

Lässt sich nicht Frust und Zeit sparen, wenn man tatsächlich zu diesem BERUF ausbildet? Also los: Was braucht es?

Lernen, was man hinterher im Unterricht braucht

Vorbereitend auf das Fach lerne ich allgemeine Inhalte der Curricula. Bleiben wir im Fach Deutsch, dann würde sich daraus ergeben, dass ich grundsätzlich überlege, wie man Lyrik vom Beginn bis zum Abitur gestaffelt vermittelt, wie binnendifferenziert der Aufbau von Gedichten erarbeitet werden kann. Dann Sachtexte, Theaterstücke, Filme, lange Prosatexte. Das könnte man jeweils vorbereitend für den Unterricht vorwegnehmen.

Wozu wird eine Klassenarbeit geschrieben? Wie sieht der Erwartungshorizont aus? Wie viel Zeit brauche ich für die Korrektur? Wie sieht ein vernünftiges Zeitmanagement aus? Okay, hier hätten wir die Problematik, dass dann seitens des Staates mal gesehen werden müsste, wie viel Arbeitszeit tatsächlich anfällt. Es müsste Zeit eingeräumt werden, für nicht-inhaltliche Unterrichtsaspekte: Anwesenheitsliste prüfen, Entschuldigungen eintragen, abhaken und nachverfolgen, Einsammeln von Geldern sowie der Nachverfolgung der unpünktlichen Zahlenden, Prüfung von Hausaufgaben, von Unterschriften der Eltern, des Schreibens von Notizen für die Eltern oder den anderen Lehrkräften, Eintragungen im Klassenbuch, etc. Das für jedes Fach, wäre ein wertvoller Schritt. Man hat ja zwei Fächer, das ließe sich dann vielleicht auch für drei Fächer verwirklichen.

Und provokant könnte man die fachgerichtete Ausbildung im Grundstudium mit der Frage schließen, wieso zu Kuckuck die jungen Köpfe mit Balladen, Novellen, Romanen, Zeitungsartikeln und ähnlichem vollgestopft werden müssen, wieso sie daran gehindert werden, ihre Finger in Dreck zu wühlen und Fundsachen hervorzubringen, die wie ein Wunder vor ihnen liegen. Wofür nur, wofür braucht es dieses Zeug?

Lernen, was man für den Berufsalltag braucht

Neben den Unterrichtsfächern bestimmt aber vieles andere mein Schulleben und mein Arbeitsleben. Zu glauben, der Unterricht ist der Löwenanteil meines beruflichen Arbeitens, der wird hoffentlich nicht enttäuscht sein, wenn ich ihm jetzt die Wirklichkeit vorführe: Organisieren von Klassenarbeiten, von zusätzlichen Diensten, vom Erstellen von Kopien, von Sich-Informieren über das, was sonst noch wichtig ist, Planen einer Infoveranstaltung zum Thema Facharbeiten-Schreiben, Vertretungsmaterial von einer Lehrkraft besorgen, Aufsichten übernehmen, Vertretungspläne und Mails lesen, Anträge für Unterrichtsgänge stellen, Verkehrswege heraussuchen, Elternbriefe als Information schreiben, sich über Theaterstücke informieren, Arbeitsblätter und Klassenarbeiten und Erwartungshorizonte selbst erstellen, Absprachen mit Kollegys treffen, Curricula implementieren, Listen für irgendwas erstellen, Noten in Listen eintragen und aus Listen übertragen in den Rechner, Klassenarbeitsnoten in einen Ordner der jeweiligen Abteilung eintragen, Minitexte für eine Fächerbeschreibung verfassen, Bücher bestellen, Bücher in Listen eintragen, Bücher mit Schülys holen oder wegbringen, Artikel für die Homepage, Mitteilung über Schülys schreiben oder Kollegys machen, Zuständigkeiten klären, Ausflug organisieren, Projektwochen und Klassenfahrten planen, etc.

Für das Studium könnte das bedeuten, dass Gruppendynamik, Organisation und Struktur, langfristige Planungen, Bewertungsmerkmale, Problematik von Inklusionsklassen, weitere Ämter an der Schule, etc. zu Bestandteilen des Studiums-Curriculums werden. DAS, was gebraucht wird: Deeskalationstraining, Theaterübungen für das Auftreten in der Klasse, Selbstmanagement, Schulrecht, Selbstmanagement Schule, Jugendpsychologie, Grundlagen von Psychosomatik, Medizin und erste Hilfe. Ganz nebenbei könnte man die jungen dynamischen Studierende mit der Frage der Optimierung beschäftigen, so dass sie frischen Wind in die Schulen tragen, wenn sie völlig benetzt von neuen Ideen die alteingesessenen Lehrys überzeugen wollen, von einer Schule ohne Noten, ohne Schulglocke, ohne Fächervorgabe, ohne Raumzwang, ohne irgendwas …

Der Vorteil eines solchen Studiums skizziert gleich auch den Nachteil: Mit dieser Ausbildung wird man tatsächlich und ausschließlich auf die Lehrtätigkeit vorbereitet und die zukünftige Lehrkraft muss schon während der Ausbildung wissen, dass sie das tun will und tun wird, weil sonst das gesamte Studium unbrauchbar für irgendwas anderes ist. Böse wäre jetzt zu unterstellen, dass das vielleicht viele Lehrys abhalten würde, überhaupt Lehrkraft zu werden. Zurzeit scheinen sich in den Beruf nur jene zu verirren, die vielleicht irgendwann falsch abgebogen sind oder die nicht das Rüstzeug für mehr als diesen Weg hatten. Außerdem: Sicher ist sicher. Dieser Job packt die Ängstlichen bei der Lebensangst.

Aber nehmen wir den klassischen Typus, der gerne Lehrkraft wird: kinderlieb, Helfersyndrom, überzeugt davon, die Gesellschaft verbessern zu können, familienorientiert, Wunsch nach Autonomie und Sicherheit, rechtschaffen, leidensfähig, hohes Allgemeinwissen, regelorientiert, sozial, mag keine Veränderungen. Dieser Typus will gar nicht lange studieren und schon gar nicht großartig Karriere machen, möchte aber einen gewissen Status erreichen. Das Studium wäre also maßgeschneidert als Mix zwischen autonomer Selbstfindungskreativität und Rechtsbildung. Bieten wir einen nine-to-five-Job an, bei dem die Lehrys in den Ferien im Büro abarbeiten, was sie noch nicht abgeschlossen haben (Klausurkorrektur und CO), werden Lehrkraftwillige den Universitäten bzw. den Schulen die Türen einrennen.

Utopia Schule

Wo wir uns schon im Land UTOPIA befinden: Es wäre ein Traum, wenn eine jede Lehrkraft einen eigenen echten Arbeitsplatz hätte sowie EINE bezahlte Stunde für Beratungsgespräche, die von Schülys wahrgenommen werden kann. Und wieso nicht auch Lehrkräfte, die keine Lust mehr auf Pubertiere oder Kinder haben (also nach einem ersten vollen Durchgang), an die Universitäten zurücklassen, die dann die nächste Rutsche Lehrys ausbilden – so richtig mit Echtheitszertifikat?

Ach, dann würd ich mir ja den Wechsel überlegen … ehrlich, aber so …

samsing rong! Oder, wenn das Jugendschutzgesetz zum Bumerang wird

Eigentlich gut, dass ein Gesetz regelt, wie die Jugendlichen arbeiten dürfen, welche Zeiten eingehalten werden müssen und welche Pausenregelung nötig sind. Blöd nur, wenn das an den Möglichkeiten und Bedürfnissen der auszubildenden Betriebe wie zum Beispiel den Dienstleistern in Gastronomie und Einzelhandel vorbeiläuft. Dann ist es natürlich viel leichter, man stellt erst volljährige Jugendliche ein. Tja, das sind dann doch auch nur zwei Jährchen mehr als die vorgeschriebenen 10 Jahre Schulpflicht. Kein Problem, die hängt der junge Mensch einfach an die zehn Jahre dran, dann kann er jeden Job machen. Und wenn dann noch einige Betriebe auch lieber Volljährige einstellen, weil diese über einen Führerschein fügen könnten, weil sie reifer und entwickelter und ruhiger sind, dann bleiben am Ende der 10. Klasse wenig attraktive Ausbildungsplätze übrig.

Blöder wird’s, wenn den jungen Menschen als Propaganda für die verlängerte Schulhaft versprochen wird, dass sie alle Karriere machen können, alle bekommen ein Abitur und können dann die Universitäten bestürmen und reich werden.

