Füllstand nahe am Limit? Alles drin, wenn man das Limit erweitert …

Mein Kalender erinnert mich regelmäßig daran, dass ich einen Blogbeitrag schreiben will. Inhalte gibt es massenhaft, zu denen ich mich äußern möchte und doch leuchtet regelmäßig wie ein Warnblinker im Kalender diese „Aufgabe“ auf, die nicht erledigt ist.

In meinem Kalender mit den zukünftigen Blättern zeigt sich eine Fülle, die sich kaum noch managen lässt, dabei muss ich alles ja nur immer schön nacheinander abarbeiten. Es darf nur nichts mehr dazwischen kommen. Die Leerstellen sind seltener. Heimlich baue ich schon Fake-Termine ein, damit ich wenigstens dann mal was verschieben kann. Gutgemeinte Ratschläge und selbst auferlegte Übungen wie auch Büroarbeit, Tagebuchnotizen, kurze sportliche Dehnübungen, Cello-Übungseinheiten von 20 Minuten ebenfalls im Kalender zu phasieren und ordentlich darin unterzubringen, müssen ja notwendig scheitern, denn der Toilettengang, das Essen und Trinken, das Einkaufen, die Verkehrsüberwindungswege sind überhaupt nicht eingerechnet. Wie auch? Davon weiß mein Kalender und mein Kopf offensichtlich zu wenig.

Dann passiert auch Unvorhersehbares: Einfach so bricht Leben in die Planung: Plötzlich mischt der Körper sich als neue Instanz ein. Irgendwas hat er, um das man sich kümmern muss. Bedürfnisse von anderen wollen gehört, gesehen und erfüllt werden. Wie viel geht man da mit?

Ich liege oder sitze im Krankenhaus, abholbereit. Neben dem Aspekt, dass ich gerade eine Abfahrt genommen habe, die mich auf einen Parkplatz brachte, kann ich hier endlich mal ein paar Dinge abarbeiten und meinen Terminkalender durchforsten. Es ist gut, wenn die Fake-Termine auch für mich fake sind, sonst platze ich für den Kalender durch Überladung: Geburtstage, Tangoveranstaltungen, Kulturangebote, Interesse an Kino und Theater (wobei ich das schon so sehr runtergeschraubt habe), Familienevents, Sonderaufgaben (Umzug, Ummeldung, Kind bei Amt und Krankenhaus unterstützen, etc.), arbeitsbedingte Termine (Elternabend, Teamsitzungen, Sondertreffen, Tag der offenen Tür, etc.), Arztbesuche, Freunde besuchen … Oder was schlummert in deinem Kalender alles noch?

Die größte Freiheit, die mir das Jahr 2013/14 mit meinem Sabbatical gewährt hatte, war die Freiheit des leeren Kalenders. Wir mussten nie irgendwo zu einer bestimmten Zeit sein, außer Weihnachten in Portugal und März in Marokko. Alles war frei. Nichts musste besorgt, eingehalten, erledigt werden. Während Corona gab es das auch noch einmal, da kamen die Auflagen von außerhalb dazu, was die Freiheit stark einschränkte. Darauf zu hoffen, es würde sich im Alter wieder so entwickeln, ist ein Irrglaube, wenn ich die überbeschäftigten älteren Menschen sehe.

Und die Frage ist ja auch eher, was kann ich jetzt tun, wie kann ich mir in meinem Alltag jetzt schon Räume installieren, in denen ich nichts zu tun habe und nichts tun muss?

Darauf fehlt mir noch immer die eine Antwort. Die Lösung ist nicht, ins Ausland zu gehen oder weniger zu arbeiten (weil das nach der aktuellen Gesetzeslage gar nicht möglich ist) und sie liegt nicht darin, einfach weniger Termine zu machen. Was für einen Unsinn, denn wenn das möglich wäre, wäre ich schon längst Profi darin.

#Überfülle!

Darum geht es eigentlich. Und wenn ich mich umschaue, dann sehe ich bei den Männern in nächster Nähe, dass entweder die Frau den Kalender füllt, oder sie gar nicht so viele Termine haben. Ein Ex-Freund von mir hat es gehasst, dass ich immer unterwegs war und auch noch voraussetzte, dass er mitzieht. Seit wir nicht mehr ein Paar bilden, hat er nur noch einen Bruchteil an Terminen. Wie ein alter Mensch lebt er zurückgezogen und sieht selten jemanden. Aber ist das hier wirklich geschlechtlich zu differenzieren? Ich hoffe nicht, ich suche ja eine Lösung.