Natürlich rechnet sich ein junger Mensch selbst mit diesen rudimentären Vorstellungen von Zahlen aus, dass die Haftverlängerung um zwei Jahre schon fast ein Abitur wert ist. Ich möchte nicht aus der Praxis erzählen, dass manch pubertierendes Subjekt glaubt, dass man durch Absitzen der Zeit schon erfolgreich aus der Schule gehen muss. Und ich will auch gar nicht darauf hinaus, dass diese sitzgesteuerten Menschen unreif, unerfahren und maßlos anspruchsvoll sind. Unerwähnt lass ich an der Stelle auch, dass eine Note „gut“ je nach Schule Unterschiedliches bedeuten kann, selten aber die inhaltliche Kompetenz wie zum Beispiel ein „gutes“ Englischsprachvermögen ausdrückt.

Ich verstehe inzwischen, dass Jugendliche eine ORIENTIERUNG brauchen und glauben, diese in einer Beurteilung wie in einer Note zu finden. Sie glauben das nicht allein, auch die Eltern und die Arbeitgeber sind diesem Wahn verfallen. Ich verstehe, dass sich alle eine Orientierung wünschen. Doch worin soll sie bestehen? Wenn Noten frei interpretierbar sind und jeder sich in einen Haufen Zahlen hineindenkt, was ihm vorschwebt, findet sich darin keine. Wieso sind wir nicht ehrlich genug, endlich mit all den Beschönigungsversuchen von Noten und Zeugnissen aufzuhören? Könnten wir einen Moment den Menschenverstand benutzen, würden wir erkennen, dass es nur noch eine Schule für alle Kinder geben sollte. Dort würde nicht nach Zahlen, sondern nach individuellem Entwicklungsstand (wie für die Förderkinder) geguckt; es gäbe standardisierte Prüfungen, die in bestimmte Kategorien weisen können (akademisch, handwerklich, kaufmännisch, pädagogisch, künstlerisch, technisch); es würde in diesen ein Mindestmaß an Fertigkeiten, Kompetenzen und Leistungen abgebildet und sie würden nicht von Lehrkräften ausgedacht und ausgewertet, sondern von einem unvoreingenommenen Prüfungskomitee. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen, da man „aus einer Toilette trinken kann, ohne Ausschlag zu bekommen.“ Zitat aus „Nackte Kanone 2 1/2„.

Junge Menschen langweilen sich über alle Maßen in Schulen, in denen alles zu kurz kommt, in denen wir Lehrkräfte die Erziehungsarbeit von abwesenden oder desinteressierten oder überforderten Eltern übernehmen müssen, in denen wir mit überholtem Material, überholten Inhalten überfrachtete Curricula in der Zeit frontal vorbeiunterrichten, in denen wir sie nicht auf das Leben und nicht auf die Gesellschaft vorbereiten, außer, dass sie in Haftanstalten sind. Ein Gefängnis kann von seinen Strukturen nicht viel anders sein: Frage nach Essen, Frage nach Pippipausen, Frage nach Hofgang, Frage nach Redezeiten … Ist das nicht auch alles extern für Gefangene geregelt?
Intelligente und angepasste Jugendliche begreifen, dass sie das Spiel mitspielen müssen, sich an die Regeln halten müssen, damit sie irgendwann mit einem guten Zeugnis abgehen können und vielleicht irgendwann Freiheiten haben, wobei diese Freiheiten auch Hamsterräder bereitstellen. Die intelligenten Unangepassten durchschauen es genauso, doch lehnen sie das Spiel ab. Und dann ist der ganze Rest da, der vielleicht an die Lügen glaubt, aber es nicht hinbekommt oder der sich irgendwie verweigert.
Wir wissen, dass die Lernzeit erst in der Praxis erfolgt. Wieso behindern wir den Weg junger Menschen durch unsinnige Noten, die nichts mit dem zu tun haben, was die Jugendlichen wirklich können oder auch wirklich nicht können? Wieso verhindern wir Potenziale mit diesem kasernenartigen soldatenhaften Denken?

Wenn ich einem Unternehmer erzähle, wie Noten „passieren“, was sie wirklich aussagen und was sie auf keinen Fall rückmelden; wenn ich ihm erkläre, wie Unterricht aussieht, was ich inhaltlich im Unterricht in der Sekundarstufe I wirklich machen kann, dann kann er die Noten hinterfragen und erkennt, dass die Form der Auswahl nach Notenbildern unsinnig ist. Jedem einzeln zu erklären, was an unserem Schulsystem kaputt ist, vermag weder ich noch Herr R. D. Precht. Wenn nicht endlich mal jemand der Regierenden den MUT findet, dieses desolate System wirklich grundlegend zu verändern, ist es nicht mal mehr für 30 % eine kleine Lernoption, sondern für alle nur noch eine teure oder billige (je nach Betrachtung) Betreuung mit nachgeholtem Erziehungsauftrag ohne große Erfolgsaussichten.

Jugendliche warten oft nur auf den Moment, an dem sie aus dieser Anstalt heraus sind, um sich dann mit dem zu beschäftigen, was sie interessiert. Vielleicht stellen sie fest, dass sie das ein oder andere auch aus der Schule hätten mitnehmen können, wenn es denn etwas praxisnäher gewesen wäre.
Unsere Schulen sind alle so aufgebaut, dass jedes U-Fach SCHULBÜCHER hat, jedes. Auch ein Fach wie Haushaltsführung, wie Theater, wie Philosophie, wie Sport. Verrückt: alles muss gelesen, beschrieben und dokumentiert werden. Ich glaube zwar, dass man Feilen, Stricken und Spielen nur durch feilen, stricken und spielen lernt, aber vermutlich irre ich mich nach all der Schulpraxis. Ich unterrichte Philosophie, ich unterrichte Theater — äh falscher Satz. Ich habe diese Fächer und ich erarbeite mir Theaterstücke und ich diskutiere Fragen des Lebens mit den Jugendlichen, tatsächlich auch im Spaziergang; Bücher benutze ich sehr sehr ungern dafür. Im Deutschunterricht schreibe ich, weil man interessanter Weise Schreiben nur durch Schreiben erlernt. Wozu braucht es ein Buch, in dem mir bebildert erzählt wird, wie ich eine Möhre schäle? Wir lernen doch alle durch Zugucken und Nachmachen. Zugucken. Nachmachen. Augen auf und Praxis. Üben und üben und üben.

Wann können wir dieses desolate, überholte System ablösen?

Wann nur, wann?

Ich — ich erlebe das ganz sicher nicht mehr (als aktive Lehrkraft).

Zwei Filmstudios in Los Angels – erst Warner Brothers dann Universal Studios. Wir vergeben einen Preis

Nicht enttäuscht haben mich diese Besuche, gar nicht enttäuscht. Am liebsten hätte ich mich als Volunteer verdingt, hätt mich versteckt und dann so getan, als ob ich zur Stammcrew gehöre.

Am Dienstag (19 – 07 – 22) schlagen wir überpünktlich um 11.30 Uhr mit Kaffeebechern von Whole-Food bei Warner Brothers auf. Draußen heiß, drinnen angenehm kühl. Alle sind gut drauf. Sicherheitscheck. Der Sicherheitsmensch will in meinen Rucksack gucken. Leer. Er lacht. Ich sag, ist ein Gas drin, ist gar nicht leer. Er lacht noch mehr. Alle eben gut drauf. Nach all der Kontrolle von Pass, Ticket, Blase und Tasche geht es als erstes ins Kino. Erst noch einen kleinen Werbetrailer von 7 bis 10 Minuten, dann geht es los. Guide Daniel pickt uns auf. Wir sitzen ganz vorne. Alles sehr persönlich, sehr klein und übersichtlich bei direkter Ansprache.

Dazu im Vergleich am Mittwoch (20 – 07 – 22) gab es keine vereinbarte Arrivaltime, statt dessen ging ab 9 Uhr der ganze Park an den Start. So früh schaffen wir es nicht, wir sind um 11 Uhr am Eingang – behauptet das erste Foto von dort. Orientierungslos stolpern wir der Masse hinterher, völlig von den bunten Shops mit all den Filmbezügen vereinnahmt. Hier die Simpsons, da winkt Hogsmeade und daneben die Minions. Was machen wir zuerst? Wo sind die Touren? Also eine Studiotour. Nach ca. 25 Minuten sitzen wir in einem dieser großen Studiowagen. Unser Guide Sam zwei Wagons vor uns. Wir sehen ihn nur per Videoschalte und hören ihn natürlich über Mikrophon. Alles ein bisschen größer, unpersönlicher, aber mehr auf Show und Unterhaltung aus. Wir werden vom Guide zum Klatschen animiert und dafür unterhält er uns gut.

Machen wir doch einen Vergleich – aber bitte nicht Abschnittsweise, obwohl das tatsächlich ginge. Vielleicht – wenn mich zuhause die Langeweile überkommt – baue ich eine tabellarische Übersicht. Mit dem Apple-tablet ist mir das zu umständlich.

Warner-Brother-Tour: Rundfahrt, Museum und Filmfanbefriedigung

Hennesy-Street – erster Stopp

Hennesy-Street

Diese von Dale Hennesy für den Film Annie von 1984 umgestaltete New Yorker Mietskasernenreihe verfügt über vierstöckige Fassaden, Gassen, Feuerleitern und große Schaufenster. In der Hennesy Street fanden so unterschiedliche Fernsehsendungen wie Entourage, Friends, Sex and the City statt; und verfügt über Spiderman, Rent und drei Filme aus dem Batman-Franchise. Wie jede Hollywood-Produktion kann diese Straße so gekleidet werden, dass sie fast jede gewünschte Ära nachbildet.

Warner Brother Studio

Die Übersetzung ist nicht ganz lupenrein, denn eine Straße verfügt ja nichts. Daniel erklärte uns, dass mit dem Namen der Straße Dale Hennesys Werk gewürdigt werden sollte. Die einzelnen Häuser seien jeweils für unterschiedliche Filme genutzt worden, so zum Beispiel eines für “Die Maske“, das daneben dann für “Erin Brockovich“, der Straßenzug für “Batman“.

Nicht hinter allen Türen doch hinter einigen befinden sich leere Räume, in denen sogar die Decken fehlen, damit man Szenen drehen kann, in denen auch die Straße eine Rolle spielt, zum Beispiel bei drinnen – draußen Szenen, wenn jemand durch die Scheibe geworfen wird oder mit dem Auto in ein Gebäude fährt.

In einem der Räume.
Vor einem möglichen Lokal

Was es da alles beim Dreh zu bedenken gibt, bis ins letzte Detail: Die Fensterscheiben werden nicht geputzt, damit sie beim Dreh nicht reflektieren. Der Boden ist aus weichem Material, damit er nicht zu viel Geräusch produziert. Und dank der vielen Fans, die sich auf Fehlersuche begeben, passen alle höllisch bei der Requisite und all dem Gedöns auf.

Auf der weiteren Fahrt sehen wir eine typische Vorstadt, die für mehrere Filme und Serien genutzt wird, wir sehen eine Kulisse, die New York in Auszügen wiedergeben soll. Das europäische Ausland oder die Vergangenheit lässt sich durch geeignete Zusatzdekoration arrangieren. Auch ein Dschungel bietet das Gelände eigens für Filmproduktionen wie Jurassic Parc.

Mit dem kleinen Wägelchen fährt Daniel nicht sehr schnell, doch aber zügig sogar durch die Halle, in der größere Teile der Kulisse gebaut werden. Er zeigt uns einen kleinen Film zu dem Kostümlager, weist mit dem Finger in die Richtung und wir fahren weiter über das Gelände. Dann betreten wir eine Studiohalle, in der aktuell keine Innenszene gedreht wurde – aussen brennt kein rotes Lämpchen. Hier dürfen keine Fotos gemacht werden, sonst würde Daniel gefeuert. Szenerie für “all american“ ist aufgebaut. Alles Technische wie Wasser-laufen oder Kühlschrank, Herd, etc. kommt in der Postproduction in den Film, hier gibt es nur diese tote Kulisse. Vorhänge wie aus Linoleum zusammengefaltet hängen vor den Fake-Fenstern, so dass man Wetter und “Draußen“ imitieren kann. Im Innenraum ist alles mit Folien abgedeckt, damit es nicht verstaubt. An jedes Detail wird gedacht (siehe oben Fangemeinde).

Museumslauf mit erstem Giftshop — es folgte am Ende der Reise noch ein zweiter

Unser Guide verlässt uns und behauptet, dass wir seine Lieblingsgruppe gewesen seien – natürlich. Dafür stehen wir vor dem ersten Museum, welches sozusagen das ein wenig erfahrbar macht, was wir gerade nur gehört haben.

Was braucht es sonst für einen guten Film?

Und genau so ist auch dieser Bereich aufgebaut: Manuskript, Aufbau des Films in Akte, Figurenensemble, Storyboard, Kostüme, Nachbearbeitung durch Nachvertonung als Beispiel. Da durften wir auch mal einen Text synchronsprechen. Ich versuchte mich an einen Auszug aus Matrix I, sprach Morpheus, als er Neo die blaue oder die rote Pille anbot. Es klang albern und falsch, mein Englisch war auch nicht so gut, um den Text flüssig nach dem ersten Lesen sprechen zu können. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass auch ein Synchronsprechy mehr Zeit hat, sich mit dem Text auseinanderzusetzen und üben darf; außerdem kann ich besser in meiner Muttersprache synchronisieren. Vermutlich setzt man auch immer direkt Muttersprachlys ein.

Auch dazu gehören neben dem Erstellen der Kulisse und dem Sammeln der Requisite die Entwicklung und Herstellung von Kostümen. Und dazu war es allerhand ausgestellt. Hier nur eine kleine Auswahl.

Der Harry-Potter-Distrikt – Filmfanbefriedigung

Ach, und dann wie ein Kind fühlen und die Szenen nachstellen können, die wir aus den Potter-Büchern und -Filmen kennen. Fotos machen, Sachen zum Bewegen bringen und Szenen nachstellen. In uns sprudelte ein Leuchtfeuer der Begeisterung von Szene zu Szene. Damit ihr das mit uns teilen könnt, hier noch eine Bilderflut.

Wir haben uns in die Harry-Potter-Welt und in diverse andere Geschichten aus der Film- und Serienwelt ordentlich hineingefühlt. Anschließend wurden wir in ein Shuttle gesetzt, um zum Haupteingang und Hauptgiftshop gefahren zu werden. Nicht alles spiegelt die Auswahl an Fotos wider, aber ihr erhaltet einen Eindruck:

Universal-Studio-Park: Studiotour als ein mögliches Highlight unter vielen?

Fokus Film? Nein, ganz sicher liegt der Fokus beim Entertainment mit Bezug zum Film, zum Theater und zum Showbusiness. Der Anspruch ist, dass für alle was dabei ist und dass es Spaß macht. Der Unterhaltungswert siegt – ebenso wie die Lust am Dollar. Wissen über das ein oder andere ist zwar ganz nett mit eingebracht, aber geht in all dem Geklimper etwas unter. Man muss es schon suchen. Doch ändert das erstmal nichts daran, dass auch dieser Park seinen Besuch wert war.

Studiotour – wir machten sie zwei Mal mit

Je Wagon 6 Reihen à 6 oder 7 Reihen – insgesamt vier Wagons (meine ich).

Im Detail sieht es so aus, dass die Fahrt begann und wir wie bei WB durch den Park fuhren, um uns die Straßenkulissen für verschiedene Szenarien anzusehen. (Siehe Bildbeschreibungen). Im Prinzip eine ähnliche Vorgehensweise: Straßenzüge für verschiedene Szenarien, nur sind diese Häuser hinten wirklich leer und dienen vor allem der Außenszenerie wie zum Beispiel “Back to the future“ mit der Rathausuhr.

Alles wie gehabt: Der Guide erzählte viele kleine Details und war sehr amüsant. Wir stoppten die Tour nicht, um etwas genauer zu betrachten. Andererseits: wir hatten 3-D-Brillen. Es lag ja auf der Hand, dass wir Szenen zu sehen bekamen. Nicht aber wie erwartet: Wir fuhren in präparierte Studios und in vorbereitete Außenszenen, dabei wurde unser Adrenalin mehr oder weniger stark gekitzelt. Im Einzelnen durchliefen wir folgende Stationen:

Als erstes ein geschlossenes Studio: King Kong meets T-Rex und unser kleines unschuldiges Shuttle mittendrin. Zu stressig, irgendwelche Aufnahmen zu machen, denn wir wurden von T-Rex und von King Kong angegriffen, unser Shuttle wurde in die Tiefe gerissen und wir mussten mitansehen, wie T-Rex einen Wagon mit Insassen zerpflückte. Gott sei dank kümmerte sich King Kong um T-Rex und rettete uns, bevor er sich auf die Brust trommelte. 4D all in, runde Leinwand. Obwohl ich mir sagte, dass ich wirklich stehe, hab ich mich am Haltegriff festgeklammert. Unglaublich gut gemachte Show. Als wir uns alle etwas gefasst hatten, zeigte uns der Guide über den Monitor eingespielt die Konzeptionierung dieser kurzen Show.