Meine Analyse zeigt, dass es Wunschtermine gibt oder Wunschveranstaltungen, die im Jahr verstreut mehr oder weniger viel Bedeutung haben und deren Wahrnehmung mir mehr bedeuten als bei anderen Terminen: ein besonderer Ball, der Besuch von Phantasialand mit meiner Familie, ein vorbereiteter Spieleabend, ein Urlaub, ein Segelwochenende, um nur einige zu nennen. Dann gibt es Termine, die sind wichtig, nicht schön, aber wichtig: Der 70. Geburtstag von XY, der OP-Termin, der Tag der offenen Tür. Dazu gibt es noch Termine, die sind wiederkehrend einfach da und man tut sie aus Gewohnheit, aus Pflicht und aus Spaß in sonderbarer Mischung: Weihnachtsmarktbesuch, Ritualisierte Termine, Treffen zum Kegeln, zum Tango, zum Spielen, der Besuch von Kursen aller Art (Kunst, Sport, Weiterbildung, Tanz, etc.) … Und wer all das nicht hat, den nenne ich einen Zeitvagabunden – solch ein Mensch ist frei. Sehr viel freier als ich zumindest. Das Übermaß an Angebot und das Bedauern darüber, dass die Zeit nur einmal mit meiner Anwesenheit erfüllt und ausgefüllt werden kann, irreversibel ist, lässt mich oft Hinterherhecheln hinter all den Ereignishorizonten meines Kalenders. Und bedauerlich stell ich fest, wie der digitale Kalender mir ermöglicht, selbst das Verstreichen und Vorübergehen eines Events mitzuerleben, noch während ich zeitgleich ein anderes besuche.

#Stadt vs. Land

Eine arrogante Einbildung gestattet mir, zu glauben, dass es außerhalb der schnelllebigen Großstadt anders wäre. Natürlich lebe ich in der Großstadt. Eine ländliche Kleinstadt wie Iserlohn hielte ich kaum aus. Schützenverein statt Tangoverein, Doppelkopf in der Dorfpinte statt Spieleverein, Kleinkunstbühne statt selbst bei einer Improgruppe mitzumachen oder Theaterpädagogy zu werden.

Nachteile gibt es natürlich auch, aber die VOOOOORteile, diese immensen Vorteile, die überwiegen jedes Leid. Ich lebe gern in der Stadt. Das Angebot ist groß, die Menschen ignorant und tolerant. Ich muss mich nicht anpassen und kann meinen Spleen ausleben, so viel und oft ich will. In was für ein Dorf könnte ich auch schon passen?!

Bleiben wir doch ein bisschen bei der Idylle des Landes, dann finde ich dort auf jeden Fall meine Ruheinseln, meine Ruhemomente. Ablenkung finde ich überall, aber wenn mich der Terminkalender vorantreibt und ich den Angeboten, den Ereignissen und den Verpflichtungen hinterherrenne, bin ich auch nur Sklave und nicht Herr über meine Zeit. Wenn ich noch das New-Age-Design-Konzept von „Work-Live-Balance“ in meinem Hirn Ping-Pong spielt, dann steh ich kurz vor einem Freizeit-Burnout. Und dann erinnere ich mich an unsere Anfang 30er, die aktuell dieses Work-Live-Balance-Thema für sich zu einer heiligen Kuh erhoben haben und erklären, dass sie deswegen lieber mal die Alten schuften lassen, als selbst mehr als nötig arbeiten, weil doch das „Live“ in dieser Balance-Geschichte definitiv groß geschrieben ist und sie auch mit 80 Jahren noch knechten müssen. Ich will gar nicht sagen, dass dieses „Live“ oder das was wir früher profan nur Freizeit nannten so viel Übergewicht bekommen hat, dass es gut wäre, wir würden uns davon ein wenig Luft machen, befreien. Notwendig wäre, die Aktivitäten zu reduzieren, also Ballast abwerfen, um Balance zu finden und Aufwind zu bekommen. Die Theorie ist also damit klar, aber was bedeutet das in der Praxis, außer dass ich meine Termine nun auch noch für eine bessere Luft weniger machen sollte?