Jurassic Park Kulisse durchfuhren wir ebenfalls. Aus dem Gebüsch kamen dann kleine Dinos und spritzten uns nass. Selbst beim zweiten Mal habe ich mich erschreckt. Und ich habe sie wieder nicht fotografieren können. Aber den Bruder.

Ein Teil der Kulisse des Films “Jurassic Park“
Die gesamte Szene stand in wenigen Augenblicken unter Wasser.

Im Western erlebten wir, wie der Regen animiert und dann ein riesiges Unwetter inszeniert wird. Wir aber blieben trocken. Danach ging es durch die Westernszenerie.

Das zweite Studio zeigte, wie ein U-Bahn-Schacht einbricht und wir als kleines Touristenshuttle davon betroffen sein könnte. Das wurde nicht als 4D inszeniert, sondern mit echten Wrackteilen. Beim ersten Mal war das so schockierend; beim zweiten Mal war ich vorbereitet und konnte mir genauer ansehen, wie die Kulisse aufgebaut war. Auf einer Rampe die gesamte Raumlänge erfassend kippte aus einer zweiten Etage, also sozusagen die Decke des Schachtes, herunter, auf der ein LKW installiert war, der sich um einen Pfeiler wickelte. Eines von drei sehr kurz aufeinanderfolgenden Ereignisse. Natürlich fuhr die U-Bahn in den LKW, es brannte, Leitungen knisterten und es folgte ein Wassereinbruch. Das alles geschah sehr schnell hintereinander, so dass man ständig mit neuen Informationen beschäftigt war.

Mit dem weißen Hai hatten wir es dann zu tun, hier ein Showeinlage, wie sie in den ersten Filmen gedreht wurde. Das war – weil wir auch viel Schlimmeres und Beängstigenderes gewohnt sind – viel einfacher zu erklären und zu durchschauen. Gleichzeitig eben nicht im Studio sondern im Freien, wirkte alles viel weniger bedrohlich. Immer wieder beeindruckend, wie heiß offenes Feuer werden kann.

Gelände des Drehorts für den “weißen Hai“
Schauspieler mit Messer

Hotel Bates war die nächste Station. Vor allem die Höhenverhältnisse wurden uns hier veranschaulicht, mit denen Hitchcock arbeitete. Sie waren zu vernachlässigen, aber bevor ich ein Foto machen konnte, rollten wir vorbei. Ein Schauspieler stellte hier Norman Bates mit dem Messer nach.

Hitchcocks Bungalow

Apropos Hitchcock und andere ruhmreiche Regisseure und Darsteller: Sie haben auf dem Gelände feste Unterkünfte in Form von Bungalows, dort wohnen sie für die Zeit des Drehs. Auch Hitchcock hatte einen, der heute noch erhalten ist. Wenn man diesen besichtigen kann, dann nur die wirklichen VIP‘s, von denen wir einige kleine Grüppchen gesehen haben. Diese begehen dann auch das Studio und werden nicht nur durchgefahren.

Dann sahen wir die sehr große Spielberg-Installation für seinen Krieg der Welten mit Tom Cruise in der Hauptrolle, wo noch einiges rauchte und zischte. Der aufgebrochene Leib einer Maschine und zerstörte andere Großteile machen selbst ohne Film den Ort sehr eindrucksvoll.

Das dritte Studio war dann wiederum eine 4D-Show, diesmal eine heiße Actionjagdszene. Rundum ging es heiß her. Und obwohl ich auch diesmal sagte, dass das nur Show ist, erschreckte ich mich, hielt mich fest und duckte mich, damit mich die umherfliegenden Kugeln nicht treffen. Holla ist das realistisch. Beim zweiten Mal erlebte ich gerade dieses Studio noch viel aufregender. Fotos waren da überhaupt nicht möglich.

Ach ich weiß gar nicht, wo erzähl ich von dem Fuhrpark und bring dazu die Fotos unter? Da gab es nämlich so viele viele Autos, alles war dabei, ordentlich aufgereiht. (Füge zuhause mehr ein, mich macht dat Tablet allmählich wahnsinnig.)

Das Geklimper – Hogsmeade und Hogwarts

Schon während der Orientierungsphase haben wir Hogsmeade ausgemacht. Holzhäuschen mit Schneedecken und der thronenden Burg, die die Schule Hogwarts darstellt, in Hintergrund. Das Geklimper zeigt an allen Stellen die Liebe zum Detail und man kann fühlen, wie Fantasie zur Realität wird, wenn man einen (45 Dollar-Zauberstab) bei Olivander kauft und dieser scheinbar funktioniert. An passenden Stellen in Hogsmeade konnte man durch “wutschen und wedeln“ etwas auslösen, wie zum Beispiel ein Leuchten, ein Aufklappen von einem Buch oder das Rappeln einer Tür. Allerdings bedurfte es etwas Übung – wir haben das nur beobachtet.

Lucy wollte die Howartsfahrt mit machen. Ich wußte nicht, worauf ich mich einlasse – in dreifacher Hinsicht: 1. was für eine Fahrt; 2. die Wartezeit; 3. die Versüßung der Wartezeit. Im Schritttempo gondelten – kann man sagen – wir zuerst durch einen kleinen Park, in dem der gecrashte Ford Anglia aus “Harry Potter und der Stein der Weisen“, dann durch das Schloss. An den Wänden hingen Bilder, deren Figuren sprachen und sich bewegten oder wir sahen im Flur eine kleine Animation von Harry, Ron und Hermine, wie sie eine Szene im Schloss spielten. Ich hätte gedacht, das ist es. Wirklich. Es war gut gemacht und deckte jeden Schauplatz der Filme ab (dunkle Künste, Zaubertränke, Flure, Dumbledores Büro, Kräutergarten, etc.), mir war es nur zu träge, zu langsam. Als ich gewahr wurde, dass es ein Fahrgeschäft sein sollte, standen wir bereits für 40 Minuten im Schleichtempo an. Insgesamt brauchten wir wohl 70 oder 80 Minuten. Was war drin? Eine Mischung aus 4D-Erleben und Horrorachterbahn. Die zweite Runde dauerte nur halb so lang an Wartezeit.

Als es dunkel wurde, konnten die Zauberstabspitzen zum Leuchten gebracht werden. Bevor um 21 Uhr der Bereich für Zuschauys geschlossen wurde, erfreute eine Videoinstallation auf der Howartsburg projiziert das Publikum. Die vier Häuser (Gryfindor, Slytherin, Hufflepuff und Ravenclaw) wurden geehrte und dargestellt, die Show endete mit einem kleinen Feuerwerk.

An kleinen Wagen und natürlich im “drei Besen“ konnte man Butterbier bestellen, eine Art Apfelcidre mit einer Vanillecreme darauf; trinkbar, aber zu süß. Konsequent heulte die maulende Myrthe auf der Toilette und auch die Süßigkeiten entsprangen der Zaubererwelt. Verließ man das Tor von Hogsmeade, dann betrat man wieder den Rest des Vergnügungsparks.

Das Gelände und der Park

Französisches Dorf

So ein bisschen kann man noch nachvollziehen, wie dieser Park nach und nach gewachsenen ist. Es gibt das französische Dorf, dann was für die Kleinsten mit dem Funpark (viel Wasser und zum Austoben).

Die Simpsons bilden eine anschließende Gruppe, wo ebenfalls alles aufeinander abgestimmt war; hierzu gibt es aber keinen eigenen Eingang und es ist noch nicht so ausgefeilt wie bei dem Harry-Potter-Bereich. Ein weiterer Schwerpunkt bildet Waterworld (für die Wasserbahn) und für das Thema “Wasser“ – das konnten wir uns leider nicht ansehen. Thematisch begegnen uns dann noch Shrek und all die animierten Figuren sowie die Monster von Jurassicpark. In Planung und Bau ist eine Mariokart-Achterbahn.

Im Prinzip gab es vier Schwerpunkte in dem Park:

  1. Die Studiotour mit einem längeren Shuttlebus;
  2. Shows rund um den Film wie “Filmanimals“, Spezialeffekts, Waterworld und eine vierte
  3. Fahrgeschäfte
  4. Fangeschäfte, Futter und Kulisse

Wir haben die Spezialeffekte-Show gesehen, die sehr amerikanisch aber wirklich witzig aufgezogen war. Auch hier: Die Wartezeit wurde mit Wußten Sie – Fragen rund um Hintergrundinfos versüßt. Diese Show begann mit den Grundlagen und war im Prinzip wie eine Zauberschau aufgebaut. Uns wurde gezeigt, wie Sounds nachträglich erzeugt werden. Stuntmen prügelten sich und ein Mann wurde für 17 Sekunden in Flammen gesetzt, nachdem er sehr dick mit einer Paste vor dem Feuer geschützt wurde. Beeindruckende Show auf jeden Fall, doch die Erklärungen waren eher rudimentär. Es ging um die Unterhaltung. Ein Zauberer verrät auch seine Tricks nicht – aber wenn, dann eben inszeniert.

Obwohl wir gar nicht so lange bleiben wollten, waren wir schließlich fast bist zum Toreschluß da. Wir ließen uns von der Beleuchtung am Abend verzaubern und wanderten so allmählich mit der Masse aus dem Park.

Tschüss Universal-Studio-Park

Das Rennen macht …

Lucy und ich haben die Frage natürlich diskutiert und es gibt eine Menge, was für das eine und eine andere Menge, was für das andere spricht. Beide Studios sind interessant und lohnen einen Besuch, doch das Entertainment steht beim Universal-Studio deutlich im Vordergrund. Wer Vergnügen sucht, wird das auf jeden Fall finden.

Abkühlung für die überhitzten Gäste

Massen rennen diesem Studio die offenen Tore ein, so dass man für jedes Fahrgeschäft, für die Shows und für die Touren Geduld mitbringen muss. Als Toping oben auf dann die Express- oder VIP-Kartenträgys, die sich leisten können, eine Sonderbehandlung zu haben. Um es in Zahlen umzusetzen: meine reguläre Eintrittskarte von 125 $ hätte sich verdoppelt. Als dreist hab ich es erlebt, dass wir bei der ersten Hogwartsfahrt als Normalzahly eine halbe Stunde eine Warteschleife durch einen Park gemacht haben, den die VIPs nicht machen mussten. Also eine Vorwarteschleife. Zwar ist der Service ausgesprochen hoch für alle Gäste (Sauberkeit der Toiletten, Kühlungsmöglichkeiten, Darstellung, Servicekräfte), aber man selbst versinkt in der Masse.

Anders bei WB. In kleinen Gruppen fährt man mit seinem Vehikel durch die Anlage. Der Guide hat jeden Gast persönlich in Blick und beantwortet alle Fragen, sofern sie kommen. Alles ist super aufeinander abgestimmt. Die Ansprache ist persönlicher und der Schwerpunkt der Tour liegt auf einer entspannten Form des Informieren, was man alles bei der Erschaffung eines Films berücksichtigen muss. Es hat mehr von einem gutaufbereiteten Erlebnismuseum als von einem Vergnügungspark.

Eine der unzähligen Möglichkeiten, sich mit Figur / Charakter XY zu fotografieren: Hier natürlich Doc Emmet Brown

Im Universalstudio verliert sich der Anlass der Anlage insgesamt in all der Unterhaltung und wird von all dem Gerausche fast vernachlässigt. Überall geht es um Essen und lange Schlangen vor irgendwelchen Attraktionen. Ähnlich wie Las Vegas fordert jede Kleinigkeit blinkend und lärmend Aufmerksamkeit. In den Schlangen haben wir natürlich auch Smalltalk gehalten, was die Amis lieben. Viele von ihnen kommen wegen der Fahrgeschäfte, den Lieblingstoons oder Lieblingsfiguren aus Filmen und Serien und wegen den Shows (vielleicht auch noch). Die Studiotour steht ganz unten in der Liste (trotz auch dort langen Warteschlangen).

Beide Besuche haben sich dennoch gelohnt. Lucy zieht allerdings WB vor, weil es ruhiger war, weil es weniger Menschen waren. U-Studiopark ist unglaublich voll, mehr als unsere Vergnügungsparks – und das mag schon was heißen. Ich konnte auch viel mitnehmen aus der Art und Weise, wie Universal-Studios Entertainment betreiben. Letztlich war es sein Geld durchaus wert – wenn man das an den üblichen Kosten hier in Amerika misst. Gleichzeitig frustriert es sehr, dass man B-Kunde ist, weil man nur ein Zweite-Klasse-Ticket gekauft hat. Und das schmälert den Genuss. Von den angebotenen Fahrgeschäften haben wir letztlich nur das Hogwarts genutzt, weil wir so lange anstehen mussten, gleiches gilt für die Shows und auch für die “Theaterstücke“ – die ebenfalls eigentlich animierte 4D-Filme waren. Gut gemacht, aber eben dennoch Movies. Ein Plus ist die App, die man sich runterladen kann und die die Wartezeiten, die Zeiten für die Shows und Touren anzeigt, plus ein Lageplan. Aber schon an dieser App wird deutlich: Futtern und Business stehen im Vordergrund.

Allerdings ist das auch – soviel muss hier der Fairness halber gesagt werden – eine Ami-Strategie, denn bei WB gab es zwei wirklich ausgedehnte Giftshops, bevor man WB endgültig verlassen musste. Wer ohne rausging – wie wir – der war so standfest, wie jemand, der sich keinen Teppich in Marokko aufschwatzen lässt. Darin aber bin ich inzwischen trainiert, dank Ägypten, Thailand, Marokko, Mexiko … So schnell lass ich mir nicht unnötigen Tand aufschwatzen, der in den Ecken verschimmelt.

KAST-Forum – eine Woche „KAST“ für alle

Das Programm ist raus und nun geht’s los. Das Programm … das Programm … Jeeppiiieee.

 

KAST?

Was ist das denn?

Also die KAST ist vor allem zunächst ein VEREIN von Theaterverrückten Menschen aus ganz Deutschland. Der Verein besteht seit mehr als 60 Jahren und organisiert ein Mal im Jahr ein Forumstreffen an verschiedenen Standorten in Deutschland, bei dem sich die Teilnehmer*innen zu unterschiedlichen Themenfeldern und Theaterbereichen weiterbilden können:

Bühnenkampf … Theater mit Jugendlichen … Improvisationstheater … Kabarett … Clownerie … Erzählen … Theatermachen … Regie … Sprechtechnik … Theater mit Kindern … Frauentheater … Bewegungstheater … Figurentheater … Pantomime … Tanztheater … Schminken … Zirkus … Straßentheater … Spiel mit Masken … Schwarzlichttheater … Percussion … und noch mehr

Dieses Forum ist dann für alle Interessierten offen, das heißt, man kann sich für die Workshopwoche mit Vollpension anmelden. Da es jedoch viel mehr ist als nur so eine Fortbildungswoche, hole ich hier ein bisschen aus.

FORUM – kreative Arbeitskreise für Spiel und Theater

  • für Menschen von 7 bis 97 Jahren
  • für Menschen unter 7 Jahren: qualifiziertes Angebot der Kinderbetreuung
  • einmal im Jahr, in der Woche nach Ostern

Das FORUM – intensiv und kreativ!
Für alle, die im Bereich der Kultur, Jugend-, Bildungs- und Sozialarbeit tätig sind oder allgemein Interesse an Theaterarbeit haben und neue Impulse suchen, veranstaltet die KAST jährlich die Theater-Werkwoche „FORUM“.

FORUM 2018
vom 3. – 8. April 2018 in Wiesbaden – Wilhelm-Kempf-Haus

Das Programm Ostern 2018

Dieses Jahr werden (wieder) acht Arbeitskreise angeboten, wobei zwei für Kinder und Jugendliche sind. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre noch ein Jugendlicher, denn die Angebote sind oft sehr reizvoll. Im einzelnen bietet das Forum von KAST dieses Jahr:

  1. Chanson und Stimme (Etwas für die Stimme gibt es immer, denn das ist auch was für die ältesten Seminarteilnehmer.)
  2. Commedia dell’Arte (Richtige Theaterarbeit an der Maske: Wie entwerfe/entwickle ich einen Charakter ohne Worte und doch mit Handlung?)
  3. Pantomime (Körpersprache, Körperarbeit. Mit Bewegung gibt es immer was, für alle, die sonst auf dem Stuhl gefesselt sind.)
  4. Kostüme (Der Handwerkskurs, auch solch einen gibt es in jedem Jahr)
  5. Bühnenpräsenz (Arbeit auf der Bühne, Grundlagentraining. Das kann doch eigentlich jeder, oder?)
  6. Stand-up-Comedy (Etwas ganz Kurzweiliges für den Spaßfaktor gibt es eigentlich auch jedes Jahr. Witzig ist ja nicht unbedingt einfach oder flach. Selber Schreiben – das gibt’s auch einmal pro Jahr.)

Das war es für die Erwachsenen – natürlich können auch die Jugendlichen schon mal an dem einen oder anderen Kurs teilnehmen, hängt aber von der Kursleitung ab. Und wenn ihr jetzt denkt, dass ihr doch lieber alle Kurse besuchen wollt, dann geht es euch so wie mir. Bedauerlich ist allein, dass es nur eine Woche dauert.