Hört mich jemand da draußen und hat Ideen, die mir noch nicht gekommen sind?

Freu mich auf Kommentare.

Scarlett

Segel hissen und gleiten lassen – eine Allegorie für das Leben

Ringsum Wasser, schlammgrünlich im IJsselmeer, in der Sonne kleine Glitzerpunkte überall, am Bug schäumt das Wasser leicht auf und verkräuselt sich. Und man kann nichts tun als es zu genießen, als zu liegen oder zu sitzen und zu genießen, was das Leben dir gerade bietet. Natürlich kann ich dabei Lesen, quasseln oder ein paar Notizen machen, doch irgendwann fängt dich das Meeresrauschen mit dem leisen Säuseln in deinem Ohr „Pause, Pause, Pause“ oder „Wozu? Wozu? Wozu?“ ein.

Was für eine Lebensallegorie erzählt uns dieser Moment, dieser eine, den ich festhalten möchte?

Foto von Monika Maria Luisa Schmidt 2023

Es ist einer jener Glückmomente, die ich wie kleine Perlen sammle und am Ende des Tages betrachten will. Diese gesammelten Glücksperlen sollen mich einst noch einmal glücklich machen, wenn es langsam in meine Kopf zu dämmern beginnt und wenn ich nur noch die Erinnerungsreisen antreten kann.
Ich strample mich im Alltag ab, möglichst viele kleine Oasen der Entspannung zu finden, möglichst in der Gegenwart zu verweilen und doch ist es eine der schwersten Disziplinen. Meditation, Yoga, Besinnung auf den Moment, auf den Tag, nicht in die Zukunft eilen, nicht in der Vergangenheit weilen und dazwischen nicht nur träumen, von etwas, was nicht ist und nicht kommt. Nicht zu viel planen, nicht zu viel organisieren, nur auf das Überschaubare setzen und doch: das Musical, der Umzug, das große Aussteigen 2025, die Optionen danach, die Chancen danach, die Angst davor, hier noch eine Tangoreise – vielleicht eine letzte – und KAST noch einmal als Teilnehmerin, der Roman, der nächste Roman, die nächsten Texte, die Ausschreibung im Winter und jetzt jetzt jetzt. Kaum häng ich einer dieser vielen Baustellen nach, öffnen sich kleine zusätzliche Baustellen, wie von Geisterhand. Dazu dann die Sorge, dass ich den Überblick verliere, dass meine Listen nicht gut sind, dass ich mehr und schneller was tun muss.

Dann das Segeln. Wie einfach kann es sein, aus der Zeit zu fallen. Der Blick verläuft sich in der Weite, kaum etwas auszuwerten, kaum etwas zu bedenken, zu entschlüsseln. Der Wind trägt alle nicht zu trägen Gedanken einfach fort und übrig bleibt dieses „Ah, ist das schön“.

Also dieses Wochenende – ich will das nicht verhehlen – hatte noch mehr zu bieten. Olli ist ein Meister in der Küche, er verzückt und verwöhnt unsere Gaumen. Andre, Barnie und Jonas sind sehr lustige Menschen, die die Heiterkeit der Gruppe befördern, bis man Bauchschmerzen bekommt. Leon ist reifer geworden, interessant, ihm zuzuhören. Yvonne meistert die Gesprächstiefen; der Rest geht auf in Wolken der leichten sprudeligen Sorglosigkeit netter Unterhaltungen. Hier und da werden Impulse gesetzt, kommt es zu ungeahnten Tiefen, die jedoch keine Schwere bieten. Alle Frauen sind herzlich und offen, Franzis Liebe und Sorge zu ihren Kindern wäre zu nennen, ebenso wie Jennys Freude an der Unabhängigkeit für eine Woche oder Monikas Bestimmtheit bei feministischen Themen und ihren guten Blick für Fotos (wie dieses hier). Insgesamt also ein Wochenende der Bereicherung und Entspannung.

Foto von Monika Maria Luisa Schmidt 2023

Oh, ich will das wieder haben … wieder ein Wochenende entspannt auf Deck liegen, an Tauen ziehen, in der Küche den Abwasch nach einer superleckeren vegetarischen Bolognese machen und wieder mich in den Schlaf schaukeln lassen. Ich will wieder durch eines dieser verträumten süßen kleinen Orte schlendern und ein Bier trinken, dass hier viel zu süß wäre. Ja ich will.