Die letzten zwei AK’s:

  • AK7 Impro für Jugendliche (ab so ca. 12/13 Jahren)
  • AK8 Für Kinder – Ton ab! Bühne frei. (ab 7 Jahren)

Sechs Tage im Kreativen Feuer

Immer findet das FORUM direkt nach Ostermontag für sechs Tage statt, damit möglichst viele Bundesländer zur gleichen Zeit frei haben. Natürlich wohnen wir im Bildungshaus. Das Interesse ist es, dort die Bildungsstätte unter Alleinherrschaft zu führen, äh … eben allein zu sein. Wir beziehen Zimmer, manche mit und manche ohne Luxus/ Dusche. Es gibt Vollpension: Frühstück, Mittagsbuffet, Kaffee und Kuchen, Abendbuffet. Die Qualtität variiert je nach Gasthaus:

  • Rastatt war von der Essensqualität sehr gut, dafür die Räume nicht ganz so passend für die Seminare, eine gute Bühne und die Umgebung ist stadtnah und natürlich zugleich, also sehr abwechslungsreich
  • Wiesbaden hat gutes Essen, interessante Raumgestaltung, eine schöne Bühne und eine Umgebung im Grünen
  • Altenberg hat billiges Essen, zu spartanische Schlafräume und leider keine wirkliche Bühne, dafür eine herrliche landschaftliche Umgebung.

Wenn es darum ginge, welcher Standort am besten ist, dann würden wir vermutlich Jahr für Jahr nach Wiesbaden oder Rastatt fahren. Das Interesse ist es jedoch, möglichst unterschiedliche Bereiche Deutschlands anzusteuern, damit es mal die einen und mal die anderen nah oder fern haben. Die Bezahlbarkeit muss gewährleistet sein, denn die Preise für die Woche sind seit einigen Jahren konstant (ich kenne nur den aktuellen Preis). Günstig vom Ort her ist Altenberg für uns, doch ich bin bereit, lieber nach Wiesbaden zu fahren. Hattingen wäre auch so ein schöner Ort, lecker Essen und so, doch bislang konnte ich dafür niemanden wirklich begeistern – tatsächlich fehlt eine gute Bühne. Welcher Ort auch immer, wir nehmen Unannehmlichkeiten beim Essen oder bei den Räumen in Kauf, denn letztlich sind wir in erster Linie für das Arbeiten und Spielen und uns Begegnen da.

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Eingangshalle im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden – Drehort unseres Märchens

 

Die sechs Tage verlaufen nach dem gleichen Rhythmus:

  1. Dienstag bis 14 Uhr gemeinsam Kaffee-Kuchen-Zeit. Ab 14 Uhr sitzen wir im großen Stuhlkreis für wichtige Neuigkeiten, erste Instruktionen, Danksagungen und Hinweise. Um 15 Uhr pünktlich starten die AKs. Abends gibt es einen buntes Kennenlernspiel, das eine Theaterspielaufgabe enthält und dazu einlädt, schnell spontan kreativ zu sein. Organisiert wird es durch den Vorstand und durchgeführt wird es jährlich von anderen Leuten. Danach sitzt man gesellig bei Wein und Bier und Chips zusammen, wobei man mit den alten Bekannten und den neuen Gesichtern ins Gespräch kommt. Die Jugendlichen verabschieden sich und spielen Spiele wie Werwölfe.
  2. Mittwoch: Tagsüber finden die obligatorischen Kurszeiten statt. Abends wird eine Theateraufführung oder Performance oder Musikstück von aktuellen oder ehemaligen Forums-Teilnehmern präsentiert. Ein Infoboard berichtet darüber.  Die Jugendlichen sind weiterhin die Jugendlichen.
  3. Donnerstag haben alle ihre Kurse, und entwerfen in der Regel ihr 10-minütiges Bühnenprogramm. Am Abend findet die offene Bühne statt, zu der sich jeder mit eigenen Programmpunkten melden kann. Es werden Auszüge aus eigenen Theaterproduktionen, Sketche, Witze, Gesang, etc. gezeigt. Alles ist möglich. Die Jugendlichen spielen vermutlich wieder Werwölfe.
  4. Freitag  sind alle zu beschäftigt für die Bühne, denn es wird hier noch geprobt, dort noch was einstudiert, zum Schluss noch was getackert oder geklebt. Alle AK’s schleichen sich für Generalproben auf die Bühne, wo zwei Fachmänner für Licht, Ton und Kamera bereitstehen und Feedback geben. Man trifft sich in der Bar und schnackt zusammen – irgendwann gegen 22 Uhr, falls man Ruhe bekommt. Also die Jugendlichen …
  5. Samstag ist der Aufführungstag. Es gibt natürlich noch eine Probenzeit vorher. Es beginnt mit den Kleinen um 16 Uhr. Außenstehende Menschen dürfen eingeladen und verköstigt werden. Das Programm wird vom Abendbuffet unterbrochen. Es läuft bist 22 Uhr. Anschließend verabschieden sich i.d.R. die Gäste, wenn auch sie bleiben dürften. Partyzeit. Es wird gefeiert bis morgens in die Frühe. Übrigens, die Jugendlichen feiern mit.
  6. Sonntag ist der Abschiedstag. Spätes Frühstück, letzte Abschiedsrunde in den Gruppen, kleine Präsente für die Leiter und schließlich der große tränenreiche Abschied um 14 Uhr in der Aula. Und da sind alle pünktlich.

Meine Kinder sehe ich kaum, vielleicht für ein Gelegenheitsküsschen. Ich schreibe ihnen auch nicht vor, wann sie ins Bett müssen. Bleimüde schleichen sie irgendwann gegen 3 Uhr oder so in die Betten. Morgens hüpfen sie raus und sind nachts wieder bis in die Puppen auf. Ich auch. Die Gespräche am Abend, die Arbeit am Tag und alles dazwischen ist einfach dieser Raubbau wert.

Ein Rückblick persönlich

Inzwischen war ich vier Mal mit meinen Kindern beim FORUM und ich habe bislang ausschließlich Gutes zu berichten, sieht man von Unterkunft und Essen im Vergleich ab. Einziger Nachteil: es findet nur einmal im Jahr für 6 Tage statt.

  • AK Stimme und Gesang – das erste Mal dabei 2014 bei Andrea Haupt

Mit der Stimme einen Krimi produzieren, ein Hörspiel. Alle Geräusche wurden mit Stimme oder Körper erzählt: die Kuckucksuhr, dat Mofa, die Waldgeräusche … Hinter einem Vorhang haben wir unser Hörspiel am Samstag abgehalten.

 

 

  • AK Film und Regie – bei Sabine Willmann 2015

Wie viel Film kann man schaffen? Wir haben zwei Filme produziert: einen Lehrfilm über gutes Sprechen und Zuhören; einen Märchenfilm von 8 Minuten Spielzeit, all in mit Storyboard, Drehbuch und Skript. Das war eine sehr stramme Leistung – im Sinne des Wortes. Kurz vor der Vorführung, war der erste Cut überhaupt fertig. Mein Lieblingsmoment: der Stop-Trick.

 

 

  • AK Zeitgenössischer Tanz – bei Bettina Forkel 2016

Ein Mann verloren in einem Frauenspiel. Bettina hat ein umfangreiches Choreografieset im Gepäck und zieht es durch: was Improvisiertes, was Durchgetaktetes, was Erzählerisches. Wir sind richtig beschäftigt und haben Donnerstag einen traumhaften Muskelkater.

 

 

  • AK Bühnenbild – bei Siegfried Albrecht 2017

Klein aber fein: Bühnenmodelle mit Figuren im Maßstab 1:20. Ein Mensch ist acht Köpfe hoch und zwei Köpfe breit – im Idealfall. Das Spiel mit den Farben und dem Licht in der kleinen Modellbühne. Dreidimensionaler Raum, zweidimensionales Bild: ein bisschen Architektur, ein bisschen Kunstgeschichte und dazwischen Patex. Bilder von Treppen, Türen und drehbaren Bühnen entstehen im dreidimensionalen Raum. Mir eröffnete sich eine neue Welt.

 

 

So grundsätzlich verschiedene Sachen habe ich dort gemacht und gelernt, dass jedes Seminar für mich ein Lernzuwachs war – trotz meiner theaterpädagogischen Ausbildung. Selbst das Sprechseminar bei Andrea Haupt, bei dem ich anfangs dachte, dass ich in dem Bereich schon sehr gut ausgebildet sei. Dabei begegne ich jährlich denselben Menschen, Sabine zum Beispiel, oder Birgit und Ulla und Claudia, und ganz neuen fremden Gesichtern. Ein tolles Konzept. Und ich bin wieder dabei!

Begegnungen mit sehr freundlichen Menschen, bereichernde Seminare, kurzweiliges Programm und dazwischen Essen und wenig Schlaf. Ich freue mich schon …

Und was mach ich dieses Jahr? Vermutlich Pantomime oder Commedia dell’Arte oder Kostüme … also eines von den Dreien.

„Die rote Zora“ – Zwei Rollen an zwei Tagen je Spieler

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ZUR SACHE: Die rote ZORA

Wer kennt den Kinderklassiker von Kurt Held noch nicht?

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Als Kind habe ich selbst die Fernsehserie in den 70ern gesehen, doch erinnern konnte ich mich nur an die wilde Zora und an die Dame, in die sich der Branco verliebt hatte. Gelesen hab ich es nie, denn die Geschichte von einer Mädchenbande hat mich nur wenig interessiert. Mich hatte Zoras Bemühen um Brankos Zuneigung und ihre Eifersucht eher neugierig gemacht, weil ich mich fragte, wieso ein so lebendiges Mädchen sich anmalt, teure Klamotten trägt und sich unbequeme Schuhe anzieht, nur um einen dummen/blinden Jungen zu beeindrucken.

 

Foto aus der Fernsehserie mit Zoras Bande und dem Fischer Gorian

Und dann spielt meine Jüngste in der einen Aufführung den Gorian. Wer ist Gorian?

Gorian ist der alte Fischer, der seine Fangrechte an „die Gesellschaft“ (Fangereigesellschaft ohne Namen) nicht abtreten will und deswegen allmählich verarmt. Da er nicht mehr so jung ist, durchschaut er verschiedene Manipulationen und Ungerechtigkeiten. Aus diesem Grund unterstützt er später die Bande.

In der anderen Aufführung ist sie KATA:

KATA wird als Hexe bezeichnet und ist Brancos Großmutter. Sie weiß allerhand über die Bewohner des Ortes, weil sie von ihr Mittelchen, Salben und Rat einkaufen. Sie verspricht die Zukunft zu kennen. Alle haben vor ihrer scharfen Zunge Angst, weswegen sie allein und abseits von den anderen mit einem Papageien lebt.

Die Geschichte beginnt mit dem plötzlich verwaisten Branco, um den sich niemand so recht kümmern kann und will. Als er vom Betteln und von Abfällen leben muss, wird er durch falsche Anschuldigungen des Kaufmanns Karamann verhaftet. Zora befreit ihn und nimmt ihn in ihrer Bande auf. So einfach ist es allerdings nicht, nun vielleicht davon leben zu müssen, andere zu bestehlen. Als es den „Vater Gorian“ trifft, den die Bande um ein Huhn betrügt, will er das nicht mitmachen. Zwischen der Bande und Gorian kommt es zu Freundschaften, denn Gorian findet in den Mitgliedern Helfer beim Fang, während die Kinder in ihm eine Helfer in der Not sehen. Gorian ist jene Figur, die die größeren Zusammenhänge zwischen Armut und Reichtum schafft, indem er die manipulativen Machenschaften Karamanns zum einen und das Wegschauen der Dorfgemeinschaft angesichts des Elends der Bande von Zora andererseits aufdeckt und tatsächlich Lösungen findet.

Lucy sah in der Figur jemanden, der eigentlich zu gut für die Welt war, weswegen ihm Unrecht geschieht durch die Gesellschaft und durch Karamann. Dass jedoch er es letztlich ist, der die Kinder vor der Verfolgung schützt, indem er sich für sie einsetzt, führt zur letztlichen Identifikation mit der Figur.

Proben zu dem Stück und Lucys Rollen

Bereits vor den Sommerferien begannen die ersten Arbeiten zu diese Achter-Projekt mit Vorarbeiten, Stückeauswahl und Rollenverteilung. Erstaunlich und auch befremdlich war mir, dass die Projektleiterin das Stück auf zwei Stunden ansetzte und dass sie zudem noch eine doppelte Besetzung einstudieren wollte. Das erschien mir nach meinen Erfahrungen gewagt, ich allerdings habe keine achtwöchigen Projektphasen sondern im Moment zwei Stunden Literaturkurs wöchentlich ohne Sonderproben während der Unterrichtszeit. Ich fragte mich nach dieser Eröffnung, wie das für die Spieler zu bewerkstelligen sein mag. Wieso tun es nicht 75 Minuten, wenn eine Pause für die Geldeinnahmen so wichtig ist (45 Minuten Spiel – Pause – 30 Minuten Spiel)? Können die Kinder diese Konzentration halten, die für Erwachene ebenso schwer ist? Werfen die Spieler nicht die Textpassagen durcheinander, wenn sie zwei verschiedene Rollen im gleichen Stück haben? Keine Frage, es gibt Stücke mit Rollenwechsel innerhalb einer Inszenierung, doch 2x die gleiche Inszenierung mit anderer Besetzung, in der jeder auch dann jemand anderen spielt und dann die Inszenierungen im Wechsel? Das nenn ich mal ein großes Vorhaben. Das birgt Probleme mit der Rollenindentifikation.

Wie dieser exemplarische Probenplan zeigt, hat die Theaterpädagogin von Anfang an die planerischen Aspekte voll unter Kontrolle. Beide Inszenierungen haben vom Umfang ähnlich viel Probenzeit eingeräumt bekommen. Sichere Planung ist die halbe Miete. Für den Bühnenaufbau hat sie darum bereits vor den Ferien vorgearbeitet. Da sie genau wußte, was sie wollte, lief auch der Bühnenaufbau glatt.

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Lucy bekommt zunehmend häufiger Anfälle, weil niemand seinen Text kann, keiner richtig zuhört und sowieso niemand spielt, sondern nur seinen Text herunterleiert. Ich sage ihr, dass sie den anderen Spielern Zeit lassen solle. Schließlich hat sie einen enormen Vorsprung mit all ihren Theaterspielen. Außerdem wolle sich niemand auf der Bühne blamieren, weswegen bei der Aufführung alles klappen würde. Sie würden sich erinnern, was die Lehrerin alles gesagt hatte und dann läuft das Stück. Lucy bleibt während der Probezeiten skeptisch und versichert, dass sie lieber bei (der) KAST oder irgendwo privat Theater spielt, aber Schultheater sei furchtbar.

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Aufbau der Utensilien durch Maskenbildnerin

Andererseits ist alles sehr professionell aufgezogen: Die Maskenbildnerin hat falsche Bärte angeklebt, Haare gefärbt und frisiert sowie Schminke aufgelegt. Die Kostüme waren ebenfalls angepasst, gefühlt 150 Jahre alt, dörfisch und südländisch. Die Eltern hatten bei all dem mitgewirkt, Requisiten zusammengetragen, Ausbesserungen von Kostümen und Bühnenarbeiten vorgenommen und nach Anweisung das Bühnenbild aufgebaut oder später die Kinder geschminkt. Aus meiner Sicht unterstützt dieses Rahmenprogram die Spieler darin, leichter in die Rolle zu finden.

 

DIE Hauptprobe mit Kritik an der Inszenierung

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Während der Hauptprobe

Dann sind die Haupt- und Generalproben öffentlich. Lucy sieht sich betrogen, fühlt sich ausgenutzt für den Tag der offenen Tür und möchte eine ehrliche Hauptprobe. Da ich anwesend war, kann ich das gut nachvollziehen. Die Spieler waren sehr verunsichert, weil Publikum kam und ging und vom Flur immer wieder ein Lärmrauschen durch die Aula drang.

Im Aufbau der Story waren für mich einige Szenen vom Sinn her unklar. Als Zuschauer fragte ich mich, wozu die Fremdgehszene nützt; wieso wir so wenig von der Zora erfahren; was die KATA-Szene 2 bewirken soll, was nicht auch durch eine Mauerschau repräsentiert werden hätte können; wieso nicht auf die Ungerechtigkeit von Fischerei-Gesellschaft und Fischer sowie Ungerechtigkeit arme mittellose Kinder und Karamanns Machenschaften als Schwerpunkt wählen und das nutzen? Ich habe in meiner Ausbildung gelernt (als Schriftstellerin und als Theaterpädagoge), dass es auf meine Prämisse und meine ERZÄHLABSICHT ankommt.

Eine Prämisse soll also aufzeigen, wie der Hauptkonflikt für den/die Protagonisten endet. Das heißt, es geht um die Hauptfigur, den zentralen Konflikt der Geschichte und das Endergebnis dieses Konflikts. Pro und Contra zu PRÄMISSE

Bei einem Roman, bei einer Fernsehserie kann ich ausschweifendes Erzählen und Nebenhandlungen als Rezipient verstehen, auf der Bühne ist das schwer, weswegen Aristoteles bereits vor 2000 Jahren nützliche Regeln einführte, die für das klassische Inszenieren noch immer Geltung besitzen: kurzer Erzählrahmen (ca. 24 Stunden), wenig wechselnde Ort (am besten nur einen), wenig Hauptpersonen (einen Hauptakteur + die Gegenfigur + einen Buddy + eine Liebesgeschichte); einen Erzählstrang. Zumindest das Fremdgehereignis zwischen Bäckerinehefrau und Polizist auszublenden, wäre sinnvoll gewesen, denn die Jugendlichen haben zu dieser Art Erwachsenenliebe noch keinen Zugang.

Der „Bühnenkampf“ war grotesk, zum Himmel schreiend laienhaft. Ein Bühnengeschubse trifft es am eheseten. Da ich gerne Bühnenkampf als Möglichkeit nutze, Bewegung auf die Bühne zu bekommen und damit viele Darsteller in eine Choreografie zu bringen, war ich sehr angegruselt. Mir ist klar, wie viel reale Zeit vom Probenkontingent verschwindet, wenn man einen Bühnenkampf richtig in Szene setzt:

  • Regeln aufstellen (mit 8ern die Hölle)
  • Vorübungen wie Folgen und Führen, Impulse setzen, Vertrauensübungen
  • Einfache Schlagtechniken trainieren (Boxen, Schubsen (muss auch gekonnt sein), Fallen, Ohrfeigen, Haareziehen)
  • mit einem festen Partner eine zum Stück passende Schlagabfolge festlegen in Reihenfolge und Form
  • das dann schön zusammen auf die Bühne stellen (wer kämpft wo, wie wirkt das von außen, Aufgänge, Abgänge, Auslöser für die Schlägerei und Übergänge?)
  • Musik unterlegen

Das Irgendwie-Geschubse fand ich zu laienhaft oder zu sehr Mädchen? Zur Bühnenkampfszene muss ich mich auch trauen, als Darsteller ebenso wie als Regisseur. Ich empfehle hier mal einen Kurs bei Ekki am Grend in Essen. Im Moment ist das leider die einzige Möglichkeit, aber ich arbeite dran. Auf jeden Fall entspannt der Kurs und ist sehr witzig und schweißtreibend.

Am Beispiel der Aprikosenszene möchte ich einmal darstellen, wie ich es gemacht hätte:

Beispiel: Eine Geschichte betrifft die Gymnasiasten, die die Aprikosen herumwerfen. Das hätten sie viel deutlicher als Streich, den sie gerade erst aushecken entwickeln können. Einer langweilt sich, interessiert sich nicht für die Briefmarken, jongliert die Früchte, als er sie entdeckt (Achtung Zirkusprojektverknüpfung) und ein zweiter will auch mal und dann kommt das Ganze in Fahrt. Der daraus resultierende Kampf mit den Bandenmitgliedern hätte mit dem Reißen vom Korb stattfinden können. Mitten drin, wenn schon Spieler am Boden bearbeitet werden, hätte ich Karamann auftauchen lassen, der sofort die Bande beschuldigt, die flieht (hätte mehr Drive und lässt sie ObstfplückereivomBürgermeisterobstbaum als unnötig löschen). Außerdem kann Karamann dann direkt nach der Schlägerei die Gymnnasiasten befragen, wer das mit SEINEN Früchten war. Die beschuldigen natürlich die Bande, was vielleicht der Bäcker später richtigstellt, indem er ihnen ein Alibi verschafft. Dann hätte ich Karamann seine Magd rufen lassen und vor den Zeugen Wirtin, Bäcker, Gymnasiasten und vielleicht noch Gorian abgestraft. Weniger Klamauk sicherlich, aber mehr Profilschärfe bei den Figuren, höhere Motivationen für die Figurenentwicklung.

Die Fischwerfszene habe ich auch nicht als komisch sondern als lächerlich empfunden, sicher waren die Kindergartenkinder von dem Klamauk begeistert. Für mich war es zu wenig ernstlich motiviert. Verstanden hätte ich, wenn irgendwann – beim Erlass vielleicht – alle die Polizisten mit den Fischen beworfen hätten, das wäre passend gewesen.

Das waren meine Hauptkritikpunkte, denn insgesamt gab es ebenso viele gelungene Momente. Das Uskokenlied war mir anschließend als Ohrwurm angehaftet. Ich war beeindruckt, die der Spieler Branko die erste Strophe allein intonierte, wie danach ebenfalls allein Zora die zweite Strophe sang. Als dann alle einstimmen und beide Strophen nochmals singen, ist das sehr berührend.

Aufführung 1…2… drei?

Mit der Premiere platzt dann auch der Knoten und die Klasse spielt als Gruppe zusammen. Lucy ist beruhigt und gibt zu, dass es jetzt doch auch Spaß macht mit dieser Klasse zu spielen. Das Publikum ist freundlich und so kommt es zu einem großen Erfolg. Erst die letzten beiden Shows sind öffentlich und somit für die Eltern zu sehen. Hier ist das Publikum besonders geneigt und geht sehr stark mit, wenn alle auf der Bühne singen. Es gibt häufig Zwischenapplaus und Lacher an den gewünschten Stellen. Nichts desto trotz sind es dann die kleinen Dinge, die mich als Theaterpädagoge bei der dritten und vierten Schau begeistern. Zum Beispiel rettete einer der Jungen die Zora, als sie vor lauter Lachen nicht mehr in ihren Text findet, indem er sagt: „Was Zora eigentlich damit sagen will, Vater Gorian …“ Hinter der Bühne erinnern sich die Jugendlichen an Einsätze, an Requisiten und an Ruhe. Auf der Bühne überspielen sie Wartesituationen, verpatzte Einsätze oder unruhige Momente; so erinnerte einer im Freeze einen anderen an Freeze.

Lucy hat natürlich sehr laut gesprochen, denn sie hat eine tolle Theaterstimme, doch auch die anderen haben das weiter entwickeln können seit der zu leisen Hauptprobe. Kritik habe ich vor allem am überintonierten Theatersprechen. Ich halte es lieber möglichst natürlich, damit die Spieler vielleicht schneller an ihre eigenen Gefühle kommen, wenn sie sich mit der Handlung ihrer Figur identifizieren. Den Bedeutungsheber an die Intonierung zu legen, scheint mir ebenso wie eine übergroße Gestik weniger förderlich, damit die Spieler ins Spiel finden.

Gab es bei der Hauptprobe noch die Schwäche, dass Gefühle nicht gespielt wurden, hier traf es nicht mehr in dem Maße zu: Zoras Eifersucht konnten beide Zoras wunderbar darstelllen, beide Gorians waren als Mittler und selber in Not Geratene überzeugend. Lea als Kata war sehr gut und sicher in ihrer Rolle, ebenso wie Lucy am folgenden Tag. Ich fand auf ihre unterschiedlichen Arten waren beide Karamanns deutlich als harte Kaufmänner erkennbar, doch sie hatten jeweils eine persönliche Note, die der Charakter der Spieler mitbrachte. Gleiches gilt für das Fräulein Slata (in welches sich Branko verliebt), für Branko und für den Bürgermeister, für die Wirtin, den Bäcker und die Gesellschafterin. Einzig die Gymnasiasten blieben außer als kleine arrogante Bösewichter etwas farblos zurück.

Wunderbar fand ich die musikalische Unterstützung live am Klavier, die so wenig aufdringlich und so passend wirkte. Dass Toni dann das Klavierspiel noch mit einem Geigenspiel (Slata auf dem Balkon mit Geige) unterstütze, war wirklich ausgesprochen schön. Die Spielerin tat in beiden Fällen nur so, als würde sie spielen. Beide Spielerinnen machten das jedoch sehr gut.

Trotz all meiner Kritik ziehe ich am Schluss das Fazit, dass ich mich diese Art der Umsetzung aus zeitlichen Gründen nicht getraut hätte – zu Unrecht, wie diese Inszenierung zeigte. Die Zeit hat für das wirklich sehr umfangreiche Programm ausgereicht. Dass nach allem, was man getan hat, noch immer nochmals und nochmals und nochmals einzelne Passagen perfektionieren kann, weiß jeder Regisseur nur zu gut. Und wo würden wir landen, wenn wir uns nicht mehr verbessern könnten? Auch ich – und sei es nur durch zuschauen – kann immer noch was lernen. Nächstes Projekt: Doppelbesetzung.